36« Tears

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Davis schien die Lichtung mit einem schönen Tag aus seiner Vergangenheit zu verbinden.
Er lächelte und schaute sich neugierig in der Umgebung um, geflutet von Gedanken, die ihm zurück in den Sinn kamen. Wir hatten nach meinem Geständnis mitten auf der Straße angehalten und uns lange in die Augen gesehen. Ohne ein Wort war Davis dann irgendwann ausgestiegen, hatte mir die Tür aufgehalten und gesagt, dass er mir etwas zeigen wolle. Und hier waren wir nun. Mitten im Wald.
Ich konnte meine Gedanken nicht still halten. Das, was ich vorhatte zu tun, kostete mich Kraft und sehr viel Mut. Aber ich war bereit.

Tief in mir drinnen fühlte ich all die über Jahre aufgestaute Last, die endlich frei sein wollte. Ich wollte, dass sie frei war.

Davis hatte recht. Ich sollte nicht in mich hineinfressen, was mich kaputt machte. Wenn ich wirklich leben und irgendwann nicht mehr weinen wollte, wenn ich an Jane dachte, dann musste ich endlich anfangen zu reden. Mein Mund musste endlich aussprechen, was ich mir tagtäglich dachte.
Ich hatte genug gelitten, genug für mich allein. Nun musste ich beginnen mit allem abzuschließen, mit meinen Tränen, meiner Trauer.
Meine Familie hatte es verdient eine goldene Erinnerung zu werden, die ich mit einem Lächeln im Herzen trug und immer dann hervorhob, wenn etwas Schönes in meinem Leben geschah. Ich sollte nicht um sie weinen, das wollte niemand sehen. Nicht einmal ich.
Was genug war, war genug.

Vielleicht beging ich gleich einen Fehler. Vielleicht holte mich meine Naivität ein und ich bereute schon bald, mich so wohl in Davis Nähe zu fühlen. Sicher wäre es das beste sich von ihm fernzuhalten, ihn nicht zu mögen und ihn nicht so nahe an mich heranzulassen, aber unsere erste Begegnung war nur noch ein blasser Vergleich, mit all der Mühe, die sich Davis gab, um mir mein Leben ohne Jane irgendwie erträglicher zu machen.

Die Woche in England war eine Pause gewesen, die mir unglaublich gutgetan hatte und mich noch näher an Davis geschweißt hatte. So liebevoll, fürsorglich und freundlich war er mir noch nie begegnet.
Morgens hatte er für mich Frühstück gemacht, mich rundum versorgt und verwöhnt und getröstet und jeden Tag hatte er etwas anderes geplant, um mich abzulenken und mir Bath zu zeigen. Die Stadt war wundervoll und auch Davis Familie war unglaublich freundlich und nett, dass ich gar nicht anders konnte, als sie zu lieben.

Davis Familie und auch sein Wohnort erinnerten mich stark an meine eigene Familie und die gemeinsame Zeit, die wir gehabt hatten. Daniel und Gray waren wie Geschwister geworden und Kate war eine exakte Kopie von meiner Mutter. Sie war herzlich, aufgeschlossen und von Natur aus ein unglaublich neugieriger Mensch. Sie hatte Temperament und ich bewunderte, wie gut sie ihre Männer Zuhause im Griff hielt. Mein Dad hatte es mit drei Mädchen auch nicht immer leicht gehabt, obwohl Jane in seinen Augen nie ein Pubertärer-Teenager geworden war.

Charlie blühte in Gegenwart seiner drei Söhne auf. Es war deutlich zu sehen, dass die Familie sich liebte, denn sie alle sahen so unbeschwert und glücklich aus und es schien, als wäre jedes Problem kleiner, sobald sie beieinander waren.
Charlie und Kate waren wie meine Eltern. Abends saßen sie gemütlich auf dem Sofa, nachmittags jäteten sie ihren Garten und morgens bestanden sie auf ein gemeinsames Frühstück. Ich war sehr gerne in ihrer Nähe, hatte mich am letzten Abend stundenlang mit beiden unterhalten und war froh, dass sie mich nicht Klischee mäßig ausfragten, sondern einfach in ihren Alltag integrierten. Ich war von Anfang an in ihrer Mitte willkommen gewesen und ich wusste nicht, ob Davis sie über meine Schwester und Familie informiert hatte, aber unsere Gesprächsthemen waren nie in diese Richtung verlaufen.
Dafür war ich sehr dankbar.

Ich hatte nicht gelogen, als ich Davis vor einer knappen halben Stunde gesagt hatte, dass er der Einzige war, dem ich fähig wäre von meiner Vergangenheit zu erzählen. Er war der Einzige, dem ich im Moment kompromisslos vertraute, zu dem ich mich hingezogen fühlte und geborgen, dass ich ihm mein Leben anvertrauen würde. Er hatte es verdient Antworten auf die Fragen in seinen Augen zu bekommen. Antworten auf die Fragen, die er sich nicht traute auszusprechen.
Antworten, die mir ein Messer in die Brust rammen würden, aber das mussten sie.
Es war nötig sich zu verletzten, um dann zu heilen.

»Hier geblieben.«
Davis sanft belustigte Stimme durchbrach meine versunkenen Gedanken und erst als er meine Hand nahm und mich sanft zurückzog, bemerkte ich, dass wir längst dort angekommen waren, wo mich Davis hatte hinführen wollen.

Sein Kopf war in den Himmel gerichtet. Eine sternenklare Nacht vertrieb jede Gewitterwolke und für Seattles Wetterverhältnisse, war diese Himmelsdecke etwas ganz besonderes. Davis zog mich zu sich und umarmte mich von hinten ohne dabei seine Augen von den Sternen abzuwenden.
Ich lehnte meinen Kopf mit einem glücklichen Lächeln gegen ihn und folgte seinen grünen Smaragden in die Höhe.

Wie war es möglich nach allem, was am Anfang zwischen uns passiert war doch so glücklich in seiner Nähe zu sein?
Wie war es möglich, dass mich Davis Dinge fühlen ließ, die der Liebe sehr ähnlich kamen?
Wieso gerade er? Wieso jemand, der mich erst verletzen musste, um zu sehen, dass er mich doch mochte. So war es doch, oder?

Wie gerne hätte ich eine Antwort auf diese eine Frage in meinem Kopf. Sie schwirrte mir seit der Nacht im Kopf, in der ich ihn gebeten hatte, bei mir zu bleiben.
Was sah er in mir?
Gefiel ich ihm? War er aus Mitleid hier?

Letzteres konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. So, wie ich Davis die letzten Tage kennengelernt hatte, war er ein völlig anderer Mensch, wenn man ihn persönlich und nicht von einem Plakat kannte. In der Stadt war er ein mysteriöser Milliardär, der unglaublich gutaussehend war.
In Videos sah er immer so ernst aus, Pokerface und attraktiv kühl, dass es kaum möglich war dahinzuschmelzen. Doch gerade jetzt, war er nicht Davis Harson, sondern der Mann, der mir auf eine Weise das Leben gerettet hatte, der mit mir weiter geschwommen war, obwohl mir ertrinken so unglaublich leicht fiel, der mir täglich mehr den Verstand raubte, der mich zum Lachen brachte, der einfach da war.

Ich hatte Angst gehabt, nach Janes Gehen nicht nur mich selbst, sondern auch alles um mich herum zu verlieren. Mein Leben ergab keinen Sinn, wenn ich nach Hause kam und keiner auf mich wartete oder wenn ich Geld nur für mich selbst ausgab. Ich hatte mein Zuhause verloren, denn die Wohnung war nicht annähernd ein Ort an dem ich mich willkommen, geborgen und geliebt fühlte. Mir grausten die Gedanken, schon bald wieder dorthin gehen zu müssen.
Ich wollte nicht, dass es endete.

Vielleicht war es langsam zu kitschig und zu romantisch und zu unwirklich. Aber für mich war die Beziehung zwischen Davis und mir ganz klar vor Augen.
Das Leben war eben kitschig und jeden Tag überraschte es mich mit unglaubwürdig schönen Dingen. Aber ich log nicht, die Wahrheit war schlicht ergreifend überwältigen. Kaum zu glauben, aber war. Die Tage waren wir ein erfüllter Traum.

Jemand der mich liebte, der mich tröstete, der mich küsste, umarmte, wertschätzte, brauchte. Ich fühlte mich gebraucht und ich brauchte zugleich. Es war ein faires Geben und Nehmen. Es waren er und ich.

»Ich habe dir nie gedankt«, flüsterte ich und realisierte, dass ich mir wirklich nie bedankt hatte.
»Da gibt es nichts zu danken, ich danke vielmehr dir.«
»Wofür?«
»Dafür, dass du mir eine Chance gibst.«
Ich schüttelte missbilligend den Kopf. Was denn für eine Chance?
Er hatte sich diese Art von Entschuldigung selbstverdient, ich hatte damit überhaupt nichts zu tun.
»Ich habe dir keine Chance gegeben, du hast sie Dir genommen, so, wie es sein sollte.«
Er zog mich enger und küsste mein Haar. Ich lächelte. Das machte er immer und ich lächelte darüber immer. Wir waren kein Paar, zumindest nicht offiziell. Es war wirrend.

»Früher bin ich fast jeden Tag hierhergekommen. Seattle stresst mich manchmal und diese Lichtung irgendwo im nirgendwo ist eine gute Möglichkeit sich abseits von Fremden wieder zu entspannen. Ich bin meist die ganze Nacht hier. Ich liebe es, wenn die kalte Luft mich kühlt und das Gras meine Kleidung grünt. Ich liebe ganz einfach die Ruhe und das Alleinsein.«
»Du bist aber nicht alleine«, stellte ich klar und kniff seine Hand, um seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Er war nicht allein.

»Ich weiß, aber Alleinsein ist auch nicht halb so schön wie mit dir zusammen zu sein. Ich würde alles mit dir teilen, alles ist besser mit dir, auch dieser Lieblingsort.«
»Mein Lieblingsort ist ein Ort, den ich nicht ertrage«, erzählte ich und merkte schon jetzt, wie meine Stimme rauer wurde.

War das jetzt der Anfang?
Davis kommentierte meine Aussage nicht. Entweder wollte er mich nicht reden hören oder aber er forderte mich auf eine stumme Weise auf, fortzufahren. Ich sah seine Stille als Aufforderung.
Reden ...

»Mein Lieblingsort ist der Strand in San Francisco.
Jeden Abend saß ich mit meiner Mutter im Sand, habe den Sonnenuntergang bestaunt und mich von ihr in den Schlaf singen lassen. Sie hatte mich lächelnd hin und her gewogen, ich erinnere mich an ihre Grübchen, wenn sie mich sah und an ihre glänzenden Augen, wenn sie an unsere Zeit zusammen dachte. Ich liebe meine Mutter. Sie war jemand ganz besonderes, ein lebendiger Sonnenschein auf dieser Erde, der sein Lächeln auch dann nicht verlor, als er todkrank und mit blassem Gesicht an sein Bett gebunden war.«

Ich zerbrach in meinem Schluchzen und hielt mir meine Hand vor den Mund, weil mir unangenehm war in seinen Armen zu heulen. Ich wollte mich lösen, doch Davis zog mich augenblicklich zurück und umarmte mich stärker. Er ließ mich mit meinen Tränen nicht alleine. Nicht wie all die Male zuvor, in denen nicht einmal die Leichen meiner Familie in der Lage waren mich zu trösten. Niemand war da. Niemand, der mich nicht auch noch verließ.

»Sie war krank. Todkrank und eines Abends, nachdem ich Jane ins Bett gebracht hatte, strich sie mir durch die Haare, lächelte und schloss die Augen. Tot. Sie starb mit geschlossenen Augen, dem Schwur ihrer ewigen Liebe an mich und ihrer Hand in meiner.
Ich war danach nur noch Tears, verstehst du? Ich war eine einzige Träne.«

Mein Schluchzen zwang mich meine stotternde Stimme zum Verstummen zu bringen und mich Davis sanften Streicheleien hinzugeben. Er strich mich übers Haar, küsste es, hielt mich und wärmte mich in Winde der Nacht.
Vermieste ich ihm gerade seinen Lieblingsort, so zeigte er mir davon nichts. Alles war er tat, war für mich da zu sein. Er hörte mir zu, unterbrach mich nicht, kommentierte mich nicht, lachte nicht. Er fühlte mit mir, schenkte meinen Erzählungen seinen Respekt und auch wenn er nicht laut dachte, so spürte ich, wie er sich mit mir gemeinsam an meine Vergangenheit zurückerinnerte.
Davis hörte mir zu.

Seine Aufmerksamkeit galt nicht den Himmel oder den Sternen oder seinem Geld. Seine Augen galten einzig und allein mir. Und eine stumme Hoffnung tief in mir, bat darum, dass sie nur noch - für immer - mir gehörten. Ich wollte Davis nie wieder hergeben.

»Darum hat dein Dad dich so genannt«, flüsterte er in die Stille und bestätigte mir, dass er mich gehört hatte. Meine Stimme hatte seine arroganten Ohren durchdrungen, er sah nicht über mich hinweg, wie ich einst gedacht hatte. Das dreckige Flittchen, das ich in ihr hergekommenes Loch verkriechen sollte, war ich schon lange nicht mehr. Ich bedeutete Davis etwas - darin war ich mir sicher.

»Ja, mein Dad.«
Ich lachte bitter.
»Weist du, wir haben beide sehr viel verloren. Eigentlich also, gebührt der Name mir und ihm.«
Ich versuchte mein Wimmern zu regulieren um mit neutraler Stimme fortzufahren. Von seiner Familie zu erzählen, war zwischen Lachen und Weinen aber gar nicht so einfach.

»Mein Grandpa starb, als ich in der zweiten Klasse war. Jeden Morgen bin ich an seinem Haus vorbei zur Schule gegangen und habe mir einen Luftkuss geholt. Jeden Morgen und dann ... dann sah er mich eines Morgens ohne Luftkuss mit diesen leeren braunen Augen an und zeigte mir zum ersten Mal in meinem Leben, welches Gesicht der Tod besaß. Er sah leer aus, leblos und leer, so wie mein Grandpa aussah.«

Ich schluckte die Schmerzen hinab.

»In der Middleschool war es plötzlich meine Mutter, die krank wurde. Sie war schon sehr schnell nicht mehr in der Lage zu gehen und zu stehen und sich um Jane zu kümmern. Jane war ein Baby und plötzlich war ich diejenige, die sich wie ihre Mutter aufführte. Ich zog Jane von klein auf groß. Alles Nötige habe ich in den jungen Jahren gelernt und wenn ich Hilfe brauchte, habe ich Mum abends um Rat gefragt. Eines Abends hatte sie nur noch einen letzten Rat an mich. »Wenn du liebe brauchst, dann suche in meinen Augen danach«. Mit ihrem Tod, bei dem ich als einzige dabei war, verfiel meine Welt zum zweiten Mal in einen Haufen Scherben. Ich war zehn, jung und ein Außenseiter, weil niemand mit der stummen, schwänzenden, komischen Tears befreundet sein wollte. Es war mir egal, egal was Menschen wie Matt und Brian von mir dachten, weil ich sowieso keine Zeit für Freundschaften hatte. Ich konnte nicht zur Schule gehen, wollte es nicht. Meine Tage bestanden darin, nach Mums Tod, mich um Jane zu kümmern, sie großzuziehen und ziemlich bald gehörte auch die Pflege meines Dads zum Alltag. Er ließ den Teufelskreis zum dritten Mal in die Runde gehen und zum dritten Mal durfte ich nach Monatelangem weinen und hoffen dabei zusehen, wie ein Familienmitglied dahinschied.

Für Grandpa habe ich meine Hoffnung aufgegeben, da war ich sieben Jahre alt, für Mum habe ich meine Kindheit aufgegeben und mich voll und ganz auf Janes Lebens konzentriert, da war ich elf, für meine Grandma habe ich mein Lächeln aufgegeben und für meinen Dad, für meinen Dad habe ich mich selbst aufgegeben.«

»Nachdem ich von seinem Tod im Krankenhaus erfahren hatte, baute ich einen Unfall. Du weist nicht, wie ich mich gefühlt habe. Ich war siebzehn, hatte zwei Jahre lang gebangt und meine Schule an den Nagel gerissen, um darauf zu hoffen, ihn wieder gesund zu bekommen, aber es war unmöglich. Ich war mit seinem Tod eine Waise. Ich war auf mich allein gestellt, hatte Jane und kein Geld. Ich war am Ende, ein Wrack.
Tagelang habe ich am Strand geschlafen, mich nicht gerührt, geheult, aufgehört zu essen und nach meinen Eltern geschrien.
Es hat niemanden interessiert, wie es mir ging. Ich hatte niemanden mehr.
Jane kam ins Kinderheim und ich blieb allein zurück.«

»Wie kam es dann dazu, dass ihr zusammen nach Seattle gekommen seid?«
Ich konnte seine Stimme nicht interpretieren. Es war schwierig Mitleid, Mitgefühl oder andere Emotionen herauszuhören, aber ich spürte, dass Davis diese Erzählungen nicht kaltließen. Sein Kopf auf meinem, seine Arme um meinen Körper. Nein, er stützte nicht nur mich, wir stützten uns gegenseitig.

»Sie hat mich gefunden. Jane ist ausgebrochen, weggerannt und den ganzen Weg zurück bis nach Hause gekommen. Mit elf Jahren kam sie, um mich vor dem Tod zu wahren. Sie hat mir das Leben gerettet und das mit nur einer einfachen Frage: »Können Engel im Himmel rote Kleider tragen?« Diese Frage hat den Sturm in mir stoppen lassen, denn der Zwang und Wille packte mich damals.
Ich musste leben. Für Jane musste ich leben. Aber nicht in San Francisco, sondern eben in Seattle.«

Ich machte eine Pause und senkte den Kopf, um meine nächsten Worte zu suchen und zu finden und auszusprechen. Mein Herz pochte aufgeregt und an Davis gelehnt konnte ich auch seine impulsive Energie spüren. Sie riss mich mit, schenkte mir den Mut fortzufahren und Davis auch den Rest zu erzählen. Meine Stimme musste ein einziges Gekrächze aus Tränen sein, aber das war mir egal.
Ich hatte schon oft meine Schwäche neben Davis gezeigt und auch wenn er das oftmals zu seinen Vorteilen genutzt hatte, so unterließ er das heute und das war das Einzige, was für mich zählte.

»Ich habe für die Krankheiten meiner Eltern eine Menge aufgegeben. Freunde, meine Kindheit sogar meine letzten Schuljahre sind alle drauf gegangen. Ich habe keinen Schulabschluss, darum muss ich mich auch mit den Kellner-Jobs zufriedengeben. Sie sind die einzige Möglichkeit für mich an Geld zu kommen und ich brauchte dringend Geld. Als wir nach Seattle kamen, wollte ich Jane alles ermöglichen, was ich mir selbst genommen hatte. Sie sollte zur Schule gehen, Freunde haben, Ausflüge machen, Erfahrungen sammeln und eben ein ganz normaler Teenager sein. Aber sie war kein normaler Teenager und sie konnte es nie sein, weil das böse Ding auch in ihr lauerte. Jane hat es geerbt, den Krebs hat sie geerbt und als ich das erfahren habe, dachte ich wirklich, ich müsse vor Fassungslosigkeit sterben. Sie ist die vierte gewesen, die wegen dieser schrecklichen Krankheit gestorben ist.
Als du und Daniel aufgetaucht sind, hatten wir gerade erfahren, dass sie jetzt im letzten Stadium angelangt war und es nur noch eine Frage der Zeit war, bis sie mich verlassen würde. Ich habe dir erzählt, dass Jane und ich versuchen so viele Erfahrungen und Dinge auszuprobieren, wie nur möglich. Jetzt weist du warum.
Und du weist jetzt auch wessen Medikamente ich damals bei mir trug und warum Jane aus dem B-N gerannt ist und warum sie immer so blass und ausgepowert war.
Es hat sie aufgefressen, von innen nach außen hat es sie gefressen.«

»Deswegen wart ihr in San Francisco«, stellte er leise fest und nahm mein Kopfnicken stumm hin.

»Ja, weil sie ein letztes Mal sehen sollte, wo sie ihre Kindheit verbracht hat, wo sie und ich aufgewachsen sind und wo Dad und Mum uns verlassen haben.
Jetzt sind sie alle beieinander und glücklich - das hoffe ich sehr.
Und ich bin immer noch hier - allein.«

Meine Stimme war in ein Flüstern zerbrochen und während ich kläglich versuchte das Schniefen zu unterbinden, drückte Davis mich plötzlich von sich und legte seine Hand unter mein Kinn, um mich zum Aufsehen zu zwingen.
Seine warme Hand an meiner kühlen Haut ließ sie wohlig prickeln und ich wollte glücklich seufzen, weil mir gefiel, wenn er mich berührte.

Es war auf eine Weise absurd, aber ich konnte meine aufkommenden Gefühle bei Davis nicht unterdrücken. Er löste einfach zu viel in mir aus, berauschte mich zu sehr, wenn er in der Nähe war und es kribbelte zu sehr, wenn er mich berührte. Mein Körper stand unter Strom, wenn er da war. Mein Herz drohte zu platzen vor Aufregung, meine Beine wollten zusammenklappen, wenn er mich hielt und meine Lippen wollten geküsst werden, wenn sein Atem meinen traf. Alles in mir schrie nach ihm, sehnte sich nach ihm und so unwirklich mir meine Situation auch schien, ich war Davis komplett verfallen.

Ich atmete keuchend auf, als Davis meine Wange hinab strich und mit einem Daumen auf meinen Lippen innehielt.
»Ich werde mich nur noch einmal wiederholen und ich hoffe du prägst dir meinen Ernst ein.«
Seine Lippen zuckten für einige Sekunden, ehe seine Augen sich in der Dunkelheit plötzlich änderten und er mich förmlich durchdrang, um seine kommenden Worte tief in mir drinnen zu speichern.
Ich hielt den Atem an. Er war mir unglaublich nahe.

Sein Gesicht schwebte vor meinem und unsere Lippen striffen sich, als er sagte: »Du bist nie wieder alleine. Ich werde dich nämlich auch dann nicht verlassen, wenn du mich darum bittest. Mich wirst du nicht mehr los, Tears, denn das, was uns beide verbindet, ist unmöglich zu unterdrücken.«

Und damit lagen seine Lippen plötzlich auf meinen.
Weich und warm berührten sie mich und gaben mir all die Luft wieder, die mir wie durch einen zugeschnürten Knoten vorenthalten geblieben war.
Ich war nie zuvor so impulsiv, so sanft und doch so bestimmend geküsst worden.
Diese Weise war benebelnd und ich spürte meine Beine nicht mehr, unter all den Funken die zwischen uns in die Höhe sprühten. Alles, was ich fühlte, war mein prickelnder Körper, der wie ein Feuerwerk in Flammen aufging, und die schaudernde Gänsehaut, die mich wieder und wieder von Kopf bis Fuß überfiel und mein Herz unregelmäßig schlagen ließ.

Ich hatte nicht gewusst, dass es möglich war seine Gedanken anzuhalten, aber hier auf der Lichtung und in der Nähe dieses Mannes schien mir plötzlich nichts unmöglich. Meine Tränen lösten sich in Luft auf und ich vergaß, wo ich war und warum ich traurig gewesen war. Alles, was ich nicht vergaß war meine Zuneigung zu dieser Berührung, zu diesem Mann und seinen Worten.

Ich glaubte schweben zu können.
In Davis Armen, die mich fordernd näher zogen, hob ich vom Waldboden ab und flatterte zittrig, wie mein Herz, der Unendlichkeit entgegen. Wie konnte sich so etwas, so gut anfühlen? Wie war es möglich immer mehr davon zu wollen und beinahe süchtig nach etwas zu werden, was man nie vorher gehabt hatte?
Mir war egal, ob Tatsachen absurd waren. Mir war alles egal.
Ich wollte nur meine Haut in Flammen sehen und mehr. Immer mehr.

Meine Hände schlangen sich um Davis Nacken und vertieften den Kuss. Davis drückte mich näher an sich, während er mich seiner anderen Hand über meine Wange strich und sie mit heißen Furchen zurückließ. Ich drohte mich zu verlieren. Ich war bereit mich zu verlieren.
Davis würde mich halten und er würde mich irgendwann, wenn die Nacht vorbei war, wieder zurückholen.

Ich war schon längst nicht mehr Herr meiner Sinne. Davis hatte mich mit seinen heißen Worten an meinem Ohr und seinen Spitznamen und Berührungen schon immer benebelt, aber dieser Kuss war eine Ebene für sich.
Dieser Kuss war löschend. Ein Radiergummi, ein Tintenkiller.
Ich verschwamm in seinen Armen, in seinen Lippen, die sich sanft gegen meine Bewegten und mich verrückt machten.
Es gab nichts das wichtiger war, als das Hier und Jetzt zu genießen.
Hier und jetzt auf der Lichtung irgendwo im Nirgendwo.

»Du raubst mir den Verstand.«
Davis Stimme war rau und unkontrolliert und glich einem Krähen. Seine erhitzte Stirn legte sich gegen meine und unsere atemlosen Luftzüge waren das einzige, was in der Dunkelheit zu hören war.
»Du raubst mir mit jedem Tag, mit jeder Sekunde und mit jedem Atemzug mehr und mehr den Verstand«, raunte er an meine Lippen und küsste sie für einige Sekunden.

Ich war immer noch unfähig etwas von mir zu geben.
Alles in mir schrie nur danach noch nicht aufzuhören. Ich wollte ihn anflehen, auf Knien mit Worten, dass er bitte noch nicht aufhörte.
Denn mit unserer Unterbrechung erstarben nicht nur die Ballons in meinem Innersten, sondern auch die Mauern, die mich von klaren Gedanken abhielten.
Nach und nach kam wieder, was ich so sehnlichst zu vergessen versuchte und das wollte ich nicht.
Ich wollte sterben, in seinen Armen, in seinen Küssen. Es sollte nimmer mehr enden.
Bitte, bitte, lass es nicht enden!

»Was glaubst du, wie es mir geht?
Du machst mich verrückt. Wann immer du da bist, schreit alles in mir, nach dir.«
So war es.
Alles in mir schrie nach ihm. Immer dann, wenn er nicht nahe genug bei mir war.

»Schreit es jetzt auch nach mir?«
»Immer.«

Endlich ...

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