1. Kapitel

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Die nächsten Tage verschwimmen für mich zu einer einzigen Masse aus seltsamen Gedankenfetzen.

Mal sehe ich Ärzte um mein Bett herumstehen, dann Krankenschwestern, die meine Wunden versorgen. Blitzartige Erinnerungen an starke Schmerzen kommen in mir auf. Ich schwitze wie in einem Fiebertraum. Mir ist heiß und kalt zugleich, mein Körper zittert, durch meine Venen wird mir in regelmäßigen Abständen Flüssigkeit und laut den Aussagen der Schwestern Antibiotikum zugeführt.

Ich besitze kein Zeitgefühl mehr, ich weiß nicht, wie lange ich bereits hier im Krankenhaus liege. Jeder Tag erscheint mir wie der andere. Jeden Tag stehen fremde Menschen in weißen Kitteln um mein Bett und diskutieren, wieso es mir nicht besser geht. Und jedes Mal ist er dabei. Der Typ mit den tätowierten Händen.

Mal hat er sich unter die Ärzte gemischt, dann sitzt er neben meinem Bett und starrt gelangweilt vor sich hin.

Mit den verstreichenden Tagen wird mein Verstand immer klarer, das Fieber sinkt langsam und die Schmerzen in meinem rechten Arm werden erträglicher.

Gebrochener Ellenbogen mit Verbrennungen dritten Grades auf der gesamten Haut, bis hinauf zu meinem Hals. Zumindest sagen das die Ärzte in ihrer Visite.

Und sie sagen auch, dass ich verdammt viel Glück hatte. Mein Auto muss sich auf der Autobahn mehrfach überschlagen haben, bevor es Feuer fing. Die Feuerwehr hatte mich mit Gewalt aus dem brennenden Fahrzeug befreit, kurz bevor es explodierte.

Danach wurde ich reanimationspflichtig, zwei Minuten war ich klinisch tot, bis die Sanitäter mich wieder zurückholten. Mein Kreislauf brach anschließend erneut zusammen, sodass ich intubiert und für einige Tage künstlich beatmet werden musste.
Erst daraufhin stabilisierte sich mein Kreislauf, sodass sie im Krankenhaus die Sedierung reduzieren und mich anschließend extubieren konnten.

Brav nickend nehme ich die ausführliche Erklärung des jungen Arztes zur Kenntnis. Ich verstehe kaum ein Wort, außer, dass ich scheinbar tot war und nun entstellt mit schweren Verbrennungen auf meinem rechten Arm wieder lebe.
Ich versichere ihm, dass es mir so weit gut geht und verschweige, dass direkt hinter ihm schon wieder dieser tätowierte Kerl steht und ihn abschätzend von der Seite aus mustert.

Der Kerl hat seine Lippen geschürzt und die muskulös wirkenden Arme vor seiner Brust verschränkt. Er trägt eine dunkle Hose und ein dazu passendes schwarzes T-Shirt. Damit stellt er einen starken Kontrast zu dem Arzt in seinem weißen Kittel dar.

Habe ich seit dem Unfall Halluzinationen? Oder wieso sehe ich diesen Kerl ständig?

Entweder steht er irgendwo im Raum rum oder sitzt mit den Füßen auf dem Tisch in der kleinen Sitzecke neben meinem Bett.

Er sagt kein Wort, aber seine Anwesenheit ist unangenehm. Ich habe ihn vorher noch nie in meinem Leben gesehen. Wieso also ist er auf einmal ständig in meiner Nähe?

Als die Ärzte ihre Visite beenden und das Zimmer verlassen, bin ich mit ihm allein. Aufmerksam beobachte ich ihn, wie er sich wieder auf den Stuhl setzt und gelangweilt aus dem gegenüberliegenden Fenster starrt.

Sein markantes Kinn ist etwas angespannt und seine dunklen Augen zeigen keine Emotion. Der Kerl sieht aus, als wäre er der klassische Bad Boy einer schlechten Serie.

Im Vergleich zu ihm bin ich ein schlaksiger Typ, der nach diesem langen Aufenthalt im Krankenhaus bestimmt nur noch aus Haut und Knochen besteht. Meine braunen Haare hängen mir inzwischen bis in die Stirn, rasiert habe ich mich auch schon länger nicht und wurde es hier anscheinend auch von den Krankenschwestern nicht.
Der Kerl hingehen hat eine perfekt gestylte Frisur, an den Seiten sind die Haare etwas kürzer als oben und seinen Drei-Tage-Bart trägt er jeden Tag gepflegt und einheitlich. Er müsste der Schwarm von jeder Schwester sein, aber die nehmen ihn überhaupt nicht wahr und behandeln ihn wie Luft.

Das bringt mich nach einigen Tagen und gesunkenen Infektwerten zu dem Ergebnis, dass nur ich ihn sehen kann. Und das ist durchaus beängstigend. Werde ich etwa verrückt? Sehe ich Menschen, die nicht existieren?

Ich unterdrücke ein Aufstöhnen, als ich mich im Bett aufsetze. Sofort habe ich das Gefühl, dass unter dem dicken Verband an meinem rechten Arm lauter kleine Feuerameisen herumlaufen und mich piksen.

Mein Stöhnen zieht die Aufmerksamkeit des Typen auf mich und er sieht mich aus diesen undurchdringlichen, fast schwarzen Augen an.

Unser Blick verhakt sich ineinander und mein Herzschlag beschleunigt sich. Dieser Blickkontakt fühlt sich einfach zu real an.
Mein Gegenüber zieht langsam eine Augenbraue nach oben.

»Du kannst mich also sehen.« Es ist für ihn nur eine lockere Feststellung, während dieser Satz mir selbst den Boden unter den Füßen wegreißt.

Jetzt fängt meine Halluzination auch noch an, sich mit mir zu unterhalten! Mein Verstand dreht wohl wirklich durch.

War mein Gehirn während der Reanimation zu lange nicht mit Sauerstoff versorgt, dass es nun nicht mehr richtig funktioniert? Ich habe zumindest mal davon gehört, dass so etwas vorkommen kann.
Aber muss es ausgerechnet mir passieren?

»Wer...bist du?« Meine Stimme ist ein seltsames Krächzen und ich räuspere mich. Offensichtlich habe ich zu lange nicht gesprochen.

»Ich bin Devon«, stellt er sich knapp vor und sieht dann wieder an mir vorbei aus dem Fenster.

»Devon«, wiederhole ich langsam und er nickt als Bestätigung. Wunderbar, meine Halluzination hat einen Namen. Sie heißt Devon.

»Ich bin keine Halluzination. Hör auf ständig so sarkastisch zu denken.«"

Mir klappt die Kinnlade herunter und ich starre ihn aus großen Augen an. »Du...kannst Gedanken lesen?«, platzt es aus mir heraus und er wirft mir einen amüsierten Blick zu.

»Vielleicht.«

Frustriert brumme ich auf. Der Kerl macht mich wahnsinnig. Wenn ich es nicht schon lange bin.

Gelassen streckt er seine Füße aus und lehnt sich gemütlich in seinem Stuhl zurück. Ich kann nicht anders, als ihn weiter anzustarren.

Sieht es so aus, wenn man verrückt wird? Denken die ganzen Insassen in einer Psychiatrie nicht auch immer, dass ihre Realität der Wahrheit entsprechen muss und dass sie eben nicht verrückt sind?
Weil sie ihren eigenen Wahn so real sehen können? Oder wie ich, sogar damit interagieren können?

Mir bricht kalter Schweiß aus und ich presse nervös meine Lippen aufeinander. Ich will nicht eingewiesen werden.

Vor meinem Unfall lief mein Leben ausnahmsweise mal super. Mein Chef hat mir eine Gehaltserhöhung versprochen, ich habe mich getraut, endlich die süße Bedienung in der Bäckerei nach ihrer Nummer zu fragen und die Heizung in meiner kleinen Wohnung wurde endlich repariert, sodass ich nicht mehr in drei Decken gewickelt mit Plüschschuhen auf dem Sofa sitzen musste.
Und jetzt kommt dieser Mist.

»Ich muss pinkeln. Kannst du mich wenigstens dabei alleine lassen, Devon?« Ich betone seinen Namen extra, in der Hoffnung, dass er einfach verschwindet, wenn ich seine Existenz kurz offiziell akzeptiere.

Aber er verschwindet nicht. Stattdessen lacht er auf und zeigt nach unten auf den Rand meines Bettes.
»Du hast einen Katheter liegen. Ich sehe mir seit Wochen deinen Urin an.«

Sofort schießt mir vor Scham das Blut ins Gesicht und ich sehe an meinem Bett herunter. Tatsächlich hängt dort ein Beutel und der dazugehörige Schlauch führt unter die Decke. Probehalber ziehe ich leicht mit einer Hand daran und spüre sofort einen unangenehmen Druck in meinem Schwanz. Wird ja immer besser.

Ich lasse meinen Blasenkatheter los und beschließe, die nächste Schwester, die reinkommt zu fragen, ob sie mir das blöde Ding rausziehen kann. Das ist ja erniedrigend sowas.

»Und was machst du sonst so, wenn du nicht gerade meinen Urin anstarrst?« Seufzend unternehme ich einen zweiten Versuch, mehr aus Devon rauszubekommen. Dieser hebt seinen Blick und sieht mich wieder an.

»Ich frage mich, was ich falsch gemacht habe, dass du mich seit dem Unfall sehen kannst. Das konntest du noch nie und solltest du auch nicht.« Mein verständnisloser Blick veranlasst ihn dazu, tief aufzuseufzen.
»Menschen dürfen uns generell nicht sehen«, fügt er erklärend hinzu und ich verstehe noch weniger als in den ärztlichen Visiten mit Fachbegriffen.

»Menschen? Wieso Menschen? Was bist du?«

Devon fährt sich mit einer Hand durch die Haare. Dadurch wird seine Frisur etwas unordentlich und ich meine einen Schatten über sein Gesicht huschen zu sehen. Nur für einen kurzen Augenblick ist sein selbstbewusstes Auftreten verschwunden und ich erkenne so etwas wie Unsicherheit in seinem Blick.

Bevor ich es richtig wahrnehme, hat er sein gleichgültiges Pokerface wieder aufgesetzt. Bedächtig lässt er seine Hand sinken. Hinter seiner Stirn arbeitet es, das kann ich deutlich erkennen.

»Ich habe dir schon zu viel gesagt.« Ausweichend bricht er den Blickkontakt ab und mustert stattdessen seine Schuhspitzen. Er geht in eine abwehrende Körperhaltung, indem er die Arme vor seiner Brust verschränkt.

»Du hast mir so gut wie gar nichts gesagt«, beschwere ich mich und bereue es sofort. Himmel, ich klinge wie ein kleines, bockiges Kind!

Tief atme ich durch und versuche, meine Gedanken zu sortieren. Aber es gelingt mir nicht, ich werde aus seinen Aussagen einfach nicht schlau.

Ich versuche mir einzureden, dass Devon eigentlich gar nicht existiert. Dass er ein Hirngespinst von mir ist und dieser Stuhl neben meinem Bett in Wirklichkeit leer ist.

Aber insgeheim weiß ich, dass es nicht so ist. Devon sitzt dort und ringt innerlich mit sich, wie viel er mir sagen darf.

Wäre er meine eigene Halluzination, wüsste ich die Antworten auf meine Fragen insgeheim. Doch das tue ich nicht.

Zwar habe ich schon immer eine blühende Fantasie gehabt, aber so etwas hat mein Gehirn bisher noch nicht zustande gebracht.
Devon muss in irgendeiner Form echt sein. Und wenn er kein Mensch ist, dann ist er etwas anderes. Ein Geist?

Immerhin befinde ich mich in einem Krankenhaus und hier sind viele Menschen gestorben. Ja das könnte es sein.
Vielleicht war Devon vorher Patient in diesem Zimmer und konnte nicht loslassen, weswegen er noch immer als Geist hier ist.

Euphorisch will ich ihm meine Lösung mitteilen und öffne bereits den Mund, als mir klar wird, dass es Schwachsinn ist.
Denn er war auch auf der Autobahn bei mir, direkt nach dem Unfall. Er kann kein Geist sein.

Bei dem Unfall ist niemand gestorben. Es muss eine andere Erklärung geben.

»Bitte.« Resigniert seufze ich auf und sehe zu ihm herüber. »Sag es mir doch einfach.«

Devon sieht nicht von seinen Schuhspitzen hoch, sondern beißt fest seinen Kiefer zusammen. Ich kann sehen, wie der Muskel in seiner Wange angespannt zuckt.

»Ich werde es vermutlich bereuen«, seufzt er und knirscht mit den Zähnen. »Gut, du willst es so. Aber lach nicht.«

Irritiert runzle ich meine Stirn. Wieso sollte ich lachen?

Devon löst den Blick von seinen Schuhen und sieht mich direkt an.

»Ich bin dein Schutzengel.«

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