6. Kapitel

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Joyce Augen liegen aufmerkam auf mir.
Es fühlt sich an, als würde sie durch meine eigenen Augen bis tief in meine Seele blicken können, so intensiv mustert sie mich.

Unmerklich schlucke ich und werde gefühlt unter ihrem Blick immer kleiner.

Nervös huschen meine eigenen Augen in Devons Richtung. Dieser schüttelt mahnend mit dem Kopf und ich sehe hastig wieder weg. Langsam vergesse ich, dass ich ihn in der Öffentlichkeit nicht ansehen darf. Ich muss ihn ignorieren und so tun, als wäre er Luft.

Aber je länger ich schon gezwungenermaßen mit ihm aufeinander hänge, desto mehr gewöhne ich mich an seine Anwesenheit. Er gehört für mich einfach zu meinem Leben dazu, wie für Joyce ihr Notizbuch.

Dieses hat sie inzwischen zu sich herangezogen und blättert konzentriert darin herum.
Hinter ihrer Stirn fängt es an zu arbeiten, das kann ich deutlich erkennen. Sie analysiert meinen Wunsch, die Unfallstelle zu besuchen, wägt alle Möglichkeiten ab und kommt schließlich zu einem Ergebnis.
Sie nickt.

Vor Erleichterung seufze ich tief auf, was ihr ein sanftes Lächeln entlockt. Dabei bilden sich in ihren Wangen leichte Grübchen und sie grinst mich leicht an.

»Meine Antwort scheint Sie sehr zu freuen«, stellt sie leicht grinsend fest und ich nicke als Bestätigung. »Ohja.«

Amüsiert schlägt sie ihr Buch zu und hält anschließend ihren Kugelschreiber auf mich gerichtet. Sie kneift leicht ihre Augen zusammen und ich kann eine leichte Drohung in ihnen aufblitzen sehen.
»Wir werden zu dieser Unfallstelle fahren Mr. Barnes. Aber erst, nachdem wir noch einige Sitzungen hinter uns gebracht haben. Ich muss mir über einige Dinge noch im klaren werden. Zusätzlich werden Sie ab heute Abend neue Medikamente bekommen. Ich hoffe, dass wir dadurch einen großen Schritt weiterkommen werden.«

Die Euphorie, die ich anfangs verspürt habe, weil sie sich auf meinen Vorschlag eingelassen hat, ist genauso schnell verschwunden, wie sie gekommen ist. Auf einmal hört sich das alles nicht mehr so gut an, sondern eher danach, als würde sie nach weiteren Indizien suchen, um die Schizophrenie bei mir sicher diagnostizieren zu können. Mir wird eiskalt und ich reibe mir nervös über meine schwitzigen Handflächen.

Joyce bemerkt meine Reaktion und legt beruhigend ihre Hand auf meinen Unterarm. Es ist nur eine leichte, von ihrer Seite aus vermutlich unbedachte Berührung. Aber für mich ist sie viel mehr.

Bisher hat sie mich noch nie berührt. Dass ich sie absolut heiß finde, habe ich glaube ich schon einmal erwähnt.

Es fühlt sich an, als würde meine Haut unter ihren Fingern explodieren und Blitze durch meinen Arm jagen. Kurz stockt meine Atmung und ich hasse mich selbst dafür. Himmel, sie ist meine Psychiaterin. Ich darf mich doch nicht in meine Seelenklempnerin verknallen, das gehört sich einfach nicht.

Devon lacht neben mir leicht auf. »Da ist wohl jemand nach der langen Zeit hier im Krankenhaus untervögelt.« Er macht mich wahnsinnig. Konzentriert zeige ich nach außen hin keine Reaktion in seine Richtung, auch wenn ich liebend gerne meine Augen verdreht hätte.

Stattdessen sehe ich hinunter auf Joyce Hand, die immer noch auf meinem Unterarm liegt. Mir wird bewusst, wie schlank und zierlich ihre Finger sind. Ich schlucke. Nein, nicht ablenken lassen Kyle. Schön konzentriert bleiben.

»Mr. Barnes.« Ihre Stimme reißt mich aus meinen Gedanken und ich sehe auf in ihre grünen Augen. Nicht zum ersten Mal, seit wir uns kennen, mustern sie mich besorgt. Vielleicht steht es um meine Psyche sogar schlimmer, als ich annehme.

»Wir lassen uns Zeit. Es gibt noch einiges, was wir in Ruhe aufarbeiten müssen, bevor Sie nach Hause gehen können oder mit der Polizei sprechen. Aber ich verspreche Ihnen, dass wir zu der Unfallstelle fahren werden. Von mir aus können wir das Ende der Woche machen.
Bis dahin kann ich Sie darauf vorbereiten, was vielleicht in Ihnen hochkommt, wenn Sie dort stehen. Es könnte zu viel für Sie sein, deswegen möchte ich nicht, dass wir etwas überstürzen. Aber wir werden Antworten finden und aufklären, was passiert ist. Gemeinsam.«

Um ihr Versprechen zu untermalen, drückt sie kurz meinen Arm und lässt ihn dann los. »Vertrauen Sie mir. Sie können mir alles erzählen, ich werde Sie nicht verurteilen.« Ihr Blick huscht in Devons Richtung und sie sieht den, aus ihrer Sicht, leeren Stuhl einen kurzen Augenblick an. »Egal, was es ist«, fügt sie hinzu.

Diese Worte sollten beruhigend auf mich wirken, aber sie erreicht das genaue Gegenteil. Mir wird auf einmal eiskalt und mein Herz überschlägt sich in meiner Brust.  Wieso sieht sie zu Devon?

War ich so unachtsam gewesen, dass sie gemerkt hat, wohin ich zwischendurch sehe? Ist es so offensichtlich, dass ich etwas sehe, was sie und all die anderen Menschen nicht wahrnehmen können?

Ich muss wirklich aufpassen, ansonsten beweise ich ihr durch mein Verhalten gerade, dass ihre Verdachtsdiagnose der Wahrheit entspricht. Ich bin verrückt. Ich sehe und höre Dinge, die eigentlich gar nicht existieren. Ich bin schizophren.

Es klingt so logisch. Wissenschaftlich gesehen ergibt so alles einen Sinn. Aber ist es die Wahrheit? Immerhin war ich tot. Es gibt viele Menschen, die nach solch einer Nahtoderfahrung spezielle Fähigkeiten haben. Aber wie soll ich verdammt nochmal beweisen, dass ich nicht verrückt bin, sondern nur eine Gabe habe?

Ich sehe Schutzengel. Ich kann einfach nicht verrückt sein. Mir redet keine fremde Stimme ein, was ich tun soll, ich treffe immer noch meine eigenen Entscheidungen. Ich bin nicht verrückt. Oder?

Keuchend schnappe ich nach Luft. Auf einmal verspüre ich einen unglaublich starken Druck auf meinem Brustkorb, der es mir erschwert zu atmen. Ich bin nicht verrückt. Ich bin ganz normal. Ich bin nicht krank.

Immer wieder rede ich mir diese Worte ein, lasse sie in Dauerschleife in meinem Gehirn ablaufen und bete, dass ich sie endlich wieder glauben kann. Aber jede Wiederholung treibt mich nur mehr in die Ungewissheit.

Joyce sollte mir Stabilität und Sicherheit geben. Und sie versucht es auch, das weiß ich ganz genau. Insgeheim vertraue ich ihr absolut. Gleichzeitig verschließe ich mich vor ihr, aus Angst, der Wahrheit ins Auge blicken zu müssen.

Am Rande meines Bewusstseins tobt ein Stimmengewirr. Ich bin so ein meiner eigenen Gedankenwelt versunken, dass ich die verschiedenen Stimmem kaum auseinanderhalten kann.

Da ist einmal die mir inzwischen sehr bekannte, tiefe und gleichzeitig raue Stimme von Devon, die mich dazu auffordert, langsam Ein- und wieder Auszuatmen. Parallel höre ich den verzweifelten braunhaarigen Engel seine Empfehlungen für ein Match preisgeben und in welche Richtung die Krankenschwester swipen soll.

Und dann wäre da noch die sanfte Stimme von Joyce, die auf einmal viel zu nah ist. Sie berührt mich erneut, diesmal an meinen Händen. »Mr. Barnes.« Mehrfach sagt sie meinen Namen, aber ich bin nicht in der Lage zu reagieren. Meine eigenen Gedanken hören nicht auf, in meinem Kopf zu kreisen. Sie reißen mich mit sich, ziehen mich hinunter in einen Strudel aus Chaos. Ich verliere immer mehr den Anschluss an die Wirklichkeit. Ich kneife meine Augen zusammen. Um mich herum ist alles schwarz, nur das Stimmgewirr in meinem Kopf nimmt stetig an Lautstärke zu.

Die Stimme von Devon gewinnt Oberhand, auf einmal höre ich nur noch ihn. Nur seine Anweisungen, auf die mein Körper versucht zu reagieren. Es fühlt sich so vertraut an, als hätte es diese Verbindung schon immer zwischen uns gegeben.

Es ist einfach selbstverständlich für mich, dass ich ihn hören kann. Er war schon immer da gewesen, unterbewusst habe ich ihn vielleicht doch auf irgendeine Art und Weise wahrgenommen. Nur seit dem Unfall kann ich ihn sehen. Er ist real geworden.
Er gehört zu mir.

Er kann mich kontrollieren, er weiß, wie mein Körper auf bestimmte Dinge reagiert. Er hat eine so unglaubliche Macht über mich. Theoretisch könnte er mich steuern, für sich ausnutzen. Nur mit seiner Stimme, die in meinem Kopf präsent ist. Ich atme.
Meine Lungenflügel weiten sich in dem Rhythmus, den seine Stimme mir vorgibt.

Mir wird eiskalt, als ich realisiere, wie sehr er mich unter Kontrolle hat.

»Kyle!« Erschrocken zucke ich zusammen. Ich höre meinen Vornamen. Eine weibliche Stimme sagt ihn mit Nachdruck, drängt Devon in den Hintergrund.
Ich reiße meine Augen auf und starre in Joyce Gesicht. Sie sitzt direkt vor mir, hat sich zu mir herüber gebeugt und atmet tief durch, als ich endlich auf sie reagiere.

»Ich begleite Sie auf Ihr Zimmer«, beschließt Joyce und steht auf. Kraftlos und nass geschwitzt lasse ich mich von ihr in den Stand ziehen.

Mein rechtes Ohr fiept unangenehm und ich fühle mich, als wäre ich einen Marathon gelaufen.
Was ist da gerade passiert?

Es hat sich angefühlt, als wäre ich in einem schwarzen Tunnel gefangen. Diese ganzen Stimmen, die Grenze zwischen Realität und den Schutzengeln ist verschwommen.

Vor Erschöpfung zitternd halte ich mich an Joyce fest, während wir uns einen Weg durch die Cafeteria bahnen. In jeder anderen Situation wäre es mir absolut peinlich gewesen, mich so an eine Frau zu klammern, die ich insgeheim einfach nur umwerfend finde.

Aber in diesem Moment ist es mir egal. Es tut mir gut, dass sie mir Halt gibt. Sie hinterfragt auch nicht, wieso ich so ausgelaugt an ihr hänge, sondern dirigiert mich einfach durch die langen, hell beleuchteten Flure des Krankenhauses zurück auf meine Station.

Kurz bleibt sie mit mir bei einer Krankenschwester stehen und lässt sich von ihr ein paar Tabletten geben. Die Namen der Medikamente habe ich bisher noch nie gehört.

Kurz kommt mir der Gedanke, dass es die Sachen sein müssen, welche sie mir neu verordnet hat. Aber ich bin viel zu müde, um genauer darüber nachzudenken.

Nachdem Joyce die Tabletten in einem kleinen durchsichtigen Becher in der Hand hält, bringt sie mich zurück auf mein Zimmer. Für einen kurzen Moment fühlt es sich an, als würde ich nach Hause kommen. Mein Bett sieht einfach nur einladend aus und ich kann es kaum erwarten, in dem frisch aufgeschüttelten Kissen zu versinken.

Seufzend setze ich mich an die Bettkante und nehme brav die Tabletten in den Mund, die ich von Joyce gereicht bekomme. Mit ein paar Schluck Wasser spüle ich sie herunter und sie nickt zufrieden.

Traurig fahre ich mir mit den Händen durch die Haare. »Kyle, was beschäftigt Sie?«

Ihre Stimme klingt wie gewohnt sanft und gleichzeitig ruhig. Es beruhigt mich, dass sie mich auf einmal bei meinem Vornamen nennt. Das schafft eine viel engere, vertrautere Atmosphäre zwischen uns. Ich bekomme das Gefühl, mich für absolut nichts schämen zu müssen, was ich ihr sage.

Wahrscheinlich benutzt sie diese Art der Anrede bewusst und genau aus diesem Grund. Aber das ist mir egal, in diesem Moment fühlt es sich einfach gut an.

»Nach diesem...Zusammenbruch hat sich die Unfallstelle bestimmt erledigt.« Meine Stimme zittert noch immer und klingt einige Oktaven zu hoch. Schwach räuspere ich mich und fange ihr leichtes Lächeln auf.

»Nein keine Sorge. Wir werden daran arbeiten, dass wir zusammen dort hingehen können.« Ihre Worte könnten beruhigender nicht sein. Erleichtert schleicht sich ein kleines Grinsen auf meine Lippen.

»Danke, wirklich. Ich bin ein absoluter Idiot«, entschuldige ich mich und sie schüttelt mit dem Kopf. Dabei lösen sich ein paar ihrer braunen Haare aus ihrer Haarklammer und fallen ihr in die Stirn.
»Sie sind kein Idiot Kyle. Sie hatten ein sehr traumatisches Erlebnis. Es ist absolut normal, wenn danach nicht alles sofort perfekt funktioniert.«

Ich beiße mir auf die Unterlippe. Kurz wandert mein Blick zu dem Stuhl direkt neben meinem Bett. Er ist leer.

Verwirrt blinzle ich und mein Blick huscht suchend durch den Raum, aber ich kann Devon nicht finden. Bevor ich in Panik ausbrechen kann, höre ich jedoch seine Stimme draußen auf dem Flur. Er unterhält sich mit Samira.

»Und wenn... Seit dem Unfall alles anders ist als davor?«, höre ich mich fragen und hasse mich im nächsten Moment selbst dafür. Wie kann man nur so dumm sein? Ich sollte sie nicht noch mit der Nase darauf stoßen, dass mit mir etwas nicht stimmt.

Joyce lässt sich durch meine Aussage aber nicht aus der Ruhe bringen, sondern streicht sich eine ihrer losen Haarsträhnen aus der Stirn.

»Dann finden wir auch dafür eine Lösung«, verspricht sie mir. Durch ihren warmen Blick kann ich gar nicht anders, als ihr sofort zu glauben.

Sie klemmt sich geschickt ihre Haare neu am Hinterkopf zusammen und fischt den Kugelschreiber von meinem Nachtschrank, den sie dort vergessen hatte. »Aber jetzt ruhen Sie sich erstmal aus. Wir sehen uns morgen wieder.«

Zur Verabschiedung nickt sie mir zu. Bevor ich zu ebenfalls zu einer Verabschiedung ansetzen kann, ist sie aus meinem Zimmer verschwunden.

Sofort spüre ich, wie die Müdigkeit mich wieder überennt. Meine Augen werden schwer und ich gebe dem Drang sofort nach, mich ins Bett zu legen.

Zufrieden seufze ich auf, als mein Kopf tief in dem Kissen versinkt. Meine Augen fallen mir zu.

Es ist herrlich still um mich herum.

Einen kurzen Moment überlege ich, nochmal nachzusehen, ob Devon mittlerweile in meinem Zimmer angekommen ist. Vielleicht hat ihm auch niemand die Tür geöffnet.

Oder hätte ich das tun sollen?

Egal.

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