Es ist okay, einfach nur man selbst zu sein

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Liebe G,

was ich dir noch sagen wollte: "Es ist okay, einfach nur man selbst zu sein."

Es ist sicher nicht einfach, in deiner Haut zu stecken. Ich kann und möchte mir eigentlich gar nicht vorstellen, wie es war in deiner Familie aufzuwachsen. Die Unsicherheit, die Unvorhersehbarkeit, die Unberechenbarkeit, ohne Halt und ohne einen Blick für dich. Für das was du brauchst, gebraucht hast, gebraucht hättest.

Deine Eltern sind wie sie sind. Sie haben sicherlich ihr Bestes gegeben. Nur war das eben nicht viel. Dein Vater verschwunden. Deine Mutter zu sehr mit sich beschäftigt, um ihre Umgebung wahrzunehmen. Zu sehr mit ihrem eigenen Drama verstrickt, den ständigen Hochs und Tiefs, ihren Träumen und Alpträumen.

Nach jedem noch so kurzen Gespräch mit ihr habe ich Kopfschmerzen, bin verwirrt, weiß die Hälfte der Zeit nicht ob ich lachen oder weinen soll. Bin zutiefst beeindruckt, sowohl im Positiven als auch im Negativen.

Habe das Gefühl, einen Marathon gelaufen zu sein, so erschöpft bin ich von der konstanten Achtsamkeit auf jede noch so kleine Gefühlsäußerung, von der konstanten Anstrengung bloß nichts falsches zu sagen, von der konstanten Anspannung nicht zu wissen was als Nächstes passiert. Wie eine ständig tickende Zeitbombe, und niemand weiß was die nächste Explosion auslösen wird.

Du hast nicht nur kurze Gespräche mit ihr, du hast dein ganzes Leben mit ihr. Und du hast das Beste aus der Situation gemacht: Du hast gelernt, dich anzupassen. Du hast dich von dir selbst so weit entfremdet, dass du vollständig mit deiner Umgebung verschmelzen kannst. Wie ein Chamäleon. Nur nicht auffallen, bloß keinen Anlass zum Kritisieren geben, immer allen Erwartungen entsprechen. Die Zeitbombe in Watte packen und wie ein rohes Ei behandeln.

Du bist höflich, freundlich, immer genau so wie dein Gegenüber dich haben möchte. Du lächelst immer, widersprichst nie. Deine Anpassungsfähigkeit grenzt ans Gedankenlesen, früher hätte man dich Medium genannt: Du kannst dich an Gedanken und Gefühle deines Gegenübers anpassen, die derjenige selbst gar nicht bewusst wahrnimmt.

Du hast einen hohen Preis für diese Fähigkeit bezahlt: Du hast vollständig vergessen, was dich selbst ausmacht. Falls du es überhaupt jemals wusstest. Du weißt nicht wie du bist, was dir gefällt oder nicht gefällt, du weißt nicht mal wie du gerne sein würdest. Wenn man dich nach deinen Zukunftsplänen fragt, erzählst du jedem etwas anderes. Dasselbe bei deiner Meinung. Je nachdem wer fragt.

Es macht Gespräche mit dir ein Stück weit anstrengend. Manchmal regelrecht nervig. Wenn ich immer nur meine eigene Meinung hören wollte, würde ich mich mit einem Spiegel unterhalten. Hätte ungefähr denselben Effekt. Da ist mein Gegenüber auch immer mit allem einverstanden, was ich mache. Wenn ich gerade genauer drüber nachdenke, widerspricht mir mein Spiegel-Ich wahrscheinlich sogar öfters als du. Oder schaut mich mal kritisch an, statt immer nur konstant zu lächeln.

Du bist entschlossen, dich wieder zu finden. Herauszufinden was dich ausmacht. Es wird ein langer Weg. Aber es lohnt sich.

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