SECHZEHN

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L A N D O N

»Schlagen Sie bitte die Seite 23 in ihrem Chemiebuch auf. Mr Murray, Sie lesen den Absatz oben links vor.«, verkündet Mrs Brooks viel zu fröhlich für diese Uhrzeit. Ich lasse meinen Kugelschreiber einfach auf die Tischplatte fallen und greife mäßig begeistert nach meinem Buch.

Erst, als Shane schon die Hälfte des zehn Zeilen langen Absatzes vorgelesen hat, bemerke ich, dass mein Stift ziemlich weit von mir weggerollt ist. Er liegt auf Haileys Seite am Tischende nur wenige Millimeter von der Kante entfernt. 

Ich ertappe mich dabei, wie ich mehrere Sekunden lang auf ihren leeren Stuhl starre. Sie ist jetzt vermutlich im Gerichtssaal. Seltsamerweise lässt ihre Abwesenheit meine Laune in den Keller sinken. Wie schön ich sie jetzt ärgern könnte. 

Dann würde sie wie immer die Stirn so niedlich runzeln und sobald sie rot wird - und das wird sie ziemlich oft in meiner Gegenwart - würde sie ihre Haare wie einen Vorhang nach vorne fallen lassen, was sie selbst furchtbar nervt, ihr aber immer noch lieber ist, als mich sehen zu lassen, dass ihr etwas peinlich ist oder dass sie etwas lustig gefunden hat, was ich gesagt habe, und gerade lächelt. 

 »Landon?« Ich hebe ruckartig den Kopf und versuche mir nicht ansehen zu lassen, dass ich gerade aus Gedanken gerissen wurde, die ich eigentlich nicht denken sollte. Oder nicht denken will. Mrs Brooks sieht etwas verärgert aus. Vermutlich hat sie mich gerade schon etwas gefragt und ich habe es nicht mitbekommen. »Können Sie dieses Kohlenwasserstoff-Molekül benennen?« 

Ich lasse meinen Blick auf die grüne Tafel hinter ihr gleiten, dann räuspre ich mich ungehalten grinsend. »Natürlich. Das ist ein 2, 3-Dimethylheptan.« Mrs Brooks runzelt die Stirn, wendet sich dann aber geschlagen wieder ab und fährt mit dem Unterricht fort.

Sie hat wohl gehofft, dass ich die Lösung nicht weiß, damit sie mich dazu ermahnen kann besser aufzupassen. Tja, beim nächsten Mal vielleicht! An einem Tag, auf den ich nicht vorbereitet bin.  Gestern Abend habe ich mit meinem kleinen Bruder meine Schulbücher durchgeblättert, um ihm zu zeigen, was er noch so alles lernen wird. Ich wollte ein wenig angeben und habe deswegen mindestens zehn solcher Moleküle benannt. 

Chase hatte dann immer dieses begeisterte Funkeln in den Augen, was mir schon verraten hat, dass ich meine Schulbücher wohl in nächster Zeit wieder in seinem Zimmer suchen muss, da er sie sich heimlich geschnappt hat um vorzulernen. Er liebt es einfach Neues zu lernen. Und die Intelligenz, um mit mir mitzuhalten, hat er auf jeden Fall. 

Etwas vibriert in meiner Tasche und rasch hole ich mein Handy heraus. Wenn es Chase' Schule ist, dann muss ich ihn abholen, weil unsere Mom nicht kann. Aber womöglich ist es ja nur jemand aus der Schule in einem der vielen Gruppenchats. 

Es ist jemand aus der Schule. Doch dieser Jemand ist gerade sicherlich nicht hier und ehrlich gesagt habe ich nicht erwartet, heute von ihr zu hören. 

Gibt es irgendwas neues? Irgendeinen Gossip, von dem du mir erzählen kannst? Oder einfach (wenn dir nichts anderes einfällt!): Wie ist Chemie?

Meine Finger bewegen sich wie von selbst über das Display. 

Bist du nicht gerade im Gericht?! Soll ich dir wirklich von Shanes neuem Hund oder Noras neuster Idee zum Homecoming-Ball erzählen? Oder von meinen Kopfschmerzen, die ich habe, weil ich zu dumm bin, die Augen aufzumachen?

Es dauert keine zehn Sekunden bis Hailey antwortet. Ich bekomme nur am Rand meiner Wahrnehmung mit, dass ich während eben diesen zehn Sekunden keinen Augenblick lang den Blick von meinem Handy abwende. 

Die Verhandlung wurde um eine Stunde verschoben. Und in diesem Moment sagt mein Bruder aus, was heißt, dass ich gerade vor dem Gerichtssaal sitze und mich mit irgendwas ablenken muss. Tut mir leid, dass du herhalten musst

Erzähl mir am besten von deinen Kopfschmerzen, klingt am interessantesten

Mrs Brooks bittet Mia an die Tafel und meine Gedanken an Chemie schalten sich endgültig ab. Sie wird mich nicht noch einmal aufrufen - hoffe ich. Und wenn doch, dann ist es mir egal, dass ich keine Antwort haben werde. Es gibt Schlimmeres.

In Ordnung, tippe ich. Dann sollte ich wohl damit beginnen, dass ich kein Morgenmensch bin. Ich hasse es, wenn mich jemand aufweckt, am liebsten würde ich jeden Tag bis zwölf schlafen. Heute morgen hat mich also, wie jeden Tag, mein Bruder geweckt, weil ich mein Handy immer überhör, und nachdem ich mich endlich dazu aufraffen konnte aufzustehen, bin ich direkt gegen meine Zimmertür gelaufen. Morgen mache ich auf jeden Fall meine Augen auf, bevor ich mich auch nur einen Zentimeter bewege, dann muss ich nämlich nicht eine riesige rote Beule auf meiner Stirn mit meinen Haaren verdecken. Heute sehe ich aus, als hätte ich verpennt und das Gelen vergessen, dabei ist es Absicht, damit niemand mitbekommt, wie unmännlich ich an Verletzungen komme

Es dauert eine Zeitlang bis Hailey antwortet. Und mit jeder Sekunde, die vergeht, macht sich Ärger über mich selbst in mir breit. Wieso habe ich so viel geschrieben? Ich hätte einfach irgendetwas schreiben sollen und nicht so einen Schwachsinn! 

Falls es doch jemand entdeckt, kannst du ja sagen, du hättest dich geprügelt

Dahinter ist ein Affen-Smiley, der sich die Augen zuhält. 

Ist mein Plan B, antworte ich grinsend. Hailey scheint mich inzwischen einschätzen zu können.

Danke für gestern, du hast mich davor gerettet noch mehr Aufmerksamkeit als eh schon zu bekommen

Ich komme nicht dazu zu antworten, denn es kommt gleich noch eine Nachricht: Ich muss jetzt rein. Danke, Landon

Überrumpelt starre ich auf die letzten Worte. Schade, ich hätte gerne noch weiter mit ihr geschrieben. Ich hätte herausfinden können, ob ich sie per Chat genauso leicht provozieren kann wie in der Schule. Oder überhaupt wie sie so tickt. Immerhin haben wir noch nicht wirklich viel miteinander geredet. 

Dass sie ausgerechnet mich angeschrieben hat, überrascht mich, ehrlich gesagt. Sie wirkt nicht so, als würde sich mich besonders mögen.

Ich scrolle nachdenklich nach oben zur ersten Nachricht und lese mir dann alle noch einmal der Reihe nach durch. Bei den letzten beiden Worten angekommen fasse ich den Entschluss, ihr heute Abend noch eine Nachricht zu schreiben, in der ich sie frage, wie es gelaufen ist. 

Und vielleicht, wenn ich dann immer noch so gute Laune habe, wie gerade in diesen Augenblick, dann werde ich ihr auch ein Bild des neusten Chemieeintrags schicken.

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