(13/2) Hunger

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Valerio wies auf die Wand neben der Tür. "Steck die Fackel in die Halterung." Er griff zwei Leuchter, die darunter auf einem schmalen Tisch standen. "Hier", sagte er knapp und reichte ihm die schweren Teile. "Zünde das Feuer im Kamin an. Mach es dir gemütlich. Ich werfe uns in der Zwischenzeit etwas in die Pfanne." Und fort war er in Richtung der Tür, die sich am Ende des langen Eichentisches in der Wand befand.

Überrascht sah Magnus ihm nach. Zögernd stellte er die beiden Leuchter auf dem Tisch ab, zog eine der Kerzen aus ihrer Fassung und holte sich Feuer von der Fackel an der Wand. Dann setzte er sich an den Tisch, entzündete die Kerzen und steckte schließlich auch die letzte wieder an ihren Platz zurück.

Es war still. Nur der Wind raunte hinter den Fenstern am Ende des Raumes. Er sah zum Kamin hinüber. Sollte er es wagen, Feuer zu machen? Er war unsicher, ob er das schaffen würde - Die Höhlung des Kamins war so groß, er selbst hätte dort zweimal hinein gepasst... Die Feuerstelle erschien ihm zu offen, er hatte dort keinen Schutz... Machte er sich gerade lächerlich? Reiß dich zusammen, sagte er zu sich selbst und versuchte den Impuls zu finden, der ihn von seinem Stuhl aufstehen und es einfach tun ließ.

Er wartete. Er dachte nach, wippte nervös mit dem Bein, versuchte sich zu sammeln. Er beobachtete die Flammen der Kerzen, wie sie über dem Tisch in der Zugluft flackerten. Es war kalt. Und es war dunkel dort hinten, wo die Sessel standen.

Wenn Valerio zurück kam und sah, dass kein Feuer brannte - er würde wissen, dass er Angst hatte! Aber was sollte ihm denn passieren? Im Grunde glaubte er selbst nicht ernsthaft, dass er in Gefahr war, wenn er in diesem Kamin ein Feuer entzündete. Aber er hatte Angst vor der Angst. Sie war irreal, bewegte sich jenseits aller Logik und entzog sich jeder Kontrolle - und das war das Gefährliche: Angst scherte sich nicht um sachliche Überlegungen oder reale Fakten. Sie war der Geist, der einem erschien, obwohl man nicht an Geister glaubte. Und wenn das passierte, hatte man ein ernsthaftes Problem...

Zögernd stand er auf. Er nahm einen der Leuchter vom Tisch, ging auf knarrenden Bodendielen durch den Raum und bis zum Kamin hinüber. Unsicher stand er dort herum, hielt ratlos suchend nach den dünnen, trockenen Spänen Ausschau, die Valerio verwendet hatte, um sie unter die großen Scheite zu stopfen. Als er näher an die Feuerstelle trat, entdeckte er sie in einem Korb an der Seite. Zwei, drei Hände voll könnten genügen... Er platzierte den Leuchter auf dem Fußboden, so dass er genug Licht hatte und ihn aber nicht umwarf, wenn er vor dem Kamin kniete.

Die Späne waren trocken und würden es ihm hoffentlich leicht machen die dicken Buchenscheite zum Brennen zu bringen. Vorsichtig schob er mit einem der Holzabschnitte die alte Asche ein wenig nach hinten weg. Das raue Gefühl an den Handflächen, das Faserige und Spröde beruhigte seine Nerven irgendwie, als er sich beherzt zwei große Hände voll Späne griff und sie zu einem lockeren Haufen schichtete. Darüber brachte er drei kürzere Scheite zum Stehen, indem er sie aneinander lehnte.

Als er seine Konstruktion betrachtete, musste er unwillkürlich an das Indianerzelt denken, das der Großvater ihm damals gekauft hatte. Er hatte es bei ihm gelassen, weil er sich keinen besseren Platz für das Leben in einem Zelt vorstellen konnte als den weichen Rasen unter dem Birnenbaum, gleich neben dem Hühnergehege. Das Zelt war letztlich beim Großvater geblieben; er hatte die schönsten Sommer damit verbracht, wenn Lena im Ferienlager war und er seinen Großvater ganz für sich allein hatte.
Mit den Hühnern, die als Büffelherde herhalten mussten und dem Wasserschlauch, der eine gefährliche Giftschlange mimte, die er sich mittels Himbeereis zu zähmen wusste, hatte er eine phantastische Zeit abseits des traurigen und belastenden häuslichen Klimas gehabt. Wenn er in diesen Sommern gewusst hätte, wie schnell seine Schwester plötzlich aus seinem Leben verschwinden würde, er hätte die Zeit mit ihr besser genutzt.

Er stellte drei längere Scheite zu den anderen. Heute Nacht wollte er nicht an die problematischen Themen seines Lebens denken, er war belastet genug. Entschlossen kam er auf die Knie hoch, um in seinen Taschen nach dem Feuerzeug zu tasten, aber... er hatte ja keines mehr. Und auch keine Taschen, in denen er ein Feuerzeug mit sich tragen konnte. Diese Kleidung war so bequem, dass er bereits vergessen hatte, dass er sie trug; aber dass die Hose keine Tasche hatte, war ganz klar ein Nachteil. Wahrscheinlich hätte man damals sein Feuerzeug in einem Beutel am Gürtel aufbewahrt. Wenn es Dinge wie Feuerzeuge gegeben hätte.

Gut, es gab Schlageisen und Zunder, erinnerte er sich. Man hatte sie auf Reisen dabei... Plötzlich zuckte er heftig zusammen. Ein Bild stand ihm vor Augen - nein, nicht nur ein Bild, es war... eine Ansicht. Sehr klar und deutlich, begleitet von einer körperlichen Wahrnehmung. Er hatte einen Sattel und Bewegung unter sich gespürt! Einen ledernen Riemen in seinen Händen... Sein Blick war auf das Hinterteil eines grauen Pferdes gefallen. Und auf einen Männerrücken. Er hatte kein Gesicht gesehen, aber er wusste, es war Valerio.

Er fantasierte. Konnten das Nachwirkungen seiner Reise sein? Dieser Tag war endlos lang - jedenfalls kam es ihm so vor, weil er eine so intensive Strecke aus Valerios Leben nachempfunden hatte. Magnus seufzte müde. Heute würde er nicht lange wach bleiben, ganz bestimmt nicht! Er musste früh schlafen gehen. Er war vollkommen erledigt. Es musste nun Schluss sein mit diesen plötzlichen Bildern! Seine Wahrnehmung musst durcheinander geraten sein... überlastet vielleicht, überreizt. So erklärte er es sich. Wo war er noch mit seinen Gedanken gewesen? Richtig, bei der Hose. Das war ein Nachteil an diesen Hosen, dass sie keine Taschen hatten.

Eine Kerze würde den Zweck noch besser erfüllen als sein Feuerzeug, entschied er schließlich, streckte sich nach dem Leuchter und zog nochmals eine der Kerzen aus ihrer Halterung. Das tropfende Wachs beschleunigte das Anbrennen der Späne. Sie fingen Feuer.... und er selbst ebenso. Er gewann schnell Lust daran, die Späne zum Brennen zu bringen, was eine ganz neue Erfahrung war. Sollte er sein Problem tatsächlich überwunden haben - so schnell? Selbst seine Therapie hatte das nicht dauerhaft bewirken können, aber seit er hier war, geschah so viel Seltsames mit ihm. Vorsichtshalber wich er ein wenig zurück, als sich eines der kräftigen Scheite und dann auch das nächste entzündete und die Flammen zu knistern begannen.

Eine Weile saß er gedankenverloren auf dem Boden vor dem Kamin. Rückwärts auf beide Hände gestützt beobachtete er, wie sich die Flammen an den Scheiten hinauf fraßen. Als das Feuer die Späne restlos weggezehrt hatte, brannten alle Scheite bereits lichterloh.

Er konnte stolz auf sich sein - und er war so überrascht! Natürlich würde Valerio das nicht erfahren, er genoss es nur ganz im Stillen und für sich allein. Die Scham über sein Problem hatte er nie ganz abgelegt; aber er hatte auch keine Hoffnung gehabt, jemals vor einem so gewaltigen offenen Kamin Auge in Auge mit einem prasselnden Feuer zu sitzen, das er selbst eigenhändig entzündet hatte. Fasziniert lauschte er dem Rauschen und Knistern der Flammen, beobachtete mit Freude und einer abenteuerlichen Spannung im hungrigen Bauch, wie der Sog des Kamins die Flammen nach oben zog. Es begann nach Holz und Feuer zu riechen. Aber durch den herben Geruch des frisch angebrannten Holzes drang nun auch ein ganz anderer Duft an seine Nase: der armomatische Geruch frisch geschnittener Zwiebeln. Irgendetwas Gutes schien Valerio dort hinten zu brutzeln.

In heller Vorfreude griff er nach dem langen Ast, den auch Valerio verwendete, schob das brennende Holz ein wenig auseinander und legte ein weiteres, besonders dickes Scheit quer darüber. Dann raffte er sich auf, nahm den Leuchter vom Boden hoch und stellte ihn auf den kleinen Tisch bei den Sesseln.

Da er nicht wusste, wie er sich die Zeit vertreiben sollte, setzte er sich in seinen Ledersessel und starrte in die Flammen; eine bleierne Müdigkeit übermannte ihn, und bald hatte er Mühe die Augen offen zu halten. Er sollte sich vielleicht ein wenig bewegen, damit er nicht einschlief... Es war die Stille im Raum, die ihn so schläfrig werden ließ, dazu das gleichmäßige Rauschen der Flammen und die Wärme, die gegen seine Beine strahlte. Eine Unterhaltung mit Valerio würde dem sicher abhelfen. Und sicher würde er sich über Hilfe freuen, vielleicht gab es etwas für ihn zu tun. Tief einatmend brachte ein wenig mehr Sauerstoff in seinen müden Kopf, dann stemmte er sich aus dem bequemen Sessel hoch und ging zu der Tür hinüber, hinter der Valerio verschwunden war.
Kalte Luft schlug ihm entgegen, als er sie öffnete. Zu seiner Überraschung führte die Tür in einen schmalen Gang hinaus. Zu beiden Seiten ertastete er Borde, die bis an die hohe Decke mit Büchern vollgestopft zu sein schienen. Ein wenig erinnerten ihn diese Bücher an Valerios Raum; auch dort hortete er eine Menge davon. Ob er sie alle gelesen hatte? Er ließ die Tür offen und ging einige Schritte ins Halbdunkel des Ganges hinein.

Vier oder fünf Meter weiter vorne stand auf der linken Seite eine weitere Tür einen Spalt weit offen, ein schwacher Lichtschein drang von dort an seine Augen. Bereits hier, zwischen den Büchern, duftete es herrlich nach Zwiebeln und Champignons. Sein Magen knurrte wie ein wildes Tier. Wer Jahrhunderte lang mit Kräutern hantierte, konnte wahrscheinlich auch gut kochen - dieser Gedanke erschien ihm vollkommen logisch.

Mit seinen eigenen Kochkünsten sah es eher bescheiden aus, und an sein letztes warmes Essen in Gesellschaft hatte er gar keine guten Erinnerungen - umso mehr freute er sich nun auf dieses Essen. Vorsichtshalber klopfte er einige Male an die angelehnte Tür. Er wollte Valerio nicht in einem Raum überfallen, der immerhin privater war als das große Kaminzimmer, das ihm als Gast offen stand. Da er sich hier über viele Tage aufhielt, wollte er seinem Gastgeber so viel Privatsphäre und Ruhe wie möglich gönnen. Es konnte ja sein, dass es Valerio nicht Recht war, wenn er ihm bis in seine Küche folgte! Ansonsten hätte er ihn auch gleich dorthin mitnehmen können, anstatt ihn im Wohnraum mit Kerzen und Kamin zu beschäftigen.

Aus dem Innern der Küche drangen herrliche Düfte und Bratgeräusche. Es war gut möglich, dass Valerio ihn nicht hörte - oder er war gerade zu beschäftigt. Er klopfte ein weiteres Mal, wesentlich beherzter nun und lauter. Er schob die Tür ein wenig auf, steckte seinen  Kopf durch den Spalt und wollte sich gerade bemerkbar machen, als er sich im letzten Moment doch zurück hielt.

Die Küche war groß und rustikal ausgestattet. Ein dunkler Steinboden und schwere Deckenbalken, von denen getrocknete Kräuter in dicken Büscheln herab hingen, erinnerten an den mittelalterlichen Baderaum; ebenso die vielen Töpfe und Gefäße, Tiegel und Schöpfkellen. Ein alter Herd stand da - und darauf eine große Pfanne, in der tatsächlich eine gute Menge Champignons brutzelten. Gleich links an der Wand stand ein meterlanger und wuchtiger Tisch. Der ganze vordere Bereich samt Herd, Borden und Regalen wurde von Wandlampen und Fackeln heimelig beleuchtet. Der hintere Teil lag im Dunkeln.

Auf den ersten Blick bereits hatte er den Eindruck, dass die Küche leer war. Valerio schien nicht da zu sein. Ganz sicher würde er die Pfanne aber nicht lange ohne Aufsicht lassen... Neugierig trat er ein.
Diese Küche gefiel ihm! Sein Blick schweifte über den groben Arbeitstisch aus altem Olivenholz, auf dem ein Haufen Zwiebelschalen bei einem Korb mit Eiern lagen. Daneben fanden sich ein zusammengeknülltes Handtuch, diverse Gewürze und ein Bündel mit frischen Kräutern.

Weiter hinten in den Schatten schien es noch mehr Arbeitsfläche und auch einen großen Schrank zu geben; was seinen Blick jedoch fesselte, war der kleine Tisch mit der massiven Platte, der in der Mitte des Raumes stand. Am Rand des Lichtkreises einer einzelnen Kerze sah er einen Teller, auf dem Valerio offenbar etwas geschnitten hatte. Es sah aus, als sei er noch nicht fertig damit. Als er näher heran kam, erkannte er das lange Messer. Es lag quer über dem Tellerrand. Bei dem wenigen Licht konnte er nicht gleich identifizieren, was sich auf dem Teller befand: Groß war es, mit gewölbter, glatter Oberfläche. Es wirkte zu dunkel, als dass es Fleisch sein konnte...

Magnus trat an die Tischkante. Er schob die Kerze zur Mitte hin. Ihr heller Schein erreichte den Teller und blieb schließlich darüber stehen. Jetzt erkannte er, was darauf lag: Es war ein großes Stück rohe Leber. Sie schwamm in Blut. Da waren klaffende Schnitte. Ein gutes Stück fehlte. Zu dem Messer, das sehr scharf wirkte, gab es eine Gabel; sie war offenbar hastig abgelegt worden, sie war unter den Rand des Tellers gerutscht; als er sie hervor ziehen wollte, griffen seine Finger ins Nasse. Angeekelt ließ er die Gabel fallen. Seine Hand war blutverschmiert.

Ein qualvolles Würgen, das aus den Schatten drang, ließ ihn aufhorchen. Erschrocken trat er vom Tisch zurück; am Rand des Lichtkreises fiel etwas schwer und nass auf den steinernen Boden. Rote Sprenkel landeten auf seinem nackten Fuß.

Ende Teil 108




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