7 - #ElsiesSelfieZirkus

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Nachdem Mile meinen armen Pou mit ungesundem Fraß fettgefüttert hat, begleiten wir das außerirdische Wesen in sein Schlafzimmer und knipsen dort die Lampe aus. Direkt wird der Raum dunkler und Pou schließt müde seine zittrigen Glubschaugen.

Das ist unser Zeichen, um zu gehen. Natürlich könnten wir auch die verschiedenen Mini-Spiele ausprobieren und Geldmünzen sammeln, aber darauf haben wir beide keine Lust. Außerdem gibt es noch genug andere Apps, die auf uns warten.

Obwohl ich eigentlich damit an der Reihe wäre, eine neue App auszuwählen, überlasse ich Mile den Vortritt. Einfach, weil er voller Tatendrang ist. Und als Dank für seine Toiletten-Rettungsaktion.

Es dauert ein paar Minuten, bis er sich entschieden hat, doch letztendlich fällt seine Wahl auf eine bunte Kachel, in der das Symbol einer Kamera zu sehen ist. Darunter steht in gut leserlichen Buchstaben das Wort Instagram geschrieben.

Sieht so aus, als würden wir einen erneuten Ausflug in meine Privatsphäre machen. Yeah, ich freue mich. Nicht!

Im Einklang mit meinen Gedanken berührt Mile die bunte Kachel, sodass ich nur einen Wimpernschlag später in einen Mantel aus Dunkelheit gehüllt werde. Nach wie vor ist es beängstigend und faszinierend zugleich, so schwerelos wie ein Astronaut durch die Finsternis zu gleiten.

Vielleicht sollte ich meinen Berufswunsch als Journalistin nochmal überdenken ...

Kaum hat sich der schwarze Schleier wieder gelegt, ploppt ein Foto von meinem Lieblingseishockeyspieler Cole Turner auf. Nur wenige Millimeter vor meinem Gesicht.

Der attraktive Mann mit den tiefbraunen Teddyaugen, den niedlichen Grübchen und den wilden Locken steht mitten auf der Eisfläche. Statt sein gelb-blaues Trikot mit dem Logo der Iceberg Raiders zu tragen, ist er oberkörperfrei und stellt sein antrainiertes Sixpack zur Schau.

Uh, heiß!

Cole hat sich außerdem eine rote Rose zwischen die Zähne geklemmt und streckt seine rechte Hand in Richtung Kamera aus. So, als würde er den Betrachter des Fotos - in diesem Fall mich - zu einem Tanz auffordern wollen.

Als Bildunterschrift hat er die typische Floskel Would you be my Valentine? verwendet. Und natürlich ein Rosen- und Herzemoji.

Gott, bei diesem himmlischen Anblick werden meine Knie direkt weich wie Wackelpudding. Eishockeyspielern kann ich einfach nicht widerstehen.

„Na, Eiskönigin?", lässt Mile meine rosaroten Zuckerwattegedanken verschwinden, indem er mich belustigt von der Seite anstupst. „Wäre das nicht auch ein potenzielles Foto für deinen NHL-Ordner?"

Ich spüre, wie sich eine unangenehme Hitze in meinen Wangen ausbreitet und senke deshalb peinlich berührt den Kopf. War ja klar, dass mich Mile nochmal mit den halbnackten Eishockeystar-Bildern aufziehen würde ...

Damit er sich mir gegenüber nicht überlegen fühlt, presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: „Das geht dich gar nichts an!"

Wenn er schlau ist, wird er sich allerdings denken können, dass dieses Bild von Cole Turner mit einer Wahrscheinlichkeit von 100% in mein Album gewandert wäre. Und nein, nicht für Fantasien im Bett, sondern für meine Eishockey-Romane und meine Augen. Vielleicht auch noch für meinen Mund, denn bei dem Anblick von Cole könnte ich jederzeit lossabbern.

„Das werte ich einfach mal als ein Ja", grinst mich Mile frech an. Kurz schweigt er, bis er mit einem anzüglichen Zwinkern hinzufügt: „Wenn du willst, kann ich auch mal ein paar ganz besondere Fotos für dich aufnehmen, Eiskönigin. Glaub mir, in meiner hautengen, roten Boxershorts sehe ich zum Anbeißen heiß aus!"

Oh, verdammt! Warum gefällt mir dieser Gedanke mehr, als er sollte?

Aus Angst, die Kontrolle über Körper und Geist zu verlieren, zeige ich Mile einen Vogel. „Du tickst ja nicht mehr ganz sauber!", schnaube ich möglichst angeekelt. „In meinem heiligen Album ist nur Platz für heiße Eishockeyspieler! Typen wie du haben da nichts verloren."

Mile zieht entrüstet die Luft ein und fasst sich gespielt verletzt an sein Herz. „Autsch!", jammert er. „Sei doch nicht immer so gemein, Eiskönigin."

Für ein paar Sekunden hält er seine leidende Miene aufrecht. Dann stiehlt sich jedoch das typische Grinsen zurück auf seine Lippen und er raunt: „Na ja, insgeheim wissen wir beide sowieso, dass ich der heißeste Eishockeyspieler in deinem Album wäre. Und damit Basta!"

Bevor ich Miles Aussage entkräften oder etwas darauf erwidern kann, macht er einen großen Schritt auf die Leinwand zu und tippt zweimal auf das Foto von Cole Turner, sodass ein weißes Herz über seinem Gesicht erscheint.

„Das ist ein Mitleids-Like", erklärt mir Mile. „Weil er keine Chance gegen mich hat."

Wow, Miles Ego wird echt immer größer. Wenn er nicht aufpasst, reicht es bald schon bis zum Mond! Und nein, das ist nicht positiv gemeint.

Kurz sieht es so aus, als würde der Idiot Instagram schon wieder verlassen wollen, da landet sein Blick plötzlich in der rechten, unteren Ecke, wo sich ein erbsengroßes Foto von mir befindet. Auf dem Bild spitze ich meine Lippen zu einem Kussmund und zeige das Peace-Zeichen in die Kamera. Da ich einen Filter verwendet habe, schweben mehrere pinke Herzchen um meinen Kopf herum.

„Nettes Profilbild", ärgert mich Mile mit seinen wackelnden Augenbrauen. „Ich wusste gar nicht, dass du auch so eine Duckface-Mitläuferin warst."

„Ach, halt die Klappe!" Ein besserer Konter kommt mir leider nicht in den Sinn.

Lachend tippt Mile auf das Kussmund-Foto, sodass wir auf mein altes Instagram Profil weitergeleitet werden. Oh je, ich ahne Böses.

Meine Gedanken bestätigen sich nur eine Sekunde später, als Mile prustend fragt: „ElsiesSelfieZirkus?"

Ich drehe meinen Kopf in seine Richtung und stelle fest, dass sich vereinzelte Lachtränen aus seinen Augen lösen. „Übertreib mal nicht!", gifte ich ihn genervt an. „So lustig ist der Name nun auch wieder nicht."

„Oh doch!"

Ich war damals zehn Jahre alt, als ich mich ElsiesSelfieZirkus auf Instagram genannt habe. Und ja, ich war genauso schlimm wie Mile und habe jeden Tag mindestens 20 Fotos gepostet. Deshalb auch SelfieZirkus.

„Kann ich dir einen Tipp geben, Eiskönigin?", fragt mich Mile plötzlich wieder todernst. Er wischt sich die Lachtränen von den Wangen und fängt meinen überraschten Blick auf.

Ob ich Angst haben sollte? Wahrscheinlich schon.

„Schieß los!", fordere ich ihn dennoch auf, da meine Neugierde zu groß ist.

Miles blödes Grinsen kehrt zurück, als er zwischen mehreren Lachern hervorbringt: „Wenn du dein Profilbild zu einem Clown änderst, passt dein SelfieZirkus wenigstens zur Hauptattraktion!"

„Ernsthaft?!", erwidere ich gereizt. „Ein besserer Spruch fällt dir nicht ein?" Ich täusche ein gelangweiltes Gähnen vor, um nicht aus Versehen zu lachen. Denn eigentlich hat mir sein Spruch gutgefallen. Aber das werde ich dem Idioten natürlich nicht unter die Nase reiben!

Ein paar Minuten verstreichen, in denen Mile über seinen eigenen Witz lacht, bis er sich irgendwann wieder fängt. „Dann wollen wir doch mal schauen, was für hübsche Bilder du so gepostet hast, Zirkus-Queen", flötet er mit seiner besten Sing-Sang-Stimme. Noch in derselben Sekunde scrollt er auf meinem Profil bis ganz nach unten, wo mein allererster Beitrag zu finden ist.

„Süß", kommentiert Mile mit einem Zwinkern.

Auf dem Foto, das er sich gerade anschaut, bin ich ungefähr zehn Jahre alt und sitze auf der Schaukel in meinem Garten. Vier merkwürdige Zöpfe, die wie Antennen aussehen, stehen von meinem Kopf ab, ich strecke meinen erhobenen Daumen in die Kamera und präsentiere voller Stolz mein hübsches Zahnspangen-Lächeln. Zur Krönung trage ich eine rote Latzhose, die mit Gänseblümchen bedruckt ist, und ein grün-weiß gestreiftes T-Shirt.

Oh Gott. Bin das wirklich ich?

Abgesehen von den straßenköterblonden Haaren und den mintgrünen Augen ist nicht mehr viel von meinem Vergangenheits-Ich übriggeblieben. Zum Glück!

Nachdem Mile das Bild geliked hat, schaut er sich natürlich noch die anderen Fotos an. Schon ab dem vierten Beitrag beginnt dann auch das SelfieZirkus-Grauen.

Auf jedem einzelnen Bild verziehe ich mein Gesicht zu einer komischen Grimasse und zeige das Peace-Zeichen. Außerdem habe ich jedes verdammte Mal irgendeinen Filter benutzt, der entweder mein Gesicht verformt oder Herzchen und Blumen um meinen Kopf schweben lässt. Auch Hasen- und Hundeohren tauchen regelmäßig auf.

Als wäre das alles nicht schon peinlich genug habe ich meine Fotos mit völlig unpassenden Hashtags versehen.

#Instagirl. #Instafame. #Instalife. #InstaElsie. #LikeforLike. #FollowforFollow. #SelfieZirkus.

Oh man. Sobald ich wieder zuhause bin und nicht mehr in diesem dämlichen Handy feststecke, werde ich meinen alten Account löschen. So viel steht fest!

„Wow!" Im Gegensatz zu mir ist Mile natürlich nicht peinlich berührt, sondern amüsiert sich köstlich. „Du hättest echt Influencerin werden können, Eiskönigin."

„Sehr witzig", erwidere ich schnaubend. „Super-Influencerin Elsie, die kein einziges Bild ohne Filter postet. Ein riesiges Vorbild für kleine Kinder!"

„Ach was, so schlimm ist es gar nicht!"

Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen scrollt sich Mile durch die verschiedenen Fotos. Es dauert mehrere Minuten, bis er bei dem neusten Beitrag angekommen ist. „Hey, das ist ja unsere Mannschaft!", stellt er überrascht fest, während er auf das Bild klickt.

Tatsächlich ploppt nun ein riesiges Foto von unserem Eishockeyteam vor meinen Augen auf. Wir stehen gemeinsam in unseren dunkelblauen Trikots auf dem Eis und grinsen gutgelaunt in die Kamera. Auch unser Maskottchen Slapshot Steve hockt in der vordersten Reihe.

Das Bild ist vor ungefähr fünf Jahren entstanden. Nach dem Halbfinalspiel eines wichtigen Turniers. An unseren strahlenden Gesichtern ist zu erkennen, dass wir erfolgreich waren und uns für das Finale qualifiziert haben.

Welches wir leider haushoch verloren haben ...

„Moment mal", murmelt Mile nach einigen Sekunden verwirrt. „Wo bin ich denn da? Ich war doch auch beim Ice-Cup dabei."

Äh ja, das ist eine ausgesprochen gute Frage ...

Natürlich weiß ich ganz genau, dass ich Mile rausgeschnitten habe, weil er zufälligerweise links außen stand, aber fürs Erste beschließe ich, mich dumm zu stellen. „Puh, keine Ahnung", säusele ich gespielt unschuldig und setze mein bestes Engelslächeln auf.

Leider scheinen Miles Gehirnzellen aber zur Abwechslung mal prächtig zu funktionieren, denn nach kurzer Bedenkzeit fragt er mich: „Hast du mich etwa rausgeschnitten?"

Upps. Die Versuchung war einfach zu groß.

Da es keinen Sinn ergeben würde, mich rauszureden, nicke ich. „Jap."

„Warum?", möchte Mile sofort wissen.

Ich seufze genervt. Dann antworte ich ihm: „Weil du mich dafür ausgelacht hast, dass ich meinen Penalty Shot verschossen habe."

Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich damals von meinem Gegenspieler; einem Zwei-Meter-Schrank-Typen; gefoult wurde und deshalb einen Strafstoß ausführen durfte. Da ich furchtbar nervös war, immerhin ging es um den Einzug ins Finale, habe ich nur den linken Torpfosten getroffen.

Nachdem das Spiel abgepfiffen wurde, konnte es sich Mile natürlich nicht nehmen lassen, auf meinem missglückten Penalty Shot herumzuhacken. Die ganze Zeit hat er mich provoziert und als schlechte Eishockeyspielerin dargestellt. So lange, bis ich mich selbst wie eine Versagerin gefühlt habe und zur nächsten Toilettenkabine flüchten musste, um meiner Frustration in Form von Tränen Ausdruck zu verleihen.

„Ich habe dich nicht ausgelacht!", behauptet Mile nun frecherweise.

„Wohl!", halte ich dagegen.

„Nein." Mile schüttelt seinen Kopf, sodass seine honigblonden Locken wild umherwirbeln. „Ich habe dich höchstens geneckt. So wie du mich geneckt hast, als ich im Viertelfinale das Gleichgewicht verloren und einen Eins A Bauchklatscher vor dem gegnerischen Torwart hingelegt habe." Mile hält inne und runzelt seine Stirn. „Oder hast du mich gar nicht geneckt, sondern ausgelacht?"

Verdammt! Seit ich Mile kenne, hat er ein Talent darin, mich mit Worten zu verletzen. Manchmal richten seine Aussagen einen größeren Schaden an und manchmal einen kleineren. Fakt ist jedoch, dass seine Worte jedes Mal einen winzigen Teil meines Herzens zerstören.

Und jetzt, nach all den Jahren, in denen ich mich damit abgefunden habe, dass Mile Harrison der größte Idiot des Planeten ist, möchte er mir weißmachen, dass er mich nie geärgert, sondern nur freundschaftlich geneckt hat?

Scheiße ist das bescheuert!

Ich fühle mich total dumm, aber dass Mile vielleicht gar keine bösen Absichten hatte, ist mir nie in den Sinn gekommen.

„Eiskönigin?" Bei dem Klang meines Kosenamens zucke ich zusammen. Ganz langsam schaue ich zu Mile, der mich abwartend aus seinen blauen Augen anblickt.

Ach ja, da war ja was ...

„Äh, natürlich habe ich dich auch nur geneckt", behaupte ich, obwohl es gelogen ist. „Und keine Sorge, das Foto wird gelöscht, wenn wir wieder zuhause sind."

„Gut." Mile schenkt mir ein Lächeln, das ich nicht richtig deuten kann. „Dann wäre das ja geklärt."

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