144 ** „Sänk ju for trävelling wiss deutsche Bahn" ** Mi. 20.5.2020

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Der Koffer steht schon oben" sagt sich so leicht.
Das Packen hat mir echt Kopfzerbrechen gemacht.
Was wird in diesen viereinhalb Tagen alles passieren? Mit mir? Mit Anni? Mit unserer Beziehung? Ein Appartment mit zwei Einzelbetten in einem Raum. Keine Ahnung, was daraus wird. Vielleicht ja gar nichts, einfach nur noch mehr vertraute, persönliche Stimmung. Unser sanftes Tempo, unsere innere, seelische Nähe sind mir ja viel wichtiger, und es fühlt sich auch richtig an. Wahrscheinlich mache ich mir viel zu viele Gedanken. Aber – ei, ich weiß nichtmal, ob Anni die Pille nimmt! Wenn Anni so weit ist, möchte ich nicht derjenige sein, der auf einmal bremsen muss. Ahhhhh – was'n Krampf! ...

... Genau. Krampf. Unsere Beziehung darf alles sein, nur kein Krampf. Also sollte ich für alles gerüstet sein und dann locker abwarten.
Und wer weiß, was der Samstag Abend bringen wird. Ich habe von Papa so viel Geld zum Führerschein dazu bekommen, dass ich für diesen einen Abend was besonderes rausgesucht und dafür ausnahmsweise mal richtig tief in die Tasche gegriffen habe. Ich will Anni nach Strich und Faden verwöhnen. Die Hauptsache ist, dass ich gelassen durch diese Tage gehe und das auch ausstrahle. Dann fühlt sie sich am wohlsten.

Auf dem Heimweg von der Fahrschule bin ich gestern an einer Apotheke vorbei gekommen und spontan reingesprungen. Die Kondome waren in einem etwas an der Seite versteckten Regal. Ich hab in aller Ruhe die bunten Packungen und noch bunteren Versprechen studiert und sofort beschlossen, auf jegliche Düfte oder Geschmäcker zu verzichten. Ich habe mir kleine Packungen in zwei verschiedenen Größen gegriffen - keine Ahnung, was ich brauche ... -, hab bezahlt und bin endgültig nach Hause gesaust.

Heute geht es endlich los. Fünf Tage zusammen mit Anni! Gleich bringt mich Onkel Thorsten samt Koffer zur Fahrschule, weil ich direkt nach der Theorieeinheit von dort wegstürzen muss. Ich drehe eine Blitzrunde durchs Bad, ziehe mir frische Klamotten an, greife meinen Koffer, setze den Rucksack auf und mache mich auf den Weg. Als ich an der Küche vorbeikomme, zwinkert Tante Jana mir zu.
„Hab ein ganz tolles Wochenende und viel Spaß, Max."
Einer spontanen Eingebung folgend greife ich in die Seitentasche vom Koffer, mache die zwei Schritte in die Küche und schließe die Tür. Dann halte ich Tante Jana die Kondome unter die Nase.
„Sollte hier irgendjemand sich Sorgen machen – ich habe keine Ahnung, was kommt, ich werde es nicht drauf anlegen. Aber für den Fall bin ich vorbereitet. Ist das o.k.?"

Tante Jana fängt an zu lachen, nimmt mir die Dinger aus der Hand und schiebt sie mir zurück in die Jackentasche.
„Ha! Ich hab die Wette gewonnen. Thorsten und ich haben gestern Abend überlegt. Und genau damit hatte ich gerechnet. Du gibst nicht Gas, aber du bist verantwortungsbewusst und vorbereitet."
Ich kann grade nicht sehr intelligent aussehen.
„Äh ... - WETTE???"
Immernoch lachend nimmt sie mich in die Arme und schiebt mich dann zurück in den Flur.
„Sieh zu, dass du Land gewinnst. Thorsten wartet schon im Auto auf dich."

Hmpf. Tolle Antwort.
Aber dann fange ich auch an zu lachen, während ich meinen Koffer auf die Rückbank schwinge und mich auf den Beifahrersitz plumpsen lasse.
Eigentlich – wäre es seltsam gewesen, wenn von ihr KEIN solcher Spruch gekommen wäre.
Mein herzallerliebster Onkel versucht an den nächsten drei roten Ampeln, den Grund für meine Heiterkeit aus mir rauszustarren, aber ich werde einen Teufel tun, ihm DAS Gespräch von eben zu wiederholen! Also bleibt ihm nichts anderes übrig, als einfach weiterzufahren.

Die Theorie zieht sich heute schier endlos, aber um 12.00 Uhr bin ich dann doch erlöst. Als ich am Hauptbahnhof die Etagen von den Bussen hoch auf unser Gleis gelaufen bin, strahlt mir Anni entgegen und gibt mir mit glücklichem Glitzern in den Augen einen fetten Schmatzer auf die Wange. Sie hat auch schon den Wagenstandsanzeiger studiert und lotst mich direkt in den wartenden Zug nach Berlin. Wir finden schnell unsere Plätze und richten uns ein. Während Anni ihren Koffer ins Gepäcknetz hebt, hole ich die Verhüterlis aus meiner Jackentasche und stecke sie zurück in die Seitentasche vom Koffer.

„Bist du eigentlich noch irgendwie zum Essen gekommen, Max?"
„Nö. Ich musste echt Gas geben. Warst du nach der Schule noch zu Hause?"
„Ich bin auch direkt hergekommen. Ich war echt dankbar, dass heute diese Puppentheater-Aufführung in der Aula war und die Direx mir erlaubt hat, schon vorher zu gehen. Meine beiden Pädagogen werden das sicher gut hinbekommen haben, und ich musste nicht hetzen. Ich habe sogar noch Zeit gehabt, einen Bäcker und eine Pommesschmiede hier im Bahnhof zu plündern. Wir werden also nicht verhungern."
„Wollen wir gleich was essen? Wann sind wir denn in Berlin?"
Auf dem Bahnsteig dröhnen Lautsprecheransagen. Eine Pfeife ertönt. Der Zug fährt an. Während Anni ihre „Beute" auf dem Tisch vor uns ausbreitet, denkt sie kurz nach.
„Bis Berlin sind es knapp vier Stunden. Und da sitzen wir dann erstmal fast 'ne Stunde rum."
„Och. Bei der Pünktlichkeitsrate der Deutschen Bahn ist das vielleicht gar nicht so verkehrt."

Hätte ich doch bloß meinen Mund gehalten!
Kurz hinter Hannover holt es uns ein.
„Meine Damen und Herren! Aktuell haben wir sieben Minuten Verspätung. Grund hierfür ist eine Umleitung wegen eines Oberleitungsschadens. Wir bitten hierfür um Entschuldigung. Unsere aktuelle Verspätung beträgt sieben Minuten. Alle Anschlusszüge in Wolfsburg werden erreicht."
Bei der nächsten Durchsage sind es schon fünfzehn Minuten.
„Wir bitten hierfür um Entschuldigung."
Wegen dieses „Oberleitungsschadens zwischen Hannover und Wolfsburg" werden wir durch die Karpaten umgeleitet, von irgendwelchen Anschlusszügen in Wolfsburg, Magdeburg und Co. ist vorsichtshalber nicht mehr die Rede. Hinter Wolfsburg -
„Wir bitten hierfür um Entschuldigung." -
sind es dann schließlich -
„Wir bitten hierfür um Entschuldigung." -
siebenundzwanzig Minuten.
„Grund hierfür sind die uns vorausfahrenden Züge."
Ach neee ...

Wir verbringen die Stunden damit, uns gegenseitig von unserem Alltag zu erzählen, der uns ja grade beide fest im Griff hat. Wir stoßen mit Plastikwasserflaschen auf die gemeinsame erfolgreiche Bewerbung am Folkwang in Werden an. Wir reden über unsere Sommerpläne. Wir kuscheln und dösen. So sind wir erst über eine halbe Stunde später in Berlin als geplant.
Wie gut, dass wir diesen Puffer haben!

Nur über uns reden wir heute überhaupt nicht. Aber es fühlt sich nicht krampfig an, es ist o.k. so. Wir haben vor einer Weile bei der Planung offen über die Hotelunterbringung geredet, und jetzt probieren wir das einfach aus. Wir haben auch seit Ostern nicht mehr über das Denkmal gesprochen oder über das Kreuz. Aber immer, wenn wir beisammen sind, dann achten wir gut aufeinander und reden viel über das, was wir grade spüren oder möchten. Ich lerne allmählich, es natürlich und normal zu finden, ohne Scham alles auszusprechen. Und ich bin glücklich, wie viel uns die beiden Tage an Ostern für unser gegenseitiges Verstehen und Unterstützen gebracht haben.

Die zweite Etappe von Berlin nach Prag wird dann allerdings ziemlich zäh. Nochmal vier Stunden, nochmal was essen, ein bisschen Abwechslung durch eine Passkontrolle, dösen und kuscheln. Irgendwann schläft Anni, an meine Schulter gelehnt, einfach ein. Ich lasse sie vorsichtig auf meinen Schoß rutschen und mache es ihr dort mit unsren Jacken bequem. Ich genieße es, ihr beim Schlafen zuzusehen. Ihr Gesicht ist dann nicht nur zufriedener und entspannter. Sie sieht dann auch irgendwie ... jünger aus? Unbeschwerter. Freier und glücklicher. Als hätte sie dieses wasauchimmer-Paket nicht zu tragen.

Als wir schließlich um 21.36 Uhr in Prag aus dem Zug steigen, haben wir beide für heute genug rumgegammelt. Bevor wir mit unseren müden Köpfen noch versuchen, uns in dieser fremden Stadt zu orientieren, gönnen wir uns lieber ein Taxi, das uns schnell zu unserem Appartment-Hotel bringt, checken ein und erkunden unser Quartier. Annis Eltern haben sich echt nicht lumpen lassen. Das ganze Hotel ist ansprechend ausgestattet, und unser Appartment ist wie ein kleines Penthaus mit großer Dachterrasse. Wir einigen uns schnell wegen der Betten, räumen unsere Sachen in den Schrank und lassen die Koffer verschwinden. Dann sieht es morgen, wenn wir die Augen aufklappen, nicht so nach Improvisation und Unordnung aus.

Hand in Hand stellen wir uns ans Geländer unserer Terrasse und bestaunen den nächtlichen Anblick der still dahin fließenden Moldau, die vielen alten, beleuchteten Brücken und die mächtige Burg mit dem angestrahlten Veitsdom in der Mitte, die auf dem gegenüber liegenden Hügel liegt.

Anni lehnt sich an mich und entspannt sich. Ich muss mir auf einmal das Kichern verkneifen. Manchmal wird meine supertolle Power-Frau zum romantischen, anschmiegsamen Kätzchen, und der Wechsel kommt in der Regel so plötzlich, dass ich immer richtig im Kopf einen Schalter umlegen muss, um mich darauf einzustellen. Eben noch hat sie energisch gewirbelt und für Ordnung gesorgt. Jetzt einen Augenblick später kann ich sie förmlich schnurren hören. Ich lege meinen Arm um sie, und sie passt sich an wie weiches Wachs.
„Was denkst du grade, Max?"
„Dass du ein Wunder bist. Nein. Du bist ganz viele Wunder. Und jedes einzelne ist ein Geschenk an mich."

Staunend hebt sie ihr Gesicht zu mir und sucht irritiert in meiner Miene nach einer Erklärung.
„Wie? Ich bin ganz viele Wunder."
Ich lehne mich ans Geländer und ziehe sie in meine Arme.
„Du bist die Power-Frau, der Frechdachs, die souveräne Lehrerin, der kühle Kopf, die Sportskanone, eine Herausforderung, ein schnurrendes Kätzchen, eine Tüftlerin, eine hochsensible Seele, pure Energie und wunderschön. Du bist so viel und noch viel mehr. Und all das schenkst du mir. Ich bin der reichste Mann der Welt!"
Ihre Augen werden immer größer bei dieser Aufzählung, ihr Gesicht wird immer weicher. Irgendwann schließt sie genussvoll ihre Augen, und ich nehme das mal als Aufforderung. Ich glaube, dieser magische Moment wird als sanftester, zärtlichster Kuss ever in die Weltgeschichte eingehen.

„Anni?"
„Ja?"
„Mein Kopf ist grottenmüde, aber mein Körper kann noch nicht schlafen. Mir fehlt Bewegung. Wollen wir uns kurz an der Moldau die Beine vertreten?"
Anni nickt, wir ziehen uns leichte Jacken über, und dann machen wir uns auf nach draußen. Es sind nur ein paar Schritte ans Ufer der Moldau. Auch von hier haben wir wieder einen tollen Blick auf die Brücken und die Burg.
„Am liebsten würde ich jetzt alleine da oben rumlaufen. Es sieht fast magisch aus."
Ich schüttele den Kopf.
„Ich fürchte, sooooo wach ist mein Körper dann doch nicht mehr. Ich vermute, dass es ein ganzes Stück zu laufen ist, bevor wir da oben sind. Wir sind bestimmt nicht die einzigen, die das lange Wochenende für so einen Städtetrip nutzen. Aber wir werden schon unsere Nischen finden, wo wir nicht gleich im Gewühl untergehen."
„Dann lass uns jetzt ins Bett gehen, damit wir nicht morgen den halben Tag vergammeln vor lauter Müdigkeit."

Wir schlendern zurück, und kaum haben wir unsere Appartmenttür hinter uns geschlossen, trete ich die Flucht nach vorne an.
„Wer geht zuerst ins Bad?"
Anni lächelt und verschwindet hinter der Tür. Ich greife mir schonmal meinen Schlafanzug und checke mein Handy. Nichts Wichtiges außer ein paar guten Wünschen für unsere Zeit zu zweit von meiner Clique. Ich mache das Handy ganz aus. Nebenan plätschert es. Anni gönnt sich also wohl eine Dusche. Ich lege mich abwartend auf mein Bett.

Annis zarter Kuss auf meine Nase weckt mich wieder.
„Falsche Reihenfolge, mein Schatz. Erst Bad und umziehen, dann schlafen. Hopphopp!"
Ihre noch nassen Locken kitzeln mich im Gesicht. Ich muss niesen. Dann nutze ich die Gelegenheit und greife schnell zu. Anni quiekt vor Schreck ganz laut und fällt auf mich drauf, während ich sie tüchtig durchkitzele. Aber dann geht sie zügig zur Gegenoffensive über. Also drehe ich uns rum, springe aus meinem Bett und flüchte mitsamt Schlafanzug ins Bad. Kaum habe ich den Drehknopf rumgedreht, höre ich sie draußen flüstern.
„Na warte!"

Nach einer entspannenden Dusche nebst Knabberleiste polieren rubbele ich mir die Haare einigermaßen trocken, damit sie mir morgen nicht in alle Richtungen abstehen. Dann schleiche ich zur Badezimmertür und lausche.
Stille.
Ein Blick durchs Schlüsselloch. Im Appartment ist das Licht aus.
Ups. Kein gutes Zeichen ... Was mache ich denn jetzt???
Ich versuche, den Drehknopf am Schloss möglichst geräuschlos zu drehen. Das klappt aber leider nur so halbwegs. Anni ist also gewarnt.

O.K. Womit rechnet sie wohl? Dass ich rausrenne? Dass ich zur Seite schleiche? Hm.
Ich schaue mich nochmal sorgfältig im Bad um, damit ich mich notfalls auch im Dunklen orientieren kann, ziehe meine Socken wieder an, damit meine Schritte nicht zu hören sind, lösche das Licht und stelle mich neben der Tür direkt an die Wand. Ich öffne leise die Tür und lausche. Nichts zu hören.
Mist, die ist geschickt.
Ich warte eine Weile – da knackt ein Knöchel. Links von der Tür. Ich stoße die Tür ganz auf. Und schon kommt Anni ins Bad geschossen. Bevor sie noch nach dem Lichtschalter suchen kann, bin ich aus dem Bad raus und mache nun die Tür von außen zu.

Ich kann ja nicht abschließen. Aber ich kann die Tür einen Moment zuhalten, damit ich mit der anderen Hand Licht machen und mich auch hier nochmal orientieren kann. Hinter der Tür höre ich Anni gleichzeitig lachen und schimpfen. Licht wieder aus und ab unter den Seitentisch mit der tiefgezogenen Tischdecke. Denn suchen wird sie mich in einem der Betten oder auf der Dachterrasse. Vielleicht noch im Schrank. Und genau so kommt es dann auch. Anni kommt aus dem Bad, macht das Licht an, wühlt kurz durch beide Betten, schaut in den Schrank und rennt dann auf die Dachterrasse. Den Moment nutze ich, um jetzt doch in mein Bett zu hüpfen und schon wieder das Licht auszumachen.

Gleich darauf sehe ich Annis dunkle Silhouette in der Terrassentür. Jetzt ist sie wohl etwas ratlos offensichtlich. Zögerlich kommt sie auf mein Bett zu. Im richtigen Moment schnappe ich sie mir und ziehe sie runter in meine Arme. Ihr erschrockenes Quietschen geht über in einen genussvollen Kuss. Ihre Augen glitzern mir im Dunklen entgegen, als ich mit ihr im Arm aufstehe, sie zu ihrem Bett trage, sie hinlege und zudecke. Ich flüstere beinahe.
„Schlaf gut, mein Wunder. Ich liebe dich!"
Nur ein Hauch ist zu hören.
„Ich dich auch, Max. Und wie!"

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6.2.2021

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