4.1 I Eisbad

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Leise rauschend schwappte das Wasser ans Ufer und benetzte Adads Füße. Der See war kalt um diese Jahreszeit und auf seiner nackten Haut fühlten sichdie eisigen Tropfen wie Nadelstiche an. Trotz oder vielleicht gerade deswegen mochte er das Gefühl. Es war erfrischend, belebend. Wie so oft war sein Blick gen Himmel gerichtet, wo die Sterne allmählich in den sanften Rosatönen des Morgenrots verblassten. Die Sonne, die sich langsam über den Horizont schob, verdrängte die Schatten der Nacht und ließ die Nebelschwaden, die über dem Wasser hingen, golden schimmern.

Adad atmete tief den würzigen Duft des Waldes ein, der den kleinen See umgab, schloss die Augen und gab sich völlig der Ruhe und der friedlichen, geradezu magischen Stimmung des frühen Morgens hin. Die Anspannung, die er im Garten noch verspürt hatte, fiel gänzlich von ihm ab und wich einem Gefühl tiefer Beruhigung. Er hatte recht daran getan, hierher zu kommen. Obwohl er die ganze Nacht nicht geschlafen hatte, fühlte er sich wach und ausgeruht –wie immer, wenn er sich an diesem Ort aufhielt.

Aus der spiegelglatten Oberfläche des Sees blickte ihm ein ernster Mann in seinen besten Jahren entgegen. Seine Haut war unnatürlich blass und die blauen Augen unergründlich. Ein entrückter Ausdruck lag in ihnen, als sei sein Blick nach innen statt nach außen gerichtet. Trotz allem hätte es ein einigermaßen ansehnliches Antlitz sein können, wäre da nicht die blassrote, gezackte Narbe gewesen, die von seinem rechten Nasenflügel bis zum Kinn verlief und seinen Mundwinkel nach unten zog, sodass er selbst dann grimmig aussah, wenn er es gar nicht war.

Pausanias hatte sie ihm zugefügt, als sie sich als junge Burschen im Zweikampf gemessen hatten. Bedauerlicherweise war es kein Unfall gewesen, dass Pausanias sein Gesicht getroffen hatte, sondern volle Absicht. Adad hatte ihn bereits besiegt gehabt, doch sein Ziehbruder war schon immer ein schlechter Verlierer gewesen. In seiner Wut hatte er ihm die Klinge über das Gesicht gezogen und es unwiderruflich entstellt. Der dichte Bart, den er deswegen trug, konnte diese Narbe nur zur Hälfte bedecken und bildete zusammen mit seinem rotbraunen Haar einen auffälligen Kontrast zu seinem fahlen Gesicht.

Im Zwielicht wirkte er gespenstisch, ein Schatten seiner selbst, der nicht wusste, was er mit seinem Leben anfangen sollte. Manchmal verstand er die Leute sogar, die nichts mit ihm zu tun haben wollten. Er war ein einziges Rätsel aus finsteren, unentdeckten Tiefen, die ihm selbst Angst einjagten. In ihm verbargen sich so viele Geheimnisse, dass er sie nicht zählen konnte und bisher hatte er noch keine Möglichkeit gefunden, sie zu lüften. Manchmal war er kurz davor, den Schlüssel zu ihnen zu finden, aber immer, wenn er in greifbarer Nähe schien, löste er sich in Luft auf und er stand wieder ganz am Anfang. Im Prinzip war ihm der Mann, der ihn aus dem Wasser anstarrte, fremd. Ein Schaudern durchlief ihn. Er musste aufhören, darüber nachzudenken.

Adad stand auf, entledigte sich seiner Kleidung und watete langsam ins Wasser. Die Nadelstiche nahmen zu, je weiter er sich in den See wagte, bis es tausend, abertausend waren. Als das Wasser bis zu seiner Brust reichte, hatte er anfangs das Gefühl, kaum atmen zu können. Sein Brustkorb hob und senkte sich deutlich, sein Atem ging stoßweise und unregelmäßig, doch schon nach kurzer Zeit stellte sich das wunderbarste Gefühl auf Erden ein: Die Überzeugung, wirklich und wahrhaftig lebendig zu sein. Seine Atmung normalisierte sich, während das Blut geradezu durch seine Adern rauschte. Die Gefäße, die sich in den ersten Sekunden verzweifelt zusammengezogen hatten, weiteten sich und vermittelten ihm den Eindruck von Schwerelosigkeit.

Er spürte den steinigen Untergrund unter seinen Füßen, kleine Fische, die seine Haut streiften und die ersten zaghaften Strahlen der Sonne, die seine Wange streichelten. Adad breitete die Arme aus und atmete tief die frische Luft ein, spürte, wie seine Lungenflügel nach mehr lechzten. Für solche Momente lebte er. Der See, der Wald, die Tiere ... Er wurde ein Teil von ihnen, existierte einfach nur. In Gaias Armen war er nicht anders als sie, dort waren alle gleich. Hier spielte es keine Rolle, ob er ein Athener oder ein Babylonier war, Bürger oder Nicht-Bürger.

Erfrischt watete Adad ans Ufer. Auch wenn er an Bäder zu solch kalten Temperaturen gewöhnt war, war es nicht ratsam, sich sonderlich lange im eisigen Wasser aufzuhalten. Rasch schlüpfte er in seine Kleider und wickelte sich die wärmende Chlamys eng um den Körper. Anschließend begab er sich auf die Suche nach trockenen Zweigen, schichtete sie zu einem kleinen Haufen auf und kramte seinen Feuerstein hervor. In diesem Moment krallte sich von hinten eine große Hand in sein schulterlanges Haar und riss seinen Kopf mit einem Ruck nach hinten. „Sieh einer an, mein kleiner Bruder will sich vor der Arbeit drücken", zischte eine vertraute Stimme in sein Ohr.

„Sieh einer an, der edle Pausanias hat sich dazu herabgelassen, seine nagelneuen Sandalen mit dem schlammigen Waldboden zu beschmutzen."

Sein ein Jahr älterer Ziehbruder verstärkte seinen Griff, bis ein scharfer Schmerz Adads Kopfhaut überzog. „Ich warne dich, werde bloß nicht frech."

„Und ich warne dich, lass mich los."

Pausanias stieß sein gemeines, widerliches Lachen aus, doch er ließ ihn nicht los. Also gut, dachte Adad, du hast es nicht anders gewollt. Mit voller Wucht rammte er seinem Ziehbruder den Ellenbogen in den Bauch und riss sich los. Pausanias stieß einen Schrei aus, der Wut und Schmerz zugleich ausdrückte, ballte die Rechte zur Faust und zielte auf Adads Kopf. Dieser wich dem Schlag gekonnt aus, ließ blitzschnell seine Hand nach vorne schnellen, packte Pausanias' Arm und verdrehte ihn so brutal, dass sein Ziehbruder jaulend in die Knie ging. Als Pausanias seine Gegenwehr aufgab, ließ Adad von ihm ab und verschränkte die Arme.

„Du verdammter Ausländer", knurrte der Ältere, während er sich aufrappelte und seinen Arm rieb.

„Sag mir, warum du ursprünglich hergekommen bist und dann verschwinde wieder."

Pausanias warf ihm einen wütenden Blick zu. Es war ihm anzusehen, wie sehr es ihn verärgerte, dass sein jüngerer Bruder es wagte, ihm Befehle zu erteilen. Offenbar sah er jedoch ein, dass es kindisch gewesen wäre, ihm die Antwort zu verwehren. „Vater schickt mich. Du sollst auf der Stelle zum Haus zurückkommen und dich um die Gäule kümmern. Der Stallbursche ist krank."

Natürlich, schoss es Adad durch den Kopf, da ist es naheliegend, seinen Sohn, wenn auch nur den Ziehsohn, damit zu beauftragen. Es ist ja nicht so, als ob es genug Sklaven geben würde, die das erledigen könnten ... Ausnahmsweise behielt er seine Gedanken für sich und sagte stattdessen: „Wenn er etwas von mir will, muss er schon höflicher nachfragen."

„Ich würde dir raten, zu tun, was er verlangt. Vater ist ziemlich verärgert, dass du dich bereits vor verrichteter Arbeit davongeschlichen hast."

Ohne jede Eile packte Adad seinen Feuerstein ein, band sein Pferd, einen gutmütigen betagten Braunen, los und tätschelte ihm den Hals.

„Dann sag ihm, dass ich weder ein Kind noch ein Sklave bin und er aus diesem Grund nicht von mir erwarten kann, dass ich ihm jederzeit zur Verfügung stehe."

Pausanias breitete die Arme aus. „Ganz wie du willst. Deine Sache, wenn du dich mit ihm anlegen willst."

Adad warf seinem Bruder einen ungläubigen Blick zu. Was dachte er eigentlich von ihm? Dass er noch immer ein kleiner Junge war, der vor Dropides' Wutausbrüchen erzitterte? Dennoch, das wusste er selbst, würde er der Aufforderung nachkommen. Nicht weil er die Konsequenzen für sich selbst fürchtete, sondern weil er genau wusste, dass andernfalls wieder jemand anderes dran glauben musste, vorzugsweise ein Sklave. Pausanias wandte sich von ihm ab, bestieg sein Pferd und trieb es an. Adad wartete, bis sein Ziehbruder außer Hörweite war, bevor er selbst aufsaß und seinen Hektor antrieb. Obwohl er ein stämmiges Ross mit struppigem Fell und ohne jedes Temperament war, liebte er dieses Tier und hätte ihn niemals für ein edleres Pferd eingetauscht. Hektor war ihm ein treuer Gefährte, der ihm nicht mit irgendwelchem Geschwätz auf die Nerven ging.

Adad ließ sich absichtlich Zeit. Nicht weil er sich vor der Arbeit drücken wollte, im Gegenteil, eigentlich kümmerte er sich gern um die Pferde. Nein, der einzige Grund für seine Trödelei war Trotz. Dropides sollte sehen, dass er sich nicht von ihm herumkommandieren ließ. Wenigstens schien seine Sorge, dass ihn der Sklave womöglich doch entdeckt haben könnte, unbegründet zu sein. Sonst hätte Pausanias ihn das mit Sicherheit spüren lassen.

Leise seufzend schüttelte er den Kopf. Ihr Verhältnis war nicht immer so schlecht gewesen wie jetzt. Gewiss, Pausanias hatte ihn auch früher schon drangsaliert, wann immer sich eine Gelegenheit dazu geboten hatte, aber es hatte einen Vorfall gegebenen, bei dem er fast soetwas wie Zuneigung zu seinem Ziehbruder verspürt hatte. Es war in seinem zwölften Lebensjahr gewesen, als ein wütender Mob zum Haus seines Ziehvaters gezogen war und das Tor aufgebrochen hatte. Adad, der zu diesem Zeitpunkt gänzlich unerfahren im Umgang mit Waffen gewesen war, hatte sich ein Schwert geschnappt und war in den Innenhof gestürmt. Wahrscheinlich, um allen zu zeigen, dass mehr in ihm steckte, als er sich anmerken ließ. Natürlich war es eine dämliche Idee gewesen. Der Axthieb eines Aufständischen hatte ihn getroffen und ihm beinahe den rechten Arm abgetrennt.

Zum Glück hatte er sich rechtzeitig wegdrehen können, sodass die Klinge nur eine grässliche Wunde in seinen Oberarm gerissen hatte. Pausanias hatte ihn auf dem Boden liegend gefunden, in einer Lache aus Blut, mehr tot als lebendig. Er hatte ihn in Sicherheit gebracht. Mehr noch, er hatte ihn gehalten, als der Arzt seine Wunde ausgebrannt hatte. Als Adad jedoch mit seiner Kampfausbildung begonnen hatte und Pausanias bereits nach wenigen Monaten überlegen gewesen war, hatten sich die Gemeinheiten seines Ziehbruders in regelrechten Hass ihm gegenüber verwandelt.

Die Sonne war vollständig aufgegangen, als Adad das Haus erreichte. Kaum hatte er den säulenumstandenen Innenhof erreicht, vernahm er aus dem Gynaikon, dem Frauenquartier, lautes Gebrüll. Ohne Zweifel, es stammte von Dropides. Von einer bösen Vorahnung beschlichen, stieg Adad ab, eilte ins Haus und sprintete die Stufen ins Obergeschoss hinauf.

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