Neunzehn

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Jason war meine Rettung. Ich entdeckte ihn nur wenige Minuten, nachdem der Schnurrbarttyp abgezogen war. Er kam gerade in einem Auto die Straße entlanggefahren, hupte und winkte. Ich winkte nicht, sondern rannte ihm hinterher, bis er schließlich verwundert am Straßenrand hielt. Hechelnd holte ich ihn ein und blieb vor dem Auto stehen. Jason kurbelte die Scheibe seines alten Toyotas herunter und glotzte mich ungläubig an.

Keuchend lehnte ich mich nach vorne und stütze die Hände auf die Oberschenkel, um zu Atem zu kommen. »Hey. Sorry, dass ich dich aufhalte, aber«, setzte ich an, doch meine Lungen lechzten noch immer nach Sauerstoff und unterbanden jeden Versuch zu sprechen.

»Alles in Ordnung?«

Ich nickte. Dann schüttelte ich den Kopf.

»Ich habe mich verlaufen.«

»Oh. Okay. Hast du schon auf dem Handy geschaut?«

»Vergessen«, stieß ich hervor.

»Ähm ... wo wohnst du denn?«

Ich nannte ihm Chloes Adresse und er schlug vor, mich mitzunehmen. Erleichtert nahm ich sein Angebot an, öffnete die Tür und rutschte auf den Beifahrersitz. Es roch ein wenig muffig und nach dem Leder der verschlissenen Sitze. Vom Rückspiegel baumelte ein Miniatur Auto mit Flügeln, bei dem ich an Supernatural denken musste.

Als Jason jedoch Anstalten machte, geradeaus weiterzufahren, wurde mir übel.

»Gibt es keinen anderen Weg?«

»Was stimmt denn mit der Straße nicht?«, fragte er verwundert.

Unentschlossen vergrub ich meine Finger in den Ärmeln meiner schwarzen Jeansjacke. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihm von dem Schnurrbarttypen erzählen sollte, allerdings fiel mir kein plausibles Argument ein, das dagegen sprach. Außer Hemingways Drohung vom Abend davor. Aber ganz sicher, ob die beiden wirklich etwas miteinander zu tun hatten, wusste ich schließlich noch nicht.

»Ich glaube, mich hat jemand verfolgt. Er ist in diese Richtung verschwunden.« Mit dem Finger deutete ich auf die Straße vor uns und fügte noch hinzu: »Deshalb bin ich auch so kopflos durch die Stadt gerannt und habe mir den Weg nicht gemerkt.«

Jasons Augen weiteten sich. »Verfolgt? Was zur Hölle?! Wer hat dich verfolgt?«

»Nur ein komischer Typ mit einem Schnurrbart.«

»Ähm, nur?«, wiederholte er konsterniert. »Du weißt schon, dass Stalking eine Straftat ist, oder? Soll ich die Polizei rufen?« Er war schon dabei, sein Handy aus seiner Hosentasche zu ziehen, doch ich winkte hastig ab. Hemingways Bild schob sich vor mein Auge, und dann hörte ich seine Stimme wieder in meinem Ohr, als wäre es nur vor wenigen Minuten gewesen.

»Nein, das ist wirklich nicht nötig. Ich bin mir sicher, dass er es nicht noch einmal macht. Ich will einfach nur nach Hause.«

Jason nickte verständnisvoll, startete den Motor und lenkte den Wagen in eine andere Nebenstraße. »Warum glaubst du, dass er dich verfolgt hat?«

Ich lieferte ihm eine Kurzfassung der Geschehnisse und verzichtete auch nicht auf die Details, die mich am meisten verängstigt hatten.

Jason zwirbelte nachdenklich die kurzen Haare an seinem Hinterkopf zwischen seinen Fingern, während eine Hand locker auf dem Lenkrad ruhte. »Kanntest du ihn denn?«

»Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen.«

»Seltsam...« Wenn er so weitermachte, blieb von seinen Haaren nicht mehr viel übrig. Seine Freundin würde alles andere als begeistert sein.

Nach einigen Minuten fanden wir uns in einer Straße wieder, die mir auf Anhieb bekannt vorkam. Von hier aus waren es noch gut zwei Minuten und zwei Häuserecken bis zu Chloes Straße.

»Danke. Und sorry, dass ich dich aufgehalten habe«, sagte ich zerknirscht, als er das Auto am Straßenrand parkte.

»Kein Ding, Duncan wird es schon überleben, wenn ich ein paar Minuten zu spät komme.« Oh. Er lachte.

Ich lächelte verhalten und stieg aus dem Auto. »Also danke nochmal. Und viel Spaß.« Ich schlug die Tür zu und kurz darauf wendete Jason den Wagen und fuhr winkend davon.

***

Fast wäre mir die Schüssel mit dem Avocadoaufstrich aus der Hand gefallen, als mein Handy neben mir auf der Arbeitsplatte zu klingeln begann und Duncans Name auf dem Display erschien.

Vorsichtshalber stellte ich die Schüssel auf der Anrichte ab und holte Luft – zitternd, aber wieso eigentlich? - ehe ich den Angriff entgegennahm. »Hallo?«

»Hi.«

»Ähm ... hi.« Warum sagte er nichts weiter? Verdammt, meine Kompetenzen in Sachen Smalltalk hatten meine Klassenkameradinnen einst in Grund und Boden gestampft.

Sprich doch einfach, flehte ich. Egal was, aber sprich.

»Soweit alles okay bei dir?« Auch wenn das alles andere als eine gute Frage war, erfüllte mich Erleichterung darüber, dass er nach Sekunden des Schweigens endlich das Wort ergriff.

»Mhm.« Sollte ich ihm auch eine Frage stellen? Und dir?, zum Beispiel? Nein, lieber nicht. Entweder ich würde es falsch betonen, oder mich verhaspeln oder es seltsam klingen lassen. Ich hatte ein Händchen dafür, mich ständig zu blamieren. Lieber umging ich jede Gefahrenzone. Dafür nahm ich auch in Kauf, dass er mich als unhöflich abstempelte.

»Jason hat mir erzählt, jemand hat dich verfolgt?«

»Mhm.« Mich überkam das Bedürfnis, irgendetwas mit meinen Fingern zu tun, also schob ich die Schüssel auf der Anrichte hin und her. Das Glas schabte kreischend über die steinerne Anrichte.

Duncan schwieg eine Weile lang. »Das ist doch alles nicht mehr normal. Irgendetwas geht hier vor sich. Denkst du, es hat etwas mit dem Arschloch aus dem Café zu tun?«

»Möglich«, sagte ich vage. »Aber ich habe wirklich keine Ahnung. Naheliegend wäre es jedenfalls.«

»Hast du die Polizei gerufen?«

»Nein, ich hatte doch keine Beweise. Er könnte einfach behaupten, dass er zufällig den gleichen Weg gegangen ist.«

»Aber was, wenn er weitermacht? Woher willst du wissen, dass er es dabei belässt? Vielleicht steht er morgen vor deiner Haustür. Er scheint schließlich keinen Hehl daraus zu machen, dass er dich beobachtet.« Bei den letzten Worten hörte ich deutlich das Unbehagen heraus.

»Na ja, meine Cousine hat auch einen Stalker. Und sie hat noch nicht die Polizei gerufen«, sagte ich, ohne genau zu wissen, wieso.

Duncan sog scharf die Luft ein. »Hast du schon einmal darüber nachgedacht, ob es an deiner Familie liegen könnte?«

Ich runzelte die Stirn. »Ganz kurz, aber ich habe den Gedanken sofort wieder verworfen. Was sollten die Typen denn von uns wollen?«

»Habt ihr viel Geld?«

Ich hob überrascht die Schultern. »Keine Ahnung. So mittelmäßig. Genug, dass meine Eltern mir das Internat bezahlen konnten, aber nicht so viel, dass sich ein Einbruch lohnen würde. Und außerdem: Wie erklärst du dir, dass der Stalker meiner Cousine hier schon seit Jahren sein Unwesen treibt? Ich glaube einfach, dass er ungesund stark in sie verknallt ist.«

»Also wenn ich stark verknallt bin, verfolge ich diejenige nicht auf Schritt und Tritt«, warf Duncan ein. »Aber ich weiß ja nicht, wie das bei dir ist.«

Ich hörte den scherzhaften Unterton in seiner Stimme und rollte mit den Augen. »Menschen sind verschieden. Und vielleicht hat sich aus seinem Verliebtsein eine Besessenheit entwickelt. Aber ich glaube nicht, dass zwischen ihrem Stalker und dem Schnurrbarttypen ein Zusammenhang besteht.«

»Der Schnurrbarttyp?«, wiederholte Duncan belustigt. Na toll. Meine Dummheit rief mir einmal mehr in Erinnerung, warum es klüger war zu denken, bevor man sprach.

»Wie nennst du denn Menschen, deren richtigen Namen du nicht kennst?«, murrte ich, erwartete jedoch keine Antwort. »Hast du etwas dagegen, wenn wir uns jetzt wieder auf das Wesentliche konzentrieren?«

»Nein, wir müssen nämlich noch über etwas anderes reden.«

»Ach ja?«

»Jep. Und zwar über deine Superkräfte.«

Ich seufzte.

Dennoch unterhielten wir uns noch ein wenig über die kürzlichen Vorkommnisse, ohne auf gestern Nacht zurückzukommen. Das Gespräch verlief ein wenig schleppend; wir schienen beide etwas befangen zu sein. Zu einer neuen Erkenntnis gelangten wir ebenfalls nicht. Es war mir ein Rätsel, weshalb meine Magie so beherzt eingegriffen hatte, als Duncan in Not gewesen war, nicht aber, sobald ich selbst in Bedrängnis geraten war. Er fragte mich außerdem, ob ich meine Kette inzwischen wiedergefunden hatte. Ich verneinte. In all dem Trubel hatte ich ganz vergessen, dass ich eigentlich mit der Absicht, sie zu suchen, zu meinem heutigen Spaziergang aufgebrochen war.

»Jules, wegen gestern...«, setzte er zu meinem Unglück schließlich doch an.

Ich ließ ihn nicht weiter zu Wort kommen. »Das geht schon wieder.« Vielleicht sagte ich es ein wenig zu schnell. Vielleicht ein wenig zu überzeugt. Zu überzeugt, um einen einigermaßen intelligenten Menschen zu überzeugen.

»Okay...«, sagte Duncan zweifelnd, sprach dann allerdings ohne Umschweife weiter. »Willst du die Schicht freitags wechseln? Dann musst du nicht so spät allein nach Hause fahren. Wir könnten mit meinem ... also mit dem Chef sprechen.«

Ich ließ mir das Angebot durch den Kopf gehen. »Dann ... dann müsste ich es ihm erzählen«, überlegte ich.

»Nicht unbedingt. Du könntest auch einfach sagen, dass du Angst hast, um diese Uhrzeit alleine im Café zu sein und anschließend nach Hause zu fahren. Du musst Hemingway ja nicht erwähnen.«

»Denkst du, das überzeugt ihn?«

»Ich weiß nicht...«, gab Duncan nach kurzem Zögern zu. »Ich könnte versuchen, ihn zu überreden, aber ich bezweifle, dass er auf mich hört. Vor allem im Moment -« Er stockte.

Ich verzichtete darauf, weiter nachzufragen. Wenn er darüber reden wollte, dann hätte er nicht mitten im Satz abgebrochen. Ich mutmaßte, dass es etwas mit dem gestrigen Streit zu tun hatte, den ich teilweise mitangehört hatte. »Nein, schon gut. Das solltest du nicht. Es reicht, dass du ihn für mich angelogen hast.«

Ein tiefes Seufzen drang aus dem Lautsprecher »Manchmal glaube ich, dass es mir Spaß macht.«

»Was?«

»Meinen Vater anzulügen.«

Ich schluckte. »Nur ihn oder generell jeden?«, hakte ich nach und versuchte, mir Unsicherheit und Misstrauen nicht allzu sehr anmerken zu lassen.

»Nur meinen Vater. Das ist so ein Ding zwischen uns.«

Das erinnerte mich an etwas...

Sofort verdrängte ich den Gedanken wieder und schüttelte den Kopf. Das war Zufall, ganz sicher. Alles normal.

Dennoch weckten Duncans Worte meine Neugier. Ich konnte doch wenigstens austesten, inwieweit seine Aussagen denen des Traum-Duncans ähnelten.

»Versteht ihr euch nicht gut?«, fragte ich möglichst beiläufig und gerade so desinteressiert, dass es nicht unhöflich klang.

»Es geht.«

»Aber er ist doch...« Ja, was eigentlich? »... ganz nett«, beendete ich meinen Satz halbherzig.

»Tja, nett reicht als Vater nur leider nicht«, entgegnete er bitter.

Darauf wusste ich nichts zu erwidern. Wir verfielen in ein unangenehmes Schweigen, aus dem sich keiner von uns so recht zu befreien wusste.

»Also, dann...« Anscheinend hielt Duncan unser Gespräch an diesem Punkt für beendet. In dieser Sache waren wir uns wohl einig. »Wir sehen uns am Montag. Und wahrscheinlich am Dienstag.«

Ich stutzte. »Dienstag?«

»Du weißt schon, das neue Schwimmbad. Oder hast du dich jetzt doch wieder umentschieden?«

Oh shit. Daran hatte ich in den letzten Tagen keinen einzigen Gedanken mehr verschwendet. Ob ich kurzzeitig absagen konnte? Wenn es nach Helen ginge, auf keinen Fall. Aber Duncan hatte nur allzu deutlich bekundet, dass er nicht gerade erpicht darauf war, mich dabeizuhaben. Gerade deshalb konnte ich jetzt einfach keinen Rückzieher machen, wo ich doch nur zugestimmt hatte, um ihm die Stirn zu bieten. Ich konnte jetzt nicht absagen. Das ließ mein Stolz nicht zu.

»Nein«, antworte ich deshalb entschlossen. »Natürlich gehe ich mit.«

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