13 - Rookėon's Bestimmung

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Gemeinsam setzten sie den Weg fort, überquerten den weichen Waldboden und ließen eine Anzahl an Wohnbehausungen hinter sich, in denen sich Krieger vom Gefecht ausruhten oder aber kameradschaftlich miteinander rangelten. Kartenspiele stellten ebenso eine willkommene Abwechslung zu Schwert und Lanze dar. Zwischen den dicken Baumstämmen und niederen Ästen waren die schwarzen Zelte verankert, spannten sich reihum aneinander wie ein Meer aus Schatten und boten Hundertschaften ein Dach über dem Kopf. Ein Zuhause. Chimiras hatte dem Elf die Grundrisse der utopisch großen Behausung dargelegt und sich über Rookėon 's Verbot, dies zu tun, hinweg gesetzt mit der Begründung, dass der Elf eine Struktur zur Hand bräuchte, sollte er sich entschließen ohne Chimiras die tägliche Bewegung zu versuchen. Insgeheim wusste er ja, dass der Elf viel zu eingeschüchtert von den Ferocez eher im Lazarett ausharrte als allein vor das Zelt zu treten, und dennoch handelte er aus seinem Bauchgefühl heraus. Viele Wochen schon verbrachte er Zeit mit dem Wesen, es setzte eine gewisse Routine ein und beide hatten sich aneinander gewöhnt, sodass sie offen miteinander umgingen.

Wie sie so an der großen Feuerstelle vorbei marschierten, an der nach siegreichem Kriegszug ausgelassen gefeiert und getrunken wurde, da versuchte er dem Elf ein bisschen tieferen Einblick in die Kultur und die Ideologie seines Stammes zu geben. Schließlich besaß er ein Anrecht darauf zu erfahren, in welchem Umfeld er sich bewegte und, dass die Verachtung sich nicht auf ihn als schwerlich geduldeten Gast verschärfte, sondern eine ältere Bedeutung hatte. Du selbst trägst keine Schuld am Verhalten der Krieger, das sie dir entgegen bringen.

„Kehrten deine Erinnerungen über die Geschichten zurück, die dir deine Mutter sicherlich im Kindesalter erzählte?", erkundigte sich seine Stimme sanft und ehrlich interessiert, denn womöglich könnten die richtigen Fragen das vergessene Erinnerungsvermögen anlocken und wieder erwecken. Schwer schnaufend schüttelte der Elf den Kopf, fühlte sich demotiviert weil er nichts beitragen konnte um das Rätsel seiner Identität zu lösen. Die immerzu präsente Zielscheibe auf seinem Rücken trug nicht wirklich zu einer erholsamen Genesung bei, doch wie sollte er stimmlos diese Sorge verständlich kommunizieren?

Ungleiche weiße Strähnen verdeckten sein Antlitz, es brauchte nur ein Windzug zu fegen und die Haare zerstäubten sich wie ein alter Besen, und Chimiras nahm sich vor, bei nächster Gelegenheit den Barbier zu beauftragen um die Haarlängen anzugleichen. Nur weil ihn die spitzen Ohren von Gleichberechtigung enthoben, so musste er sicherlich nicht in derart verwahrlostem Erscheinungsbild auftreten.

Er räusperte sich, verlangsamte das Schritttempo damit der Elf zuhören konnte und fasste die lange Historie gebündelt zusammen: „Zu Anbeginn der Zeit existierten die heute bekannten Königreiche nicht, sie entstanden erst weit nach dem verheerenden Krieg. Dieser hinterließ die Länderein großteils zerfallen zu Schutt und Asche, vergossenes Blut und verwesende Leichname machten die Ackerböden unfruchtbar und stürzten die Überlebenden in einen weiteren Kampf, den Kampf ums Überleben. Die Ausgestoßenen aus diesen Reihen allerdings, deren Moral nicht dem allgemeinen Kodex der Aufrichtigkeit entsprach, die verbündeten sich zu einer Widerstandsbewegung und führen seit jeher Vergeltungsschläge am elfischen Volk durch"

Chimiras legte eine Pause ein, abwartend, ob sein Begleiter den Kopf zu einer stillen Frage heben mochte, und fuhr fort, nachdem die spitzen Ohren weiterhin mit Neugierde zu ihm gewandt warteten. „Man benannte unsere ersten Vorfahren nach ihrem wilden, unzähmbaren Wesen. Ferocez, die Wilden. Bis heute tragen wir diese Werte weiter, bieten Zuflucht für jene die keinen Platz in der Welt finden und öffnen unsere Tore für solche, die sich uns dem Kampf gegen die Elfen anschließen. Gnome, Trolle, Mischwesen, was du dir eben vorstellen magst, wirst du unter uns finden. Alle heben wir die Schwerter zum selben Zweck, vereint im Kampf und treu dem schwarzen Magier, denn er allein ist mächtig genug um Rache für unsere gefallenen Ahnen zu nehmen"

Nun hob der Elf doch den Kopf ein wenig an, gerade so weit, dass er noch den Waldboden auf Hindernisse erhaschen konnte, und bat stillschweigend um eine Erläuterung. Chimiras kam dem Ersuchen nach und führte aus, während seine Schritte vom herabgefallenen Nadelwerk der Tannen abgedämpft wurden: „Die hochgeborenen Elfen wandten sich als erste aus dem Krieg der Nationen ab und überließen es den restlichen Alliierten, die verbliebenen Gesetzlosen hinzurichten, da sie keinem Zweck mehr dienlich waren. Also flohen unsere Ahnen in geschlossenem Bündnis aus der Zivilisation, suchten Schutz in den dunklen Wäldern von Kestramoré und über Generationen wurde die schwarze Magie in ihren Reihen wiedergeboren und tarnte sich unter ihnen...", Chimiras richtete sich stolz auf als er die Worte langsam aussprach um jede Silbe vollumfänglich auszukosten: „...tarnt sich unter uns...", achtungsvoll warf er die Locken zurück, es schwelgte ihm die Brust mit Stolz und Ehrfurcht in einem derart geschichtsträchtigen Ereignis Anteil zu haben ohne selbst zu wissen, wer und wo sich diese Energie zur jetzigen Begebenheit aufhalten möge. „...und wird erwachen zu dem Zeitpunkt, in dem sie auf ihren spirituellen Kontrahenten trifft, genannt der silberne Soldat. Wir wissen, dass diese wiedergeborene Energie sich in den Reihen der Elfen versteckt und gehen davon aus, dass die Mitglieder der Königsfamilie jene Wissensträger sind. Solches Wissen würde man keinem einfachen Bauernnarr anvertrauen". Er nickte und blickte da zum ersten Mal auf seinen Begleiter hin, der mit großen Augen aufmerksam lauschte und regelrecht verblüfft war von dem Ursprung der heutigen Gegenwart. Zum ersten Mal hörte er davon, dass seine Gattung eine dunkle Vergangenheit besaß und scheinbar einen ebenso wenig reinen Charakter aufwies, wie die Ferocez.

Was unternehmt ihr, wollte er so gerne mit der eigenen Stimme fragen, um in Kontakt mit diesen Elfen zu treten? Sie werden sicherlich nicht einfach so aus ihren Palästen hervorkommen und das Gespräch suchen.

„Rookėon 's Blutlinie befehligt seit dem ersten Krieg die Ferocez", offenbarte der Dunkelhaarige und ließ den Blick haltlos umherstreifen, glitt über die Konstruktionen der Unterkünfte bis zur Schmiedstelle, in der sämtliche Waffen für die Kämpfer angefertigt und instandgehalten wurden. Lange hatte Chimiras schon nicht mehr über die Vergangenheit philosophiert und nachgedacht, die Stammesmitglieder waren alle im gleichen Wissen aufgezogen und ausgebildet worden und hatten die Geschichte als Ideologie verinnerlicht. Hingenommen und akzeptiert, als Teil ihrer selbst, denn wer würden sie schon sein, wenn nicht kleine Bestandteile eines viel größeren, viel bedeutungsvolleren Zweckes? Nun aber, da Chimiras von Anfang bis Ende selbst ein zweites Mal in die tiefen Details eintauchte und sie hinterfragte, da wirbelte es ihm die Gefühle und Überzeugungen durcheinandern. Mit einem Runzeln auf der Stirn brachte er dem Wesen mit den spitzen Ohren die Person näher, die er seit dem Kindesalter als Freund bezeichnete und den er vermutlich besser kannte, als irgend jemand sonst: „Vor seiner Geburt schon war er verwurzelt mit dem Lebenswerk seiner Ahnen, liegt ihm sozusagen im Blut. Es ist seine Lebensaufgabe, den Nachfahren des silbernen Soldat aufzuspüren und an den Nachfahren des schwarzen Magiers auszuhändigen. Damit sich das Schicksal erfüllt und unsere Ahnen den Frieden finden dürfen, der ihnen seit Jahrhunderten verwährt ist"

Wegen uns?, weiteten sich die Augen und der Elf schluckte hart. Soeben fühlte er wie sich sein Denken grundlegend änderte unter all diesen neuen Erkenntnissen, und plötzlich verstand er, weswegen er von den Ferocez so verachtet wurde. Es lag nicht daran, dass er aus dem Nichts auftauchte und ihre Gastfreundschaft und Resourcen strapazierte, sondern vielmehr an der bitteren Abstammung, auf die seine spitzen Ohren hinwiesen. Die ersten hohen Elfen haben zugelassen, dass Gesetzlose ohne gerechten Prozess einfach...abgeschlachtet werden? Weil sie nach Kriegsende keinen tauglichen Zweck mehr erfüllten?

Der Elf spürte ein ekliges Grummeln im Magen und Chimiras, der keine weitere Erklärungen aufbrachte weil alles Gesagt war, hob die Schultern. „Du siehst, es ist nichts persönliches dir gegenüber. Dir steht es frei, die Wälder von Kestramoré nach deiner Genesung zu verlassen", Chimiras zögerte und rang mit sich, er sollte nicht aussprechen was er vermutete aber es war der Elf, Elf, dem er vertraute und den er versuchte zu beschützen nach allem, was ihm von den eigenen angetan worden war. Also überwand er die Hemmungen, legte ihm nach innerem Disput eine Hand auf den Unterarm, bedeutete ihm anzuhalten und beugte sich näher an ihn heran, damit nur die spitzen Ohren die geflüsterte Botschaft verstanden. „In deiner Motorik eingeschränkt gibst du ein leichtes Ziel ab, wäge also gut ab, ob du zurück zu den Deinen kehrst...ich gehe nach wie vor davon aus, dass dir ein Spitzohr gewillt war, das Leben zu nehmen"

Und es vielleicht immer noch will, sollte die Kunde über deine Auferstehung an die falschen Ohren dringen.

Unheilvoll schluckte er und der Griff um die Krücke verkrampfte sich. Aus der Sichtweise von Chimiras hatte er sein Dilemma soeben zum ersten Mal betrachtet, bislang dachte er lediglich soweit, dass er den letzten Verband abnehmen dürfte. Dass danach das Leben für ihn irgendwie weitergehen musste, das hatte er völlig verdrängt. Nun erschütterte es ihn innerlich zutiefst und Furcht zog in ihm auf, denn wie könnte er jemals wieder Vertrauen zu seiner Gattung fassen, wenn er sich nicht an seine Vergangenheit erinnern konnte und darüberhinaus erfahren hatte, welche abscheuliche Tat seine ersten Vorfahren vollbrachten? Schwebte er in Gefahr, oder war diese erloschen als man ihn für tot befand und mit eingeschlagenem Schädel im Gebüsch entsorgte?

Kummervoll füllten sich die grünen Augen mit Hoffnungslosigkeit und er brauchte die Frage nicht aussprechen oder mit den Lippen formen, denn Chimiras schien ihn aufrecht zu verstehen und deutete die schimmrigen Augen korrekt. Unter den schwarzen Locken bildete sich ein warmer Gesichtsausdruck, der einer Umarmung gleichkam und gesprochen mit einer einladenden Stimme bestärkte diese: „Ebenso steht es dir frei, dich uns anzuschließen". Hier kann ich dich beschützen.

Der Elf neigte den Kopf und die Mundwinkel rutschten ihm hinab, doch auch diese Befindlichkeit deutete Chimiras exakt und quittierte sie mit einem hellen Grinsen, das weit weg war von Zweifeln: „Mach dir über Rookėon keine Sorgen, mit ihm weiß ich umzugehen. Ganz gleich wofür du dich entscheidest...", Chimiras übte sanften Druck auf seinen Griff aus, hoffend dem verzagten Spitzohr ein kleines bisschen Zuversicht zu schenken. Den Ursprung dieser Aufmunterung zierte kein Mitgefühl, sondern vielmehr die sich entfaltenden Regungen einer freundschaftlichen Verbindung zwischen zwei Wesen, die außerhalb der Wälder verfeindet waren. Hier allerdings, versteckt in den dunklen Mysterien von Kestramoré, da lernten sie einander kennen und respektieren, begegneten sich frei von Vorurteilen auf ebenbürtiger Gleichstellung und es lag Chimiras fern, das in ihn gesetzte Vertrauen des Elfen zu verletzen. Aus diesem Grund sprach er ehrlich und ungetrübt hin zu den grünen Augen: „...ich stehe hinter dir, denn wie wir und unsere Vorfahren, wurdest du ebenso von Elfen in Mitleidenschaft gezogen". Für das nächste Zugeständnis verließ kein Laut die Lippen, kommuniziert wurde es mit einer einfachen, aber vielsagenden Auflegung der Hand an die Schulter des Elfen und einem stummen Blickwechsel, so intensiv, für den in keiner Sprache gleichbedeutende Worte existierten. Es genügt bereits deine Anwesenheit in unserer Mitte, um dich zu einem von uns zu machen. Ich erkenne es, und Rookėon 's Augen werden sich derselben Erkenntnis öffnen, wenn die Zeit reif ist. Den Platz, den du bei uns einnehmen wirst...er erwartet dich.

Humpelnd und langsam nahmen sie den Weg erneut auf sich, legten die Strecke zwischen Feuerstelle und Waffenlager in gleichmäßigem Tempo zurück und da ihn der Elf kein mal mehr anblickte, so erachtete Chimiras dies, dass er ihm wohl einiges zu Bedenken mitgegeben hatte. Da lag es ihm fern, die Stille zu unterbrechen. Es waren in kurzer Zeit sehr gravierende Einschnitte in dem Leben des anderen passiert, die alles auf den Kopf stellten was er glaubte zu wissen. Schweigsam spazierten sie nebeneinander her, passierten hier und da Gruppen der Ferocez und der Elf empfand ihre bohrenden Blicke nun anders. Berechtigt. Inzwischen kannte er die Schuld, die anhaftend an seiner Gattung auch an ihm hing und wo es zuvor ein einfacher Spaziergang war, so empfand er ihn nun als einen Gang der Schande. Er schämte sich so arg, dass er in kleines bisschen weniger über die verlorene Stimme trauerte, denn selbst hätte er sie noch gehabt, würde er niemals die angemessenen Worte finden um die Verbrechen seines Volkes zu entschuldigen.

Der Elf richtete sich auf und hob die Hand, legte sie an die erhitzte Stirn und wischte die Schweißtropfen hinfort, die trotz des bewölkten Himmels zustande gekommen waren. Mühevoll unterdrückte er ein Stöhnen, denn das Knie begann unheilvoll zu Pochen und zwar so arg, dass er sich auf die Lippe biss um sich nichts anmerken zu lassen. Dabei lief es doch schon so gut, hatte er angenommen und offenbar in falschem Optimismus die körperlichen Warnsignale ignoriert. Chimiras wusste nach der in Zweisamkeit verbrachten Zeit die Gesichtsmimiken allesamt zu deuten und reagierte ohne zu Zögern, führte einen Arm um den schlanken Elf und legte sich den freien um den Nacken. „Setz dich", bat er mehr im Befehlston und leitete ihn hin zu einem Baumstumpf, half ihm beim Sitzen das linke Bein zu bewegen und wie er so dakauerte, mit schweißnasser Stirn und geröteten Wangen, da ereilte Chimiras ein beunruhigender Verdacht. Unwohl runzelte er die Stirn und fühlte die Temperatur seines Begleiters, zog alarmiert die Hand zurück und blickte sich eiligst um, erspähte einen der Heiler und beorderte ihn mit einem schrillen Pfiff her.

Paenos, rasch!", wies er in einem strikten Tonfall an, der keine Zeitverzögerung duldete und gestikulierte hin zum Elfen, der träge blinzelte und merklich unsicher saß: „Bringt mir Wasser und eine Tinktur gegen Fieber"

In gebotener Eile nickte Paenos und schlug einen Haken zum Lazarett ein, wobei er sich nicht um die neugierigen Blicke der Jäger scherte, an denen er vorbeispurtete. Chimiras verweilte beim Elf, ließ ihn nicht allein zurück und wohl reichte dieser stumme Beistand aus, damit er sich nicht so verloren fühlte wie es der leere Kopf ihn immerzu vermuten ließ. Hilfsbereit strich er ihm die verschwitzten hellen Strähnen aus der Stirn und hinter die Ohren, visierte die Verfassung an und sprach ruhig, doch mit aufgeregten Augen: „Erschreck dich nicht, ja? Ich werde dir das Hemd ein wenig aufknöpfen, damit du besser atmen kannst"

Der Elf holte keuchend Luft, ohne bewusstes Zutun spürte er seinen Kopf nicken denn er vertraute Chimiras, hielt still als die kühle Waldluft an seine warme Haut strich und der Schwindel tatsächlich ein wenig abklang. Danke, schnappte er stumm nach Luft und wo ihm die Stimme nicht gehorchte, so beantwortete Chimiras den Dank mit einem ebenso stummen, zuversichtlichen Lächeln. Nicht der Rede wert, Elf.

Posaunenklänge brachen durch die Walddächer.

Aufgeschreckte Vögel klatschten mit den Flügeln und stoben aus ihren Nestern davon, verteilten sich am Firmament zu einem hysterischen Treiben und verdunkelten das spärlich einfallende Sonnenlicht. Alarmiert fuhr Chimiras herum und richtete sich auf, die Hand packte blindlings den Schwertknauf und war drauf und dran es zu zücken um seine Gemeinschaft zu beschützen, da ließ die Aufregung nach. Er verhärtete den Kiefer und straffte erregt vom Adrenalin die Schultern. Unter dem Krähen und Kreischen der Vogelschwärme fielen wuchtartig Schattengestalten zwischen den Baumstämmen ein, so unverzüglich, dass die trägen Nebelschwaden brachial zerstoben. Sie füllten die Wege und Pfade wie wuselnde Ameisen und kurz bevor sie an Chimiras vorbeiströmten, senkten sie das Kinn zu einem Nicken. Chimiras wiederum tat es ihnen gleich und zeigte selbige Respektsbekundung, verschränkte beide Arme vor der Brust und überflog die Köpfe der heimkommenden Ferocez. Gleichzeitig wich er keinen Zentimeter vom Elf ab, denn seine Anwesenheit bildete Schutz und die Ferocez brachen die Formation um sie zu umrunden wie eine Welle, die gebrochen an Klippen zerschallte. Der Elf achtete nicht sonderlich auf die Umgebung, der Kopf fühlte sich entsetzlich fiebrig und schwer an, als würde man ihn als Kochtopf umfunktionieren und wie er da saß, in vornüber gebeugter Haltung und sich auf seine Atemzüge beschränkte, blendete sich der rückkehrende Feldzug beinahe von selbst aus.

„Sie sind zurück", murmelte Chimiras konzentriert darauf, aus den Köpfen den ihm bekannten von Rookėon zu erspähen. Sie hätten schon vor Tagen heimkehren sollen. Eifrig huschten die Augen von links nach rechts ohne Halt zu finden, ziellos schwenkten sie und mit den verstreichenden Sekunden wuchs der Missmut in Jasira's angespanntem Antlitz, denn für gewöhnlich war Rookėon derjenige, der die Truppen anführte. Dies tat er gerade nicht und dieses Fehlen in der sonstigen Ordnung war es, das Chimiras mit zunehmender Sorge strapazierte. Als er schließlich unruhig begann mit einem Knie zu wackeln, da zogen sich ihm die Brauen zusammen. „Wo bleibt er denn?", murmelte er zu keinem bestimmten und er war sich sicher, dass etwas Unvorhergesehenes passiert war, denn anders konnte er sich Rookėon 's Fehlen nicht erklären. „Da! Na endlich!", wich die Anspannung und das Zappeln hörte auf. Zwischen all den grimmig dreinblickenden Ferocez hob sich der kunstvolle Kriegszopf ab und identifizierte die Gestalt als Stammesoberhaupt, das mit großen Schritten über den Waldboden stapfte und dabei alles andere als zufrieden dreinblickte. Die mit metallringen versehenen Zöpfe schwankten im Gleichtakt über den muskulöse Oberkörper, dessen Panzerung zerkratzt war und grob den Grad der Grausamkeit erahnen ließ. Die ferocezische Kriegsbemalung im markanten Antlitz war verwischt von Schweiß, beinahe unkenntlich, nur mehr ergraute Flecken deuteten auf die Muster hin.

„Hast du große Schmerzen?"

„Das ist nicht mein Blut, das du siehst"

Der Elf hob den Blick weg vom Waldboden, immer noch spürte er das dumpfe Pochen am Hinterkopf doch seine Ohren fingen die Wortbrocken geschuldet der sensiblen Ausprägung auf. Schwerfällig hob er das Kinn an, richtete die Augen auf sein Umfeld und erkannte etwas verschwommen Esmeneth, der mit schnellem Schritt und bestückt mit einer Viole aus dem Lazarett herbei kam. Er schloss zu Rookėon auf, der mit verbissenem Gesichtsausdruck nicht auf die Frage einging und den Heiler mit Ignoranz behandelte, während er den Weg fortsetzte. Der Elf musste die Augen zusammenkneifen um aus der Ferne noch zu sehen, doch sein Gespür hatte ihn nicht in die Irre geführt, denn der Anführer hinkte tatsächlich kaum wahrnehmbar im Gehen. Es war das aller erste Mal, dass er Roanan nicht auf maximaler Leistung erlebte. Der unstete Gang, wenn auch bemüht überspielt, passte zu dem Blut auf seiner Kutte und den paar aus dem Geflecht verrutschten Haarsträhnen, die ihm um das Kinn flogen.

Übellaunig verzog er das Gesicht und knurrte nicht interessiert an der Medizin: „Ich werde es überleben"

„Das ist nicht die Antwort auf meine Frage". Esmeneth runzelte die Stirn und passte sich der Geschwindigkeit an, was bei dem hinkenden Bein nicht allzu schwer war. Mürrisch rollte Rookėon mit den Augen und so offen er seine Laune zur Schau stellte, nahm der Elf zumindest an, so musste es ein schwerer und zermürbender Kampf gewesen sein, dass er den sonst so beherrschten und kühlen Krieger derart aus der Fassung warf. Scheinbar teilte Chimiras dieselbe Vermutung, denn nach vielen Jahren der Zusammenarbeit beherrschte er die Kunst, Rookėon 's Gemütswallungen an seiner Körpersprache zu deuten und was er sah, gefiel ihm gar nicht. Das Stampfen mit den aufwirbelnden Tannennadeln in Kombination mit dem blutdurchtränkten Gewand stand für einen Kampf, dessen Intensität Rookėon nicht vorhergesehen hatte. Sowohl er als auch Chimiras wussten es in dem Moment, als sich ihre Blicke flüchtig streiften und anstelle einer Begrüßung eine verbitterte Stille herrschte. Die Feinde versuchten sich an unsrem Kampfgeist zu messen, doch das Glück stand nicht auf ihrer Seite.

Langwieriger als geplant entpuppte sich der Feldzug, zog sich anstelle einiger veranschlagter Tage über beinahe zwei erbitterte Wochen und nun, da Rookėon mit der Kriegsbeute und den geplünderten Reichtümern der niedergebrannten Stadt heimkehrte, würde er sich als rituelles Zeichen den Ring des Stadthalters als Haarschmuck einarbeiten lassen. Die Tradition der Ferocez verlangte es so. Ettliche der eingearbeiteten Schmuckstücke in dem schwarzen Haar stammten aus siegreichen Schlachten, und so lang wie die Haarpracht sich über den muskulösen Rücken ergoss, so lange schon dauerte die Siegesära von Rookėon an.

Sie kehrten erfolgreich zurück. Das taten sie immer.

Wo Rookėon sein Schwert erhob, da senkte er es erst wieder sobald das Blut seiner Feinde die Erde tränkte.

Elfenblut, nahm der Elf an und im Anbetracht der blutigen Lederkutte wurde ihm ganz flau im Magen. Es lag weniger an der grotesken Erscheinung des Anführers als mehr an dem, was er im vorherigen Gespräch über Rookėon 's Hintergrund erfuhr, über seine zielstrebige Mission gegen die Elfen zu operieren und wie er das rot bespritzte Antlitz des Kriegers anstarrte, da spürte er wie sein Herzschlag einen Takt aussetzte. Das da könnte ebenso mein Blut sein. Chimiras hat Recht behalten, Rookėon führt das Werk seiner Ahnen fort und ich empfinde...Verständnis?

„Kümmere dich um die, die deine Fachexpertise dringender brauchen als ich", wimmelte Rookėon harsch, allerdings bemüht taktvoll den Umständen entsprechend, ab, rümpfte die Nase und setzte seinen Gang fort, hin zum größten aller Zeltgebilde über dessen Eingang eine rote Flagge im Wind wehte. Das Abbild eines Wolfes zierte den Stoff und stand für die Verkörperung der Stärke, das Erkennungszeichen eines Ferocez. Es prangte auf jeder Kriegsmontur und schmückte die Banner der Unterkünfte, verbreitete das Gefühl der Zusammengehörigkeit und weil alle Krieger miteinander verbunden waren, da juckte es Chimiras in den Fingern, Rookėon nachzulaufen. Sie kannten sich seitdem sie klein waren, wuchsen miteinander auf in dieser von Gewalt und Krieg dominierten Welt, und er wollte für seinen Freund da sein. Insbesondere jetzt, da es gewichtigen Redebedarf gab und den wollte Chimiras nicht bis zu dem strategischen Treffen aufschieben.

Aber das schwarze Domizil gehörte Rookėon allein, und gerade flüsterte die Stimme der Vernunft zu Chimiras, er würde zu einem späteren Zeitpunkt einen besseren Zugang zu Rookėon finden. Einen, in dem er offen und ohne Höflichkeitsfloskeln sprechen durfte und womöglich wäre er ja dann soweit entspannt, dass Chimiras das Gespräch auf den Elf lenken könnte, ohne einen weiteren Wutanfall zu provozieren.

Chimiras stockte. Der Elf!

Hektisch blinzelte er und drehte sich um zu seinem Begleiter, der immer noch im Sitzen auf Paenos wartete und dies vermutlich vergeblich, denn einige heimkehrende Ferocez waren so schwer verwundet, dass sie gestützt von ihren Brüdern über den Waldboden geschleift wurden. Mit verschwommener Sicht aufgrund der schwachen Körperbefindlichkeit deutete der Elf auf das Zelt, auf das Hauptquartier von dem aus Rookėon die Ferocez führte und das eine Aura absoluter Ehrfurcht absonderte. Chimiras folgte dem ausgestreckten Arm, seufzte auf und hatte insgeheim schon mit dem fragenden Blick gerechnet. Er setzte an über die aktuelle Kriegsstrategien aufzuklären, während er den Elf unter den Armen fasste und hochhalf, um ihn eigens zum Lazarett zurückzubringen. „Rookėon und zwei Platoons kehrten eben von einer Mission wieder, die längst beendet hätte sein sollen", begann er chronologisch und senkte die Stimme verstohlen. „Angegriffen haben sie den westlichen Außenposten der elfischen Stadt Kiriadar. Unsere Kundschafter informierten Rookėon über ein bevorstehendes Treffen von namhaften elfischen Offizieren, unter denen er einen Abgeordneten aus dem Königshaus Therondia vermutete. Beweise dafür gab es keinen, aber die braucht er nicht. Roanan verlässt sich oftmals auf seinen Instinkt und niemand weiß eine Erklärung, doch diese instinktiven Entscheidungen führen meist zu unverhofften Siegen. Jedenfalls plante er, dieses Treffen aus dem Hinterhalt zu stürmen und die Elfen...", er verstummte und schien nicht recht zu wissen, wie er fortfahren sollte.

...zu foltern, vervollständigte der Elf gedanklich und nickte knapp, gab Chimiras zu verstehen, dass es in Ordnung war und er keinen Gram hegte. Der Krieger seufzte auf, ehe er bestärkt durch die grünen Augen weiter erzählte: „...mit einem schnellen Tod zu erlösen, sollten sie ihm den Aufenthaltsort vom Nachfahren des silbernen Soldat nennen. Ich weiß selber noch nicht, wie diese Mission letztendlich verlaufen ist, wohl hat Rookėon die Informationen nicht erhalten, doch wenn ich mir die allgemeine Gemütslage unserer Stammesbrüder und ihre blutigen Rüstungen besehe...dann müssen sich die Elfen ordentlich zur Wehr gesetzt haben bevor sie ihr Leben ließen", fasste er sich kurz.

„Eines muss man deiner Art lassen, Elf", fügte er rasch hinzu und wohin das Schmunzeln für Außenstehende eine groteske Beleidigung darstellte, so entwisch es Chimiras mit der einzigen Intention seinen Respekt zu äußern. „Im Angesicht des Todes wird klar, dass ihr mutige und tapfere Krieger seid. Wahrlich"

Auf mich trifft das nicht zu, dachte er betrübt und musterte das kaputte Knie, das bei geringster Belastung bereits einknickte und absolut keine Gemeinsamkeiten mit den Charakterzügen eines Kriegers aufwies. Weder bin ich mutig, noch tapfer. Seitdem ich das Bewusstsein wiedererlangte, fühle ich Angst und Beklemmnis. Der Elf legte den Kopf schief und musste das Gesagte erst verarbeiten, hinhören ob sich unterbewusst etwas regte und mit der beständigen Stille wich seine Hoffnung. Keiner der Namen erweckte vergessene Erinnerungen, er sollte als Spitzohr von diesen Orten und hochrangigen Führungspersönlichkeiten wissen, doch es mochte sich kein Bezug herstellen lassen. Therondia. Kiriadar. Diese elfischen Bezugspunkte waren nicht mehr als sinnbefreite, aneinandergereihte Buchstaben aus denen der Hellhaarige kein bisschen schlau wurde. Demotiviert seufzte er und wischte sich über die Stirn, die nasskalt war und er hoffte, dass ihn der aufziehende Wind nicht wieder für eine Woche ans Bett fesseln würde.

Chimiras blickte zurück über die Schulter, hin zu dem imposanten Zeltgebilde auf der Anhöhe und wirkte mit einem Mal seltsam emotional. Als würden ihm die Worte die er zu dem Elfen hinsprach die Gefühle erwecken, über die er umringt von Ferocez immerzu schwieg. Merkwürdig war es, denn sein Instinkt flüsterte ihm wohlwollend zu, dass er in der Anwesenheit eines Elfen aufrichtig er selbst sein durfte und sich für die Emotionen nicht zu zieren hatte, die in ihm tobten. Also entschloss er sich dazu, dem Elf zu vertrauen wie er ihm vertraute und rückte ein Stückchen näher, um das Gespräch im verborgenen weiterzuführen und zum ersten Mal auszusprechen, was ihm in vielen Nächten schon den Schlaf erschwert hatte.

„Rookėon ist geradezu verbissen darauf, die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Vor Geburt war er schon mit dieser Aufgabe verwurzelt, dem schwarzen Magier zu Dienste zu stehen. Deswegen verabscheut er das Elfenvolk...", ein Seufzen brach seine Offenbarung und mitgenommen von seinen Gefühlen schüttelte kaum merkbar den Kopf, wobei ihm die schwarzen Locken um die Stirn wippten.

„...mit dieser Ideologie ist er aufgewachsen. Er kennt es nicht anders, als das man zu den Deinen Krieg führt", gestand er. Würde er sich nur endlich bereiterklären, dich kennenzulernen. Er würde einsehen, dass du anders bist.

Seltsam haftete sich Traurigkeit an das Wesen mit den spitzen Ohren, traurig und beklommen mochte er die Gemütsregung in seinem Inneren zu deuten. Was er da hörte, das bewegte ihn zutiefst und er grübelte mit einem Blick auf das schwarze, imposante Zeltgebilde, dass Rookėon regelrecht in diesen Hass hineingeboren wurde ohne überhaupt die Möglichkeit gehabt zu haben, sein Schicksal selbst zu wählen. Womöglich würde die Gegenwart anders verlaufen, würde er sich von dieser auferlegten Berufung abwenden, durchdachte er und passte nur einen Moment nicht auf. Ein Moment der Unachtsamkeit war es, in dem er über das achtlos herumliegende Kettenhemd eines Ferocez strauchelte und unter den sich wegknickenden Knien den Halt verlor. Er stürzte und überschlug sich einige Male in abfallendem Geländer, zog dabei die Aufmerksamkeit der Ferocez auf sich an denen er vorbei kullerte, ehe er auf einer ebenen Grasfläche an Schwung verlor und zum Liegen kam. Keiner machte Anstalten, auf ihn zuzugehen und ihm aufzuhelfen, oder ihm die Krücke herbei zu tragen.

„Elf!", stieß Chimiras erschrocken aus und stürzte ihm nach, eilte hin zu ihm und kniete sich nieder um zu helfen. „Ist dir etwas passiert? Tut dir etwas weh?", erkundigte er sich völlig vergessend, dass er mit einem Stummen sprach und sich dieser nicht mit Worten mitzuteilen imstande war.

Dann passierte etwas, womit niemand gerechnet hatte. Selbst die umstehenden Ferocez hoben überrascht die Augenbrauen als sie bezeugten, was sich vor ihren Augen zutrug.

Noch mit Tannennadeln in den weißen Haaren und einem sich drehenden Sichtfeld schien es der Elf selbst nicht zu bemerken, doch beide Hände hoben sich hin zu Chimiras und die Finger begannen in scheinbar präzisen Mustern Zeichen zu formen. Fingerkuppen begegneten sich und Knöchel flochten sich in die Muster ein, und erst als der Elf realisierte was seine Hände da ohne bewusstes Zutun vollbrachten, da weiteten sich schlagartig seine Augen und er starrte entgeistert auf seine Hände.

„...Zeichensprache...", flüsterte Chimiras ehrfürchtig und betrachtete die Hände abwechselnd. „Du bist der Zeichensprache mächtig?"

Der Elf wollte es wiederholen, wollte mit den Fingern auf diese Feststellung antworten doch die Überraschung saß zu fest verankert in seinem Verstand und so verharrten die Finger stumm und reglos vor seinen Augen. Ergriffen von Freude breitete sich ein Lächeln auf Chimiras' Gesicht aus und er spürte wahrlich warmes Mitgefühl für den stummen Elf, erkannte in dieser befremdlichen Methode eine Form der Kommunikation und wohl würde es dem Elf leichter fallen, Anschluss in der Gemeinschaft zu finden. Doch die Freude, die war einseitig.

In den grünen Augen bildete sich ein wässriger Schimmer, und als die erste Träne über den dunklen Wimpernkranz tropfte, da begann der Elf trostlos zu weinen und senkte den Kopf. Seine Hoffnung war zerstört und lag in Bruchstücken vor ihm, er war unfähig Chimiras Begeisterung zu teilen und auch, als dieser ihm eine Hand auf den Rücken legte, da klang die Enttäuschung nicht ab. Dass ich mich an diese Sprache erinnern kann, bedeutet..., er schniefte und schüttelte den Kopf als wolle er sich dieser Erkenntnis verwähren, doch unmöglich war es die Wahrheit zu verleugnen. ...ich erlernte sie lange bevor man mir den Todschlag antat. Ich...ich beherrsche diese Sprache, weil ich sie immer schon kannte. Ich...ich habe nie..., weiter kam er nicht, denn zwei Arme legten sich um ihn und zogen ihn in eine Umarmung. Chimiras. Der Elf suchte Halt in diesem Beistand, vergrub das Gesicht an der durchtrainierten Schulter und brach in herzzerreißenden Tränen aus. ...ich habe nie eine Stimme besessen. 

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