40 - die Erinnerungen kehren zurück

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Neben Rookėon waren die Stühle der hochrangigen Führungspersonen vollständig eingenommen. Jeder war aus dem Hauptsitz der Sektoren angereist um zu feiern.

Cathan und Chavdar hielten seit geraumer Zeit die Köpfe zusammen und ihre Krüge klackten im regen Austausch aneinander, was sie genau flüsterten war keinem bekannt. Mochte man ihren Haltungen und den Gesichtszügen etwas andeuten, so könnte es sich um eine Mission handeln, in der sie die strategie von gebündelten Truppen besprachen. Cathan's vorlaute Zunge eilte ihm oft als Ruf zuvor, doch wenn er über einem Plan tüfftelte, dann machte er keine halben Sachen und vergessen waren Schalk und Witz.

Mit einem neugierigen Blick bedachte Váelerio die beiden von der Seite, versuchte aus ihren Mienen den Inhalt der Tuscheleien abzuleiten, doch in dem Zelt herrschte ein immenser Lärmpegel und schließlich gab er es auf. Seufzend legte er die Hand an die Kutte und öffnete sie, fächerte sich ein bisschen Luft zu und wie unwohl es war, dass die Luft selbst im Fächern genauso hitzig an seine Haut streifte. Wie heiß mir ist, dachte er und ihm war, als spüre er jeden Tropfen Schweiß der sich auf seiner Haut bildete. Ist's der Wein, der mir nicht bekommt? Dabei trank ich nur wenige Schlucke von Rookėon 's Krug, um nicht wie beim letzten Mal im Rausch zu Enden.

„Hier. Wie ich wirst du lernen, die Weinkrüge mit ebenso vielen Krügen Quellwasser zu strecken, um eine Nacht in Saus und Braus durchzuhalten", wurde ihm plötzlich von links ein Krug gereicht und er hielt inne. Verdutzt lugte er auf die freundliche Geste, noch immer tat er sich schwer von den Ferocez wohlwollend behandelt zu werden, allerdings stieg von dem Gebräu kein Duft nach Alkohol in seine Nase und in seiner trockenen Kehle gierte der Durst nach dem Wasser auf. Vorsichtig schnupperte er daran und bedankte sich mit einem Nicken bei Dusan, nahm den Krug und trank zügig daraus.

Dusan betrachtete ihn dabei und das nicht, weil die Gedanken ihn zu unangemessenen Verhaltensweisen hindrängten. Mitnichten. Seine Reaktionen fielen erheblich verzögert aus durch die sechs Weinkrüge, die er bereits leerte, und wie er von sich glaubte in normaler Geschwindigkeit sich zu bewegen, da wandte er tatsächlich erst ab, als Váelerio ausgetrunken hatte. Seufzend schloss Dusan die Augen und fuhr sich über die Stirn, lehnte sich in dem Stuhl seines Sektors zurück und wie er sie wieder freigab von der Hand, da erwarteten ihn grüne Augen in einer stummen Geste, sich mit ihm zu unterhalten. Bislang ergaben sich keine Gelegenheit für die beiden sich näher kennenzulernen, und wenn nicht jetzt, wann dann? Also seufzte der Sektorführer ein zweites Mal, ehe er sich mit neuer Kraft hin zu Váelerio wandte und das Kinn auf dem Ellbogen abstützte.

Langsam blinzelte er, der Wein entschleunigte seine Instinkte und er meinte sichtlich eingelurrt von der Wärme des Zelts, die ihm den Körper ermüdete: „Váelerio, der Stürmische. Meine Männer flüstern von dir als der, der mit den Geistern in Verbindung steht. Stimmt das?"

Aus einem Instinkt heraus nickte Váelerio. Etwas verriet ihm, dass Dusan vertrauenswürdig genug wäre, um dieses Thema mit der nötigen Diskretion zu behandeln. Zumal er als Sektorführer viel gravierendere Geheimnisse kannte, als das, wovon im Kriegerstamm ohnehin bereits jeder Bescheid wusste. Váelerio würde sich unterstellen direkt zu fragen, doch in den Besprechungen mit Rookėon fielen intime Details über Taktikvorgehen, da würde er nichts leichtfertig ausplaudern. Wir sitzen zusammen und führen ein zwangloses Gespräch, und gleichzeitig ist dir bekannt, mit welchem Vorgehen ihr als nächstes angreifen werdet, munkelte Váelerio und war vertraut mit dem, was die Ferocez taten. Sie führten Kriegszüge um den einen Elf zu finden, der die Antwort auf ihre Jahrhundertelange Frage geben konnte. Nicht selten wünschte sich Váelario sein vergessenes Wissen zurück, um Rookėon zu dieser Suche vielleicht etwas Nützliches beisteuern zu können.

„Der, der mit den Geistern spricht", unterdrückte er mit einem verkniffenen Gesichtsausdruck. „Beachtlich", quittierte Dusan mit einem simplen Schulterzucken und schien sich nicht weiter für die sonderbaren Charaktereigenschaften des Elf zu interessieren. Der wiederum fühlte sich entlastet von der Bürde, die dieses Sonderbare ihm aufhalste und sichtlich entspannt lehnte er sich an Rookėon 's starke Schulter an, blinzelte träge und versuchte sein Glück mit den Handgesten, unsicher, ob Dusan sie denn verstünde. Der Ferocez verfolgte die tanzenden Finger und beobachtete ihre Haltung genau, verharrte in vorgebeugter Haltung und gerade als Váelerio annehmen mochte, Dusan mit der Zeichensprache verwirrt zu haben, da ereilte ihn die freudige Erkenntnis, dass er in dem Sektorführer einen Gesprächspartner gewonnen hatte.

„Du willst wissen, wie ich zu meinem Beinamen kam?", wiederholte er die Frage sicherheitshalber, um sicherzugehen, dass der Wein ihm die Sinne nicht gänzlich vernebelt hatte, und mit dem Nicken des Elf bestätigte sich seine noch halbwegs intakte Zurechnungsfähigkeit. Ein amüsiertes Grinsen schlich sich auf das Gesicht und erhob es zu einer so heiteren Maske, dass spätestens jetzt der Wein seine Verfassung bezirzte. Dusan krümmte den Finger als Zeichen, der Elf solle sich vorneigen und wie sie die Köpfe zusammensteckten und Dusan den wahren Hintergrund flüsterte, da weiteten sich Váelerio's grüne Augen entsetzt und ihm wurde schlecht, wie er sich an die Stelle von Dusan dachte.

„Vor beinahe zwei Dekaden befanden wir uns auf dem Heimweg von einer Schlacht. Wir überquerten die Bergketten von Dollkutur zur Winterzeit, denn unsere Feinde die Gnome waren nicht in der Lage dieser herben Witterung zu trotzen. Nun, unsere Kräfte waren angeschlagen und besonders meine", seufzte Dusan und er blickte tief in Váelerio's Augen, doch gleichzeitig lösten sie sich von dem irdischen Bewusstsein und sanken zurück an diese beschwerliche Heimreise. Dusan flüsterte zu Váelerio im Befinden, er stünde wieder in den schneeverschneiten Gebirgspässen. „Ich blieb zurück. Mir gelang's nicht mehr Schritt zu halten mit den Truppen und ich wurde für Tod befunden. Cantorix überließ mir damals sein letztes Stück Brotrinde, als Abschiedsgeschenk", erinnerte er sich und nickte bis heute dankbar für die Geste, die ihm letztendlich das Überleben sicherte. Als er das Kinn anhob, da glimmte ein starker Überlebenswille in den hellen Augen und erdolchte jeden Zweifel, der diesen Willen untergraben mochte. Váelerio erkannte diesen Blick, er hatte ihn selbst schon unzählige Male gesehen und kannte die Entschlossenheit, von der Dusan sprach. Mein Spiegelbild offenbart mir denselben Blick, wenn ich es sehe.

„Sie haben mich ausgehungerten Wölfen überlassen, auf das sie mir das Fleisch von den Knochen reißen", grinste Dusan und hob eine Braue als wolle er sichergehen, dass diese epische Erzählung mit dem nötigen Drama visualisiert wurde, denn er hatte sich seinem Schicksal widersetzt und es selbst in die Hand genommen. „Doch als ihr Anführer kehrte ich zurück nach Kestramoré. Die Wölfe begleiteten mich aus Furcht, ich würde ihnen wie ihrem Alpha die Kehle zerdrücken. Dusan der Freie, diesen Beinamen gab man mir als Zeichen der Anerkennung. Seitdem obliegt mir das Kommando über die Bodentrupps, die im Gebirge opperieren. Ich lernte das Terrain besser kennen als ein anderer Ferocez und bis jetzt ist es mir eine zweite Heimat....es ist meine Freiheit"

Beeindruckt schwieg der Elf und wusste sich nicht anders zu verständigen, als Dusan die Hand an die Schulter zu legen und ehrfürchtig zu drücken. Sanft, gerade so viel um ihm zu beweisen, dass er sich nebst den Ferocez auch der Hochachtung von Váelerio sicher sein durfte. Die beiden teilten einen stummen Blickwechsel in dem sie kommunizierten, denn beide waren vom Tod wiedergekehrt und bestimmten eigenständig über den Verlauf ihres Schicksals. In beiden bestand eine skurile Verbindung zu der Geisterwelt, in gewisser Weise wie man es wendete, erfuhren beide eine Wiedergeburt und kamen gestärkt zurück in die irdische Welt. Häufig wiegt man sich in der Gewissheit, allein zu sein mit dem Erlebten, wurde ihm bewusst je länger er Dusan zuhörte wie er erzählte, doch im engsten Nebenmann finden sich ähnliche Erlebnisse.

Zurück in sein Bewusstsein kehrte Váelerio.

Die Arme an seiner Hüfte zogen ihn plötzlich ein bisschen enger und er spürte, wie sich die Körperwärme von Rookėon auf ihn übertrug und sie die Hitze teilten. Wohlig lehnte er sich an die muskulöse Brust und schloss die Augen, gab sich dem Gefühl der Sicherheit und der Zugehörigkeit hin die der Ferocez in ihm auslöste. Váelerio schmunzelte in größter Behaglichkeit, denn Rookėon 's Atem streifte ihm über den Nacken und wie sich diese Atemstöße mit einem Mal erheblich tiefer anhörten, da erkannte Váelerio den Grund. Er biss sich auf die Lippe um das Kribbeln in seinem Körper zu zügeln, doch es nützte nicht viel und er schloss kurz die Augen um den Vorgeschmack zu kosten, der ihm präsentiert wurde. Anzüglich ließ er die Hand an Rookėon 's Bein hinabsinken und verdeckt durch den Tisch fuhr er ihm immer näher an die Körpermitte, streichelte die Innenseite der Schenkel und beinahe wäre ihm ein Keuchen entflohen, denn die Hose fühlte sich mitnichten mehr nach weichem Stoff an. Hunger überkam ihn, der von keinem Festmahl gestillt werden mochte.

„Ich verzehre mich nach dir", atmete Rookėon hitzig an seinen Nacken und dem folgte ein Kuss, feuchte Lippen drückten sich an die Stelle knapp oberhalb seines Kragens und saugten daran, wie sie beabsichtigten es an anderen Körperstellen zu tun. Gleichzeitig übte sich Rookėon in Diskretion, während seine Hand sich auf Váelerio's Knie senkte und es sanft aber bestimmt umfasste, denn er mochte sich nur zu gern von der Lust hinreißen lassen und konnte es nur schwer erdulden, dem Geliebten nicht sofort die Kleider vom Leib reißen zu dürfen. „Fühlst du es?", küsste er zärtlich, die Finger rieben über den Stoff und lösten kleine Stürme aus, dort, wo Váelerio sich ihnen ergab. Ich spüre es.

"Lass uns gehen", wisperte Roenan und küsste seinen Hals. „Ich will dich...jetzt"

Atemlos wandte sich der Elf um, drehte den Kopf und begegnete Rookėon 's wartenden Augen. Ich fühle dich, und ich möchte dich näher spüren. Nimm mich. Sie spiegelten dieselbe Lust und für einen Moment kümmerte sich Váelerio nicht um den Ort, an dem sie sich befanden. Er sah nur Rookėon , er fühlte ihn unter sich und er fühlte das eigene Herzklopfen, legte ihm eine Hand an die Wange und beugte sich in einem genießerischen Kuss hin zu ihm. Ihre Lippen berührten sich, und Feuer entbrannten ihnen mit gierigen Gelüsten, die ihnen die Sinne betörten. Mit den verstreichenden Sekunden lösten sich die Ferocez in bedeutungslosem Nichts auf, vergessen waren die Feierlichkeiten und die Geliebten tauchten in eine eigene Dimension ab, eine, in der ihnen niemand folgen konnte und sie ausleben durften, was sie füreinander empfanden.

Rookėon 's Lippen verteilten Küsse vom Mund bis zum Ohr, wo sie sich absenkten und hineinflüsterten, was dem Elf eine wunderbare Röte in die Wangen trieb. „Meine Liebe gebührt dir, und lieben werde ich dich aufrichtig, wie du es am liebsten hast". Zärtlich fuhr die Hand vom Knie aufwärts, tastete über den Oberschenkel und glitt an die Innenseite hinab, wo die Fingerkuppen an die kribbelnde Stelle sich fügten und Roenan biss sich auf die Lippe, als der Elf ihm ans Ohr keuchte.

Voneinander ablösend lächelten sie sich an, ehe sie die Stirn aneinander legten und sich stumm zu verstehen gaben, dass diese Zuneigung weit mehr bedeutete, als diese fünf Buchstaben es jemals erfassen mochten. Váelerio gab ihm zu verstehen, er würde sich noch rasch von Chimiras verabschieden und wie er mit einem verklärten Lächeln aufstand und sich hin zu seinem Freund begab, da sank Rookėon mit einem äußerst andächtigen Seufzen in seinen Stuhl zurück. Kaum weg, und schon vermisse ich dich sehnsüchtig.

Dusan konnte ein Grinsen nicht zurückhalten und lehnte sich so weit über die Lehne hinaus zu Rookėon , dass er taumelte und sich gerade noch schaffte, festzuhalten.

„Rookėon ?", bat er um Anhörung und wie sich der Anführer mit demselben Lächeln noch hin zu ihm wandte, da erwiderte Dusan das Grinsen und sprach als erster das aus, was Esmeneth vor langer Zeit so wahrheitsgemäß prophezeite: „Glücklich seht Ihr aus. Ich freue mich für Euch, und diese Ansicht vertreten meine Männer ebenso. Wie auch sicherlich jeder übrige Kämpfer unter uns"

Esmeneth hatte tatsächlich Recht, dämmerte es Rookėon und erst da fiel ihm auf, wie sich eine unsichtbare Last von ihm ablegen durfte mit der Gewissheit, dass sein intimes Verhältnis zum Elf so offenkundig gutgeheißen war. Akzeptiert. Dass sowohl er als Ferocez, als auch er als Anführer keine Wertminderung erfuhr und sich sein Ansehen mit keiner Schande besudelte. Jetzt war er sich absolut sicher, dass sich die Dinge zum Guten wenden würden. Wenn auch nur für kurze Zeit.

Sehr kurze Zeit.

Kaum begann sie, da fand sie ein jähes Ende.


Ein altertümliches Sprichwort aus dem elfischen Volksglauben besagte, man solle sich hüten vor der Ruhe, die vor dem Sturm einkehrte. Allerdings widmete niemand ein poetisches Wortspiel an die ohrenbetäubende Stille, die nach dem Sturm anhielt und die Konsequenzen überdauerte.

Diese Stille war es, die plötzlich die feierliche Laune absorbierte und die Gespräche erdrosselte.

Der Ferocez wusste nicht wie ihm geschah, als er den Arm im wallenden Rausch schwungvoll hob und den Krug mitnahm. Das Zerschallen der Keramik störte die heitere Musik und sogleich erstarben die Melodien. Die Instrumente wurden beiseite gelegt. Schrill klang es, wie die Scherben reihum auf Tische und Boden rieselten, beim Aufprall weiter zerbröselten und ein Abbild eines grauenvollen Unfalls verzeichneten.

Eben hatte Váelerio noch gelächelt und zusammen mit Chimiras den mythischen Anekdoten von Cantorix gelauscht, da verdrehte er mitten im Schenkern die Augen und brach mit einem lautlosen Aufschrei zusammen. Das weiße Haar wallte im Fall wie ein gespenstischer Schleier, der ihm nacheilte und sich um seinen Kopf schlängelte.

Rookėon war der erste, der getrieben von Schreck und Angst aus dem Stuhl sprang und in hastigem Laufschritt auf die Sitzreihe zurannte, in der der Scherbenregnen niederfiel. Die letzte Scherbe wippte noch ihre Bahnen, da stürzte Rookėon auf die Knie und getraute sich kaum zu fassen, was sich vor ihm für eine schreckliches Abbild präsentierte. Da vor ihm, mit halb geschlossenen Augenlidern und mit Bruchstücken des Kruges in den Haaren, lag der zusammengesackte Elf und bewegte sich nicht. Bestürzt und zu entgeistert um einen Ton zu formulieren, berührte Rookėon mit verstörtem Sanftmut die Wange um den Elf zurück in sein Bewusstsein zu locken, denn er war so schrecklich still und da war so viel Blut. Er blutet, realisierte der Krieger in ihm, doch der Liebhaber verstand den Hergang dieser schrecklichen Tat nicht und starrte losgelöst von dieser Tragödie. Er blutet am Kopf. Sein Blut klebt an meinen Händen.

Rookėon weiteten sich die Augen in grotesker Realisation.

„Nein", hauchte er und schüttelte apathisch den Kopf, er mochte nicht annehmen was ihm die Realität vorhielt und stattdessen hob er den Elf aus den Scherben empor, wiegte ihn schutzbietend in seinen Armen und wie er ihn hielt, ohne eine Reaktion zu erfahren, da musste er die Augen schließen um den Horror durchzustehen. Nein nein nein. Da war so viel Blut, es glänzte Váelerio am Hinterkopf und sog sich in den Haaren ein, besudelte seine Reinheit mit garstigem Blut und egal wie bittend Rookėon ihm zuflüsterte, er möge sich erheben und ihm die Sorgen ausmerzen. Es nützte nichts. Er wachte nicht auf und auch verhielt sich der Körper verlassen von der Seele, die sich entsetzlich weit weg anfühlte.

„Was hast du getan, Brago?", flüsterte Chimiras hinter Rookėon stehend, der von dem Elf aufschaute und den Ferocez anstarrte mit einem bohrenden Blick, als möge er ihm einen Speer an die Brust aufsetzen und das Vergehen einbüßen. Brago blickte fassungslos vom Elf zu seinem zerbrochenen Krug, den er nur mehr am Henkel in der Hand hielt und erst nach dem ersten Schreckmoment wurde ihm bewusst, welche Schuld ihm anlastete.

„I-ich...d-das wollte ich nicht", stammelte er, zu verängstigt traute er sich nicht Stellung zu beziehen denn es würde ihm nichts nutzen. Sein Krug war es, den er ohne Vorsicht um sich schwenkte und es geschah in einem unglücklichen Moment, dass er Váelerio beim Vorbeigehen erwischte und bewusstlos schlug.

Chimiras verfechtete ein starkes Gefühl der Kameradschaft, doch scheinbar besaß selbst dies Grenzen.

Seine Augen schimmerten und standen im Kontrast zu den geballten Fäusten, die neben seinem Körper zitterten und sich losreißen wollten von der Sitte. „Sieh dir an, was du berauschter Trunkbold angerichtet hast", deutete er anklagend auf Váelerio und wohin Chimiras keine Worte mehr herausbrachte weil der Schreck sie ihm allesamt in der Kehle erstickte, da ging ein Raunen durch die Sitzbänke. Die Flüsterungen verteilten sich bis an die letzten Sitze und die Hintersten standen auf, um einen Blick auf die Tragödie zu erhaschen.

Esmeneth, murmelten sie nach dem obersten Heiler, bringt Esmeneth herbei. Immer mehr Stimmen bestärkten den Ruf bis sie allesamt eine unüberhörbaren Salve ausstießen und sich ein paar der nüchternen Ferocez aufmachten, um den Heiler herbeizuholen. Diejenigen, die schon von zu vielen Krügen die Böden sichteten, die stützten sich an den Tischen und Nebenmännern ab um einen Blick auf das zu erhaschen, was die Feierlichkeiten so abrupt beendete.

Rookėon strich dem Elf behutsam über das Gesicht um es von dem Blut zu befreien, bevor es antrocknete. Nie zählte er sich als Angehöriger eines Glaubens, Rookėon glaubte an keine höheren Mächte die mit Gebeten Wohlwollen gewährten, doch in diesem Moment betete er zu jedem himmlischen und mystischen Wesen, das er kannte. Er flehte sie selbstlos nach Hilfe für den Elf an, auf dass sie ihm das Leben zurückbrachten und würden sie ihm dies verwähren, Rookėon würde hinauf in den Horizont zu Váelerio brüllen und ihn zur Umkehr bewegen.

„Komm zurück", wisperte er verzagt und mochte sich der Mutlosigkeit nicht ergeben, die lauerte ihn zu übermannen und Besitz von ihm zu ergreifen. In den unzähligen Gotteswesen zeigte sich eine einzige gnädig, denn nur Momente nachdem Rookėon diese Bitte im Tonklang eines verzweifelten Flehens äußerte, da geschah es. Eingeflößt mit frischem Lebenswillen atmete der Elf schwach und Bewegung kehrte in ihn, mit ihr der einsetzende Schmerz an seinem Hinterkopf, wo ihn der Krug getroffen hatte. Schmerzhaft verzog er das Gesicht und hob vorsichtig die Hand an die pochende Stelle, berührte sie nur zaghaft weil schon die minimalste Geste wehtat. Benommen blinzelte er und wie er sich im Begriff war klarzuwerden, was passiert war nachdem ihm die Sicht schwarz wurde, da erstarrte er.

Seine grünen Augen weiteten sich.

Der Atem stockte, setzte wieder ein und fuhr in unstetem Ryhtmus fort.

Wie wird mir?

Langsam drehte er den Kopf und wie er sich bewusst wurde, wo er sich befand, da brach ein kehliger Laut aus ihm hervor. Keuchend schnappte er nach Luft und wie er die Augen aufriss, da war ihm, als würde ein Blitz direkt in seinen Kopf einschlagen und die Barrikaden niederreißen, die sich 3 Jahre lang nicht überwinden ließen. Nun brachen sie ein und gewährten die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Seine Erinnerungen kehrten zurück, sie waren vollständig vorhanden und der Elf erinnerte sich an absolut alles, was ihm jemals widerfahren war. Stumm vor Verblüffung verharrte er in seinen Gedanken versunken, zog die Hand vom Hinterkopf zurück und betrachtete das Blut, das tiefrot an seinen Fingerkuppen glänzte. Furchtvoll starrte er es an und mit jedem Moment den er so erpicht darauf starrte, da erwiesen sich die Erinnerungen als Wahrheit, denn ihm versteinerte sich der Körper in demselben Horror, den er damals erlitt, auf dem Handelsweg in den Dornenwäldern von Akantha.

Er durchlebte die Nacht erneut.
Der strömende Regen, der auf ihn niederfiel und die Steine, die sich in seine Haut gruben als er versuchte zu fliehen. Die schwarzen Gestalten, die umringt um ihn standen und tatenlos zusahen, wie ein schwarzhaariger Elf ihm das Knie kaputt schlug um seine Fluchtversuche zu untergraben. Ihn habe ich gesehen, wurde ihm klar und endlich ließ sich der Illusion in Pendilór ein Name zuordnen. Jincher. Ihm fiel der bittere Geschmack auf der Zunge auf, denselben den er bekam als sich Jincher's Verrat entpuppte.

Die Nacht meines 17. Geburtstages, dämmerte es ihm jäh und die Augen begannen ihm wässrig zu schimmern. Die blutige Hand begann zu zittern und der Elf begriff, dass er am ganzen Leib schlotterte mit derselben Todesangst, in der er gezittert hatte, als er im Gebüsch um sein Leben bangte. Er schloss die Augen um sich von dem abzugrenzen, was er erneut durchlebte und dennoch war es ihm unmöglich, die Angst in der Vergangenheit zu belassen. Er zitterte heftig und ihm war, als fühle er das nasse Gras unter sich, kurz bevor es sich zu seinem Grab entwickeln sollte.
Als mich mein eigener Bruder totschlug.

Dass Rookėon ihn an den Schultern fasste und versuchte zurück in seinen Körper zu bringen, indem er ihn beherzt schüttelte, bemerkte er nicht. Zu sehr hielten ihn die Dämonen seiner Vergangenheit gefangen und zwangen ihn, alles und absolut alles erneut zu durchleben, damit er es ja kein zweites Mal vergaß. Sein Gesicht verlor an Farbe und erblasste, bis er mehr Ähnlichkeiten zu einem Geist hatte als mit einem Lebenden, denn endlich wurde das Rätsel um sein Dasein gelöst. Ich weiß, wer ich bin.

Er schluckte.

Zögernd hob er das Kinn.

Rookėon blickte ihn mit denselben fürsorglichen Augen an, die er fürchtete zu verlieren, sobald er sich zu identifizieren getraute. Du blickst mich an, dachte er wehmütig und widerstand dem Drang, ihm die Hand an die Wange zu legen. Doch der, den du anblickst, der ist ein anderer. Und ich finde nicht den Mut, dir zu sagen, wie schrecklich leid mir alles tut.

„Kannst du mich hören? Bitte, sprich zu mir", bat Rookėon bemüht ruhig, doch seine Muskeln spannten erregt gegen die Lederkutte und seine Augenbrauen waren so eng zusammengezogen, dass sie eine Brücke bildeten. Die Sorge war allgegenwärtig in seiner Mimik und keine geheuchelte Ruhe vermochte sie zu verstecken. Einem Ferocez sagte man keine Gnade nach, doch hier saß Rookėon auf Knien und flehte um das Wohlbefinden eines anderen. Selbstlos. Seine Stimme holte ihn zurück aus den Erinnerungen und hinein in die Gegenwart, in das Zelt in welchem die Feierlichkeiten unterbrochen waren und wie sich der Elf zugestand, empfand er diesen Aufenthaltsort immer noch so wie zuvor. Als einen Ort des Beisammenseins, der Kameradschaft. Zuhause.

Unsicher ob das, was er glaubte erfahren zu haben, tatsächlich vollumfänglich stimmte, wollte er es ausprobieren. Zaghaft hob er die Hand und legte sie an seine Kehle, berührte die Striemen und wie die Fingerkuppen über die spürbaren Huckel strichen, da fuhr ein Schaudern durch ihn. Er räusperte sich und was er dann tat, das bemächtigte den Anführer der Ferocez mitsamt der Gemeinschaft dazu, dass ihnen die Fassungslosigkeit die Gesichter entstellte. Die Münder sprangen ihnen auf und die, die standen, die mussten sich setzen um zu begreifen, was sie mit eigenen Augen bezeugten.

Das Erwachen eines totgeglaubten Lebens.

„...T-Taèlione...", krächzte eine raue Stimme. Rau und unsicher wankten die Töne, dem Elf schmerzten die Stimmbänder nach der jahrelangen Stilllegung und er zog die Brauen überrascht zusammen. Wie höre ich mich an? Ist es wirklich meine Stimme? Seine Stimme hatte er lange nicht mehr gehört, er hatte ihren Klang völlig vergessen und nun, da sie sich tiefer als zuletzt anhörte, wurde ihm bewusst, wie lange er sie tatsächlich nicht mehr hergenommen hatte. Er klang älter, weil er älter geworden war, das offenbarte sich ihm jetzt.

Er versuchte es erneut weil er die eigene Stimme nur mühselig erkannte und hustete.

„...ich heiße Taèlione, fern von hier...ich bin Prinz Taèlione von Therondia"

Das war sie.

Die ohrenbetäubende Stille, nach dem Sturm. 

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