Kapitel 5 - Geschöpfe der Nacht

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Tief sog Zane die Luft in seine Lungen und zwang sich, die angespannten Muskeln unter dem schweren Mantel zu lockern.

„Beruhige dich", ermahnte er sich und spähte verstohlen in die Dunkelheit. Er musste vorsichtig vorgehen und durfte sich keine Fehler erlauben. Ein paar Mal öffnete und schloss er die Hände, um das unangenehme Kribbeln zu vertreiben.

Wie ein Fluss, der unweigerlich ins Meer zurückfließt, tauchte Zane anschließend aus der Gasse in eine der belebteren Viertel ein.

Die Sonne war inzwischen vollends hinter dem Horizont versunken und hüllte die Stadt in einen nächtlichen Schleier, der nur von vereinzelt flackernden Lichtern der Straßenlaternen durchbrochen wurde. Mit dem schwindenden Licht erwachte das Nachtleben und spülte nun ganz andere Gestalten an die Oberfläche.

Ohne dass er es verhindern konnte, stieg ihm sofort eine neue Mischung von Gerüchen in die Nase, und Zane verzog das Gesicht zu einer Grimasse des Ekels.

„Abscheulich", schimpfte er leise vor sich hin. Der erdige Geruch von Friedhofserde schwemmte wie eine Flutwelle durch die Straßen und vermischte sich mit den Nuancen von feuchtem Granit und Stein, nassem Hunde-Fell, schwerem Räucherwerk, Totenblumen und viel zu süßem Parfüm.

Eine widerliche Mischung für seine Nase. Die Nacht beschwor all das herauf, was er verabscheute und einst blutig bekämpft hatte.

„Stinkender Abschaum."

Die Arme vor der Brust verschränkt, lehnte er sich an eine Wand neben einer der zahlreichen Seitengassen. Der Caith-Sith neigte den Kopf leicht in Richtung seiner Brust, gerade so weit, dass er unter den Saum seiner Kapuze spähen und das Treiben beobachten konnte.

Die Kinder der Nacht, ob sie nun Vergnügen suchten oder der Dunkelheit huldigten, streiften über das Kopfsteinpflaster auf der Suche nach Zerstreuung. Ein Fae mit bleicher Haut und schwarzen Augen, über und über mit Tätowierungen bedeckt, saß inmitten einer ganzen Gruppe finsterer Gesellen, eine Sidhe in offenherziger Kleidung breitbeinig auf seinem Schoß. Ein bizarrer Anblick, denn die seltsame Mode der Menschen mit ihren Schiebermützen und Westen verschmolz mit dem Stil der Anderswelt. Feine, bunte Seide, vom Morgentau bedeckt und aus Spinnenseide gewoben, traf auf die grobe Wolle der Menschen.

Manch einer mochte das abscheulich finden – aber was blieb ihnen anderes übrig. Schließlich waren die Vaesen hier gestrandet und mussten sich mit den neuen Umständen arrangieren. Was dabei half, war der Rausch: Eine Flasche ging von Mund zu Mund, begleitet von dreckigem Gelächter. Das grüne Glas der Absinthflasche schimmerte im matten Licht einer Laterne, trug in sich aber einen auffallenden, silberfarbenen Glanz. Feenstaub also, huh? Garstiges Zeug. Es machte so schnell abhängig wie Feenessen und konnte einem schnell zum Verhängnis werden. Nicht umsonst trug das Getränk den Beinamen "Die grüne Fee".

Ohne dass Zane es verhindern konnte, entrang sich seiner Kehle ein dunkles Knurren. Dieses ganze Gesocks waren ekelhafte Ausgeburten der Nacht. Werwölfe, Vampire, Hexen, Geister und viele mehr. Diese Kreaturen waren in seinen Augen kaum mehr wert als Menschen, doch in den meisten Vierteln beherrschten sie das nächtliche Paris.

Dort betrieben sie hauptsächlich Etablissements für Vergnügungen aller Art und boten im Dunkeln ihre Dienste oder Künste an – oder jene der unterdrückten Vaesen und Menschlinge. Es gab Casinos, in denen man wirklich um alles spielen konnte, was man sich vorzustellen wagte, von Edelsteinen über Erinnerungen bis hin zum eigenen Leben. Daneben prangten Bars oder Freudenhäuser, in denen für die richtige Bezahlung jede Art von Rauschmitteln zu bekommen war, damit man das Elend des Lebens vergessen konnte. Ein großes Geschäft waren auch die sündigen, intimen Dienstleistungen, die jede noch so perverse Begierde befriedigten.

Zane hasste diese Kreaturen.

Zu viele Male hatte er gegen diese Ungeheuer kämpfen müssen, um auch nur einen Funken Güte für sie zu empfinden und zu oft hatte er das Leid gesehen, welches sie über alles brachten, mit dem sie in Berührung kamen. Umso schlimmer war es, dass er gerade jetzt dieses Netzwerk in der Dunkelheit benötigte, um an die nötigen Informationen zu kommen.

Kleine Schritte, die sich ihm schnell näherten, waren es schließlich, die seine Aufmerksamkeit erregten. Ein winziger Schatten, der ihm kaum bis zur Hüfte reichte, eilte dicht an der Wand entlang direkt auf ihn zu. Wie eine Fahne im Wind flatterte ein zerlumpter Umhang hinter der kleinen Gestalt her.

Ein düsteres Grinsen schlich sich auf Zanes sonst so strenges Gesicht, und die spitzen Eckzähne blitzten gefährlich unter seinen Lippen hervor.

Genau auf diesen kleinen Bastard hatte er gewartet!

Wie ein Pfeil schoss sein Arm zur Seite, als der kleine Schatten versuchte, an ihm vorbeizurennen. Der raue Stoff kitzelte unter seinen Fingerspitzen, bevor sich der Griff verhärtete.

„Uffz!" Das erschrockene Japsen wurde vom Lärm der Straße verschluckt, als Zane die kleine Gestalt ruckartig am Kragen zurückriss und mit ihm im Schatten der Gasse verschwand. Bevor ein weiterer Laut seine Lippen verlassen konnte, schoss seine zweite Hand nach vorn, packte den viel Kleineren und riss ihn zu sich. Dumpf prallte sein Opfer vor ihm gegen die Wand.

Kurze Beine strampelten und kickten in dem verzweifelten Versuch, sich zu wehren nach seinen Ellenbogen, als er den Körper wie eine Puppe in die Luft hob, damit er ihm in die Augen sehen konnte. Eine Kindergestalt starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an, und winzige Füße traten nach ihm, in der vergeblichen Hoffnung, dem eisernen Griff zu entkommen.

„Bitte! Bitte lass mich los!", wimmerte das Wesen und verdrückte mitleidig ein paar Krokodilstränen. „Ich habe nichts getan! Ich suche nur meine Mama!"

Was für ein Anblick – aber Zane ließ sich nicht vom Äußeren in die Irre leiten.

„Versuch nicht, mich zu täuschen!", knurrte es dunkel aus Zanes Kehle, und er zog das Ding ein Stück von der Wand weg, nur um es dann wieder heftig dagegen zu stoßen.

„Du dreckiger Sohn einer räudigen Menschenhure! Lass mich sofort los! Du stinkender Bastard!", fluchte die Bestie nun unflätig. Die Fassade fiel von ihm ab und schien zu bröckeln wie alter Putz: Das hier war kein Menschenkind.

Der Körper war viel zu unförmig, die Proportionen stimmten nicht. Die langen, dünnen Arme waren zu kurz, ebenso der Oberkörper, die Beine dagegen lang und dürr. Die kleinen, eben noch runden Ohren verzogen sich, als hätte man dem Kind Lauseohren in die Länge gezogen, und wurden lang und spitz, wie es bei den Menschen der Anderswelt üblich war. Wo zuvor noch die weichen Kinderwangen zu sehen waren, entglitten die Gesichtszüge und gaben den Blick auf gräuliche Haut und scharfkantige Wangenknochen sowie auf messerscharfe, spitze Zähne und tintenschwarze Augen preis.

Das war ein Pukwudgie.

Ein kleiner, betrügerischer Kobold aus Amerika, der fast jede Gestalt annehmen konnte. Hier waren sie selten, und er hatte selten einen in Menschengestalt gesehen. Aber dieser hier war ein besonderes Exemplar ... nicht wegen seiner Herkunft, sondern auch wegen seiner zwielichtigen Verbindungen.

„Halt still!", zischte der hochgewachsene Krieger warnend und seine Hand schloss sich fester um den dürren Hals. Das kleine Wesen fürchtete offensichtlich um sein Leben. Zane sah es so deutlich wie sein eigenes Spiegelbild in dem großen Meer aus schwarzer Tinte: eine bedrohliche Erscheinung, als die leuchtenden grauen Augen mit den schmalen Pupillen unter der Kapuze und den silberweißen Strähnen, wie schimmernde Edelsteine aus den Schatten hervortraten.

„Dein Leben ist nicht das, was ich von dir möchte, sondern Informationen", grollte der Caith-Sith. „Aber wenn ich nicht bekomme, was ich will ..."

Er sprach die Drohung nicht aus - stattdessen schloss seine Hand die Kehle des Gnoms noch ein wenig fester, sodass dieser japsend nach Luft schnappte, kaum dass er seine Finger wieder etwas gelockert hatte.

Wortanzahl: 1.222 Wörter

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