148 ** Flohmarkt Bleší Trhy ** Sa. 23.5.2020

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Schon vor ein paar Wochen haben wir beim Stöbern und Googeln festgestellt, dass es einen großen, regelmäßigen Flohmarkt in Prag gibt. Damit war dann das Programm für Samstag Vormittag entschieden. Wir schlafen zwar aus, lassen uns heute aber mit dem Frühstück nicht ganz so viel Zeit, sondern laufen zügig zu der U-Bahn, die uns zur Bleší Trhy bringt. Als wir aus der Erde auftauchen, müssen wir nur dem Strom der Menschen folgen. Jeden Samstag und Sonntag findet auf dem alten Industriegelände der größte Flohmarkt von Tschechien statt. Bald schon können wir, so weit das Auge reicht, nur noch Bullis, Pavillons, Tapetentische und jede Menge Menschen sehen. Das Gelände ist wirklich riesig.
Hier werden wir eine Weile beschäftigt sein ...

Touristen findet man hier wohl nur sehr vereinzelt, da das Angebot sich vor allem an Einheimische richtet. Ich kann um uns drumrum jedenfalls nur Tschechisch hören. Kein Deutsch, kein Englisch, nichts von dem, was uns in den letzten Tagen aus den üblichen Massen entgegenschallte. Hier gibt es wirklich alles: Antiquitäten, Sammlerstücke, Haushaltsgeräte, Kurzwaren, Autoreifen, Klamotten und eine ganze Menge Schrott. Kinder sitzen auf Decken und verkaufen ihre Comics oder Barbies, an der einen Seite sind einige Stände mit Kunsthandwerk. Kreative Menschen bieten hier ihre Werke an.

Zunächst lassen wir uns etwas ziellos mit der Masse treiben, bis wir kapieren, dass das Gelände sozusagen Abteilungen hat. Jedenfalls befinden sich die Textilien beieinander, die Haushaltswaren, die Elektronik. An dem einen oder anderen Stand können wir auch besondere Schätze für wenig Geld entdecken. Wir müssen uns echt an unseren Portemonnaies festhalten, denn alles, was wir heute kaufen, müssen wir in unseren Koffern wieder bis nach Hause bringen können. Also schlendern wir meistens in der Mitte zwischen den Ständen entlang. Nur, wenn uns etwas so richtig reizt, gehen wir näher ran.

Ich finde es spannend zu beobachten, wofür Max sich interessiert. Es ist mal wieder ein Stückchen kennen lernen. Mal sehen, ob er sich was kauft. Meistens flippt er sich durch Kisten mit DVD's. Oder er hat bei Lederjacken und Sportklamotten gebremst.

Ich stöbere vor allem in Secondhand Klamotten, ziehe manches über und mache dann für Max Modenschau. Wir albern uns richtig ein, und ich genieße seine Aufmerksamkeit. Max hat auch ein gutes Auge dafür, welche Farben mir stehen. An einem Stand sitzt eine Schneiderin, die aus alten Klamotten Unikate näht. Sie nimmt sich irgendeine alte Jeans und macht daraus eine stylische Umhängetasche. Sie verziert ein einfarbiges T-Shirt an einer Kante mit Minihäkelblumen in Kontrastfarben. Hier setzt sie aus einem anderen Stoff eine Tasche auf, dort näht sie ganz viele Knöpfe an. Jedes einzelne Teil ist eine Explosion an Farben und Ideen.

Jetzt muss ich mein Portemonnaie echt gut festhalten. Max sieht meine „Not", grinst und greift mit beeindruckender Treffsicherheit genau die Hose raus, der ich nun wirklich nicht widerstehen kann. Eine Used-Jeans mit ziemlich vielen Löchern, bei denen die Frau lauter verschiedene Stoffe, Gestricktes, Kunstleder, Samt und anderes dahinter genäht hat. Ich schmelze dahin, schlüpfe in die improvisierte Umkleide und probiere die Hose an. Sie passt wie angegossen. Max pfeift durch die Zähne, als er mich darin sieht.
„Frech. Also passt sie perfekt zu dir. Die MUSST du mitnehmen."

Ich wehr' mich ja schon gar nicht mehr ...

Allerdings möchte ich jetzt, dass wir auch für Max etwas finden. Ich beobachte ihn also weiter genau. Er scheint das zu merken. Irgendwann dreht er sich zu mir rum und grinst mich breit an.
„Na, weißt du schon, was ich suche?"
Ich bleibe ganz gelassen.
„Nö, du springst zuviel. Ich kann das noch nicht einkreisen. Aber es wird bestimmt nicht mehr lange dauern."

Und dann fällt mir etwas auf. Ich habe doch seine Facharbeit gelesen! Bei diesen ganzen verschiedenen Arten von Bewegungstherapien haben die Gründer dieser Methoden eigentlich immer mit bestimmten Gegenständen zur Unterstützung gearbeitet. Max hatte ein paar Fotos im Anhang seiner Arbeit. Hätte ich seinen Text nicht gelesen, hätte ich dieses Sammelsurium auf den Bildern niemals für etwas Sinnvolles, therapeutisch Wertvolles gehalten. Aber darum weiß ich jetzt ungefähr, was er eines Tages mal brauchen könnte.

Also fange ich zu seiner Verblüffung plötzlich an, wahllos lauter runde Gegenstände aus egal welchem Material zu kaufen. Bommeln, eine dicke Glaskugel, einen Spitzer in Form eines Globus, kleine Bälle, geflochten, gedrechselt, gehäkelt, aus Plastik, Holz, Stoff, Stein, Metall, schwer, leicht, lackiert, rau, mit Löchern oder ohne. Damit er nicht misstrauisch wird, nutze ich sein Interesse an manchen Tischen und Ständern, um einiges davon hinter seinem Rücken heimlich zu erstehen. Immermal, wenn er nicht hinschaut, wandert wieder etwas Rundes in meine Umhängetasche.

Dann brauche ich nur noch einen Korb oder eine große Schale und sammele bis zum Abi weiter Rundes. Dieses erste Therapiematerial schenke ich ihm dann zum Abi, sozusagen als Lockmittel für sein großes Ziel „Tanztherapeut".

Als Alibigeschenk kaufe ich ihm drei der DVD's, zwischen denen er sich nicht entscheiden kann. Die Tschechen synchronisieren wohl selten, und so hat er die große Auswahl zwischen allen deutschen und englischsprachigen Filmen.

Plötzlich knurrt mein Magen laut und vernehmlich. Max schaut mir mit großen Augen auf den Bauch und grinst mich dann an.
„Muss ich mich jetzt in Sicherheit bringen, oder ist der Wolf da drinnen Vegetarier?"
„Vegetarier. Bis zu einem gewissen Punkt."
„Dann sollten wir ihn schleunigst füttern, damit sich das nicht noch ändert!"
Lachend machen wir uns auf die Suche nach irgendeiner Fressbude. Heute essen wir mal Pizza von der Hand, während wir im Schatten einer Mauer auf ein paar Europaletten sitzen. Das ganze spülen wir mit Cola runter und entsorgen dann den Müll.
„Weiter gehts?"
„Weiter gehts!"
Ich schaue kurz zurück und muss leise lachen.
„Wenn wir in dem Tempo weitermachen, sind wir morgen Abend noch nicht durch. Schau mal. Den Bereich haben wir schon gesehen. Und daaaaaaaaas alles haben wir noch vor uns!"
Mit einer ausladenden Geste zeige ich über den deutlich größeren „Rest" des Marktes.
„Och, das schaffen wir schon. Schau mal – die Küchenmesser und die Autoreifen lassen wir aus. Die Vorhangstoffe und die Winterstiefel überspringen wir auch. In die Antiquitäten- und Möbelabteilung gehen wir gar nicht erst rein, die passen nämlich nicht in unsere Koffer ... Und den Rest schaffen wir locker bis zum Kaffee."

„Was machen wir eigentlich danach?"
Max schüttelt den Kopf.
„Darf ich zitieren? Hoffentlich ganz viel Spaß haben."
Hätte ich mir ja denken können. Aber einen Versuch wars wert.

Ich gebe Max ein schnelles Küsschen und wende mich der nächsten Doppelreihe zu. Wir scheinen in der Abteilung "Kinderklamotten" gelandet zu sein. Ich will schon zügig durchlaufen, aber Max bremst mich wieder.
„Stoooop, Süße! Ich bin doch jetzt großer Bruder. Und ich will nicht ganz so blöd dastehen. Lass mich mal kucken, womit man ein Neugeborenes alles so traktieren kann."
Ich bremse wieder ab, schlendere mit Max von Stand zu Stand und freue mich an seinem Eifer. Wir sehen unendlich viel Secondhand-Strampler, Jäckchen, Mützchen, Schühchen, Bodies und Co.

An einem dieser Stände warten wir ein Verkaufsgespräch ab. Wir verstehen kein Wort, aber die Ware, die da so genau unter die Lupe genommen wird, macht Max aufmerksam.
„Schau mal, diese Bodies sehen irgendwie anders aus als die mit den überkreuzten Schultern."
Die Kundin schüttelt nun doch den Kopf und geht weg. Die Verkäuferin legt frustriert ihre Bodies wieder zusammen.
„Excuse me, why are these bodies open?"
Max packt den Stier bei den Hörnern. Die Frau versteht sein Englisch und versucht, ihm das Prinzip zu erklären, indem sie eine Puppe greift.
„The normal bodies you must pull over the head. These bodies are open ..."
Sie klappt einen Body auseinander und legt die Puppe rein.
„So you can ... I don't know the word ... even if your baby is sleeping."
Sie steckt die Arme der Puppe in die Ärmel und schließt den Body, ohne dass sie einmal das „Baby" anheben oder rumrollen muss.

Max denkt einen Augenblick nach und strahlt dann.
„Ich glaube, Tanja hat solche nicht. Dabei ist das so praktisch!"
Er schnappt sich den ganzen Haufen und studiert die Größenangaben auf den Ettiketten.
„Is 5 pieces enough for each number?"
Die Frau überlegt einen Moment, was er wohl damit sagen wollte. Dann huscht ein Verstehen über ihr Gesicht.
„Yes. 5 or 6 is enouph. But ... these are eight in each number, so ... 24€ for all?"
„Schlag zu, Max. Damit kannst du nichts falsch machen. Ein Euro pro Stück ist nichts, und Tanja wird sich freuen."
Max bezahlt die Bodies und steckt sie in seinen Rucksack.
„Ich finde das auch besser. Wir haben schon drölfundsiebzig Kuscheltiere und vier Spieluhren geschenkt bekommen. Mit diesen Teilen kann Tanja doch viel mehr anfangen."

Drei Stände weiter kann ich bei einer knallroten superniedlichen Babymütze nicht wiederstehen.
„Schau mal, diese Krempe. Die MUSS mit! Und da vorne ist eine kleine Sonne drauf. Die ist jetzt bestimmt noch zu groß. Aber ich kann die ja sowieso erst schenken, wenn ich geoutet bin in der Familie, und dann passt sie hoffentlich im nächsten Jahr."

Irgendwie schräg. Ich habe frisch einen ganz jungen Freund, und selbst wenn das hält, ist noch für einige Jahre nicht an Kinder zu denken. Aber beim Anblick dieser ganzen Bonsai-Klamotten gehen sofort die Hormone mit mir durch. DAS sind dann wohl ECHTE Muttergefühle.
Ich verkneife mir ein Kichern, damit ich keine peinlichen Fragen von Max beantworten muss.
Aber ich finde es nicht schlecht, dass ich so nochmal bestätigt bekomme, dass ich für Max ganz bestimmt keine Muttergefühle hege. Nix Glucke und Küken. Mann!!!
Aber dass dieser Mann sich so auf diesen Babykram stürzt und mit so viel Bedacht wählt, erstaunt mich dann doch etwas.
Was wundere ich mich? Max IST besonders!

„Wollen wir noch wo anders stöbern, oder sind wir langsam genug beladen?"
Ich horche kurz in mich rein.
„Ich glaube, ich könnte jetzt noch ein bisschen Ruhe und Bummeln und ein Eis vertragen."
„Wird gemacht, Gnä' Frau!"
Wir winden uns zwischen den Menschen hindurch zum Ausgang vom Gelände und atmen erstmal auf.
„Und jetzt?"
„Hm. Die Gegend ist nicht so schön."
Ich studiere mal wieder den Stadtplan im Handy.
„Schau mal. Das ist die U-Bahn-Strecke. Und dieser Stadtteil sieht von oben nett aus. Lass uns zwei Stationen U-Bahn fahren und dann da wieder auftauchen. Wir machen jetzt einfach Bummeln im Blindflug."

Volltreffer. Die U-Bahn-Station ist direkt unter einem Platz mit Cafés und kleinen Boutiquen. Wir holen uns einen Kaffee, dann gleich nebenan ein Eis und setzen uns auf den Rand des Brunnens in der Mitte. Ein paar kleinere Kinder plantschen im Brunnenbecken und spritzen sich gegenseitig nass. Die Eltern dazu werfen entschuldigende Blicke um sich, aber da es auch heute ziemlich warm ist, beschwert sich niemand. Im Gegenteil, die paar Spritzer sind eine willkommene Abkühlung.

Ich halte eine Weile mein Gesicht in die Sonne und merke, dass ich dabei ganz schläfrig werde.
„Max? Ich bin müde. Lass uns zurück zum Hotel fahren, damit wir uns ausruhen können für ..."
Bedeutungsschwanger lasse ich meinen Satz unvollendet in der Luft hängen.
„... hoffentlich ganz viel Spaß haben."
Max freut sich wie ein Schneekönig, dass er mich schon wieder hat auflaufen lassen. Ich wuschele meiner Grinsekatze einmal feste über den Kopf, und dann machen wir uns auf den Heimweg.

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10.2.2021

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