May

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Liebe Jade,

Die Clearwater hat gesagt, ich solle dir einen Brief schreiben, um mein Trauma zu verarbeiten. Schon wieder eine neue Idee von ihr, um meine „Kindheitsprobleme" zu bekämpfen. Also gut, habe ich mir gesagt, mach ich das doch.

Hier ist meine Schilderung der Ereignisse von vor sieben Jahren. (Ich habe beschlossen, dir die ungekürzte Fassung zu geben. Nicht einmal Rish hat sie zu sehen bekommen, fühl dich geehrt.)

Wo fange ich an? Okay, ich weiß, wo ich starte. Meine Mutter war eine vielbeschäftigte Frau. Da sie mich (ich war sieben und noch so süß unschuldig) nachmittags nicht beschäftigen konnte, hat sie mich zum Schlagzeug-Unterricht geschleppt.

Am Anfang war es eine Qual. Ich habe den Lärm gehasst, ich habe IHN, den Lehrer, gehasst, ich habe die Musikschule gehasst. Dann wurde ich langsam, aber sicher, besser. Nach einer Weile, ich war zu dem Zeitpunkt zehn Jahre alt, wurde ich in die städtische Band aufgenommen. Ab da waren es die besten fünf Wochen meines Lebens, zumindest dachte ich das.

Irgendwann, ich glaube, mich zu erinnern, dass es ein Mittwoch war, bat mich ER zu einem Gespräch nach der Stunde in seinem Büro (im zweiten Stock an der Treppe). Durchfall-Thomas, da war er schon ein Zeckenhintern, hat mich noch dazu aufgefordert, dort hinzugehen. Irgendetwas war im Busch, das war klar.

Wäre damals alles anders gekommen, wenn ich weniger brav und ehrlich gewesen wäre? Wir werden es nie erfahren.

ER hat sich also hinter seinen dicken Mahagoni-Schreibtisch gesetzt und mir bedeutet, zu ihm zu kommen. (Mir fällt jetzt erst auf: Wo hatte der eigentlich genug Geld her, um sich ein Klavier mit Elfenbeintasten zu kaufen?) Dann hat ER mich einfach so, ohne Grund, an der Kehle gepackt, hochgehoben und zugedrückt. Ich wollte natürlich schreien, aber ER war zu schnell.

Wenn du wetten müsstest, auf wen würdest du setzen: Mich oder IHN (ein Hummer-Wandler)?

Ich sah also nur einen letzten Ausweg. Ich verwandelte mich in eine Tapezierspinne und bohrte meine Fänge in seine Hand.

Du weißt ja, ich will Ärztin werden. Förderlich ist es nicht, jemanden zu beißen, aber es war Notwehr.

Herr Musiklehrer fluchte also ziemlich laut und unflätig und stopfte mich in ein Marmeladenglas. Der Deckel hatte kleine Luftlöcher, durch die ich aber niemals gepasst hätte. Dann hat er den Notarzt gerufen und mein Gefängnis in seine Schreibtischschublade geräumt.

Ab da ist die Zeit sehr, sehr langsam vorangegangen. Ich wundere mich bis heute, was ER meiner Mutter erzählt haben musste, denn sie kam nicht einmal, um mich zu suchen oder nach mir zu fragen. In den langen Tagen und Wochen meiner Gefangenschaft beschloss ich auch, nicht mehr sprechen zu wollen. Gebärdensprache konnte ich davor schon fließend und Gedankensprache sowieso.

Neue Schüler kamen immer wieder. Und eines Tages, da standest du auf einmal im Türrahmen und hast deine Gedanken so frei und offen präsentiert, dass ich einfach zuschlagen musste.

Jade, ich bin dir wirklich dankbar, dass du mich aus dieser Hölle befreit hast.

Jetzt aber weiter. Ich nahm mit dir Kontakt auf und alle Spinnengötter wissen, es war schwierig. Ich brauchte eine geschlagene Dreiviertelstunde, deine komplette Unterrichtszeit, um dich zu überzeugen, dass du nicht schizophren bist. Irgendwann verschwand der werte Herr Musikteufel in seinem Arbeitszimmer und das war deine Chance.

Na ja, du hast einfach die Schublade aufgezogen, das Glas aufgeschraubt, ich bin raus und habe mich sofort verwandelt. Nur, damit es dir klar ist, ich habe in dem Moment wirklich vergessen, dass Klamotten sich nicht mit verwandeln.

Zum Glück warst du so geistesgegenwärtig und hast mir die Abdeck-Decke von einem Klavier zugeworfen.

Den Rest kennst du ja. ER, der aus dem Büro stürmt, als wir fliehen wollen. Der mich die Treppe runterschubst. Wegen dem ich diverse Knochenbrüche, eine schwere Gehirnerschütterung und drei angeknackste Rippen erleide. In dessen Verhandlung du als Zeuge auftrittst und IHN richtig zur Schnecke machst. Der zu 10 (oder so) Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilt wird.

Die nächsten Jahre waren wunderbar. Wir sind zur selben Zeit in die Clearwater High gekommen und waren beide kleine, unscheinbare Tiere. Angepisst von Carag waren wir beide, sobald er aufgetaucht ist. Oh Spinnengötter, sollen wir ihn anbeten, nur weil er ein Raubtier ist? Ich sehe es nicht ein. Alle großen und besonderen Tiere fallen auf, aber wir Kleinen werden einfach ignoriert.

Ich möchte aber unbedingt nochmal über Carag reden. Ich meine, der Typ nervt doch total, oder? Nur weil er ein Feind von Andrew Milling ist und noch dazu ein ach-so-toller Berglöwe, mussten zwei Erstjahresschüler sterben. Hätten die das nicht unter sich ausmachen können? So von Puma zu Puma?

Egal, wo du auch immer gerade sein magst, gib nicht auf! Du kannst dich noch verwandeln und wirst auch deine Fähigkeit beibehalten, egal, welche Verletzung du dir zuziehst.

Jade, ich vermisse dich. Komm bitte wieder zurück. Zu mir, zur Clearwater High, zu Rish. Sie hat gesagt, sie findet dich vielleicht doch nicht so kotzig. Weißt du, was das bedeutet? Dass diese emotionslose, steinerne Kornnatter-Wandlerin, die die Dritte in unserem Kreis ist, dich vermisst. Und zwar schrecklich.

Und wenn nicht, dann finde ich dich, breche mein Schweigen und sage dir endlich, dass ich dich liebe. (Ich übe schon!)

Ich liebe dich, Jade!

Schon seit langem. Und diese bescheuerte Querschnittslähmung ist mir egal! Blöde Pumas! Blöde Elche! Weißt du, nachdem du gegen den Baum geschleudert wurdest, waren die schlimmsten Tage in meinem Leben. Ich habe geheult, ich habe geschimpft, ich habe den Geweihdepp vergiftet. Ich habe viel getan. Und ich hatte Angst. So eine gigantische Angst um dich.

Bitte komm wieder. Mrs Clearwater hat gesagt, sie hätten dich im Nationalpark nicht gefunden und in Jackson ist auch keine Spur. Ich vermisse alles mit dir. Unsere endlosen Mario-Card-Spiele. Unsere gemeinsamen Lernexpeditionen. Alles. Sogar deine verdammten silbernen Locken und dein keckes Lächeln, wenn du mal wieder etwas ausgeheckt hast, vermisse ich.

Ich muss jetzt Schluss machen. Sonst heule ich noch... und Rish wird mich ewig damit aufziehen.

In Liebe, deine May

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