Du ziehst in immer neue Kriege und es ist doch dieselbe Schlacht

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,,Timi?'' Mit verschwommener Sicht zog ich mir die Bettdecke über den Kopf und weinte leise ins Kissen. Ich wollte nicht reden, nichts hören und vor allem wollte ich nichts mehr fühlen. Für immer innere Leere.
,,Mein Schatz?'' Die Stimme, die ich nicht richtig zu ordnen konnte, drang immer mehr zu mir durch. Ich rollte mich zusammen, in der Hoffnung, dass man mich nicht sehen und endlich verstehen würde, dass ich meine Ruhe haben wollte.
Mein Leben ging sowieso gerade den Bach herunter. Warum sorgte man sich also um mich? Warum kam meine Mama jeden Tag in mein Zimmer, sah nach mir und versuchte mich aufzumuntern? Es hatte doch gar keinen Sinn.

,,Timi, was...'' Die Stimme verstummte und ein kalter Wind tanzte um meinen Körper. Es wurde hell und unzufrieden kniff ich die Augen zusammen. Schon lange hatte ich kein Tageslicht mehr gesehen und wollte es auch dabei belassen.
Die Dunkelheit ist ein Teil von mir geworden. Ich brauchte keine Sonne, denn diese gehörte nicht in mein tristes Leben, was eine einzige Katastrophe ist. Eine sehr graue, dunkle Gewitterwolke, die alle Menschen dazu brachte, vor mir zu flüchten, würde mich eher beschreiben.
Niemand wollte etwas mit mir zutun haben. Nur aus Zwang hielt man es mit mir aus, aber wenn es eine Möglichkeit gab, nichts von mir wissen zu müssen, nahm man diese sofort ohne jegliche Widerworte an.

Etwas erschrocken zuckte ich zusammen, als sich irgendwas um meine Taille schlang. Ich wurde einige Zentimeter von der Wand weggezogen und konnte spüren, wie mir zärtlich über den flachen, fast nur noch aus Haut bestehenden, Bauch gestreichelt wurde.
Ein angenehmer Duft machte sich in meiner Nase breit und sofort wusste ich, wer mich da gerade fest in den Armen hielt und mir einen Kuss in den Nacken drückte, der alle erdenklichen Haare zum Aufstellen brachte.
Eine Träne rollte mir über die Wange und mein Herz zerbrach in tausend Teile. Ich begann zu schluchzen und presste mir die Hand vor den Mund, um das Geräusch zu dämpfen, während ich noch viel fester in seine Arme gezogen wurde.

Zwei Wochen ist es nun her, als wir uns das letzte Mal gesehen hatten. Auch dort ist schon alles nicht perfekt gewesen, aber immerhin noch gut genug, um nicht in diese Dunkelheit zu stürzen. Der allerletzte Tag, an dem ich mich noch halbwegs lebendig und motiviert gefühlt habe.
Es ging mir gut, doch nachdem Lukas sich von mir verabschiedet hatte, bin ich vollkommen ausgerastet. Ich hatte meine Mutter angeschrien und alle Schulsachen zerstört, die ich mir extra zugelegt und fein säuberlich behandelt hatte.
Seitdem Vorfall hatte ich mein Zimmer nur noch für den Gang aufs Klo verlassen. Ich war weder aus dem Haus getreten, noch in die Schule gegangen. Ich hatte keine Ahnung, welches Wochentag wir gerade hatten, ob es Tag oder Nacht war.

Alle guten Vorsätze, die ich mir gemacht hatte, waren verblasst. Das Gespräch mit meinem Klassenlehrer hatte mich so aus der Bahn geworfen, dass ich mich zu nichts mehr aufraffen konnte, egal was ich versuchte.
Ein Bild, welches ich vor einigen Tagen angefangen hatte, lag noch zerschnitten auf dem Schreibtisch. Ich war zufrieden damit und fand es wirklich hübsch. Aber ich sah keinen Sinn darin, es weiterzumachen, weil ich das nicht brauchte.
Ich brauchte nichts, außer meine Ruhe. Ich konnte mich nicht bewegen und bis auf die Bettseite, wechselte ich nichts in dieser schwierigen Zeit, die mir all den neu gewonnen Lebensmut, wie ein Vampir auf der Jagd nach Blut, ausgesaugt hatte.

Eine Hand legte sich auf meine und zog diese von meinem Mund weg. Ich konnte spüren, wie mir die Tränen aus dem Gesicht gestrichen wurden. Mich durchfuhr ein angenehmen Kribbeln und wieder begann ich zu schluchzen.
Es tat nur noch weh. Ich wusste nicht, was ich tun sollte und alles, was ich machen wollte, fühlte sich sinnlos an. Dieses Gespräch hatte meinen Kopf gefickt und die Stimmen hatten mal wieder die Oberhand gewonnen.
Ich konnte nichts dagegen tun und egal, wie sehr ich versuchte, dagegen anzukämpfen, sie hielten mich im Bett, raubten mir den Atem, brachten mich zum Weinen und zeigten mir, was für ein Versager ich bin.

Seine langen Finger wanderten meinen Hals entlang, über mein Schlüsselbein und blieben auf meiner Schulter liegen. Sie brannte stark und ich hatte Angst, jeden Moment in Flammen aufzugehen.
Vorsichtig, als könnte ich zerbrechen, wurde ich auf den Rücken gedreht. Die Bettdecke hob sich etwas, genauso wie die Matratze unter mir - mein einziger Halt. Ich spürte Hände links und rechts neben meinen Kopf und sah dann in das besorgte Gesicht von Lukas.
Sofort drehte ich den Kopf zur Seite, denn ich konnte ihm nicht in die Augen sehen. Tränen rollten mir über die Wangen und ein angenehmes Kribbeln durchzog meinen Körper, als er zärtlich mein Gesicht berührte.

Mit seinem Daumen strich er jede Träne weg, die ich verlor. Ich konnte seinen Blick förmlich auf mir ruhen spüren und es riss mir das Herz raus. Ich hatte ihn enttäuscht, dem Menschen, dem ich so vieles versprochen hatte.
Lukas hatte versucht, mich in den letzten Wochen zu erreichen. Er hatte mich angerufen, mir ständig geschrieben und sogar auf meine Mailbox gesprochen. Doch immer wieder hatte ich ihn weggedrückt und seine Nachrichten nur als gelesen markiert.
Ich hatte ihn ignoriert und das nur, weil ich ihm nicht zeigen wollte, dass sie mich mal wieder gekriegt hatten. Dass sie alles bereits wussten und nur noch darauf gewartet hatten, dass ich einen Fehler begehen würde, der ihren Plan aufgehen ließ.

Lukas legte sich neben mich und nahm mich in den Arm. Er streichelte mir über den Rücken, durch die Haare und flüsterte mir ins Ohr, dass alles OK sein würde. Ich krallte mich nur an ihm fest und schluchzte leise in sein Shirt.
Ich konnte nicht mehr. Ich wollte nur noch aus diesem Albtraum erlöst werden. Ich hatte gedacht, dass es nach all den Jahren, in denen es sonst nur millimeterweise nach vorne ging, mein Leben endlich steil nach oben gehen würde.
Doch oben angekommen, musste ich feststellen, dass die Spitze des Berges noch weit über mir lag und sich ein neuer, holpriger Weg vor mir lag, der mich an meine Grenzen bringen und in die Knie zwingen würde.

Man kommt von oben immer wieder runter und das schneller, als man denkt. Gerade noch erlebst du die glücklichste und beste Zeit deines Lebens, schon tritt dir jemand in den Hintern und du fällst tief in die Dunkelheit.
Ich hatte keinen Plan, wie ich dort wieder rauskommen sollte. Wo ich Fackel und Feuer herbekommen sollte, um den Brunnen zu erhellen und eine Leiter zu finden, an der ich nach draußen klettern konnte.
Ich hätte mir nichts darauf einbilden sollen, denn es ging mir viel zu gut. Mein Leben lief viel zu reibungslos, als das nichts hätte schief gehen können. Ich hätte damit rechnen müssen, dass im nächsten Moment alles aus den Fugen geraten würde. Ich bin ein Idiot...

,,Shhh...atme tief durch, Baby. Ich bin da...'', flüsterte mir Lukas leise ins Ohr und streichelte mit seinem Handrücken über meine Wange. Ich vergrub mein Gesicht tiefer in seine Brust und konnte mit dem Weinen nicht mehr aufhören. Alles ist scheiße!
,,Warum... Warum bist du hier?'', fand ich unter Tränen meine Stimme wieder. Es war ungewohnt diese zu hören, denn seit zwei Wochen hatte ich bis auf das Weinen keinen einzigen Mucks von mir gegeben.
Weder mit meinen Eltern, noch mit meinen Geschwistern hatte ich irgendein Wort gewechselt. Ich hatte nur da gelegen, geschwiegen und darauf gewartet, dass sie endlich aus dem Zimmer gehen würden, damit ich weiter im Selbstmitleid ertrinken konnte.

Aber so still wie von außen war, je lauter ging es in meinem Kopf zu. Dieser ratterte nur so vor Gedanken und ließ mir keine freie Sekunde zum Verschnaufen. Andauernd sagten mir die Stimmen, wie schrecklich und was für ein Loser ich wäre.
Ich hatte nachgedacht und das nicht wenig. Über meine Zukunft, die Beziehung zu Lukas und die Frage, wann meine Mama endlich meine Sacken packen und mich auf die Straße schmeißen würde, weil sie mich nicht mehr länger durchfüttern wollte.
Sämtliche Gefühle schwirrten mir durch den Kopf. Szenen von einem glücklichen Leben, in dem ich alles meistern würde - sorglos, fröhlich und mit vollster Zufriedenheit. Dann aber auch ein Leben mit vollkommender Leere und ohne Halt - finster, traurig und voller Hoffnungslosigkeit.

Dass das letzte Szenario nicht weit hergeholt ist, hatten mir die letzten zwei Wochen noch viel deutlicher gemacht. Ich bekam mein Leben einfach nicht in den Griff, egal wie sehr ich mich darum bemühte.
Fast drei Wochen hatte ich es geschafft in die Schule zu gehen, doch mehr ist von den guten Vorsätzen nicht übrig geblieben. Meine Schulsachen waren zerstört und zum Aufholen fehlte mir schlichtweg die Zeit.
Meine Beziehung mit Lukas begann auch immer mehr zu bröckeln und über das Verhältnis zwischen mir und meiner Mama wollte ich nicht nachdenken, denn seitdem Ausraster hatten wir nicht mehr miteinander geredet.

Sie hatte noch am Abend versucht, dass Gespräch zu suchen, doch schnell realisiert, dass ich dazu nicht in der Lage war. Sie hatte mir eine Gute Nacht gewünscht und mir gesagt, dass sie das verstehen würde.
Jeden Tag kam sie zu mir ins Zimmer, um nachdem Rechten zu sehen und sicherzugehen, dass ich mir nichts angetan hatte. Sie brachte mir Essen, erzählte mir, was den Tag über passiert ist und sammelte den Müll auf, soweit ich welchen verursacht hatte.
Es machte sie fertig, mich in diesem Zustand zu sehen und völlig hilflos dabei zu sehen zu müssen, wie ihr Sohn immer mehr versauerte. Ich wollte mir nicht vorstellen, was in ihr vorging, wenn sie diesen Anblick sah und der Gedanke daran machte mich fertig.

Aber vor allem verstand ich nicht, wieso sie sich das immer wieder antat. Sie sollte um dieses Zimmer einen großen Bogen machen, denn es führte ihr nur den Fehler vor Augen, den sie vor 18 Jahren in die Welt gesetzt hatte.
Ich hatte diese Frau nicht verdient. Trotz allem, was ich ihr an den Kopf geworfen hatte, hielt sie immer noch zu mir, gab mir die Zeit, die ich brauchte und versuchte wenigstens etwas, dass ich nicht ganz in Vergessenheit geriet.
Allen anderen wäre dieser Zustand egal, aber dieser Frau nicht. Ich hatte es nicht verdient, so eine tolle und fürsorgliche Mutter zu haben. Sie hatte es nicht verdient, so einen selbstlosen und ignoranten Sohn zu haben, der das Alles nicht zu schätzen wusste.

,,Warum bist du hier drunter?'', hauchte mir Lukas fragend entgegen und löste mich etwas von sich, um mir in die Augen zu sehen. Er kämmte mir einige Strähnen hinter die Ohren und streichelte mir zärtlich über die Wangen.
,,Es ist ruhig hier drunter. Hier ist alles nicht ganz so scheiße.'', erklärte ich ihm mit heiserer Stimme und sah auf seine Nasenspitze, da es mir das Herz brach, dass traurige, verletzte Funkeln in seinen Augen zusehen.
,,Okay...'', erwiderte Lukas flüsternd und zog mich zurück in seine Arme. Er streichelte mir wieder über den Rücken, durch die Haare und sein Shirt war mittlerweile so nass, dass man glauben könnte, er wäre damit durch den Atlantik geschwommen.

,,Warum bist du hier?'', griff ich meine Frage von Neuem auf und hoffte, irgendeine Antwort zu kriegen. Ich verstand nicht, was Lukas hier wollte, denn ich hatte viel eher damit gerechnet, dass er schon längst mit mir abgeschlossen hätte.
Ich hatte mich in den zwei Wochen kein einziges Mal gemeldet. Ich hatte ihn durchgehend ignoriert und trotzdem hatte Lukas mich nicht aufgegeben. Jeden Tag hatte ich eine Guten Morgen und eine Gute Nacht-Nachricht bekommen.
Zwischendurch gab es Fragen wie 'Wie geht es dir?', 'Was machst du so?' und ein kurzes Zwischenupdate, was bei ihm gerade abging. Abends wurde ich angerufen und jedes Mal eine Nachricht auf meiner Mailbox hinterlassen.

Ich hatte mir jede Einzelne von ihnen angehört. Es hatte mir das Herz erwärmt, seine Stimme zu hören und es hatte mich für einen kurzen Moment aus dem Alltag geholt. Ich konnte abschalten und dabei vergessen, in welchem Zustand ich mich gerade befand.
Aber ebenso hatte es mir das Herz gebrochen, denn an seiner Tonlage hatte ich gemerkt, wie sehr ich Lukas mit meinem Verhalten gebrochen hatte. Es verletzte ihn, dass ich auf nichts reagierte und ihm nicht einmal versicherte, dass ich auch wirklich noch lebte.
Es beeindruckte mich, dass er es nach zwei Tagen nicht schon aufgegeben, sondern einfach weitergemacht hatte. Er hatte es so hingenommen und ist kein einziges Mal ausfallend geworden.

,,Lukas, warum bist du hier?'', harkte ich etwas energischer nach und traute mich, ihm für den Bruchteil einer Sekunde in die Augen zu sehen, ehe ich meinen Blick wieder senkte und mir wünschte, er würde es weiterhin über das Handy probieren.
,,Weil du mir gefehlt hast und ich dich sehen wollte.'', erklärte er mir lächelnd und drückte mein Kinn nach oben, damit ich ihm in die Augen sehen musste. Sie schimmerten leicht in der Dunkelheit, die uns umgab und eine Träne rollte ihm die Wange herunter.
Zögerlich, als hätte ich ihn noch nie berührt, wischte ich ihm diese weg und sah auf meinen feuchten Finger. Es verpasste mir einen Stich ins Herz, denn ich allein' war Schuld daran, dass es ihm so ging. Hätte ich mich meldet, müsste er sich keine Gedanken machen...

,,Es tut mir leid...'', entschuldigte ich mich unter Tränen, schloss die Augen und weinte still vor mich hin, weil ich dem Anblick nicht standhalten konnte. Ich hatte ihn verletzt und gebrochen, sowie ich es mit allen Menschen tat.
Ich wollte niemandem wehtun und immer das Beste für jeden. Doch ich schaffte es nicht. Immer wieder gab ich Menschen, die mir lieb sind, einen Stich in den Rücken und irgendwann einen Grund dazu, mich zu hassen.
Ich hatte nicht umsonst so viele Menschen verloren, die mir einst so viel bedeutet hatten. Die Personen gingen nicht umsonst auf Abstand und verabschiedeten sich komplett aus meinem Leben, sobald sie mein Wahres ich kennen lernen.

,,Du bauchst dich nicht entschuldigen. Alles okay.'', erwiderte Lukas leise und schloss mich zurück in seine Arme. Er vergrub sein Gesicht in meiner Halsbeuge, presste sich näher an mich heran und ich konnte spüren, wie es an dieser etwas feuchter wurde.
Ich konnte mich aus meiner Starre lösen und legte ebenfalls die Arme um ihn. Ich streichelte Lukas zärtlich über den Rücken, doch hatte mit jeder Berührung Angst davor, etwas falsch zu machen und ihn komplett zu zerbrechen.
Ich fühlte mich noch viel gelähmter als davor und wusste nicht mit der Situation umzugehen. Ich hatte Lukas schon immer kurz vor den Tränen gesehen, aber ihn weinen zu hören, warf mich komplett aus der Bahn.

,,Es ist alles gut, Hauptsache du bist noch da.'', schluchzte mir Lukas ins Ohr. Diese Worte erwärmten mein Herz, gleichzeitig zersprang es immer mehr in Einzelteile, weil sie mir überhaupt nicht gefielen.
Ich fühlte mich wie ein Monster und würde ich direkt vor mir stehen, hätte ich mir schon längst den Hals umgedreht. Ich wollte nicht, dass Lukas weinte und vor allem wollte ich nicht der Grund dafür sein.
Hätte ich auf einer seiner Nachrichten reagiert, würde es ihm nicht so gehen. Er wäre nicht hier und hätte niemals etwas von diesem Zustand erfahren müssen. Ich hätte mich mit ihm treffen können, wenn es mir wieder besser ging.

,,Lukas, ich...Ich möchte dich nicht zum Weinen bringen. Ich will dich nicht, dass du dir Sorgen um mich machst. Du hättest nicht kommen müssen, ich komm' klar.'' Ich löste ihn etwas von mir und sah ihn schuldbewusst an.
,,Du hast allen Grund mich jetzt zu hassen. Ich hätte mich melden müssen. Du bist viel zu lieb und gut. Ich hab' dich nicht verdient.'', schnaubte ich und musste mich davor beherrschen, nicht ausfallend zu werden.
,,Ich bin ein dämliches Arschloch. Alle, die mir wichtig sind, verletze ich, weil ich nichts hinkriege, weil ich keine Beziehung im Gleichgewicht halten kann, weil ich nichts kann...'' Ich schüttelte mit dem Kopf und drehte mich von ihm weg.

,,Du kannst gehen, Lukas. Du musst dir um mich keine Sorgen machen. Ich melde mich, wenn es mir wieder besser geht und du noch was von mir wissen möchtest.'' Schluchzend vergrub ich die Hände im Gesicht.
Ich wollte meine Ruhe und dass die Stimmen endlich mal damit aufhörten, mir auch noch zusätzlich einreden zu müssen, dass ich meiner Aufgabe als festen Freund nicht gerecht geworden bin.
Ich hätte eine Antwort von mir geben müssen. Ich hätte Lukas nicht hängenlassen dürfen, denn ich war es ihm schuldig. Er hatte sich extra auf den Weg gemacht, um nach mir zu sehen und das nur, weil ich es nicht hin bekam, wenigstens eine Beziehung aufrecht zu erhalten.

Aber so ist es schon immer gewesen. Ungewollt, aber trotzdem bewusst, drängte ich die Menschen von mir weg, die mir eigentlich so wichtig waren. Ich grenzte sie aus und gab ihnen das Gefühl, dass ich sie nicht mehr brauchen würde.
Meistens geschah das von der ein auf die andere Sekunde. Gerade noch waren wir die besten Freunde, die zusammen die verrücktesten Abenteuer erlebten und im nächsten Moment, wollte ich nichts von dir wissen und schottete mich komplett ab.
Und das Alles nur, weil ich selbst nicht wusste, wie eine Freundschaft oder eine Beziehung mit mir funktionierte. Ich versuchte mein Bestes, aber es endete immer darin, dass ich verlassen, ersetzt und für immer vergessen wurde. 

Es dauerte nicht mehr lange und auch Lukas würde diese Erkenntnis gewinnen. Ein oder zweimal würde er diese ganze Show noch mitmachen, aber spätestens nachdem dritten Mal würde er, ohne mit der Wimper zu zucken, gehen, wenn ich ihm das sagte.
So ist es schon immer gewesen und so würde es auch immer sein. Wirklich niemand tat sich so etwas freiwillig an. Eine Beziehung mit mir machte die Menschen nur krank und brachte sie selbst dazu, viel zu tief in den Abgrund zu stürzen.
Es ist wichtig, sich so schnellst wie möglich von mir abzugrenzen, um nicht irgendwann genau wie ich zu enden. Ich wollte niemanden mit in diese Scheiße ziehen und für alle Beteiligten wäre es besser, mich für immer alleine zu lassen.

Lukas erwiderte nichts auf meine Worte. Stattdessen rutschte er näher an mich heran und legte seinen Arm wieder um meine Taille. Er fuhr die Knochen meiner Rippen nach, die noch mehr hervorragten, als sie es sonst taten.
Schon seit zwei Wochen nahm ich kaum etwas zu mir und hatte erschreckend viel abgenommen. Vor einigen Tagen hatte ich mich im Spiegel angesehen und mich erschrocken, als ich realisiert hatte, dass ich nur noch aus Haut und Knochen bestand.
Meine Mama stellte mir zwar jeden Tag etwas zu Essen hin, doch bis auf einen kleinen Happen, nahm ich nichts weiter davon,weil mir einfach alles auf den Magen schlug und der Hunger die Schmerzen niemals dämpfen konnte.

Die Stellen, die Lukas mit seinen zarten Fingerkuppen berührte wurden ganz warm und kribbelten angenehm. Es fühlte sich wie früher an. In der Zeit, in der noch alles gut gewesen ist und niemand sich Gedanken um mich machen brauchte.
Die Zeit, in der ich jeden Tag mit einem Lächeln auf den Lippen aufgewacht war, hoch motiviert aus dem Bett springen konnte und bereit für den Tag gewesen bin. Eine Zeit, wo meine Stimmen und die Antriebslosigkeit keine Rolle spielten.
Ich wollte dahin zurück und nochmal von vorne anfangen. Ich wollte mich vor Fehlern bewahren und alle Steine, die sich mir gerade in den Weg stellten, rechtzeitig wegräumen, damit ich mir jetzt keine Gedanken darum machen musste.

Ich konnte spüren, wie Lukas mich wieder an der Schulter berührte. Ich versuchte mich dagegen zu wehren, landete aber doch auf dem Rücken. Er beugte sich über mich und fuhr mir vorsichtig über mein Gesicht.
Es brannte angenehm und die Tränen tropften auf das Kissen, was unangenehm roch. Ich hatte es schon lange nicht mehr gewechselt, genau wie den Rest meines Körpers. Ich fand keine Motivation und sah auch keinen weiteren Sinn, irgendwas zutun.
Wenn meine Seele schon voller Schmutz war, konnte es der Rest des Körpers auch sein. Wie eine Art Warnsignal, damit Menschen, die ich neu kennen lernte, sofort wussten, dass sie mit mir nicht mehr als fünf Minuten zutun haben wollten.

Lukas zog mich auf seine Brust und streichelte mir über den Rücken. Er hauchte mir einen Kuss auf die Stirn und am liebsten wollte ich mich aus seinem Griff befreien. Nicht, weil ich mich unwohl fühlte, sondern weil ich das nicht verdient hatte.
Er ist der liebste und netteste Mensch auf Erden. Ein Engel, der auf die Welt geschickt wurde, um Freude und Glück ins Leben aller zu streuen. Lukas tat keiner Fliege was zur Leide und ist der wohl tollste Freund, den man sich wünschen konnte.
Und ich behandelte ihn wie den größten Haufen Scheiße. Nicht eine Antwort hatte ich ihm in diesen zwei Wochen gegeben, nicht eine. Nicht einmal hatte ich ihm geschrieben, dass er sich bitte keine Sorgen machen sollte. Dabei ist er mir so viel wert...

Andere hätten an seiner Stelle schon längst die Reißleine gezogen und Schluss gemacht. So viel Geduld und Kraft konnte kein einziger Mensch haben und, dass er immer noch weinte zeigte mir, dass ihn das Alles nicht kalt ließ.
Es machte ihn kaputt, dass ich mich nicht gemeldet hatte und er mich jetzt so vorfinden musste - zusammengekauert und völlig abgemagert im Bett liegend. Ich hatte ihm nicht gesagt, was in meinem Leben abging.
Dabei sollte vor allem er derjenige sein, den ich als Erstes ansprechen sollte, wenn es mir so ging. Dem ich meine Sorgen mitteilen und mit dem ich über meine Probleme reden sollte, weil nur er mich verstand.

Stattdessen schrieb ich einfach gar nichts und schob es wie Hausaufgaben, von denen ich nichts wissen wollte, vor mich her. Lukas bot mir so oft seine Hilfe an, doch immer wieder warf ich ihn ins kalte Wasser.
Auf der einen Seite, damit er sich nicht noch mehr Sorgen um mich machte und auf der Anderen, damit er nicht noch mehr Gründe mich zu verlassen, weil ich der festen Überzeugung davon war, dass ich diesen Kampf auch alleine packen konnte.
Jeder von uns hatte seine Päckchen zu tragen. Ich wollte Lukas nicht auch noch mein Gepäck auf den Rücken schnallen und ihm alles unnötig schwerer machen. Er hatte seine eigenen Sorgen, Bedürfnisse und Probleme, um die er sich zu kümmern hatte. Ich sollte ihm nicht im Weg stehen...

,,Willst du nicht gehen? Du musst nicht hierbleiben und dich kümmern. Es ist alles gut.'', sah ich mit Tränen in den Augen zu ihm nach oben und krallte mich leicht zitternd an dem Kragen seines Shirts fest, um nach irgendeine Art von Halt zu suchen.
Mir fiel das Atmen immer schwerer und ich hatte Angst, zu kollabieren. Lukas streichelte mir beruhigend über den Arm und hauchte mir einige Küsse auf die, die es unter der Bettdecke etwas wärmer und mich einen Hauch von Lebendigkeit spüren ließen.
,,Ich gehe nirgendwohin, so lange du hier bist.'', flüsterte mir Lukas ins Ohr und strich mir die Tränen aus dem Gesicht. Er sah mir tief in die Augen, verlor eine weitere Träne aus dem Augenwinkel und heulend lagen wir uns in den Armen.
,,Ich habe dich nicht verdient!''
,,Du hast das hier nicht verdient.''

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