19. Dinner for One und Nur ein Schwein trinkt allein

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n e u n z e h n

An diesem Morgen fiel mir das Aufstehen besonders schwer, was vor allem an dem Whisky von gestern Abend lag, der immer noch im meinem System kreiste. Abermals wurde ich schmerzhaft darauf hingewiesen, dass ich doch nicht mehr der Jüngste war und langsam aufhören musste mich zu benehmen wie ein Zwanzigjähriger.
Massig Alkohol war einfach nichts mehr für einen Mann in meinem Alter.

Die Arbeit lief zäh, nichts wollte funktionieren und nachdem Francis mir mal wieder eine Standpauke - es war sowieso mal wieder fällig, die Letzte war schon viel zu lange her - gehalten hatte, funktionierte sowieso noch weniger.

Das Mittagsessen verlief ruhig, was vor allem daran lag, dass ich diese Stunde einfach durcharbeitete und nichts aß, auch, wenn Thomes mich mehrmals darauf hingewiesen hatte und sogar versucht hatte mit mir außerhalb Essen zu gehen.
Da ich jedoch mein Büro nicht verlassen wollte, einfach, weil ich Charles nicht begegnen wollte, kam es mir recht gelegen, dass ich keinen Hunger verspürte.
Ich würde mir heute Abend einfach irgendwo eine große Portion Pasta holen und mir damit den Bauch vollschlagen.

Heute war zwar wieder Stammtisch, immerhin war Freitag, aber so sehr ich meine Freunde über die letzten Jahre vermisst hatte, so sehr sträubte es mich heute dorthin zu gehen.
Nicht wegen ihnen, sondern wegen meinem Gefühlchaos und meinen anhaltenden Kopfschmerzen. Wenn ich heute dorthin gehen würde, würde ich wieder viel zu viel Alkohol trinken und dann könnte ich mein entspanntes Wochenende in die Tonne treten.

Ich hatte Yves bereits eine Nachricht geschrieben, dass ich heute Abend nicht anwesend sein werde mit einer kurzen Begründung, die hoffentlich glaubwürdig erschien. Da Yves der einfühlsamste und ruhigste der Truppe war, wusste ich, dass er den Anderen meine Abwesenheit so verkaufen konnte, das schlussendlich keiner beleidigt wäre.

Gegen Nachmittag entschied ich mich abermals dafür meinen Schreibtisch zu sortieren, da, obwohl ich erst vor Kurzem alles unnötige beseitigt hatte, schon wieder das absolute Chaos ausgebrochen war.
Dabei fiel mir eine kleine Karte in die Hände.

Freds Frittenbude
Freitag, 20 Uhr

Das war die Karte von Charles Blumenstrauß von vor wenigen Tagen.

Seufzend drehte ich die weiße Karte in meinen Fingern und augenblicklich begannen meine Gedanken wild durch meinen Kopf zu brettern. Sollte ich dorthin gehen?

Er hatte mir die Karte geschrieben bevor ich mit Troy Sex hatte und bevor wir ein weiteres Mal miteinander geschlafen hatten, bevor wir uns gestritten hatten, weil ich bei Troy war und bevor ich mehr oder weniger alles zwischen uns beendet hatte.

Augenblicklich verwarf ich den Gedanken wirklich dorthin zu gehen wieder. Er würde sowieso nicht dort auftauchen, dafür hatte ich selber gesorgt.

Und dennoch fand ich mich wenige Stunden später, nach einer Dusche und in Alltagsklamotten bei dem Imbiss unter der Autobahnbrücke wieder.

"Hey Lackaffe.", begrüßte Fred mich überschwänglich und grinsend erwiderte ich seinen Handschlag. "Heute mal nicht im Anzug?" Herzhaft lachte der Ältere und lehnte sich etwas über seine Theke um mein Outfit zu begutachten.
"Ja, man muss ja nicht immer so gestriegelt herum laufen." "Da hast du recht, Jungchen. Was kann ich dir bringen? Das Selbe wie immer?" Ich schüttelte den Kopf. "Erstmal eine Coke.", bestellte ich und wenige Augenblicke später reichte er sie mir hinunter. Ich bezahlte und gesellte mich dann zu einem der Stehtische.

Heute war noch weniger los als sonst, aber aus Erfahrung wusste ich, dass in wenigen Stunden, wenn die Partyszene nach Hause zog, hier die Hölle los sein wird. Wer hatte nach einer anstrengenden Nacht voller Tanzen und Alkohol nicht das Verlangen nach einem fettigen Burger mit Fritten?

Ich wusste nicht, warum ich mir nichts zu essen bestellt hatte, denn mein Magen rumorte seit Stunden. Im Nachhinein betrachtet war es nicht die beste Idee, dass Mittagessen ausfallen zu lassen und bis zum Abendessen zu warten, vor allem nachdem ich mir jetzt nichts bestellt hatte.
Aber irgendwie wollte ich warten und schauen, ob Charles nicht vielleicht doch kommen würde. Denn wenn er kommen sollte, wollte ich mit ihm zusammen essen und nicht allein.

Im Sekundentakt fiel mein Blick auf meine Armbanduhr und als es halb Neun schlug, bestellte ich mir schlussendlich doch mein übliches Menü. Der Hunger hatte gesiegt und irgendwie musste ich meine Trauer verarbeiten. Dabei schien mir Frustfressen als die beste Option.

Mir war im Vorhinein klar gewesen, dass Charles nicht kommen würde - immerhin hatte ich ja selber dafür gesorgt -, aber ich hatte die Hoffnung irgendwie nicht aufgegeben.
Doch mein langsam aber sicher immer kleiner werdender Burger und der Boden der Pommesschachtel, der schon zwischen den übrigen Fritten durchblitzte, ließ auch das letzte bisschen Hoffnung sterben.

Charles und ich waren jetzt Geschichte.

Die Erkenntnis traf mich stärker als erwartet.
Zitternd zog ich die Luft ein und schmiss meine angebissene Pommes zurück in die Schachtel, ehe ich die Folie, auf der mein Burger gelegen hatte, zusammenknüllte.

Es war die dümmste Idee überhaupt hierher zu kommen und auch nur eine Sekunde lang zu hoffen, dass er wirklich erscheinen würde.
Ich war so dumm.

Ich könnte jetzt schön zuhause auf meiner Couch liegen, fernsehschauen und meinen Kummer mit schlechten Sitcoms vertreiben, aber hier in der Kälte irgendwo unter einer Autobahnbrücke, so hatte ich mir meinen Freitagabend ganz und gar nicht vorgestellt.

Ich zog den Kragen meiner Jacke höher um mich vor der Kälte zu schützen.
Hier war es, Gott sei Dank, zwischen den Häusern windgeschützt, aber die Kälte kroch dennoch tief in meine Knochen und mit einem letztes lauten Seufzen, packte ich meinen Müll zusammen und donnerte ihn in die Mülltonne.

Ohne mich von Fred zu verabschieden - auf irgendwelche dummen Kommentare konnte ich gerade wirklich verzichten -, schob ich meine Hände tiefer in meine Hosentaschen und machte mich auf den Weg zurück zu U-Bahn Station.

Unweigerlich musste ich an das letzte Mal denken als Charles und ich hier waren. Als wir gemeinsam zurück zur Station gelaufen waren nachdem er das erste Mal überhaupt in einer U-Bahn gefahren war.
Als er mich hier nach Maxi gefragt hatte und wie wir uns in der Station das erste Mal geküsst hatten.

Wenn ich gewusst hätte, wohin mich das alles führen würde, hätte ich ihn damals wahrscheinlich nicht noch einmal geküsst. Ich hätte es einfach bei diesem Kindergartenkuss belassen sollen, dann hätte ich keine Ohrfeige kassiert und würde jetzt nicht hier stehen, wie bestellt und nicht abgeholt.

Meine Augen brannten, und das nicht nur wegen dem kalten Wind, der auf der offenen Straße erbarmungslos vorbeifegte. Nein, auch wegen den Erinnerungen an Charles.

Mein Gehirn packte plötzlich alle schönen Momente, die ich mit Charles erlebt hatte, aus und ließ sie mich schmerzlich Revue passieren. Als wir das erste Mal miteinander geschlafen hatte, seine Zärtlichkeit, das Kuscheln danach, das asiatische Essen mit dem er plötzlich vor meiner Tür gestanden hatte, sein Versprechen und der atemberaubende Sex danach.
Selbst der blöde Blumenstrauß und seine unangekündigten Besuche in meinem Büro.

Die Tränen drohten überlaufen, weshalb ich mir halbherzig übers Gesicht wischte.
Verdammt, was machte dieser Mann nur mit mir. Wir arbeiteten gerade mal etwa ein halbes Jahr zusammen und dennoch fühlte es sich so an als würde ich ihn seit Ewigkeiten kennen.

Aus meiner Zeit mit John kannte ich seinen Bruder natürlich, aber oft gesehen hatten wir uns nicht und daher wusste ich nur das was John von ihm erzählte, was schlussendlich auch nicht wirklich positiv war, weil die beiden nicht das beste Geschwisterverhältnis hatten. Deswegen konnte ich nicht wirklich behaupten, dass ich ihn von damals schon kannte.

Erst durch meine Stelle in der Firma hatte ich ihn richtig kennengelernt und konnte daher nun sagen, dass er nicht der schlechte Mensch ist von dem John immer geschimpft hatte.

Charles hatte seine guten Seiten, auch, wenn er diese selten zeigte und lieber den Macho-Arschloch-ich habe ein perfektes Grinsen-Unternehmer raushängen ließ, obwohl der nette und fürsorgliche Charles so viel mehr zu bieten hatte.

Andererseits konnte ich sein Gehabe in der Firma durchaus verstehen.
Er hatte mit Francis nie ein gutes Verhältnis und musste sich - im Gegensatz zu John - immer alles hart erarbeiten.
John war immer Francis Liebling und musste nur heiraten um die Stelle des Geschäftsführers zu bekommen.
Charles konnte sich den Arsch noch so weit aufreißen, Francis würde in ihm nie das sehen, was er ihn John gesehen hatte.

Und dennoch ließ sich Charles nie unterkriegen, kämpfte immer weiter gegen seinen Vater an, stellte seinen Mann und versuchte immer weiter die Aufmerksamkeit seines Vaters zu bekommen.
Ich war mir sicher, dass selbst die unzähligen Frauen, die Charles immer in seinem Büro willkommen hieß, nur dem Zweck dienten irgendeine Art der Aufmerksamkeit seines Vaters zu bekommen.

Eigentlich echt traurig.

Ich atmete erleichtert auf als ich die Treppen der Station nach unten lief und die wohlige Wärme mich empfing. Es standen nur vereinzelte Personen herum und mit einem Blick auf dem Fahrplan stellte ich seufzend fest, dass die nächste Bahn erst in zwanzig Minuten kommen würde, weil ich die andere um wenige Sekunden verpasst hatte.

Als ich mich auf der gleichen Bank niederließ auf der ich damals auch mit Charles gesessen hatte, kamen die Erinnerungen wieder auf und erschlugen mich in ihrer Intensität.

Ungewollt quollen die Tränen in Sturzbächen aus meinen Augen und schluchzend zog ich den Kragen meiner Jacke höher und meine Kapuze tiefer ins Gesicht.

Ich wollte meine Tränen verstecken, wollte so nicht gesehen werden, obwohl mich hier wohl sowieso niemand erkennen würde. Dennoch war das Risiko zu hoch, weshalb mir die Tränen einfach stumm über die Wangen rannen bis zwanzig Minuten später endlich die U-Bahn einfuhr, welche zum Glück auch nur spärlich gefüllt war.

Mit meinem Jackenärmel strich ich mir die Flüssigkeit von den Wangen und hoffte, dass meine Tränendrüsen endlich versiegt waren.
Ich wollte nicht immerzu Tränen wegen einem Mann vergeuden, dem es sowieso nur um Sex gegangen war.

Um was hätte es Charles denn sonst gehen sollen? Er wollte nicht, dass ich mit anderen Männern schlief. Er wollte mich offensichtlich für sich, was ich ihm schlussendlich auch gegeben hatte. Ich hatte ihn mich zweimal ficken lassen. Zwei mal war er ohne Kondom in mir gekommen.

Wäre er heute aufgetaucht, wenn ich die kleine Affäre zwischen uns nicht beendet hätte?
Er war gestern anscheinend nur so sauer auf mich, weil er dachte, dass ich mit Troy schlafen würde.

Ich schluckte hart. Es ging ihm nur um den Sex. Gefühle spielten ihm dabei keine Rolle. Er wollte sein Spielzeug nur nicht teilen.

Diese Erkenntnis traf mich schwerer als die, dass zwischen uns alles beendet war.

Beendet? Nein. Zwischen uns hatte nie etwas angefangen. Zwischen uns lief nie etwas, das über gefühllosen Sex hinausging, deswegen konnte man auch nicht sagen, dass irgendetwas beendet wurde.
Es hatte in beiden Fällen bereits geendet als er seinen Orgasmus hatte, denn mehr war ich für ihn nicht.
Ein Experiment, ein Test, ob Charles auch gefallen an Männern hatte.

Ich presste meine Hände aufs Gesicht und versuchte meine Umgebung auszublenden.

Ich hätte einfach zuhause bleiben sollen oder - noch besser - einfach zum Stammtisch gehen sollen und mir dort die Birne wegschießen.

Alles wäre besser gewesen als mich an die Hoffnung zu klammern, dass zwischen uns alles gut werden würde, obwohl mir von Anfang an bewusst hätte sein müssen, dass es für Charles nie ein 'uns' gegeben hat.

"Zachary?"

Überrascht ließ ich meine Hände sinken und starrte direkt in bekannte graue Augen.

Francis.

"Sie fahren U-Bahn?" War das einzige was ich über meine Lippen brachte, ehe ich verständnislos den Kopf schüttelte.

Francis und U-Bahn? Das war tatsächlich das Absurdeste, was ich jemals gesehen hatte. Das Johnson Senior dazu keinen Anzug sondern legere Alltagskleidung trug, ließ mich irritiert die Augenbrauen zusammenziehen.
"Ja, ab und an.", antwortete der Mittsechziger und setzte sich auf den freien Platz neben mir.

"Sie riechen nach Bratfett.", stellte Francis nach einigen Minuten Ruhe, in denen nur das leise Quietschen der U-Bahn den Wagon erfüllte, fest und zupfte an meiner Jacke.
"Danke.", antwortete ich nur neutral und legte den Kopf gegen die Scheibe in meinem Rücken.
Der Mittsechziger begann leise zu lachen und lehnte sich ebenfalls zurück.

"Sie sehen nicht gut aus, Zachary." "Danke.", brachte ich abermals über die Lippen, konnte mir nur diesmal nicht nehmen etwas angepisst zu klingen.
Was wollte er hier? Konnte man mir nicht ansehen, dass ich lieber allein vor mir hin leiden wollte und nicht an einem Gespräch interessiert war?
Vor allem nicht mit ihm.

"Sie können mit mir reden, wenn Sie wollen. Ich bin zwar Geschäftsmann, aber ich bin auch Vater. Vielleicht kann ich Ihnen helfen." Seine Stimme klang ruhig und unweigerlich musste ich an seine Umarmung an dem Morgen als Troy zum Deal zugesagt hatte, zurückdenken.
Es war eine väterliche Umarmung. Eine wie ich sie von meinem eigenen Vater seit Jahren nicht mehr bekommen hatte.

Ich schüttelte den Kopf. "Mir geht es gut." Allein an meiner brüchigen Stimme konnte man hören, dass das eine absolute Lüge war, aber ich hoffte dennoch Francis damit abwimmeln zu können.

"Zachary, Ihnen geht es nicht gut. Ich bin nicht blind. Ich sehen, dass Sie geweint haben."

Genervt strich ich mir übers Gesicht und fühlte die kalten Tränen klar auf meiner heißen Haut. Natürlich musste er es gesehen haben.

Ich seufzte. "Francis, selbst, wenn ich Ihnen erzählen würde, was los ist, könnten Sie mir nicht helfen."

"Das wissen Sie nicht, Zachary." Mein Blick flog zu ihm.

Der Pullover, den er trug, und die gefütterte Jeansjacke ließen ihn jünger wirken als die Anzüge, die er normalerweise trug, und er wirkte damit viel lebendiger. Die Baseballkappe, die er aufhatte, erinnerte mich an meinen Vater und ließ Francis in meinen Augen momentan noch mehr wie einen wirklichen Vater wirken.
Und selbst, wenn er kein guter Vater war, war er immer noch bei weitem besser als mein eigener.

"Ich bin schwul. Das ist das Problem." Ich lachte bitter.
Dazu kam noch zusätzlich das Problem, dass ich mich immer in die falschen Männer verliebte.

"Das ist kein Problem.", antwortete Francis ruhig und richtete die Kappe auf seinem Kopf. "Wenn, dann sind es die Männer, die das Problem machen, aber glauben Sie mir Zachary, Frauen machen genauso viele Probleme. Also würde es Ihnen wohl nichts nützen hetero zu sein."

Ich seufzte. Einerseits hatte er recht. Andererseits ging das Problem viel tiefer. "Alle Probleme, die ich in meinem Leben hatte, sind nur davon gekommen, dass ich schwul bin. Und nicht all diese Probleme hängen mit irgendwelchen Männern zusammen."

Nervös begann ich an der Naht meiner Jeans zu pulen. Ich fühlte mich plötzlich wieder wie ein kleines Kind.
Ich sehnte mich nach einer väterlichen Umarmung und ich sehnte mich danach meine Eltern zu sehen, normale Weihnachtsfeste zu feiern und an meinem Geburtstag eine Karte von ihnen zu erhalten. Ich sehnte mich nach der Liebe meines Vaters und ich sehnte mich nach der Liebe Charles.

Plötzlich legte Francis seine Arme um mich, zog mich an seinen Körper und drückte mich fest an sich.

Ich brauchte einige Augenblicke um verarbeiten zu können was gerade geschah, ehe ich zögerlich meine Arme um den Mittsechziger legte und mich an ihn drückte.

Als wir uns wieder lösten, klopfte Francis auf meine Schulter und lächelte mich aufmunternd an. "Es hat gewirkt als würden Sie das brauchen."

"Danke.", antworte ich diesmal ehrlich und erwiderte das Lächeln.

Wir nahmen beide uns ursprünglich Sitzhaltung ein und abermals kam Stille über uns.

"An der nächsten Haltestelle ist eine nette Bar. Ich lade Sie auf einen Drink ein." Ohne auf eine Antwort zu warten, erhob sich Francis und trat an die Tür.
Als die Bahn zum Stehen kam, sah er noch einmal abwartend zu mir und - keine Ahnung, was mich in diesem Moment ritt - ich stand auf und folgte ihm. Folgte dem Mann, der meine langjährige Beziehung kaputt gemacht hatte. Dem Mann, der mir Tag für Tag die Arbeit zur Hölle machte.

Die Bar, die wir betraten, war klein. Gerade mal fünf Tische konnte ich zählen um die jeweils vier Stühle standen, die wiederum alle besetzt waren.

Francis steuerte direkt auf die Bar zu und setzte sich auf einen der ledernen Barhocker, ehe er sofort den Barkeeper zu sich rief.

Als ich neben ihm auf den Hocker rutschte, stellte der Barkeeper bereits zwei Gläser Whisky vor uns ab und Francis hielt mir eines entgegen.
Zögerlich stieß ich mit ihm an und brummte zufrieden auf als das kühle Gift meine Kehle hinunter ran.
In letzter Zeit trank ich eindeutig viel zu viel Alkohol.

"Warum musste John eine Frau heiraten?" Ich wusste nicht woher ich den Mut nahm, die Frage zu stellen, die mir seit der Hochzeit der beiden auf der Zunge lag.
Ich konnte es nicht nachvollziehen.
Warum musste John heiraten um Geschäftsführer zu werden und warum durfte Charles durch die Gegend huren ohne Konsequenzen und ohne seinen Job damit zu gefährden? Warum musste Charles niemanden heiraten?

Ich starrte auf das Glas in meinen Händen und sah im Augenwinkel das Francis das selbe tat.

Er antwortete mit einem Wort. "Enkelkinder."

"Enkelkinder?" "Enkelkinder.", bestätigte er mir und nahm einen großen Schluck von der goldbraunen Flüssigkeit.

Ich schnaubte. Nur, weil er Enkelkinder wollte, hatte er die langjährige Beziehung seines Sohnes kaputt gemacht und ihn gezwungen eine Frau zu heiraten, die er nicht liebte?

"Sie haben noch einen Sohn, Francis.", kam es überraschend ruhig über meine Lippen, obwohl mein Innerstes am toben war.

Wie konnte er so egoistisch sein und das Glück seines Sohnes sabotieren, nur um Enkelkinder zu bekommen? Vor allem, weil er verdammt nochmal noch einen Sohn hat, der ihm Enkelkinder schenken konnte.
Außerdem hatten John und ich sowieso Kinder geplant. Er wäre also so oder so nicht leer ausgegangen!

Diesmal war es an Francis zu seufzen. "Charles ist unfruchtbar."

Das ließ mich überrascht den Kopf heben.

War das der Grund warum Charles nie das Ansehen seines Vaters bekommen hatte für das er so hart arbeitete? War John deswegen immer Francis Lieblingssohn gewesen?

Francis seufzte erneut und kratzte sich am Kinn. "Ich würde mir trotzdem wünschen, dass er endlich wieder eine Frau finden würde, die er auch heiratet und nicht nach einer schnellen Nummer wieder vergisst." Er trank einen Schluck. "Charles war schon einmal verheiratet. Damals waren beide noch sehr jung - zu jung für meinen Geschmack - und als es mit dem Kind einfach nicht funktionieren wollte und sich beide testen ließen, kam heraus, dass Charles keine Kinder zeugen kann. Er konnte das nicht verkraften, hat sich scheiden lassen und dann mit diesen One-Night-Stands angefangen. Anfangs dachte ich es ist nur eine Phase, aber die hält mittlerweile zu lange an als das man es noch Phase nennen konnte."

Stumm betrachtete ich Francis.
Wieso erzählte er mir das? Eigentlich ging mich Charles Vergangenheit nichts an, aber es war dennoch interessant zu hören. Es unterstrich meine Vermutung, dass ich nur ein Experiment war.

Nach all den Jahren bedeutungslosem Sex mit wildfremden Frauen, wollte er sich mal an etwas anderem probieren.

Schmerzvoll wand ich meinen Blick ab.

"Ich weiß, dass es egoistisch war, aber ich würde es jederzeit wieder tun."

Es herrschte lange Schweigen zwischen uns und Francis bestellte derweil zwei weitere Drinks, ehe ich erschöpft wieder das Wort ergriff.

"Mein Vater hat mich geschlagen."

Francis Blick schoss schockiert zu mir, während ich meinen Fokus auf meinem halb vollen Glas behielt.

Ich wusste nicht, warum ich es gesagt hatte - immerhin wusste davon niemand außer John -, aber es tat dennoch gut es laut auszusprechen.
"Ich bin der Jüngste von drei Kindern und war eigentlich nicht geplant. Unser Verhältnis war von Anfang an nicht sonderlich gut, aber je älter ich wurde desto mehr haben wir uns trotzdem irgendwie verstanden. Naja, bis ich mich geoutet habe."

"Ihr Vater hat Sie geschlagen, weil Sie schwul sind?!" Francis war der Unglauben direkt ins Gesicht geschrieben.

"Ich sagte doch, dass genau das das Problem ist."
Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, schüttelte Francis energisch den Kopf, packte meine Schulter und drehte mich ihm zu. "Ihre Sexualität ist kein Problem, Zachary. Das einzige Problem, das ich hierbei sehe, ist ein Vater, der sein Kind nicht akzeptiert und wegen etwas schlägt, wofür es nichts kann." Francis schüttelte abermals den Kopf. "Ihr Vater ist das Problem! Nicht Sie, nicht Ihre Sexualität."

Ich starrte stumm in seine grauen Augen, die er seinen Söhnen vererbt hatte, und wusste nicht was ich antworten sollte.
Es war beinahe lachhaft, wie oft Francis betonte, dass meine Sexualität kein Problem war und dennoch seinen eigenen Sohn nicht akzeptiert und ihn gezwungen hatte eine Frau zu heiraten.

Schlussendlich entschied ich mich dazu nichts zu sagen und konzentrierte mich wieder auf mein Glas.

Gott sei Dank hatte ich meine Schulden bei meinem Vater zurückgezahlt und bot ihm somit keine Angriffsmöglichkeit mehr. Er konnte jetzt endlich so leben, wie er es sich immer gewünscht hatte: ohne seinem schwulen Sohn.

"Niemand weiß davon. Also würde ich Sie bitten es auch niemandem zu erzählen."

"Selbstverständlich."

Francis toastete mir zu und mit einem schmalen Lächeln nahm ich einen tiefen Schluck vom Alkohol.

Wieder saßen wir eine zeitlang still nebeneinander und lauschten der Rockmusik, die in angenehmer Lautstärke den Raum beschallte und den Stimmen der anderen Gäste.

"Wissen Sie, Francis. John und ich hatten bereits eine Leihmutter ausgesucht. Er wollte nur noch warten bis ihm die Stelle als Geschäftsführer sicher war."
Mit einem letzten Schluck stellte ich das leere Glas auf der Theke ab, rutschte vom Hocker und zog meine Jacke über.

"Sie hätten Ihre Enkelkinder bekommen, Francis."
Damit drehte ich mich, ohne auf seine Reaktion zu achten oder ihn noch einmal anzusehen, weg und verließ die Bar.

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