Aufgefangen

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Von oben ertönten Schreie voller Schrecken und Wut. Dass ich selbst über mein Schicksal entschieden hatte, passte meinen Häschern ganz und gar nicht.

„Verdammte Hexe! Stürzt die sich einfach selbst hinab!"

„Die fällt doch zu Tode!"

„Ja, klar, die will doch bloß ihrer Strafe entkommen! So ein schneller Tod ist aber zu gut für so eine!"

„Die ist ne Hexe! Vielleicht kann sie ja fliegen?"

Schön wärs, dachte ich, während ich rasend schnell abwärts fiel und mich auf den Aufprall vorbereitete. Nur noch wenige Sekunden, dann würde alles vorbei sein. Ich drehte den Kopf zum Meer, um mit dem prachtvollen Anblick der am Horizont versinkenden, sich im Wasser spiegelnden Sonne zu sterben.

In diesem Augenblick verlangsamte sich mein Fall. Erst wenig, dann stärker, als würde mich jemand sachte auffangen. Aber unter mir war nichts. Nur Luft, die unter meinem Körper etwas fester zu sein schien als anderswo.

Ich schwebte keineswegs in der Luft, sondern sank immer tiefer. Aber das nun in einem Tempo, welches auf ein Überleben hoffen ließ. Und mir Zeit gab, in Gedanken all die gelesenen Schriften über Naturphänomene durchzugehen. Keines davon ähnelte dem, was mir gerade widerfuhr.

Während die zornigen Rufe über mir immer mehr verklangen, näherte ich mich dem Erdboden und setzte endlich auf dem Strand auf.

Es war nur ein leichter Ruck, im Gegensatz zu dem harten Schlag, den ich eigentlich erwartet hatte. Bequem war es trotzdem nicht, ich lag nun halb auf Steinen, halb auf piksendem Gestrüpp und etwas Hartes, welches sich später als ein von der Sonne ausgetrockneter Seestern entpuppte, bohrte sich in mein linkes Bein.

Ich blieb fürs Erste liegen. Nicht nur, weil mir vom gebremsten Sturz noch schwindlig war, sondern auch, weil die Hexenjäger mich sicherlich von oben beobachteten. Dass sie Zeuge wurden, wie ich mich unmittelbar nach dem tiefen Fall aufrichtete und davonging, war das Letzte, was ich brauchen konnte. Ich musste sie davon überzeugen, dass ich tot war und darauf hoffen, dass sie nicht auf die Idee kamen, auch noch meine Leiche in die Stadt zu schleppen und dort zu foltern.

Von oben konnten sie sicher nicht erkennen, ob meine Augen geschlossen waren. Ich wagte es nach einer Weile, die Augen zu öffnen und schloss sie sofort wieder, als ich des Kopfes ansichtig wurde, der über den Rand des Abgrunds spähte. Die Häscher misstrauten mir tatsächlich. Vermutlich gingen sie davon aus, dass ich als Hexe die Fähigkeit zur Wiederauferstehung besäße und wollten das nicht verpassen.

Ich blieb also brav liegen, spürte die Kälte der feuchten Abendluft in alle meine Glieder kriechen und lauschte auf die Geräusche um mich herum. Nach einer Weile konnte ich nicht mehr unterscheiden, ob das leise Gemurmel Stimmen von oben waren oder die Bewegung der nahen Wellen. Ansonsten nahm ich das leise Säuseln des Windes wahr und einen kühlen Lufthauch, der mich noch mehr zittern ließ. Vogelrufe, Flügelschlagen oder das leise Klackern von Krebsen, all die Laute, die ich eigentlich erwartet hatte, fehlten gänzlich.

Mittlerweile wusste ich nicht mehr, ob ich wach war, schon schlief oder doch allmählich in die Dunkelheit und die Stille des Todes absackte. Jedes Mal, wenn ich die Augen öffnete, war es wieder ein Stück dunkler, aber noch immer konnte ich den Kopf weit oben erkennen. Erst als die Sonne gänzlich untergegangen war und die Linien von Horizont und Klippen immer mehr verschwammen, glaubte ich mich sicher vor Beobachtern.

Ich versuchte mich aufzusetzen, musste aber zu meinem Schrecken feststellen, dass ich mich nicht bewegen konnte. Es war nicht so, dass meine Glieder mir den Dienst versagten, sondern auf mir schien ein Gewicht zu liegen. Es belastete mich nicht, solange ich liegenblieb, bot mir aber unerbittlichen Widerstand, sobald ich mich auch nur ein Weniges rühren wollte.

Irgendwann gab ich es auf und überließ mich der völligen Reglosigkeit, die in krassem Gegensatz zu den bunten Wirbeln stand, die vor meinen geschlossenen Augen kreisten. Ich ging davon aus, dass ich trotz meiner wundersamen Rettung im Sterben lag. Tatsächlich konnte ich mir den sachten Fall auch nur eingebildet haben, um meinen Geist vor dem Schrecken des schweren Sturzes zu schützen.

Irgendwann in der Nacht jedoch schwand das Gewicht von mir. Stattdessen drückte etwas von unten gegen meine Schultern, als wolle es mich zum Aufstehen ermuntern. Eine Weile zögerte ich, dann gab ich dem sanftem Druck nach.

Sofort schoss das Blut wieder mit schmerzhafter Wucht durch meine Adern. Es gelang mir zwar, mich aufzurichten, aber dann war ich erst einmal beschäftigt, meine Extremitäten zu sortieren und mir Arme und Beine zu massieren. Wie durcheinander mein Körpergefühl war, erwies sich schon dadurch, dass ich den Eindruck hatte, mehr Hände auf meiner Haut zu spüren als ich hatte. Als würde ein unsichtbares Wesen mir helfen, das Empfinden in meinen Körper zurück zu kneten.

Schließlich wagte ich es, aufzustehen und einige Schritte zu gehen. Inzwischen war der Mond aufgegangen und auch wenn er nicht allzu hell war, reichte es aus, um den Boden unter mir, den piekenden Seestern und die Steine zu erkennen.

Ich packte mein Bündel und wandte mich in Richtung des Fischerdorfes, in der Hoffnung, dort Hilfe zu finden. Augenblicklich erstand vor mir eine Wand. Ich klopfte verärgert dagegen, tastete an ihr hoch und lief sie an beiden Seiten ab. Das Resultat all dessen war, dass ich nicht in der Lage war, diese unsichtbare Mauer zu umgehen oder zu überwinden.

Seufzend wandte ich mich also ab und ging in die andere Richtung. Das wurde mir auch erlaubt und schon bald erkannte ich, warum. Aus der Dunkelheit tauchte eine kleine Hütte auf, die zwar verlassen, aber noch recht intakt aussah, soweit ich es erkennen konnte.

Ich ging auf die Tür zu und klopfte, bekam aber keine Antwort. Stattdessen schwang die Tür auf und jemand schubste mich von hinten in die Hütte hinein. Sofort drehte ich mich um, aber wieder war niemand hinter mir.

An Geister hatte ich eigentlich nie geglaubt, aber Geister sollten auch nicht festkörperlich sein. Unsichtbare Wesen waren mir ebenfalls unbekannt. Aber alles, was mir in den letzten Stunden widerfahren war, konnte ich nicht mehr mit irgendwelchen Naturphänomenen abtun. Entweder hatte ich den Verstand verloren oder hier war tatsächlich ein unsichtbares Wesen um mich herum.

„Ist das deine Hütte?", fragte ich.

Es kam keine Antwort.

„Ich bin übrigens Kendra", stellte ich mich vor. Irgendwann hatte man mir schließlich einmal Manieren beigebracht.

Wieder keine wie auch immer geartete Reaktion.

Ich versuchte es ein letztes Mal. „Darf ich hier bleiben?"

Daraufhin wurde ich weiter in die Hütte geschubst. Hinter mir wurde die Tür von einem heftigen Windstoß zugeworfen, während mich die Stupser durch eine innere Tür und dicht vor ein Bett führten. Das konnte ich gut erkennen, denn in diesem Zimmer brannte eine kleine Öllampe.

„Ich nehme das als ein Ja", erklärte ich. Ich war zu Tode erschöpft, hatte keinen Kopf mehr für Rätsel und das Bett sah warm und weich aus. Zudem war es leer und ich hegte die Hoffnung, dass es auch das auch bleiben würde, wenn ich darin lag.

Ich zog mir die nassen Sachen aus, versuchte nicht daran zu denken, dass ich möglicherweise beobachtet wurde, blies das Licht aus und kuschelte mich in die warmen Decken. Ich brauchte erst einmal Schlaf. Alles andere würde sich morgen ergeben.

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