Grenzen

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Es gibt keine festen Grenzen. Es gibt auch kein klaren Schwarz und Weiß. Aber das wissen meine Mitmenschen nicht, alle streiten sich und bekämpfen sich, nur um feste Grenzen festzulegen, die sie für richtig halten. Wir befinden uns im Jahr des Herrn 1370, in einem Krieg zwischen dem Königreich Frankreich und dem Königreich England. Viele Leute sagen, dass dieser Krieg noch hundert Jahre dauern wird.

Doch ich bin kein Mensch. Ich bin ein Wandler. In diesen Zeiten sind unsere Meinungen verschieden. Viele haben sich dem Heer angeschlossen, um als übermenschliche Soldaten zu kämpfen. Ein paar sind geflohen, aber es gibt diejenigen wie ich- wir sind geblieben. Die Schrecken des Krieges erreichen auch uns, aber zusammen können wir alles tun, um ihn zu lindern.

Heute war ein kalter Tag, also wickelte ich mich in verschiedene Stoffe- mir musste immer warm bleiben, das verdankte ich meiner Tiergestalt.

,,Guten Morgen!", mir kam Flordelis entgegen, auch Flori genannt. Ihr Name bedeutet Lilienblüte- dort fand ihre Verpuppung zum Nachtfalter statt, deshalb erhielt sie ihren Namen. Ich zwinkerte ihr zu und betrachtete den Korb mit Pilzen, die sie gesammelt hatte. ,,Reiche Ausbeute? Da war unser Wildschwein-Wandler Leonard mal nicht unterwegs." Wir lachten und machten uns auf dem Weg zu der Kirche.

Einmal diente die Kirche zur Tarnung, da nur sehr wenige Wandler Christen waren oder an Gott glaubten. Aber andererseits gab es auch geheime Räume, wo wir Verwandlungen üben und unsere Aktionen vorbereiten konnten. Flori, Leonard und ich trafen uns hier jeden Tag- wir hatten alle Schwierigkeiten mit unseren Gestalten, manche mehr und manche weniger.

Kaum waren wir da, verwandelte sich Flori. Unter ihren Klamotten krabbelte bald eine Graue Brombeereule hervor und flog auf meine Schulter. Leonard, mein bester Freund, war schon in Tiergestalt. Das fand er einfach bequemer. Jetzt komm! Du schaffst das schon, Aleidis!, feuerte mich Flordelis an.

Also stellte ich mir meine braun-schwarzen Schuppen vor, meinen großen hellen Fleck am Hals und meine dunkelbraunen Augen- meine Tiergestalt, die Äskulapnatter. Das Kribbeln breitete sich aus und ebenso veränderte sich auch meine Haut...aber als ich an mir herunterschaute, hatte ich nur Schuppen, selbst meine Augenlider wurden zu Augenschuppen. Ich seufzte. Leonard und Flori wechselten vielsagende Blicke.

Versuch es doch nochmal. Denk einfach an dieses Gefühl, eine Schlange zu sein! Na toll, Leonard. An sich mochte ich ja meine Gestalt...aber ein Raubtier zu sein und unschuldige Tiere fressen zu müssen, hasste ich abgrundtief. Ich atmete tief durch und fing noch einmal an.

Nach einer Weile hatten wir es schließlich geschafft; alle waren in Tiergestalt. Auf dem Weg in Richtung Nachbardorf begegnete uns noch eine total nasse Miriam. ,,Was macht ihr drei denn hier? Da drüben ist ein Feuer ausgebrochen, das haben die gegnerischen Soldaten gelegt. Ich habe alles mitbekommen, schließlich hat mich niemand als Karausche bemerkt..." Dann müssen wir erst Recht hin!, meinte Flordelis und flatterte ihr entgegen. Schließlich müssen wir es tun. Wir haben uns dazu verpflichtet, durch unsere Gestalten zu helfen!, ergänzte Leonard-das-Wildschwein. Ich war skeptisch, ging aber mit. Vielleicht konnten wir ja unnötige Tode vermeiden! Vielleicht nahm ich mir aber auch zu viel vor.

Schließlich standen wir am Waldrand. Ohne Miriam, denn sie war in Richtung Wandlerdorf gegangen. Wer geht?, fragte ich.

Eigentlich würde ich gerne gehen, aber als Wildschwein fällt man halt auf. Ich kann aber in Menschengestalt ein paar Dinge vorbereiten und die Fernrufe senden, sobald wir fertig sind. Du, Flordelis?

Ich fliege dahin und teilverwandele mich. Die Menschen werden glauben, ich sei ein Engel. Aber wer geht zu den Flammen? Aleidis...Es tut mir echt leid, aber ich glaube, du musst gehen. Wir haben wenig Zeit und du hältst die Hitze am meisten von uns aus.

Nein, nein, nein! Nicht diese Aufgabe! Automatisch richtete ich mich auf- meine Gefahrenstellung. Ich gehe. Die Worte kamen einfach so- aber nun war es zu spät. Ich sollte meinen Freunden vertrauen und lieber meinen Job machen, als an mir selbst zu zweifeln. Trotzdem hatte der Satz keine Wirkung. Meine Angst war immer noch unerträglich!

Wir trennten uns. Zielstrebig bewegte ich meinen langen, schlanken Körper in Richtung Dorf. Es wurde immer wärmer, so wurde ich auch schneller und beweglicher. Niemand entdeckte mich, da ich lautlos und getarnt auf der braunen Erde war. Ich hatte Angst...Viele Leute hatten Angst vor Schlangen oder betrachteten sie als Ausgeburt des Teufels. Klar, es gab Ausnahmen, wie die Ringelnatter, die als Glücksbringer galt...aber ich? Ich, die zwei Meter große Schlange musste ja gefährlich sein! Auch wenn ich niemanden etwas zuleide tun würde.

Meine Zunge spürte die Hitze...Sie kam von den Holzhäusern der Armen direkt vor mir. Sie brannten lichterloh. Ich dachte an die Menschen, die hier gewohnt haben mussten- sie taten mir leid. Automatisch blinzelte ich, weil es so hell war und die Flammen immer näher kamen...erst dann bemerkte ich, dass etwas nicht in Ordnung war. Meine Augen! Sie waren menschlich! Ich fluchte und versuchte es zurückzuverwandeln. Zu spät.

,,Le serpent! Ihre Augen! Ein Dämon ist unter uns, er hat das Feuer gezündet!" So schnell wie noch nie in meinem Leben versuchte ich, zu fliehen. Meine Bauchschuppen schrammten sich auf, weil ich über Holzsplitter schlängelte. Doch der Schmerz war mir sowas von egal...Ich wollte nur noch weg!

Plötzlich packten mich zwei Hände. Mein Schlangen-Ich versuchte noch, zu entkommen und sich herauszuwinden. Es war unmöglich. Langsam konnte ich nicht mehr atmen...Sie versuchten, mich zu ersticken! Aleidis!!! Flordelis' Stimme schien mir so weit entfernt...wie im Traum. Die Schreie wurden immer mehr. Der Schleier vor meinen Augen auch...bunte Punkte tanzten vor meinen Augen; mein Körper wurde schlaff.

Noch einmal erinnerte mich an meine sorglose Kindheit im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation...bis ich mich entschieden hatte, nach Frankreich zu gehen. Es hieß, hier sollte es mehr geben, die so waren, wie ich. Mein erstes Treffen mit Flori und Leonard flog an mir vorbei...Meine erste Rettungsaktion...Der Krieg...und jetzt meine letzte Mission.

Sie hatten mich getötet, weil ich eine Schlange war. Sie hatten nicht nachgedacht und nach ihren Vorurteilen gehandelt, egal, was die Wirklichkeit war. Sie haben gedacht, dass ich gefährlich sein könnte- ohne mich zu kennen.

Sie sind nicht über ihre Grenzen gegangen, weil sie dachten, dass ich das Schwarz wäre und sie das Weiß. Aber sind wir nicht alle grau?

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