Sechsundzwanzig nach Leave

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Leave spricht fast eine Woche lang nicht mit mir. Ich darf sie zwar besuchen, aber sie ignoriert mich schmollend und reagiert auf keine meiner Fragen. Nur einmal schreibt sie auf einen Zettel, dass ich das nächste Mal gefälligst das Schachbrett mitbringen soll, das ich ihr versprochen habe.

Heute habe ich es mit dabei und Leave beschließt, dass sie lange genug sauer auf mich war.

„Jetzt bring mir das blöde Spiel endlich bei", begrüßt sie mich, immer noch angepisst.

So begeistert sie anfangs war, so schnell schwindet ihr Spaß am Spiel auch wieder.

„Aber warum gibt es so viele blöde Bauern? Wieso kann es nicht ganz viele Könige geben oder Pferdchen?", fragt sie enttäuscht.

„So ist das Spiel", meine ich schulterzuckend.

„Blödes Spiel", murrt sie.

Und damit ist es auch beendet. Leave gibt auf, besteht aber darauf, dass ich trotzdem nicht gewonnen habe und beschließt, dass sie jetzt Lust auf eine heiße Schokolade hat.

Geschäftig rührt sie in ihrer Tasse, gießt immer wieder Kakao über die kleinen Marshmallows und die Sahne und beobachtet fasziniert, wie das Ganze immer mehr zu einer einheitlichen Pampe wird. Das Zeug ist pappsüß, aber wärmt mich irgendwie innerlich, weswegen ich ihr gegenüber in der Cafeteria sitze und schweigend genieße.

„Wann gehen wir eigentlich in einen Freizeitpark? Mit Achterbahnen und so?", fragt sie plötzlich wie aus dem Nichts.

„Was?"

„Hab ich dir das noch gar nicht gesagt?"

„Nein."

„Oh. Naja, jetzt weißt du' s."

Wie stellt sie sich das bitte vor? Wahrscheinlich darf sie nicht mal so weit mit dem Auto fahren, geschweige denn in eine Achterbahn steigen.

„Spinnst du eigentlich?"

Sie wirkt allen ernstes überrascht. „Wieso?"

Ich öffne den Mund, bin aber so sprachlos über diese dämliche Idee, dass ich ihn fassungslos wieder schließe.

„Du wolltest da doch schon immer mal hin", meint sie fröhlich.

Verwundert runzele ich die Stirn. „Jaaah, aber woher weißt du das?"

Sie zuckt mit den Schultern. „Wer will das nicht?"

Benji ist alles andere als angetan von Leaves Idee.

„Der wird doch sowieso an der ersten Abfahrt einfallen, dass sie doch keine Lust hat. Wozu also die Mühe?", fragt er giftig.

„Dann fahren wir eben trotzdem weiter", entgegne ich.

„Aha und wie genau will sie Achterbahn fahren? Hat sie vergessen, dass sie krank ist? Die lassen sie da bestimmt eh nicht rauf", mault Benji. Er hat wohl wirklich keine Lust, aber das ist mir egal. Er ist mein bester Freund, da muss er jetzt durch.

„Dann fahren wir halt und machen uns 'n Bunten."

Mit verengten Augen starrt er mich an. „Hör auf so scheiße optimistisch zu sein."

„Und du mach die Augen auf, wenn du mit mir sprichst."

Affektiert lachend boxt er mich gegen die Schulter.

„Ich hasse dich echt, Mann", brummt er und lässt sich resignierend auf mein Bett fallen. „Aber ich lass dich bestimmt nicht alleine fahren und verpasse die Chance, dich auf der Achterbahn kotzen zu sehen."

Seltsamerweise sind Mom und Molly leichter zu überzeugen, als Benji.

„Wann wollt ihr denn fahren?", fragt Molly beim Abendessen.

„Weiß nicht, wenn' s nach ihr geht bestimmt morgen", überlege ich.

Mom tut sich noch mehr Hühnchen auf und lächelt. „Ich finde das ganz toll von euch, Jungs."

„Von ihm. Ich werde gezwungen", murrt Benji und stochert auf seinem Teller rum.

„Sie scheint ein liebes Mädchen zu sein", bemerkt Molly warm.

„Sie stirbt. Und Will kann nicht aufhören, sich in sie zu verknallen", meckert Benji weiter.

„Das stimmt überhaupt nicht!", protestiere ich. „Sie ist total anstrengend, kindisch und viel zu sprunghaft."

Trotzdem bist du verschossen in sie, du Pfeiffe.

„Vielleicht können wir sie ja aus Versehen im Freizeitpark vergessen", murmelt Benji und er wirkt so, als wäre das tatsächlich eine Option.

„Vielleicht vergessen wir auch einfach dich", antworte ich.

„Du liebst mich viel zu sehr, um auf mich verzichten zu können", sagt er unbeeindruckt.

Nach dem Essen beschließe ich, Benji von Leaves komischer Aussage vom Trampolinspringen zu erzählen. Eigentlich hatte ich das gar nicht vor, weil Benji dann nur wieder Paranoia schieben würde, aber er ist der einzige, den ich um Rat bitten kann.

Und natürlich entwickelt er, genau wie ich befürchtet habe, die wildesten Verschwörungstheorien.

„Ich mein' s ernst, Mann. So viele Möglichkeiten gibt es nicht. Es kann nur eine Lehrerin sein oder jemand aus deiner Familie. Und dann ist sie wirklich endgültig verrückt geworden. Oder sie hat Recht, keine Ahnung. Alter, vielleicht ist sie deine geheime Halb-Schwester! Du kanntest deinen Vater doch nie", redet er auf mich ein.

Wie beschissen wäre es denn bitte, wenn Leave meine Schwester wäre?

„Benji, halt die Klappe! Das ist total verrückt", fauche ich ihn an.

Er zieht eine Augenbraue in die Höhe. „Oh nein, das ist es nicht. Du weißt, dass ich Recht haben könnte."

Ich hasse dich, Benji.

„Das ist total unwahrscheinlich", meine ich schon etwas weniger überzeugt.

„Aber möglich", entgegnet Benji.

„Ich hasse dich."

„Ich liebe dich auch, Mann."

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro