21. eine Ära geht zu Ende

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e i n u n d z w a n z i g

Das unbequeme Polster bohrt sich in meinen Rücken und ließ mich ruhelos hin und her wälzen.
Ich konnte nicht nachvollziehen, wie ich monatelang auf dieser Couch schlafen konnte und trotzdem am nächsten Morgen ausgeschlafen früh morgens top fit auf dem Bau gestanden hatte um dort körperliche Arbeit zu verrichten.
Im Nachhinein hört sich das an wie ein Ding der Unmöglichkeit.

Vielleicht lag meine Schlaflosigkeit auch einfach an Charles, der seit ich mich zur Ruhe gelegt hatte, ununterbrochen durch meinen Kopf fegte, und meine Gedanken auf Höchstleistungen behielt.

Nachdem die Besuchszeit im Krankenhaus abgelaufen war und Moritz und ich gebeten wurden zu gehen, haben wir uns noch Take Away zum Abendessen geholt, welches wir auf eben dieser Couch verspeist hatten. Nach einer entspannenden Dusche hat Moritz mir noch das fertige Kinderzimmer gezeigt, ehe wir entschieden hatten ins Bett zu gehen damit wir gleich morgens wieder zu Tina und Casimir fahren konnten.

Doch kaum war das Licht ausgeschaltet, kaum hatte ich mich auf dem Sofa niedergelegt, kaum hatte ich die Decke über meinen Körper gezogen, vereinnahmte Charles meine kompletten Gedanken und trieb mich abermals verdammt nah an die Tränen.

Wieso hatte dieser Mann eine derartige Wirkung auf mich und warum konnte ich dem nichts entgegen wirken? Warum musste ich ihm so sehr verfallen und warum musste ich mich meinen niedrigen Trieben hingeben und mich auf ihn einlassen, obwohl mir von Anfang an hätte klar sein müssen, dass das ein Schuss ins Leere war.

Seufzend drehte ich mich erneut auf die andere Seite und presste mein Gesicht in das Kopfkissen um ja meine Tränen nicht überlaufen zu lassen. Ich wollte nicht schon wieder wegen ihm weinen. Ich wollte ihn einfach vergessen und mein Leben wieder so führen wie am Anfang als ich neu in die Firma gekommen war. Ohne Liebesdrama und ohne Herzschmerz.

"Zach, alles ok?" Moritz verschlafene Stimme ließ mich erschrocken zusammenzucken, denn durch meine Anstrengung nicht zu weinen, hatte ich ihn gar nicht herantreten hören.
Ein heißeres 'Ja' kam über meine trockenen Lippen und augenblicklich vergrub ich mein Gesicht tiefer in dem Polster.

"Das hört sich nicht so an." Ich spürte wie er die Decke hob und sich umständlich neben mich legte. Dabei berührte seine nackte Brust meinen ebenfalls nackten Oberkörper und mit einem leisen Seufzen legt er seine Arme um mich um sich erstens vor dem Fallen zu schützen - die Couch war gerade mal so breit, dass wir mehr oder weniger nebeneinanderliegen konnten, wenn wir uns aneinander kuschelten - und mich zweitens zu trösten.

"Sprich mit mir, Zach. Was ist los?" Sein warmer Atem strich über meine Haut und ließ mich augenblicklich entspannen.

Wir hatten schon immer eine beeindruckende Bindung zueinander und für Außenstehende konnte man uns glatt für ein schwules Paar halten, aber Moritz ist straighter als ein Stock und auch wenn ich schwul war, war er einfach nicht mein Typ.
Zwischen uns war nie mehr als tiefe Freundschaft und vielleicht mag diese innige Umarmung, das Kuscheln auf der Couch, die nackten Oberkörper, ein anderes Bild vermitteln, aber Moritz war wie ein Bruder für mich und niemals würde ich romantische Gefühle für ihn entwickeln.
Er könnte nackt vor mir Samba tanzen und ich würde mich vor Lachen auf dem Boden kugeln, ehe ich ihn wegen seines zugegebenermaßen guten Körperbaus anschmachten würde.
Bei Charles würde das schon wieder ganz anders aussehen.

Ich seufzte.
"Ich bin verliebt.", antwortete ich ehrlich.

Viel zu lange hatte ich das alles in mich reingefressen und auch, wenn ich einmal dieses Gespräch mit Trisha hatte, brauchte ich jemandem mit dem ich über alles reden, dem ich die Details reindrücken und dem gegenüber ich auch Namen nennen konnte.
Moritz war derjenige und ich ärgerte mich darüber ihn nicht früher in Kenntnis gesetzt zu haben, denn ich war mir sicher, dass seine Meinung mir durchaus weiterhelfen konnte.
Und so platzte die gesamte Geschichte aus mir heraus.

Ungehalten erzählte ich jedes Detail, von Anfang bis Ende. Vom ersten Sex, vom zweiten Sex, von Maxi, von Troy, von dem Blumenstrauß, dem Streit am Telefon, dem Treffen bei Freds Frittenbuden zu dem ich gegangen war, obwohl ich wusste, dass er nicht kommen würde.
Moritz hörte mir zu und unterbrach mich kein einziges Mal.

"Willst du meine Meinung dazu hören?", fragte Moritz einige Minuten nachdem ich meinen Monolog beendet hatte. "Ja."

"Ich denke, dass er mehr in dir sieht als nur ein Experiment oder ne schnelle Nummer. Ich glaube, dass er eifersüchtig auf die anderen Männer ist, die vielleicht in dein Leben treten und die dich ihm wegnehmen könnten und dass er einfach nur zu feige ist dir das zu sagen und stattdessen mit diesem Versprechen um die Ecke gekommen ist. Das du bei diesem Troy warst, hat ihn verunsichert und deswegen ist er so aufgegangen. Ich meine, vorher hat er dich zum Essen eingeladen, also geht es ihm offensichtlich um mehr als nur Sex. Keiner lädt sein Spielzeug zum Essen ein. Ich glaube wirklich, dass er dich mag und es ihm gefällt mit dir zusammen zu sein und intim zu werden, aber es ihm gleichzeitig Angst macht. Sonst würde er es wohl einfach ansprechen anstatt morgens zu verschwinden. Ich bin mir fast sicher, dass er nicht abgehauen ist, weil es für ihn nicht mehr als Sex war, sondern, weil er einfach nicht mit der Situation umzugehen weiß. Du bist wie wir wissen der erste Mann, den er anziehend findet, und nach seinen zahlreichen One-Night-Stands mit fremden Frauen, ist das wahrscheinlich ein harten Brocken für ihn mit dem er erst einmal klarkommen muss. Er bemüht sich ja. Er hat dir Blumen geschickt, dich zum Essen eingeladen, wollte den Abend mit dir verbringen. Er ist einfach nur überfordert und offenbar stark eifersüchtig. Ich an deiner Stelle würde auf ihn zugehen und ein offenes Gespräch suchen."

Moritz Worte hallten lange in meinem Kopf nach und erst einige Minuten später konnte ich ihm antworten.
"Meinst du?", kam es zögerlich aus meinem Mund.

"Ja. Hol dir deinen Mann, Zachary. Und lass dir von Francis nicht auf der Nase herumtanzen. Charles ist nicht John und ich bin mir sicher, dass er nicht den gleichen Fehler macht wie sein Bruder."
Seine Worte beruhigten mich und ließen das Gedankenchaos in meinem Kopf langsam absterben und mich endlich in den wohlverdienten Schlaf gleiten.


Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Tina und Casimir wurden nach drei Tagen bereits aus dem Krankenhaus entlassen und bis dahin hatten Moritz und ich jeden Tag von früh bis spät die Besucherzeiten bis ins Maximum ausgereizt und Zeit mit der frischgebackenen Mama und ihrem Sohn verbracht.

Das Familienglück der Drei war wirklich schön anzusehen und als sie Casimir endlich nach Hause bringen konnte, weinte Tina die ganze Autofahrt über und selbst Moritz standen die Tränen in den Augen als er seinen Sohn in dessen Kinderzimmer in seinem Kinderbett liegen sah.

Ich genoss jede Sekunde, die ich hier verbringen konnte und je öfter ich Klein Casimir auf dem Arm hatte, desto geringer wurde meine Angst ihn zu verletzten oder fallen zu lassen.

Ich fand wirklich gefallen daran das kleine Menschlein in den Schlaf zu wiegen und ihn zu beobachten, wie er sich in meinen Armen so sicher fühlte, dass er ohne zu schreien, bei mir blieb.
Denn Schreien konnte der kleine Kerl wirklich gut, vor allem nachts, und ich konnte jetzt aus Erfahrung sagen, dass so ein Baby einen ganz schön auf Trab hielt und das obwohl wir momentan sogar zu dritt waren.

So schön die Familienharmonie auch war, ich musste leider irgendwann wieder zurück in die Firma.
Nach einem langem Gespräch mit Karla in dem ich ihr meine Situation erklärt und mein plötzliches Verschwinden gerechtfertigt hatte und einem Telefonat mit Sam, der netterweise in meiner Abwesenheit ein Auge auf meine Arbeit hielt, damit nichts Wichtiges zu lange unbeachtet herumlag, konnte ich noch einige wenige Tage herauskitzeln, aber dennoch nahm mein Aufenthalt langsam ein Ende.

Am letzten Tag begleitet ich die kleine Familie zum Fotografen um Neugeborenen-Fotos von Casimir machen zu lassen.
Nachdem hauptsächlich Casimir fotografiert wurde, aber auch die kleine Familie gemeinsam und auch Einzelfotos mit Mama und Papa mit dem Baby gemacht wurden, wurde plötzlich ich mit Casimir auf dem Arm vor die Kamera geschoben.
"Du bist sein Patenonkel und sein Namensgeber. Natürlich brauchen wir da auch ein Foto von dir." Hatte Tina auf meinen Protest hin gekontert und als ich das Endergebnis sah, war ich tatsächlich froh, dass sie mich dazu gezwungen hatte.
Es würde einige Tage dauern bis die Fotos fertig bearbeitet waren und dann würde die Fotografin Moritz und Tina einen USB-Stick mit den Fotos zukommen lassen.

Der Abschied von den Drei fiel mir schwer.
Vor allem, weil ich nicht wusste, wann wir uns wiedersehen würden, aber Tina versprachen mir mich endlich zu besuchen, sobald sie sich richtig im Familienleben mit einem Neugeborenen eingelebt hatten.

Nach tränenreichen Worten und vielen Küsschen für Casimir, verließ ich New Jersey und fuhr schweren Herzens zurück nach New York City.

Es war schon spät als ich meinen Wagen in die Tiefgarage der Firma lenkte, aber ich wollte noch nicht zurück in meine leere Wohnung, wo niemand auf mich wartete, und im Gegensatz zu zuhause wartete in der Firma jede Menge auf mich.
Jede Menge Arbeit.

Die Fahrt im Aufzug war anstrengend, obwohl ich nichts machen musste, außer zu warten und der Weg in mein Büro fühlte sich unangenehm stressig an.
Ich wollte gar nicht wissen, was alles auf mich wartete, aber aufschieben würde mir nur noch mehr Arbeit bringen, weshalb ich meinen inneren Schweinehund überwand und auf den Startknopf meines PCs drückte.

"Schön Sie wiederzusehen, Zachary." Francis, der nach einem leichten Klopfen an meiner sowieso offenen Bürotür, eintrat, hatte ein seichtes Lächeln auf den Lippen. "Klara hat erzählt, dass Sie Onkel geworden sind."
Offenbar hat Klara Patenonkel nicht richtig verstanden, aber ich hatte auch nicht den Nerv dazu Francis aufzuklären, deswegen nickte ich einfach nur.

"Herzlichen Glückwunsch.", strahlte Francis, knöpfte sein Jackett auf und setzte sich ungefragt auf mein Sofa.

"Danke.", antwortete ich wortkarg und ließ meinen Blick über meinen Schreibtisch wandern um einen Überblick zu bekommen und entscheiden zu können, womit ich anfangen würde.

"Ich möchte mit Ihnen reden, Zachary." Seine Stimme klang ernst, aber zu meiner Überraschung war es nicht das gewohnte Unternehmer ernst, sondern das väterliche ernst, dass er mir bereits damals in der Bar gezeigt hatte als wir über meinen Vater geredet hatten. "Über Jonathan."

Der Name seines verstorbenen Sohnes ließ mich perplex aufblicken.
"Es wurde schon alles gesagt.", antwortete ich neutral und versuchte mein rasendes Herz auszublenden und mich stattdessen wieder auf meine Arbeit zu konzentrieren.

"Nein, Zachary. Ich habe Fragen."
Ich schüttelte genervt den Kopf. "Welche Fragen sollten Sie bitte haben?! John ist Geschichte. Ich verstehe nicht, was es bringt in der Vergangenheit herumzuwühlen." Viel zu aufgebracht kamen die Worte über meine Lippen, aber John war weiterhin ein sensibles Thema für mich, vor allem, wenn es der Mann ansprach, der alles kaputt gemacht hat.

Ich funkelte Francis an, der offenbar unbehaglich den Blick senkte und seine Krawatte lockerte.
"Wie lange wart ihr in einer Beziehung? Immerhin habt ihr bereits über Kinder gesprochen."
Diese Frage überraschte mich. Wieso stellte Francis gerade diese Frage und wieso wusste er das nicht?

"Zehn Jahre.", antwortete ich wahrheitsgemäß und betrachtete seine Reaktion.

Der Kopf des Mittsechziger schoss ruckartig nach oben und mit vor Schock geweiteten Augen starrte er mir ungläubig entgegen. "Zehn Jahre?!", keuchte er erschrocken und seine Hand krallte sich in den Stoff seiner Anzughose.

Ich zuckte mit den Schultern. "Ja. Wussten Sie das nicht?"
"Nein! Das wusste ich nicht." Schlagartig sprang Francis auf die Beine und begann haltlos durch den Raum zu tigern. "Wie? Was?", fragte er zusammenhanglos.
Seine unvorhergesehene Reaktion und erweckt ein böses Gefühl in mir und unweigerlich zogen sich meine Augenbrauen zusammen.

"Wir haben uns im ersten Jahr auf dem College kennengelernt... und sind an seinem einundzwanzigsten Geburtstag zusammen gekommen."

Francis beinahe panischer Blick flog zu mir und in seinen Augen waren so viele Emotionen zu sehen, aber das Offensichtlichste war Reue.
"Ich–ich... Das wusste ich nicht."

Noch nie hatte ich den Mittsechziger so sehr aus der Fassung gesehen, dass er nicht einmal mehr richtige Sätze über die Lippen bringen konnte.
Aber sein Geständnis brachte auch mich aus der Fassung, denn wieso wusste er das nicht? Was dachte er, wer ich für John war?
Ich wollte meinen Mund öffnen und nachfragen, aber eine unsichtbare Kraft ließ mich meine Lippen wieder schließen und den Blick abwenden.

Wollte ich es überhaupt wissen?

"Sie–ich–John hat nie gesagt, dass ihr schon so lange zusammen wart." Er zog zischend die Luft ein, drehte sich haareraufend weg und die altbekannte Stirnader begann wieder zu pulsieren, diesmal jedoch - dem war ich mir sicher - nicht aus Wut.

"Wissen Sie noch als ich euch im Bett erwischt habe?"
Sein durchdringender Blick fiel wieder auf mich und unweigerlich musste ich ironisch auflachen.
Ja, daran erinnerte ich mich genauestens.

Das war unsere erste Begegnung und der Startschuss dafür, das zwischen John und mir wirklich alles den Bach runterging. Ein Jahr später veröffentlichte mir die Liebe meines Lebens, dass er eine Frau heiraten würde und deswegen die Beziehung beendete.

"Ja, das weiß ich noch.", zischte ich aufgewühlt.
Dieses Gespräch tat mir nicht gut. Es brachte die alten Gefühle allesamt wieder auf und die Erkenntnis, dass John seinem Vater gegenüber nie wirklich ehrlich war, zerfraß mich von Innen heraus.

"Jonathan hat gesagt, dass das eine einmalige Sache war. Spaß, ein Experiment. Er wollte sich ausprobieren. Er hat mir geschworen, dass da nicht mehr ist, dass es nur um Sex ging und als ich dich danach immer öfter mit ihm gesehen habe, hat er mir erzählt, dass du dich in ihn verliebt hast und ihm an der Backe klebst und er dich nicht losbekommt, dass er aber daran arbeitet, weil er erkannt hat, dass er nicht schwul ist. Verdammt, Zachary! Ich wusste das nicht! Ich habe ihm geglaubt. Natürlich habe ich das, warum sollte ich es auch nicht. Er war mein Sohn! Warum hat er mich belogen? Warum hat er mir nicht gesagt, dass ihr seit ZEHN JAHREN zusammen seid?! Dachte er ich verstehe es nicht? Natürlich war ich sauer als ich euch erwischt habe, aber er hätte doch nur seinen Mund aufmachen müssen und mir die Situation erklären. Ich hätte wohl kaum zu ihm gesagt, ACH DU LIEBST DIESEN MANN, DAS IST MIR EGAL ICH VERHEIRATE DICH TROTZDEM. Verdammt. Ja, ich habe zu ihm gesagt, dass er sie heiraten muss damit er die Stelle als Geschäftsführer bekommt, weil ich wollte das er in trockenen Tüchern ist und sich voll und ganz auf seine Arbeit konzentrieren kann und ja, ich wollte Enkelkinder und vielleicht hat das in meine Entscheidung mit reingespielt, aber wenn ich gewusst hätte, dass da mehr zwischen euch ist als nur Sex und einseitige Gefühle, dann hätte ich das nicht gemacht. Ich bin kein Vater, der seine Kinder zu irgendetwas zwingt! Das war Johns freie Entscheidung. Ich habe ihn nur etwas in die richtige Richtung gestupst, aber auch nur, weil ich nichts davon wusste! Zachary, das musst du mir glauben!"

Ich nahm kaum wahr, was er gerade lautstark in den Raum brüllte.
Mein Kopf war gleich zu Beginn hängen geblieben.

John hat gesagt, dass es nur um Sex ging.
War das wirklich das was er über unsere Beziehung gedacht hatte? Nur Sex? War alles was er jemals zu mir gesagt hat, jede Liebesbekundung, jede Zärtlichkeit, nur eine Lüge, eine Fassade um den Sex aufrechtzuerhalten? War ich wirklich zehn Jahre lang darauf reingefallen und ihm tatsächlich treudoof hinterhergedackelt? War ich wirklich so blind?
So blind und so blöd, dass ich gleich wieder auf einen Johnson reinfalle und wieder davon ausgehe, dass es dabei um mehr als nur Sex gehen könnte.
Es ging schon immer nur um Sex.

Ich atmete zitternd ein, versuchte Francis Gesagtes zu verarbeiten, versuchte den Tränen zu widerstehen, versuchte mein rasendes Herz zu beruhigen.

"Zachary, es tut mir so leid! Ich kann nicht in Worte fassen wie sehr es mir leid tut." Francis war an mich herangetreten und wollte nach meiner Hand greifen, die ich ihm rechtzeitig entzog und daraufhin keuchend zurücktaumelte.
Mein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, mein Herz rannte einen Marathon, mein Schweißdrüsen entließen alles was sie hatten. "Nein, Sie brauchen sich nicht entschuldigen. Ich muss Ihnen dankbar sein, dass Sie Johns Scharadespiel aufgedeckt haben. Wer weiß, wie lange ich sonst noch in einer Lüge gelebt hätte." Meine Stimme war kalt, zerschnitt die Luft und prallte hart gegen Francis, der mehrmals blinzeln musste. "Bitte gehen Sie jetzt, Francis."

Er wollte etwas sagen, doch ich unterbrach ihn sofort und forderte ihn abermals auf endlich zu gehen. Ich wollte alleine sein um über seine Worte nachdenken zu können, ohne, dass mir seine grauen Augen, die mich momentan so sehr an Johns erinnerten, aus der Bahn warfen.

Francis musterte mich noch einmal eindringlich, ehe er nickte und zögerlich mein Büro verließ.

Kaum hatte er die Tür geschlossen, ließ ich der angestauten Wut Freilauf und ungezügelt fuhren meine Arme über den Schreibtisch und räumten sämtliche Gegenstände und Unterlagen, die sich darauf befanden, von der Platte.

Mit lauten Klirren traf mein metallisches Namenschild auf den Boden und wurde sofort von fallenden Dokumenten überdeckt.
Blind vor Wut begann ich jeden Gegenstand, den ich in die Hände bekam, durch den Raum zu werfen und mit jedem Wurf wollte ich das dumpfe Geräusch, das beim Aufprall ertönte, mit dem nächsten Gegenstand übertrumpfen.

Die Tränen, die in Sturzbächen über meine Wangen rannten, nahm ich nicht wahr, erst als meine Sicht sich immer mehr trübte und ich das Gefühl hatte in Watte zu stecken, ließ die Wut langsam nach und eine gähnende Leere ließ mich kraftlos auf die Knie sinken.

Zehn Jahre lang habe ich eine Lüge gelebt.

Die Erkenntnis traf mich immer härter und von schweren Schluchzern gepackt, sackte ich zusammen, drückte meine Stirn auf den kalten, von Papier übersäten Boden und gab mich meinen Emotionen und dem über mir zusammenbrechenden Kartenhaus hin.

Ich weiß nicht, wie lange ich auf dem Boden gekauert hatte. Als ich aufstand, knacksten meine Gelenke schmerzhaft und meine Knie fühlten sich an wie Wackelpudding.
Taumelnd hielt ich mich an meinem Schreibtisch fest und betrachtete seufzend das Chaos, das hier herrschte. Mein Blick fiel auf meinen Computer, der mir so viele ungelesene Nachrichten anzeigte, dass nicht einmal mehr eine konkrete Zahl dabei stand.

Langsam ließ ich mich auf meinem Schreibtischstuhl nieder und mit zitternden Fingern und Angstschweiß auf der Stirn, begann ich die Zeilen zu tippen, welche ich danach teilnahmslos anstarrte.

John war mir gegenüber nie ehrlich. Warum also sollte ich seinen letzten Wunsch nachkommen? Warum sollte ich mich hier zum Affen und nieder machen lassen, wenn ich keinen Grund dafür hatte?
Abermals und wieder und wieder las ich über die Zeilen und nickte mir selber bestätigend zu, ehe ich auf Drucken drückte.

Damit war dieses Kapitel abgeschlossen.

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