076 ** Projekt-Abschluss ** Sa. 14.12.2019

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Ich Töffel hab gestern vergessen, meinen Wecker auszustellen. Deshalb bin ich schon zu normalen Schulzeiten wieder wach.
Mist! Obwohl? Idee!
Ich mache mich startklar für den Tag und flitze zum Bäcker zwei Straßen weiter. Ich hole für die ganze Familie Brötchen und für Papa zwei Brötchen und ein kleines Brot. Auch Butter und ein Stück Käse bekomme ich dort. Damit sause ich wieder zurück. Ich schleiche mich durch die Zwischentüren in seine Küche und bereite ihm ein schönes kleines Frühstück vor. Dazu koche ich ihm eine Kanne Tee. Wie gut, dass ich von diesen Probentütchen gleich viel mehr gekauft habe.

Im Haus ist es völlig still, also gehe ich davon aus, dass Papa noch schläft.
Kein Wunder – er verbraucht grade soviel Kraft und muss trotzdem den ganzen Tag in die Firma und dort heile Welt spielen. Da soll er bloß ausschlafen.
Als letztes lege ich einfach ein Blatt Papier mit einem dicken Pfeil in Richtung Küche im Flur auf den Boden, damit er überhaupt merkt, dass da was ist. Dann flitze ich zurück auf die Seitz-Seite und schließe die Küchentüren wieder.
Hoffentlich freut er sich – und isst das dann auch ...

Es dauert noch eine Weile, bis hier alle zum Frühstück auftauchen. Und dann muss ich auch schon los zur Schule. Es fühlt sich ein bisschen seltsam an. Bei der Survival-Woche hatte ich den Sonnenstich, Anni hat mich zurück zur Herberge gebracht, wir haben uns geküsst. Und zwei Tage später gabs am Bus den großen Knall. Seitdem sind wir Achterbahn gefahren. Aber das ganze komische Liebesding ist nunmal mit dem Survival-Projekt verbunden.

Ich packe noch den Brief ein, den Antoine der Gruppe extra für diesen Tag geschrieben hat, denn er kann ja nicht dabei sein. Dann radele ich los. Unterwegs treffe ich auf Moritz und Paul.
„Jungs, tut ihr mir einen Gefallen? Das wird nicht leicht heute für Anni und mich. Könntet ihr ein bisschen auf uns aufpassen?"
Die beiden grinsen in sich rein.
„Klar, machen wir!"

Pünktlich um 10.00 Uhr sitzen wir elf Schüler und die drei Lehrer in der Sporthalle. Die Stimmung ist total locker, alle sind gut drauf, die Vertrautheit, die in der Projekt-Woche entstanden ist, stellt sich sofort wieder ein. Wir steigen schnell ein, wiederholen einige der Übungen von den Tagen zuvor und bekommen noch ein paar neue Sahnehäubchen obendrauf. Meistens redet Frau Tucher, was es für Anni und mich leichter macht. Und die üblichen Albernheiten gehen in dieser Gruppe von allen aus, so dass Anni und ich nicht irgendwie auffallen. Denn natürlich laufen wir auch heute wieder zu großer Form auf.

Um 2.00 Uhr machen wir dann eine Mittagspause. Anni und Frau Tucher verkrümeln sich auf eine der großen Matten, reden und kuscheln.
Hoffentlich heißt das nicht, dass es Anni mit diesem Tag heute total schlecht geht.
Kurz darauf rutscht Dr. Fahrendorf neben mich auf die Bank.
„Wie geht es dir, Max? Du wirkst deutlich entspannter und zuversichtlicher als im Oktober und November."
„Hmmm. Bin ich auch. Dass Frau Hartmann weg ist, hat unglaublich viel Druck rausgenommen. Aber es gibt noch mehr schönes. Denn mein Vater wird tatsächlich nächste Woche in eine Klinik gehen und gründlich Therapie machen. Wir haben jetzt alle die Hoffnung, dass es sich dahingehend entwickelt, dass meine Stiefmutter und ich wieder nach Hause können."

„WOW! Mensch, Max, das freut mich ganz unglaublich für dich. Wenn eine Familie so plötzlich so auseinanderfällt, das ist einfach schrecklich. Wir waren uns alle nicht sicher, ob du das überstehen würdest. Jetzt kann es aufwärts gehen, und du bekommst ein bisschen den Rücken frei fürs Abitur."
„Wer ist 'wir'?"
„Jenny, Toni, ich. Herr Erdmann als Stufenleiter hat dich auch gut im Blick. Keine Sorge, wir haben nicht dauernd oder mit ganz vielen über dich geredet. Aber wir wollen alle, dass du das schaffst. Und deshalb haben wir einfach ein Auge auf dich."
„Hm. Vor vier Monaten hat mich das ganz tierisch gestört. Aber dann kamen die ganzen Hartmann-Kisten und der Rauswurf. Inzwischen weiß ich, dass ich dieses halbe Jahr ohne mein menschliches Korsett überhaupt nicht überstanden hätte."

Und das stimmt auch. Vor vier Monaten habe ich Anni noch fast die Augen dafür ausgekratzt. Jetzt klingt es richtig, und ich bin sehr dankbar für alles.
Wir essen noch unsere Stullen auf und packen unseren Privatkram wieder in unsere Taschen.

Frau Tucher kommt aus der Ecke und pfeift uns zusammen. Aber ich habe ja noch den Brief von Antoine.
„Frau Tucher, dürfte ich gleich noch was sagen?"
„Klar, Max. Mach ruhig."
Alle setzen sich wieder in den Bänkekreis, und ich hole Antoines Brief aus meiner Tasche.
„Leute, wir haben Post. Von Antoine. Ich würde euch den Brief gerne vorlesen. Nachher rennen wir doch alle auseinander."
Sofort habe ich die Aufmerksamkeit aller. Also mache ich den Umschlag auf und hole den Inhalt raus. Außer einem größeren Briefbogen fällt mir noch ein zusammengefaltetes Blatt mit der Aufschrift „Max und Sebastian" in die Hände.

Als ich den Brief vorlese, ist es ganz still, und so wie die alle kucken, interessieren sie sich wirklich dafür, wie es Antoine geht. Er schildert ein bisschen, wie seine Therapiegruppen ablaufen, was er in seiner Freizeit macht, dass er einen tollen Zimmergenossen hat. Und er reflektiert für sich und für uns die Survival-Woche – wie es ihm damit ging, wie gut es ihm mit dieser Gruppe gegangen ist, schreibt ein paar Dankesworte an die Lehrer, die ihm in der Woche und seitdem so toll geholfen haben. Da atmen natürlich alle auf.
„Grüß ihn, wenn du antwortest. Wir vermissen ihn heute. Er gehört immernoch dazu!"
„Klar, mach ich."

Frau Tucher übernimmt wieder das Wort.
„So langsam neigt sich unser Projekt dem Ende zu, und ich muss sagen: jeder weitere Jahrgang wird sich echt ins Zeug legen müssen, um euch zu toppen. Jeder einzelne Tag hat viel Spaß gemacht. Ihr seid zu einer fantastischen Gruppe geworden und habt viel miteinander ausgehalten. Dass euch Antoine immernoch so wichtig ist, ist nur ein Zeichen dafür.
Wir würden jetzt gerne mit euch das Projekt reflektieren und euch dann am Ende noch allen eine Aufgabe stellen, die ihr einfach für euch erfüllen könnt. Dazu haben wir wieder große Bögen vorbereitet, damit wir Lehrer hinterher in Ruhe nachlesen können, was davon uns betrifft. Und was wir beim nächsten Mal vielleicht anders oder besser machen sollten."

Sie legt große Flipp Chart-Bögen auf den Boden und Stifte dazu. Wir laufen rum und schauen uns die Überschriften an. Sehr schnell kommen alle ins Schreiben. Wir können uns äußern zu den einzelnen Tagen und zu der Woche. Zu den praktischen Übungen, zur Methodik der Lehrer, zum Freizeithaus, zur Gruppe, zu uns selbst. Die Bögen füllen sich schnell, weil wir einfach alle so viel dazugelernt haben über uns selbst.

Auf dem Bogen für die Lehrer steht sehr viel Lob. Dass sie sich so super auf uns eingestellt haben, dass sie niemand zu etwas gezwungen haben. Dass es ein echtes Abenteuer und manchmal ganz schön eng war, dass sie sich aber immer sicher gefühlt haben. Bernd schreibt, wie gut es ihm getan hat, Dr. Fahrendorf an der Seite zu haben. Und wie besonders es für ihn war, nicht ausgelacht zu werden dafür, wie viel Hilfe er brauchte.
„Wenn Antoine mich da nicht rübergetragen hätte, stünde ich wahrscheinlich heute noch dort ..."

Viele loben das Freizeithaus, Freddy und seine Frau und die kreativen Übungsstationen auf dem Gelände. Eine bedankt sich, dass wir endlich mal für voll genommen und nicht mit einer kindischen Sperrstunde traktiert wurden. Auf dem Plakat zur Gruppe steht: „Toll, dass das mit den Tischdiensten geklappt hat. Da hatte ich am Anfang meine Zweifel."

Eine Weile reden wir miteinander über all das Geschriebene und auch über das, was Antoine in seinem Brief dazu beigetragen hat. Ein Blick zur Uhr – wir haben noch eine halbe Stunde. Eigentlich schade. Ich glaube, ich habe in diesem Projekt mehr über mich, über Gruppengefüge, über Solidarität und über Vertrauen gelernt als in meiner gesamten Schulzeit vorher zusammen. Ich fühle mich irgendwie ... reifer. Klarer.
Bei mir kam ja noch ganz viel obendrauf. Aber insgesamt würde ich sagen, dass eigentlich alle jungen Menschen sowas machen sollten, damit sie besser fürs Leben gerüstet sind.

Jetzt ergreift Anni auch mal das Wort.
„So, ihr Lieben! Jetzt müssen wir gleich in dieser Zusammensetzung Abschied voneinander nehmen. Aber einen Vorschlag haben wir noch."
Sie holt eine riesige Tasche und fördert daraus lauter kleine Schatztruhen zum Vorschein.
„Holt euch doch bitte alle mal so eine Truhe."
Ein paar stehen auf und verteilen die kleinen Truhen. Neugierig betrachte ich meine. Die sind scheinbar aus Pappe und dann mit viel Liebe zum Detail wie Holztruhen angemalt.
„Macht mal auf."
Sofort gehen alle Deckel auf. Drinnen liegt ein kleiner Stapel gefalteter Zettel, ein extra kleiner Feinliner und ein geschliffener Glasstein.

„Eure Erinnerungen an dieses Projekt sind für euch wie Schätze. Wir möchten euch zu allerletzt einladen, euch gegenseitig Briefe zu schreiben. Die kann dann jeder in seiner Truhe aufbewahren wie weitere Schätze. Wer will, legt ein paar Fotos oder aufgesammelte Teile mit dazu. So geht euch dann dieses Erlebnis nicht so schnell wieder verloren im Abitur-Alltag. Ein paar Minuten habt ihr jetzt noch, falls ihr gleich was schreiben wollt. Und dann könnt ihr die Briefe zu Hause weiterschreiben und euch in der Schule gegenseitig geben. Sucht euch einfach einen gemütlichen Platz hier in der Halle und fangt an. Wir Lehrer haben auch Briefe geschrieben, die sind schon drin in den Truhen."

Einige stehen auf und verkrümeln sich auf die großen Matten oder in den Geräteraum. Auch die Lehrer fangen an zu schreiben. Ich selbst lege mich einfach in eine Ecke und denke nach, was ich den anderen sagen könnte. Aufschreiben werde ich das in Ruhe zu Hause.

Die drei Lehrer stellen sich am Hallenausgang auf und verabschieden sich von jeder und jedem persönlich. Also packen auch wir unseren Krempel und gehen nach draußen. Anni und ich verabschieden uns nur mit „bis nächste Woche". Aber die beiden anderen haben nochmal ein persönliches Wort für mich. Frau Tucher zwinkert mir zu.
„Die Hälfte von diesem wahnsinnigen Jahr und ein Drittel von deinem schönsten Ziel hast du bereits geschafft. Vertrau darauf, dass du den Rest auch noch schaffst. Du bist großartig, Max."
Mir fallen bald die Augen aus dem Kopf.

So offen vor allen! Ich fress'n Besen, wenn mich jetzt keiner fragt, was mein schönstes Ziel ist!
Ich kann nur stammeln und würde mich am liebsten unter einer Tarnkappe verstecken.
„D.Danke!"
Aber die meisten scheinen nichts davon mitgekriegt zu haben.

Puh!

Dr. Fahrendorf lächelt mir zu.
„Ich fand es ungeheuer schade, dass du bei der Tour nicht bis zum Ende dabei sein konntest. Aber sogar dann warst du für die Gruppe total wichtig, besonders für Antoine. Ich bewundere deine Ausdauer, deinen Mut und deinen Sinn für die Gemeinschaft. Und ich freue mich sehr für dich, dass es jetzt aufwärts geht."
„Danke! All Ihre Unterstützung bedeutet mir sehr viel."

Ich bin froh, als ich endlich raus darf. Draußen schnappe ich mir gleich meine Kumpel. Wir beraten kurz, was wir wegen Weihnachten unternehmen könnten und trollen uns dann nach Hause.
Papa wartet auf mich.

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30.11.2020

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