Funkenpfote

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Noch mit vor Ärger gesträubten Pelz lief Funkenpfote durch die Felsen. Das Berggras kitzelte beruhigend unter ihren Pfoten und allmählich kam sie zur Ruhe. Während ihre Pfoten sie über die breite Wiese trugen, dachte sie erneut über die Worte des Heileres nach. 

Warum, glaubst du, taucht er genau in dem Moment auf, als deine Schwester verunglückt?

Funkenpfote konnte nicht leugnen, dass Krähenfluch Recht hatte. Woher wusste Knochen, dass ihre Schwester verletzt war, als er vor der Höhle stand? Nicht nur das, er kannte sogar ihren Namen! Selbst, wenn er den Unfall beobachtet hatte... wie hätte er den Namen ihrer Schwester in Erfahrung bringen können?

Funkenpfote konnte sich keinen Reim daraus machen und schüttelte verärgert den Kopf. Sie eilte weiter über die dicht bewachsene Bergwiese, ließ den Duft der blühenden Kräuter in ihre Nase fluten und genoss die warmen Sonnenstrahlen der beginnenden Blattgrüne. Sanft wog der Wind über das Meer aus Grün und schickte silberne Wellen, die der Körper der Schülerin im Lauf durchbrach. 

Sie bekam die Worte von Krähenfluch nicht aus dem Kopf. Je mehr sie über ihre Gespräche mit Knochen und dessen Handlungen seit seiner Ankunft nachdachte, desto schwächer wurde das Gefühl der Dankbarkeit und wurde von  Misstrauen abgelöst.  

Was habe ich übersehen? Warum ist er hier? 

Sie begann einen Kräfte zehrenden Anstieg an einer steinigen Felswand. Lange schon wollte sie die Landschaft hinter dem Bergrücken erkunden und sehen, welche Beutetiere sich dort versteckten. Insgeheim träumte sie von einem kleinen Fischteich, in dem es ihr leichter fallen würde, die wendigen Forellen zu fangen. 

Das war der Vorteil, den sie gegenüber den anderen Clans hatten. In den Bergen waren ihnen keine Grenzen gesetzt. Sie konnte das riesige Gebirge erkunden und ihr Territorium beliebig erweitern,  wenn sie günstige Jagdgrüne fanden. Bis jetzt hatte Himmelssturm noch keine Grenze in den Bergen festgelegt, sondern ließ die Jagd- und Grenzpatrouillen in regelmäßigen Abständen tiefer in die Berge vordringen. 

 Dohlenkralle wollte, dass sie jagte? Na, dann würde ihre Ein-Katze-Patrouille eben frische Beute heranschaffen! 

Heftig keuchend drückte sich Funkenpfote vom letzten großen Felsen ab und landete auf dem dicht bemoosten Hügelrücken. 

Vor ihr tat sich ein in goldenes Licht getauchter Bergtal auf. Ein Schnurren stieg in ihrer Kehle auf, als sie weit in der Ferne einen strahlend blauen See zwischen zwei kleinen Bergspitzen liegen sah. Die Entfernung war ihr für heute zu weit weg, sie wollte sich beeilen, um nicht zu spät zum Aufbruch zur Großen Versammlung zu kommen.

Ein paar Rötelmäuse oder ein Hase sollte genügen...

Funkenpfote musste nicht einmal tief Luft holen, jetzt in der Blattgrüne war die Luft nur so geschwängert von saftigen Beutegerüchen. Eine Duftnote stach besonders heraus und sie senkte konzentriert den Kopf. Verharrte. Ihre Ohren drehten sich lauschend nach links und rechts. Leises Trippeln und gelöste Kiesel verrieten die Rötelmaus. Sie entdeckte sie einen Katzensprung vor sich. Plötzlich huschte ihre Beute mit hoher Geschwindigkeit durch das Geröll und hüpfte panisch über das Moos davon. 

Mäusedreck. Der Wind hat mich verraten

Doch davon lies sie sich nicht entmutigen. Die Maus war dick und unbeholfen, wahrscheinlich erwartete sie Junge. Das würde ein saftiges Mahl für ihren Clan werden! Sie rammte ihre Hinterpfoten in die Erde und jagte los. Den Körper dicht über dem Boden sprintete sie den Hang hinab, den flinken Körper der Maus nicht aus den Augen lassend. Der Wind pfeifte um ihr Ohr und scharfe Kiesel spritzten wie Wassertropfen zu allen Seiten. Die Maus bog scharf nach rechts, aus dem Augenwinkel konnte Funkenpfote ein pfotengroßes Mäuseloch in einem Mooshügel erkennen. 

Sie schätzte. Sprang. 

Das Quietschen der Maus unter ihren Krallen verkündeten ihren Erfolg. Ein schneller Biss in den Nacken, Herzschläge später war die Beute verscharrt und Funkenpfote öffnete das Maul, um ihr nächstes Opfer zu suchen. Stolz schwoll in ihrer Brust und füllte ihre Muskeln mit zuckender Energie. Heute würde sie Dohlenkralle beeindrucken. Es war Zeit, dass die Früchte ihres harten Trainings sich auszahlten und der zweite Anführer bei Himmelssturm ein gutes Wort für sie einlegte. Sie musste diese Nacht einfach auf die Große Versammlung! Es gab so viel zu erzählen! Nicht zuletzt könnte sie Rabenpfote beeindrucken, wenn er von ihrem heutigen Jagderfolg erfuhr! Und Moospfote! Funkenpfote hatte nicht vor, sich geschlagen zu geben. Ihre Freundin mochte zwar größer und stärker als sie sein, doch sie war überzeugt, dennoch eine bessere Kriegerin werden zu können. Die beste Kriegerin aller Zeiten! 

Warte nur, Moospfote! 

Funkenpfote gab ihr Bestes. Sie war schneller als sonst. Aufmerksamer. Vorausschauender. Tödlicher. 

Als die Sonne sich langsam hinter die Bergspitzen senkte und das helle Gold zu einem dunklen Kupfer wurde, die Felsen im roten Schein aussahen, als würden sie bluten, hatte Funkenpfote vier Rötelmäuse, einen Hasen, eine alte Bergdohle und einen Berglemming erbeutet. Sie schnurrte stolz, als sie ihre Zähne aus dem toten Lemming zog. Sie leckte sich das Blut von den Zähnen und sah sich um. Der Lemming war unheimlich schnell gewesen und hatte Funkenpfote durch das halbe Tal rennen lassen, bis sie ihn endlich erwischt hatte. Nun blickte sie über die Schulter. 

Erschrocken sprang sie auf. Sie war viel zu weit gerannt! Wie sollte sie nun rechtzeitig zum Aufbruch im Lager ankommen? Vor allem mit all der Beute im Maul! 

Ich kann nicht alles tragen... dachte sie verzweifelt und überlegte schnell. Ich hole den Hasen morgen, beschloss sie und rannte los. 

Und blieb sofort wieder stehen. 

Silber!

Der markante Geruch des Katers hing unüberriechbar in der Luft. Sie musste die Duftspur während ihrer Jagd nicht bemerkt haben! Sie drückte ihre Nase an den von Flechten überzogenen Boden und folgte der Richtung des Geruchs. Sie lief für ein paar Herzschläge, dann hob sie den Kopf.

Vor ihr stieg der Boden an und formte den rechten Flügel des Tals. Sie wunderte sich schon, was der Bruder des Anführers in so einer kargen Landschaft wollte, da fiel ihr plötzlich etwas Braunes in den grauen, hochkantigen Felsen auf. Sie beschleunigte neugierig. Der Lemming schwang in ihrem Maul hin und her. Sie wich ein paar hohen Felsen aus, ihre Pfoten pochten bereits dumpf nach diesem langen Tag. Es dauerte länger als sie gedacht hatte, doch ein Sprung auf ein Felsplateau und das braune Etwas ragte ein paar Murmeltierlängen vor ihr auf. Es erinnerte sie wage an etwas, was sie schon mal gesehen hatte. Seltsam geformte Holzplatten formten einen eckigen Unterschlupf, der an vielen Stellen bereits wieder zerfallen und von herabfallenden Felsbrocken zerklüftet worden war. 

Was .. ist das? 

Funkenpfote tat einen Schritt auf das Gebilde zu, da stach ihr ein schaurig vertrauter Geruch in ihre Nase. 

Knochen! Was tut er hier?!

Mit pochendem Herzen sprang sie vom Plateau und jagte so schnell und leise sie konnte hinter einen flachen Stein, der aus der Felswand herausragte. Sie presste sich dicht auf den Boden und hoffte, dass die blühenden Flechten ihren Geruch notdürftig überdecken würden. Als sie sich sicher was, dass Knochen sie nicht entdeckt haben konnte, spähte sie vorsichtig hinter dem Stein hervor, um einen Blick auf den hölzernen Unterschlupf und Knochen zu erhaschen. 

Und tatsächlich. 

Der riesige, schildpattfarbene Kater stelzte gerade den Abhang hinauf. Sein dickes Stofftuch hing ihm immer noch über die Schulter, gefüllt mit all seinen Habseligkeiten. 

Was will er hier? Ist er mir gefolgt?

Doch der selbstbewusste Gang, sein zielstrebiger Blick ließen Funkenpfote diesen Gedanken sofort wieder verwerfen. Er schien ganz absichtlich hierher gekommen zu sein, schien etwas zu suchen. Da fiel ihr es wie Schuppen von den Augen. 

Silber! Er will zu Silber! 

Soweit Funkenpfote ihrer Nase trauen konnte, befand sich der blinde Kater gerade in diesem Unterschlupf. Hatte sich nach dem Streit wohl hierher zurückgezogen. Wollte Knochen etwa den Streit schlichten? Erneut kamen Zweifel in Funkenpfote auf und rüttelten an ihrer Einstellung zu dem Fremdling. 

Wenn Knochen Probleme einfach.. spüren konnte? Wenn er einfach nur jedem helfen wollte?

Der Narben versehrte Schweif des Katers verschwand zwischen dem Holz. Funkenpfote wagte sich aus ihren Versteck und wollte bereits näher schleichen, um zu lauschen, als schon wieder etwas ihre Aufmerksamkeit auf sich zog, sie ablenkte. 

Dort unten, am Fuß der Anhöhe, auf der sie sich befand, stand - stolz und unbeweglich - ein Steinbock. Er sah sie direkt an. Funkenpfote schnappte nach Luft. Es war der alte Steinbock, der die Herde am Bergsee angeführt hatte! Das Moos auf seinen Hörnern und auf seinem Rücken leuchtete wie Feuer in der Abendsonne. Seine durchdringenden Augen ruhten auf Funkenpfote und sandten Stromstöße durch ihren Körper. Ein Gefühl jagte durch ihr Blut, raste ihre Muskeln entlang, brannte in ihren Pfoten und schoss in ihre Ohren. Es sammelte sich in ihrem Gehirn, tobte wie ein Sturm, ließ Funkenpfote vor Schreck aufschreien. Dann brach es in ihrem Geist hervor und manifestierte sich in Worten, die in ihrem Inneren nachhallten. 

Folge mir. 

Funkenpfote war zu geschockt, um ihr Maul zu schließen. Geschweige denn ihre Beine zu bewegen. Immer noch stand der Steinbock unbewegt dort. Vor ihr. Am Fuß des Hanges. Starrte auffordern zu ihr hinauf. Dann stampfte er auf den Boden. Erneut ging ein gewaltiger Ruck durch ihren Körper, als wäre sie und nicht der Boden von den Hufen getreten worden. Dann schnaubte das prächtige Tier, senkte die Hörner und sprang davon. 

Einen Herzschlag versuchte Funkenpfotes Geist zu verarbeiten, was gerade passiert war, doch ihr Mund und ihre Beine waren schneller. "Warte!", jaulte sie und stürzte hinter dem sich schnell entfernenden Bock her. So sehr ihre Neugier sie auch antrieb, ein Rest von Verstand erinnerte Funkenpfote an ihre Verstecke und so stolperte sie schließlich mit einem Lemming, einer Dohle und vier Mäusen im Maul über den Hügelrücken, hinter dem der Steinbock verschwunden war und über den sie kurz nach Sonnenhoch geklettert war. 

Und prompt stieß sie mit etwas Hartem zusammen. Ihre Beute fiel ihr beim Aufprall aus dem Maul und verteilte sich auf den Boden. Knurrend schüttelte sie ihren brummenden Kopf und blickte auf. Der Steinbock ragte über ihr auf. 

"AAaa!", rief Funkenpfote erschrocken und machte einen Satz nach hinten. Da. Plötzlich kam es wieder. Das drängende Gefühl hinter ihrer Stirn. 

Fürchte dich nicht, junge Katze. 

Wimmernd presste Funkenpfote ihre Pfoten gegen ihre Stirn. Die Worte taten weh. Sie brannten wie heiße Steine unter ihrer Haut. 

Ich weiß, das wird nicht leicht für dich, doch bitte versuche mir zu zuhören. Funkenpfote. 

Die Schmerzen waren unerträglich, doch unter größter Anstrengung schaffte sie es dennoch, einige Wörter hervorzupressen. 

"Was.. wie.. warum.."

Das ist nicht wichtig. Höre mir zu. Ich möchte deine Schmerzen nicht unnötig in die Länge ziehen. 

Tränen schossen ihr in die Augen. Winselnd kauerte sie sich vor seinen Hufen nieder. 

Funkenpfote, du darfst diesem Kater nicht trauen. Das Böse lenkt seine Pfoten. Halte dich von ihm fern. Mehr noch, du musst deine Freunde überzeugen, ihn loszuwerden. 

Das Blut rauschte so laut in ihren Ohren, dass es Funkenpfote schwer fiel, jedes Wort zu verstehen, doch bei seinem letzten Satz schrak sie auf und starrte den Steinbock entsetzt an. Loswerden? Meinte er töten? Wovon sprach dieses Wesen? 

Tartaras wird alles versuchen, um seinen Weg zurück zu finden. Du darfst das nicht zu lassen, junges Silberhaar. Tartaras dient dem Tod. Er IST der Tod. Wenn er zurückkehrt... ich weiß nicht, ob ich in der Lage bin, ihn aufzuhalten. 

Das Wort Tod stieß wie eine Kralle durch ihr Bewusstsein. Gequält schrie Funkenpfote auf und kauerte sich noch krampfhafter zusammen. Tränen strömten nun wie Wasserfälle über ihre Wangen und ein schrilles Pfeifen klingelte in ihren Ohren, das es ihr fast unmöglich machte, die folgenden Worte zu verstehen:

Ich sehe, meine Präsenz ist zu viel für dich. Ich muss gehen.

Der Druck auf ihre Stirn nahm etwas ab, als der Steinbock hinfort sprang. Eine letzte Botschaft hauchte durch ihr Bewusstsein:

Ich komme wieder, junges Silberhaar. Ich komme wieder. 

"Bitte.. nicht..", schluchzte Funkenpfote entkräftet und blieb mit bebender Brust liegen. Nie wieder. Nie wieder wollte sie diese Schmerzen aushalten müssen. Das war schlimmer, als alles was sie je erlebt hatte. 

Was

war 

passiert?

Ihr Kopf war leer. Kein Gedanke konnte sich in ihrem malträtierten Geist zusammensetzen, es war, als wäre ihr Geist zerfetzt und neu zusammengesetzt worden. Als wäre er unter dem Druck zerbrochen und würde sich nun erst wieder regenerieren. 

Monoton stemmte sich Funkenpfote wieder auf die Beine. Ihre Muskeln zitterten, ihre Beine waren schwach. Ihr Körper arbeitete von selbst. Sie klaubte die verstreute Beute auf und machte sich auf den Weg zum Lager. Es war ein Wunder, als sie ohne größeren Schrammen und Verletzungen durch den Höhleneingang schlurfte, so oft sie auf dem Weg gestolpert war. Etwas Blut klebte an ihrem Ballen. Wahrscheinlich hatte sie sich eine Kralle ausgerissen. Doch kein Schmerz drang in diesem Moment durch ihren benebelten Geist. Auch Dohlenkralles seltene, lobendenden Worte, sobald er ihre reiche Ausbeute sah, prallten an ihr ab wie von einer Felswand. Die toten Tiere fielen in die Beutegrube. Sie tappte zurück in die Mitte der Höhle und stillte ihren Durst an dem Steinbecken, dass durch die stetigen Tropfen mit kaltem, klarem Wasser gefüllt war. Dann hockte sie einfach starr da und wartete, bis Himmelssturm die Teilnehmer der Großen Versammlung verkünden würde. 

Es dauerte lange. Sehr lange. 

Immer wieder tauchte der weiße Pelz des Anführers auf, doch er schickte nur panische Blicke durch die Höhle, fragte, ob Silber bereits wieder da war, jagte wieder hinaus, um weiterzusuchen. 

Irgendwo in ihrem geistigen Nebel bildete sich die Frage, warum sie ihrem Anführer nicht von ihrem Fund berichtete. Doch bevor sie den Gedanken fassen konnte, verlor er sich bereits wieder, zerfaserte und verfloss mit dem Nebel, war verschwunden. Die Stimme ihrer Schwester an ihrem Ohr. Was los sei. Ob Funkenpfote sie hören konnte. Auch diese Eindrücke versuchte ihr Bewusstsein zu fassen, doch sie flohen und waren verblasst, bevor sie sich formen konnten. 

Wie viel Zeit mag wohl verstrichen sein, seit sie hier saß? Ihr Blick war starr auf den Eingang gerichtet. Die nervös gesträubten Pelze um sich, die gehetzten Worte, das Scharren und Grummeln, all das nahm sie nicht wahr. Funkenpfote war in ihrem ausgelaugten Geist gefangen und konnte nichts tun, als krampfhaft die zerfetzten Stücke ihres Bewusstseins zusammenzuflicken. 

Plötzlich tauchte der vertraute gesprenkelte Pelz auf. 

Mit einem Schlag zog sich ihr Geist zusammen, vereinte sich, hatte sich wiedergefunden, hatte die Schäden repariert. 

Knochen! schoss ihr erster neuer Gedanke durch den Kopf. Wie ein Alarm. 

Der große Kater kam Schulter an Schulter mit Silber in die Höhle stolziert. Himmelssturm, der nur Herzschläge zuvor in die Höhle zurückgekommen war, eilte erleichtert auf seinen Bruder zu und überdeckte diesen mit einem Schwall von Entschuldigungen, Bemitleidungen und besorgten Kommentaren. Silbers Reaktion darauf war vorhersehbar. Ein Fauchen, ein Schlag mit ausgefahrenen Krallen über die Schnauze des Anführers und die kalte Schulter als er sich mit Knochens Hilfe zurück in den Anführerbau schleppte. 

Funkenpfote beobachtete das Geschehen mit größtem Misstrauen. Was hatte Knochen in diesem Unterschlupf zu Silber gesagt? Und dieses widerliche Grinsen... Was sie noch am Morgen nicht im Geringsten gestört hatte, jagte ihr nun erneut einen Schauer über den Rücken. Als Knochen aus dem Bau zurückkehrte und sich zu den übrigen Clankatzen, die sich bereits um ihren Anführer gescharrt hatten, gesellte, stieß auch Funkenpfote hinzu. Sie gesellte sich neben ihre Schwester, die ihren Blick bewundernd auf Knochen gerichtet hatte. 

Funkenpfote war erschrocken, welch starker Argwohn in ihr aufkochte, als sie das sah. Ihr Magen spielte verrückt vor Unwohlsein und Funkenpfote konnte es nicht verhindern. Was war nur mit ihr los? Es war doch selbstverständlich, dass Nebelpfote diesem Kater dankbar war!

Himmelssturms Räuspern lenkte sie ab und unwillig widmete sie sich wieder dem Gedanken an die Große Versammlung. Der große weiße Kater sah immer noch etwas verstört aus und der Kratzer über seiner Schnauze blutete noch geringfügig, doch der Anführer versuchte seine verwirrten Clankatzen mit einem raschen Themawechsel abzulenken. 

"Also! Wie ihr wisst, ist heute Nacht Vollmond! Es wird Zeit für eine neue Große Versammlung!", miaute er mit erstaunlich fester Stimme.

Schräg hinter ihr hörte sie Knochen interessiert schnurren. "Was ist denn das, junge Kriegerin?", wandte er sich zischelnd an Nebelpfote, die ihm natürlich sofort und eifrig Antwort gab: "Eine Versammlung aller Clans, um sich auszutauschen", erklärte sie stolz.

Toll auswendig gelernt, knurrte Funkenpfote in Gedanken und schreckte erneut von ihrer eigenen Bissigkeit zurück. Irgendetwas sträubte sich in ihr, diesem Fremdling noch mehr Einblick in das Clanleben zu gewähren. Sie warf einen Blick auf Krähenfluch, der an der Seite des Anführers stand. Zu ihrer Überraschung hatte der Kater das Gespräch zwischen ihrer Schwester und Knochen anscheinend ebenfalls bemerkt und ein missbilligendes Runzeln verunstaltete seine sonst so sanften Züge. 

Widerstreitende Gefühle kämpften in Funkenpfote. Zum einen ging es ihr nicht anders. Krähenfluch und sie waren wohl beide voller Misstrauen gegenüber Knochen. Doch zur gleichen Zeit spürte sie Empörung über die offensichtliche Einmischung des Heilers in das Verhalten ihrer Schwester. Warum verstand er nicht, dass Nebelpfote gegenüber ihrem Retter nun mal große Dankbarkeit empfand? Konnte Krähenfluch das nicht wenigstens ein bisschen berücksichtigen? Stattdessen sah er ihre Schwester an, als hätten sie sich gerade über einen Mordkomplott ausgetauscht. 

"und Funkenpfote werden mitkommen.", endete Himmelssturm. Funkenpfote hätte am liebsten laut geflucht. Nun hatte sie die ganze Ansprache ihres Anführers verpasst! Sofort warf sie einen Blick über die Schulter und fragte sich unwillkürlich, ob auch Knochen mitkommen würde. Als Dohlenkralle jedoch seine breite Brust auf den Fremden zuschob und ihm mit einem Schwanzwinken unmissverständlich zu verstehen gab, ihm zu folgen und Knochen in den hinteren Teil der Höhle leitete, stieß Funkenpfote beruhigt die Luft aus. Knochen würde also vorerst bewacht werden. Sie war froh, dass Himmelssturm dem mysteriösen Kater nach dessen Taten nicht bereits blind vertraute. Ein Blick auf Knochens Gesicht bestätigte ihre Annahme. Denn Knochens Grinsen war von einem düsteren, fast schon gefährlichem, undurchdringlichem Gesichtsausdruck abgelöst worden. 

Es war, als könnte Funkenpfote seine Verärgerung riechen. 

Sie begann unmerklich zu zittern. Langsam sammelten sich die Beweise. Dieser Kater führte nichts Gutes im Schilde. 

Das Böse lenkt seine Pfoten. 

 Funkenpfote begriff, was dieser Steinbock gemeint hatte. Er hatte so sicher geklungen, so felsenfest gesprochen.. WARUM KONNTE EIN STEINBOCK SPRECHEN? 

"Funkenpfote" Himmelssturm zuckte ungeduldig mit dem Schwanz. Die anderen Katzen, die zur Großen Versammlung durften, hatten sich bereits hinter ihrem Anführer aufgereiht. "Komme!", miaute sie, schloss sich der Patrouille an und gemeinsam stürmten sie aus der Höhle. 

Auf dem Weg zur großen Versammlung hatte Funkenpfote genug Zeit, ihre Gedanken zu ordnen. Sie beschloss, ihre Begegnung mit dem seltsamen Steinbock erst einmal für sich zu behalten. Es war einfach zu .. unglaublich, zu schockierend. Sie musste dieses Erlebnis erst einmal selbst verarbeiten, bevor sie es ihren Clankameraden zumuten konnte. Doch was sie tun würde, war, Krähenfluch ihren Argwohn mitzuteilen und ihn zu bitten, ausführlich mit Himmelssturm zu sprechen. Sie mussten verhindern, dass er Knochen vertraute, ihn gar länger im Clan behielt. Funkenpfote zweifelte keine Sekunde mehr daran, dass das Erscheinen dieses Einzelgängers nichts Gutes bedeutete. Auch fasste sie den Entschluss, mit ihrer Schwester zu reden. Himmelssturm hatte sie für diese Versammlung im Lager gelassen, wahrscheinlich fürchtete er die Reaktion der anderen Clans auf ihr rekonstruiertes Bein. Funkenpfote konnte nur zustimmen. Es war eine gute Entscheidung gewesen. Wenn es selbst für die GipfelClankatzen immer noch ein Schock war, die schwarzen elastischen Fäden ihres Beins zu sehen und sie deshalb weiterhin einen großen Bogen um Knochen und Nebelpfote machten, dann konnte sie sich die Panik vorstellen, die auf der Großen Versammlung ausbrechen könnte. 

Diese Nacht kam der GipfelClan als Letzter im Blütenmeer an. Der wilde MoorClan-Geruch und der süßliche Geruch der HeideClankatzen füllte bereits die Nachtluft an und als Funkenpfote durch den Lavendel auf die Insel sprang, saßen Rauchwind und Birkenpelz bereits auf einem großen Erdhaufen, den der GipfelClan vor zwei Monden entstehen hat lassen, als die Hauskätzchen unter ihnen ihre Halsbänder abgelegt hatten. Erstaunt stelle sie fest, dass keine der anwesenden Katzen noch ein Zeichen ihrer Zweibeiner hatten. 

Deswegen ist der Haufen auf einmal so groß! Sie haben alle bereits ihre Halsbänder vergraben!

Voller Stolz auf ihre Freunde aus den anderen Clans schnurrte Funkenpfote laut. Nun waren sie alle echte Krieger! 

Himmelssturm trabte gelassen in die Mitte und sprang mit einem Satz neben die anderen beiden Anführer. Sie begrüßten sich mit einem freundschaftlichen Reiben der Köpfe. "Sei gegrüßt Himmelssturm, du bist spät dran", miaute der grau schwarze Anführer des MoorClans. "Ja, es ist... einiges passiert", antwortete Himmelssturm verlegen und schnippte mit dem Schwanz, ein Zeichen, dass er später bei Beginn der Versammlung ausführlicher berichten würde. 

Funkenpfote war besorgt. War es klug, den anderen Clans von Knochen zu erzählen? Sie wusste keine Antwort auf ihre Frage, also entschied sie, den Smalltalk der Anführer zu nutzen um ihre Freundin zu suchen. 

Oh. 

Es war nicht nötig, sie zu suchen. 

Sie ragte zwei Köpfe aus der Masse heraus. 

Funkenpfote blieb die Spucke weg. Was zum Lemming war mit ihrer Freundin in den letzten Monden geschehen? 

Moospfote fühlte sich sichtlich unwohl. Sämtliche Katzen starrten sie an. Und zwar definitiv nicht freundlich. Ein großer Kreis hatte sich um die MoorClanschülerin gebildet, weil jeder versuchte, einen so großen Abstand wie nur möglich zu ihr herzustellen. Die Augen waren vor Schreck geweitet, Pelze ängstlich gesträubt. Selbst Funkenpfote konnte einen Anflug von Furcht nicht verhindern. Da fiel ihr Blick auf ein großes, fast katzengroßes Stück Fleisch.

Was hat sie da ihm Maul?

Plötzlich übertönte ein freudiges Miauen das unruhige Murmeln der Katzen und ein ihr nur zu vertrauter schwarzer Pelz schob sich durch die Menge und trat vor die riesige Schülerin. Sofort sprang auch Funkenpfote nach vorne und gesellte sich neben den Kater. "Hey, Rabenpfote", miaute sie schüchtern. "Ich wollte dir noch d..."

"Moospfote! Du bist ja riesig geworden", jaulte Rabenpfote laut und seine Augen funkelten vor Begeisterung. Verletzt hielt Funkenpfote inne und wandte sich stattdessen auch an Moospfote. "Hey, Moospfote!", begrüßte sie nun auch ihre Freundin, allerdings mit eine Hauch von Angst in ihrer Stimme. Sie konnte es nicht verhindern. Moospfote senkte ihren großen Kopf und ließ das saftig duftende Fleisch vor Rabenpfotes Pfote fallen. Sie schnurrte etwas verlegen. "Hey, ihr beiden! Ich bin so froh euch zu sehen!" Sie blickte traurig auf die restlichen Katzen, die sich immer noch misstrauisch bei ihren Anführern tummelten. "Wenigstens ihr habt keine Angst vor mir ..." "Natürlich nicht!", plapperte Rabenpfote munter drauf los. Sein Schwanz peitschte vor Aufregung wild hin und her. "Wie könnte ich Angst vor dir haben?", schnurrte er und auch Funkenpfote nickte bestätigend. Wie konnte sie sich nur vor ihrer besten Freundin fürchten? Sie schämte sich. Moospfote stupste nun den riesigen Fleischbrocken an und rollte ihn näher zu Rabenpfote. "Rabenpfote.., das ist für dich. Ein Uhu." Rabenpfote sah aus, als wäre er von einer Horde Steinböcke überrannt worden. Für einige Herzschläge stand er stocksteif und mit offenem Maul da. "Rabenpfote?", miaute Moospfote besorgt und streckte ihr Gesicht näher zu Rabenpfote. Dieser blinzelte, als wäre er gerade aufgewacht. Etwas genervt von Rabenpfotes Zögern fragte Funkenpfote: "Was ist ein Uhu? Scheint ja riesig zu sein!" Moospfote schnurrte auf ihre einzigartige, seltsame Art. "Das ist ein riesiger Waldvogel! Ich habe ihn gerupft, damit man ihn besser essen kann. Rankenpelz hat sich sehr gefreut, als ich ihr die weichen Daunenfedern für ihr Nest gegeben habe", erklärte Moospfote stolz. "Wooaaa...", hauchte Rabenpfote neben ihr begeistert und Funkenpfote beobachtete, wie er mit knallroten Ohrspitzen das Geschenk von Moospfote beschnupperte. Dann sprang der Kater vor und leckte Moospfote blitzschnell über die Schulter, bevor er sofort wieder schüchtern zurück sprang. "Danke, danke, danke, Moospfote!", jubelte er begeistert, doch Moospfote schüttelte lächelnd den Kopf. "Nein, Rabenpfote, ich möchte doch dir damit danken. Danke, dass du uns vor den Wölfen gewarnt hast. Tut mir leid, dass ich so ... naja..." Sie zuckte verlegen mit den Ohren. " .. so gemein zu dir war." 

Wölfe? Welche Wölfe? Was sind Wölfe? 

Funkenpfote fühlte sich ausgeschlossen. Vor ihrer Nase unterhielten sich ihre beste Freundin und der Kater, der sie gerettet hatte, als kannten sie sich schon ihr Leben lang. Als Rabenpfote dann verschwand und mit zwei weiteren HeideClanschülern zurückkam, ahnte es Funkenpfote bereits. 

"Krähenpfote, Nesselpfote: Das ist Moospfote! Moospfote, das ist mein Bruder Krähenpfote und das ist mein bester Freund Nesselpfote!" Die zwei Kater hielten sich respektvoll hinter Rabenpfote und starrten Moospfote mit offenem Maul an. Moospfote lächelte unsicher. "Hey... nett euch kennen zu lernen." 

Funkenpfote wollte sich ebenfalls vorstellen. "Und ich bin Fu..."

"Ich habe euch nicht zu viel versprochen, nicht wahr?", posaunte Rabenpfote stolz und stellte sich neben Moospfote, als wäre sie seine Schwester. 

Ein Stich fuhr durch Funkenpfotes Herzen. 

Als Rabenpfote anfing, die großartigen Eigenschaften von Moospfote zu schildern, wurde es ihr seltsam kalt. Die Augen des Katers, den sie seit zwei Monden so unbedingt wieder sehen wollte, leuchteten wie tausend Sterne, als er von ihrer besten Freundin schwärmte. 

Verstehe ...

Ein Schmerz, wie sie ihn noch nie zuvor verspürt hat, raubte ihr den Atem, schnürte ihre Kehle zu. Ein Schmerz, so sanft, so süß und doch so gewaltig. Tränen brannten in ihren Augen. Als der vertraute Ruf der Anführer über das Lavendelfeld hallte, flüchtete sie dankbar an die starke Brust ihrer Mutter und trocknete ihre Tränen unauffällig im weichen Fell der roten Kätzin. 

Rabenpfote liebte Moospfote. Und sie hatte er nicht ein einziges Mal angesehen. 


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