7.2 I Ein ungewöhnliches Versteck

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Die Rufe wurden lauter, Schritte näherten sich. Also los, sprach er sich in Gedanken Mut zu, trieb den betagten Hengst an und lenkte ihn auf die besagte Stelle in der Mauer zu. In der Dunkelheit konnte er sie nur schemenhaft erkennen, sodass er sich hauptsächlich auf sein Gedächtnis verlassen musste. Das Blut rauschte in seinen Ohren, sein Herz raste und sein Verstand schrie ihn an, es sein zu lassen. Er hörte nicht auf ihn.

Als Hektor die Mauer erreichte, ließ er ihn seine Schritte verkürzen und lehnte sich vor, um ihm den Sprung zu erleichtern. Für einen winzigen Moment hatte er das Gefühl, zu fliegen. Die rauen Haare der Pferdemähne wehten ihm ins Gesicht, er spürte die angespannten Muskeln des Hengstes und seine erwachte Vitalität. Ehe er sich versah, kam Hektor auf der anderen Seite auf und preschte los. Adad beugte sich dicht über seinen Hals, ohne darauf zu achten, wohin er galoppierte.

Er hatte nur einen einzigen Gedanken: Weg hier. So weit weg wie möglich. Die Häuser, die vereinzelten Büsche und Bäume – all das zog so schnell an ihm vorbei, dass es in einer undefinierbaren Masse in der Dunkelheit verschwand. Der Wind peitschte ihm ins Gesicht, während er blind den Hügel hinabjagte. Selbst als er die Agora erreichte, zügelte er sein Ross nicht, trieb es nur weiter unbarmherzig an, als floh er vor dem Unterweltsgott Hades höchstselbst. Im halsbrecherischen Galopp fegte er durch die Straßen, sah nichts mehr, hörte nichts mehr und fühlte nichts mehr außer rasender Panik. Weg hier, weg hier, weg hier.

Wütende, mörderische, irrsinnige Geschwindigkeit, Monster am Wegrand mit steinernen oder hölzernen Fassaden und den aufgerissenen, verzerrten, grölenden Fratzen der Fenster. Mörder!, brüllten sie ihm hinterher, immer wieder, bis seine Trommelfelle zu platzen drohten. Schneller, schneller! Es wurde nichts daraus.

Hektor verfiel von allein in den Trab, wechselte schließlich in den Schritt, ließ den Kopf hängen und keuchte ausgepumpt. Adad war selbst völlig außer Atem und sein Herz drohte noch immer, ihm aus der Brust zu springen. Falls ihm die Männer seines Vaters gefolgt waren - und das nahm er sehr stark an - hatte er zumindest einen Vorsprung.

Hektisch irrte sein Blick umher. Offenbar war er in einem weniger vorzeigbaren Teil der Stadt gelandet. Schlammige Wege schlängelten sich um baufällige, windschiefe Häuser, deren Fensteröffnungen ihn schwarz und leer angähnten. Adad unterdrückte ein Schaudern. Die dunkle Gasse, der er folgte, wurde zu beiden Seiten von desolaten Hütten flankiert und starrte vor Dreck. Überall lagen Essensreste, Hinterlassenschaften von Mensch und Tier, verendete Katzen, Hunde und Ratten. Es stank erbärmlich. Angewidert hielt sich Adad den Saum seines Mantels vor die Nase und dachte bei sich, dass dies wahrlich kein Ort war, an dem man sich allein aufhalten sollte. Immer wieder stieß er auf Betrunkene, die hier entlangtorkelten oder mitten im Weg lagen, Bettler und mit Sicherheit auch ein paar Diebe. Er hatte das Ende der Gasse fast erreicht, als eine junge, grell geschminkte Frau in freizügigen Kleidern vom Wegrand aufstand und sich ihm mit wackelnden Hüften näherte. „Schöner Fremder, wohin des Wegs? Kleine Annehmlichkeit gefällig? Dir würd' ich sogar zum Sonderpreis einen blasen."

Adad wollte bereits an ihr vorbeireiten, ohne ihr Beachtung zu schenken, als ihm eine Idee kam. Welches Versteck wäre besser geeignet als eines, an dem man ihn niemals vermuten würde?

„Gibt es eine Möglichkeit, mein Pferd unterzustellen?"

„Und ob's die gibt. Mir nach, Schöner."

Adad stieg ab und folgte ihr zu einem heruntergekommenen, mehrstöckigen Haus, das sich wie ein Betrunkener an das Nachbargebäude anlehnte. Adad verkniff sich eine Bemerkung und führte Hektor in den kleinen Stall, den die Hure ihm zeigte. Er wollte sich gerade daran machen, ihn trockenzureiben, als die Dirne sein Handgelenk ergriff und lächelnd den Ausschnitt ihres Chitons herunterzog. „Komm, das kann warten. Mein Verlangen nach dir nicht."

Wie vielen Männern hast du das heute Abend wohl schon gesagt, fragte er sich und riss sich von ihr los.

„Nein, kann es nicht."

Unbeirrt versorgte er Hektor, bis er sicher war, dass es seinem alten Freund an nichts mangelte. Seine Bewegungen waren fahrig und ungeschickt. Der Schock saß noch tief in ihm und zerrte an seinen Nerven. Die Hure hatte unterdessen mit verschränkten Armen und finsterem Blick gewartet. Sie schätzte es wohl nicht, wenn man ihre Zeit länger als nötig in Anspruch nahm.

Nun führte sie ihn in das Innere des Hauses. Es war angenehm warm und roch zu seiner Überraschung nach Rosen. Als sie ins Obergeschoss gelangten, vernahm er verhaltenes Gekicher, das Stöhnen einer Frau und die Stimmen mehrerer Männer. Schließlich öffnete die Frau eine Tür und er trat in ein kleines Zimmer, in dem ein großes Bett mit vielen Kissen und einer bestickten Wolldecke stand. Das Fenster war zum Schutz vor der Kälte mit einem schmutzigen Fell bespannt, das den schneidenden Wind nicht gänzlich aufhalten konnte. Mehrere Kerzen spendeten dem Raum Licht, sodass er die Hure zum ersten Mal genauer betrachten konnte. Sie war höchstens zwanzig und durchaus schön, doch ihr Körper wirkte ausgemergelt, ihr schmales Gesicht blass und erschöpft. Darüber konnten auch ihre Schminke und ihr aufgesetztes Lächeln nicht hinwegtäuschen.

„Gibt es die ganze Nacht heute auch zum Sonderpreis?", fragte er und wandte beim Anblick ihres tiefen Ausschnitts den Kopf ab. „Ah, so einer bist du also. Ausdauernde Männer sin' mir immer lieb."

Ihre Stimme war eine Mischung aus Stöhnen und Gurren. Als sie eine Hand auf seine Brust legte, zuckte er zurück, als hätte er ein glühendes Holzscheit angefasst. Die Hure wirkte irritiert, fing sich aber sogleich wieder und antwortete: „Du hast so freundlich gefragt, da könnt' ich drüber nachdenken. Zuerst bring' ich dir aber 'ne Schüssel Wasser, dann wasch' ich dir's Blut ausm Gesicht. Siehst ja aus, als wärst' gerade aus der Schlacht heimgekehrt."

Er nickte. „Wasser und frische Tücher werde ich nicht ablehnen, aber waschen kann ich mich selbst, danke."

Die Hure betrachtete ihn mit schiefgelegtem Kopf. „Bist 'n seltsamer Bursche, weißt du das?"

Adad zuckte mit den Schultern.

Kopfschüttelnd verließ sie den Raum und kam kurz darauf mit einer Waschschüssel zurück. Adad war dankbar, endlich die verräterischen Blutspritzer loszuwerden und die äußerlichen Anzeichen seines Verbrechens beseitigen zu können. Danach fühlte er sich tatsächlich ein Stück besser. Er setzte sich auf das Bett, legte seinen Umhang und seine Waffen ab und zog seine Sandalen aus. Dann reichte er der Hure die geforderte Summe. Verwirrt nahm sie die Münzen entgegen. „Aber ... ich hab' doch noch gar nichts gemacht."

Adad blieb ihr die Erklärung schuldig. Unter ihrem ungläubigen Blick legte er sich auf das Bett, zog sich die Decke bis unters Kinn und schlief augenblicklich ein.

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