323 Tage zuvor

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Heute war der erste Schultag nach den Ferien. Alle betraten müde den Raum zur ersten Stunde Mathe Leistungskurs, aber niemand beachtete mich.

Ich saß ganz hinten im Raum, doch diesmal war etwas anders. Der Platz neben mir war wie schon seit einem halben Jahr frei, doch jetzt für immer. Wir saßen seit der 1. Klasse in fast jedem Fach nebeneinander, besonders in Mathe, da wir beide die gleiche Faszination für Zahlen hatten.

Unser Lehrer kam durch die Tür und es wurde still. Herr Reiß hatte genau die richtige Mischung zwischen streng und lässig und man sah ihm an, dass er seinen Job liebte. Doch heute war auch er durch den Wind. Er stellte sich vor die Klasse und fing an zu reden:

"Ich freue mich, dass Sie alle wieder den Weg zu meinem Raum gefunden haben. Für Sie ist das das letzte Schuljahr und ich erwarte von Ihnen höchste Konzentration und Disziplin. Mathe LK ist nicht gerade einfach. Doch nun müssen wir uns erstmal mit etwas anderem beschäftigen. Wie Sie wahrscheinlich alle wissen, haben wir im Sommer einen unserer Schüler verloren.

Meine Kollegen und ich haben nachgedacht, wie wir mit dieser schrecklichen Situation am besten umgehen. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es am besten ist, weiterzumachen. Doch sollte einer von Ihnen das Bedürfnis haben über das Geschehene zu reden, sind wir natürlich bereit dafür. Wir haben uns überlegt, dass wir in dem ersten Kurs, den Sie am ersten Schultag haben, den Unterricht erstmal beiseiteschieben.

Ich dachte, dass es vielleicht schön ist, wenn Sie Ihre Gedanken zu Papier bringen. Wer möchte, kann dieses Papier später an uns weitergeben oder einfach behalten. Ist das okay? Alle Schüler nickten und kramten dann einen Zettel aus ihrem Rucksack. Ich schlug mein Notizbuch auf und fing an, zu schreiben.

Lieber Matteo,

seit du weg bist, ist alles so still. Ich hoffe, da wo du jetzt bist, geht es dir besser. Weißt du, dein Name bedeutet Geschenk von Gott. Und ich weiß genau, was du jetzt sagen würdest. Du würdest sagen, dass mich meine Obsession mit Wörtern irgendwann mal kaputt machen wird, sodass ich nicht mehr normal reden kann. Und danach würdest du sagen, dass ich doch nicht mal an Gott glaube und dass sich die Bedeutung doch eh nur jemand ausgedacht hat.

Doch ich glaube, dieses Mal hast du unrecht. Ich glaube du warst ein Geschenk von Gott oder eher nur ein Geschenk. Du hast mir so viel gezeigt, du hast immer an mich geglaubt. Mit dir konnte ich über alles reden. Ich habe mit dir die Liebe zur Musik geteilt und du hast versucht auch meine Liebe zu Wörtern und Sprüchen zu teilen. Du warst wie ein Bruder für mich. Doch wieso bist du so plötzlich gegangen?

Du hast einmal gesagt, du wirst immer für mich da sein. Aber jetzt, in meinem schlimmsten Moment, für den du sogar der Auslöser bist, bist du nicht da. Wenn du dich wenigstens verabschiedet hättest! Wenn ich wenigstens bei dir gewesen wäre. Warum war es so schlimm, dass es so enden musste?

Wie hypnotisiert blickte ich auf die Seite. Das dunkle blau der Tinte meines Füllers hob sich von dem dreckigen weiß des Papiers ab. Die Schrift verschwamm vor meinen Augen und plötzlich sah ich etwas anderes von der Seite zu mir heraufgucken.

Ganz leicht konnte ich in ihnen sein Gesicht erkennen. Seine markanten Wangenknochen und seine kleine Stupsnase. Sein breites Lächeln und die Grübchen, die dabei entstanden. Ich sah seine haselnussbraunen Augen, die er immer als langweilig beschrieb, und seine zerzausten hellbraunen Haare, die ich schon ewig nicht mehr gesehen hatte.

Als ich merkte, wie sich Tränen in meinen Augen sammelten, wandte ich mich ab und sah aus dem Fenster. Als auch die anderen Schüler auch fertig wurden, klingelte es zur Pause und ich verließ den Raum.

Ich ging nach Draußen zu den Tischtennisplatten und setzte mich auf eine. Früher hatten wir hier jede Pause gesessen und uns unterhalten. Doch jetzt war es hier so leer, dass ich es nicht mehr länger aushielt. Die Stille erdrückte mich.

Ich setzte mir meine Kopfhörer auf den Kopf und startete unser Lied. Ein Ton nach dem anderen erklang und das Musik fängt an zu fließen. Erst immer die gleichen Töne, dann kam die linke Hand dazu.

Die Kombination der hohen und tiefen Töne, die Art wie RIOPY das Klavier beherrschte ließen mich jedes Mal in meine Welt abtauchen. Wo es weder Schlecht noch Gut gab, wo es nur noch die Musik gab.

Ich hörte die Botschaft, die durch die Musik ausgedrückt werden sollte und spürte die Liebe, die dahintersteckte. Ich verlor mich in RIOPYs "I love you" und vergaß den Schmerz, der mich seit den letzten Wochen verfolgte.

Nach der Schule ging ich nach Hause und schob mir eine Pizza in den Ofen. Als sie fertig war, lag im ganzen Haus der Duft von geschmolzenem Käse. Doch mich erreichte er nicht. Ich brachte es gerade mal über mich, ein Viertel hinunter zu würgen.

Ich wurde das Gefühl nicht los, dass mich alles einengte. Also verließ ich kurzer Hand das Haus und ging in den nahegelegenen Wald. Die Hitze war drückend und die Sonne strahlte auf meine Haut. Ich fing an, schneller zu laufen, immer schneller, immer schneller. Irgendwann rannte ich im Schatten der Bäume.

Der Wald spendete wenigstens etwas Kälte. Völlig ausgelaugt erreichte ich eine Bank und ließ mich auf diese fallen. Bis auf mein erschöpftes Atmen und mein schnell klopfendes Herz war es totenstill. Niemand traute sich bei diesen Temperaturen aus dem Haus. Das Dorf war wie ausgestorben.

Ich schaute mich um. Alle Blätter waren vertrocknet, alle Wiesen hatten einen hellen Braunton angenommen, der Boden war staubig. Und während ich aufstand, fragte ich mich, wann es endlich kälter wurde und ich diesen Sommer hinter mir lassen konnte.

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