Zodiaks

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Ich betrachte noch eine Weile den Sternenhimmel. Heute ist es sehr klar und wolkenlos und auch der Mond wird erst später aufgehen und die Himmelslichter überstrahlen. Deutlich sind viele der Sternbilder zu sehen. Ich kenne bei weitem nicht alle, aber vor allem von den großen habe ich so viele Bilder in Astraias Büchern gesehen, bei denen die Sterne mit Linien verbunden worden sind, dass ich diese dünnen Striche auch am Himmel zu sehen glaube. Aber ich vermute, dass es sich um eine Täuschung handelt. Denn die Verbindungslinien, welche die Zodiaks bilden, die Sternzeichen der Ekliptik, sind fester und deutlicher und schimmern in ihren eigenen Farben.

Das ist die Aufgabe der Zodiaks. Ich habe keine Ahnung, wer einstmals diese Zeichen festgelegt hat oder deren Kraft der Weissagung erkannt. Und ich hege den Verdacht, dass es nicht einmal die Ratsmitglieder wissen. Apollon jedenfalls, der Älteste unter ihnen, hat auf meine diesbezügliche Frage dermaßen unwirsch reagiert, dass ich davon ausgehe, er hat selbst keine Ahnung, denn sonst ist er nur zu bereit, mit seinem Wissen zu glänzen. Für den Gott der Vorhersehung ist es sicher eine Demütigung, seinen eigenen Ursprung nicht zu kennen.

Sicher weiß ich nur, dass jene Zeichen, die einstmals genau auf der Ekliptik lagen, jener scheinbaren Bahn der Sonne um die Erde, die Macht der Weissagung besitzen. Ob das an den ihnen zugeordneten Zodiaks liegt oder die Kraft aus dem weitgereisten Licht der fernen Sterne kommt, habe ich mich früher oft gefragt. Bis ich auf die weise Idee gekommen bin, einfach einmal jenen Zodiak zu fragen, für dessen Wohlergehen ich verantwortlich zeichne.

Astraia weiß auch nicht alles darüber. Aber sie hat mir erklärt, dass ihre Aufgabe vor allem darin besteht, das Licht der Sterne zu bündeln und auf die Erde zu lenken. So können es die Weissager, die Seher und vor allem die Astrologen wahrnehmen und ihre Prophezeiungen daraus erstellen.

Im Gegensatz zu dem, was die meisten Menschen glauben, besteht Astraia, die Jungfrau, nicht aus den unendlich fernen Sonnen selbst, welche ihr Sternzeichen bilden. Vielmehr ist sie die Verbindung zwischen ihnen. Die Photonen, welche die Sterne aussenden, brauchen eigentlich Millionen von Jahren, bis sie uns auf unseren kleinen Planeten erreichen. Astraia bündelt und lenkt diese winzigen, kaum vorhandenen Lichtteilchen zu starken, wahrnehmbaren Strahlen und schafft ihnen die Möglichkeit, den weiten Raum mittels einer Art Quantensprung zu überwinden. Wie sie das macht, kann sie mir nicht begreiflich machen. Sie weiß irgendwie, wie das geht und ich kann es nicht verstehen. Ich bin eine Okeanide, eine Meernymphe, die wie jenes Monster, nach dem sie benannt wurde, auch eine Seeschlange von gewaltigen Ausmaßen sein kann. Kaum jemand kennt das Meer, seine Strömungen, seine Tiefen und die Kräfte tief im Meeresboden besser als ich. Aber von Wahrsagen, Licht und Sternen habe ich keinen Schimmer.

Aber ich habe begriffen, dass die Photonen, die uns durch das Wirken der Zodiaks erreichen, viel jünger sind, als jene, die aus eigener Kraft zu uns kommen. Dass sie uns Äonen früher erreichen als es eigentlich der Fall sein sollte. Und Astraia vermutet, dass genau dieses der Grund ist für ihre vorausschauende Macht.

Das Licht jener so weit entfernten Stern sollte uns eigentlich von der Vergangenheit berichten. Astronomen sprechen oft davon, dass sie umso tiefer in die Jugend und Kindheit des Universums tauchen, je mehr Zeit die Photonen benötigt haben, um zu uns zu kommen. Aber jenes Licht, welches Astraia den Sehern und Astrologen zukommen lässt, ist bei weitem nicht so alt. Junges Licht, welches einmal um die Ekliptik gelenkt wird, von Zodiak zu Zodiak, bevor es wieder bei Astraia ankommt, die es dann auf die Erde richtet. Und die das Licht, welches die anderen Zodiaks eingefangen haben, ebenfalls weitergibt.

Diese Photonen zeigen nicht mehr die Vergangenheit. Sie bilden nun die Gegenwart ab und auch eine Ahnung von der Zukunft.

Viele Menschen glauben, dass die Zukunft festgeschrieben sei und nicht mehr zu ändern. Aber das ist nur ein weitverbreiteter Irrtum. Die Zukunft besteht aus einem Labyrinth von Möglichkeiten, von denen nicht jede zu einer Wirklichkeit werden kann. Wahrsager können daher auch nicht vorhersehen, wie die Zukunft aussehen wird. Sie können erkennen, wie sich die Zukunft entwickeln wird, wenn sich an der Gegenwart nichts ändert. Viele von ihnen erfassen auch, was sich ändern muss, um eine andere Möglichkeit real werden zu lassen. Und etliche Seher erkennen vor allem die Gegenwart, wie Baba Wanga, die immer weiß, wo sich Vermisste gerade aufhalten. Ich denke, das hat mit der Reise der Photonen durch die Ekliptik zu tun.

Aber die Ekliptik hat sich in den letzten zweitausend Jahren ziemlich verändert. Die Erdachse verschiebt sich allmählich durch die Wechselwirkung der Gravitation von Erde, Sonne und Mond, hat mir Astraia erklärt. Ich stelle es mir ähnlich vor wie bei den Meeresströmungen, die sich durch Aufheizen oder Abkühlen bestimmter Regionen ebenfalls abschwächen, verstärken oder die Richtung wechseln.

Die Abweichung der letzten zweitausend Jahre beträgt über fünfzehn Minuten. Als mir Astraia das gesagt hat, habe ich noch gedacht, was ist schon eine Viertelstunde gegenüber dieser langen Zeit. Aber Astraia hat mit diesen fünfzehn Minuten ein Segment der Ekliptik gemeint, die sich selbst in dreihundertsechzig Grad oder vierundzwanzig Stunden aufteilt.

Die Sonnenbahn hat sich nicht um diese fünfzehn Minuten verlängert, wie ich zuerst angenommen habe, sondern verbreitert. Anstatt der ursprünglichen zwanzig Grad Breite muss also jeder Zodiak nun diese zusätzlichen fünfzehn Minuten mit abdecken. Mehr als einen habe ich in den letzten Jahrhunderten darüber stöhnen gehört. Selbst Astraia, die sich so gut wie nie beklagt, hat zugegeben, dass es viel anstrengender geworden ist.

Insofern finde ich die Idee gut, einen dreizehnten Zodiak einzuführen. Das würde die Bereiche der anderen Zodiaks verkürzen und somit die Verbreiterung durch die Abweichung wettmachen. Und der Schlangenträger, der sich ohnehin fast völlig in der Ekliptik befindet, ist da sicher eine gute Wahl. Dass er Apollons Sohn ist, wird einigen Ratsmitgliedern natürlich suspekt sein, aber ich denke, dass seine Ernennung mehr mit seiner Position am Himmel zu tun hat als mit seinem „erlauchten" Vater.

Über meinen Grübeleien ist die Jungfrau bereits über den Horizont gestiegen. Ich winke Astraia noch einmal zu – ich muss sie unbedingt einmal fragen, ob sie das überhaupt wahrnimmt von da oben – und kehre ins Haus zurück. Schließlich habe ich noch das Geschirr zu spülen, die Küche aufzuräumen und ein Frühstück bereitzustellen. Und möglichst viele lärmende Hausarbeiten zu erledigen, bevor Astraia zurückkommt. Wenn sie kommt, will sie essen und dann schlafen und sie wacht unweigerlich auf, wenn ich mit dem Staubsauger durch die Zimmer fahre, den Teig für das Brot schlage oder den Ofen reinige. Schlafen kann ich dann, wenn Astraia wieder da ist.

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