(18/16) Feuer und Asche

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Er war da. Vincenzo. Vor dem züngelnden Licht der beinahe herunter gebrannten Fackel stand er als dunkle Silhouette am Gitter, unbeweglich wie eine Statue, und starrte zu ihm hinein.

Es musste weit nach Mitternacht sein. Der Kardinal sah seinen Gefangenen nicht - er beabsichtigte womöglich gar nicht mit ihm zu sprechen. Er hatte ihm nichts zu sagen. Seine in nachdenkliche Tiefen versunkenen Gedanken, rastlos und unruhig, waren dennoch spürbar. Irgendetwas hatte ihn mitten in der Nacht hierher gezogen.

Valerio öffnete die Augen, sah zu ihm hinüber. Langsam, lautlos, richtete er sich von der Bank auf. Sie knarrte nicht. Er hatte gewusst, er würde kommen. Er hatte ihn erwartet, und da war er. Es war perfekt. Eine einzelne Wache an der Treppe nach oben, Dasio war gegangen. Alle Zellen leer, es würde keine Zeugen geben. Das hatte sich auch Vincenzo gedacht... Aber natürlich ließ sich irgendeine arme Seele finden, die bezeugen würde, was sie nicht gesehen hatte. Oder verleugnete, was sie gesehen hatte; denn wenn er nur hier stand, mitten in der Nacht, um seinem Gefangenen beim Schlafen zuzusehen, sollte das sicher niemand wissen. Leise trat Valerio aus dem Schatten der Wand heraus, spürte, wie der Kardinal innerlich zusammen zuckte, als er sah, er war entdeckt worden.

"Hochwürden." Valerio deutete eine elegante Verbeugung an. "Gönnt der Herr Euch keinen Schlaf, dass Ihr mitten in der Nacht bis an diesen dunklen Ort reitet? Beruhigt Euch der Anblick Eurer Gefangenen, die Ihr zu Unrecht quält und bedrängt?"

Der Angesprochene nahm Haltung an. "Zu Unrecht? Du huldigst fremdartigen Mächten. Du verwandelst dich in die Gestalt eines Tieres..."

Valerio lachte leise auf. "In welches Tier? Eine Ratte vielleicht... die durch dieses Gitter passt? Und oben unter der Tür hindurch schlüpft... in die Freiheit? Oder eine schwarze Katze - die durch das Gitter springt und Euch die Augen auskratzt?" Er breitete die Arme aus. "Ich bin hier."

Vincenzo ließ sich nicht beirren. "Punkt zwei ließe sich bezeugen, jederzeit. Meine Mittel sind durchsetzungsfähig. Ich habe..."

"Wollt Ihr Euren Neffen foltern lassen? Für seine bisherigen Aussagen habt Ihr ihn ja bereits mit einem Kardinalsposten bestochen. Die Wirkung Eurer Bemühungen ließe sich nur mit grober Gewalt noch überbieten."

"Mein Neffe sagt aus freien Stücken aus, was immer deiner Verurteilung dient. Mehr und andere Zeugen ließen sich... beschaffen. Im Handumdrehen haben wir deine Schuld beisammen. Dein Geständnis ist nur noch reine Formsache. Dein Stolz wird reiner Einsicht weichen. Am Ende wirst du dich fügen, dafür garantiere ich. Es braucht nur ein wenig Fingerspitzengefühl. Ich habe viel Erfahrung mit... Männern wie dir."

Valerio verlieh seiner zweideutigen Reaktion die entsprechende Note. "Das möchte ich gerne glauben... Vincenzo." Er trat in die Mitte des Kerkers. "Aber lass uns bitte nicht privat werden, wir sollten die Form wahren, so interessant ich deine Andeutung auch finde." Er senkte die Stimme. "Man könnte uns hier belauschen."

Aus schmalen Augen beobachtete er, wie sehr er den Kardinal gerade aus der Fassung brachte. Er ließ ihm keine Zeit sich zu sammeln oder auch nur nach Luft zu schnappen. "Tragen wir meine Vergehen einmal zusammen, Eminenz! Wir hätten hier also die Anbetung heidnischer Götter, dazu die Wandlung der Gestalt in niedere Lebewesen. Das wären zwei Vergehen... Oh, ich kenne die vier Indizien für Hexerei. Ich habe den Malleus Maleficarum gelesen. Fehlt noch der Flug zu Versammlungen und..."

"Du wurdest gesehen, wie du dich mit Caterina Appiani in der Nacht zu eurem Ritual..."

Valerio nickte. "Da hätten wir die Versammlung. Wenn uns auch der Flug fehlt, aber immerhin! Wenn zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind... Hat Jesus das nicht gesagt?  Ihr macht dasselbe auch für unsereins geltend, wie ich sehe. Zwei! Ein Liebespaar! Ein Mann, eine Frau - sind also eine Versammlung zur Huldigung einer Gottheit, zur Pflege eines Glaubens, wann immer sie einander treffen?" Er schüttelte lachend den Kopf. "Nun gut, Hochwürden, lassen wir es so stehen. Wir glaubten ja an unsere Liebe, daher waren es durchaus Begegnungen aus... tiefer Überzeugung."

Er wusste, er wurde dort, wo er stand, von der Fackel vorteilhaft beleuchtet. Der Kardinal sollte einen guten Blick auf ihn haben. Auch bei den Verhören hatte das bereits subtile Wirkung gezeigt. Der Inquisitor besaß Intelligenz; es gab nur wenige Gebiete, auf denen er sich entwaffnen ließ. Valerio sah ihm offen ins Gesicht, entspannte sich, spielte mit Körper und Stimme, beobachtete, wie die Mimik Vincenzos sich zunehmend veränderte, sein Blick über sein Gesicht oder den Oberkörper wanderte, während sie eifrig diskutierten.

"Und Punkt vier wäre der Schadenszauber. Oder täusche ich mich, Hochwürden? Da nehmen wir doch gleich den Zauber, der Floriano den Tod brachte! Sicher präpariert Ihr Euch dafür ebenfalls zwei oder drei Zeugen - neben Mauro, dem Kaufmann natürlich, dessen Aussage Ihr hoffentlich protokolliert habt. Der Tod des Jungen... wenn das kein Schaden ist! Die Verletzungen, der offene Bauch sind zu vernachlässigen. Was ist schon ein gespitzter Baumstamm in den Eingeweiden, nicht wahr? Es war... dunkle Magie. Seid Ihr einverstanden? Oder wollt Ihr Euch mit Eurem Medicus beraten? Wenn er schwere Bauchverletzungen so großzügig schätzt wie er Belladonna dosiert, solltet Ihr Euch nach einem anderen Medicus umsehen."

Der Inquisitor schwieg. Valerio legte ihm schneller die Worte in den Mund als er argumentieren konnte. Unsicher wich er zurück, als sein Gefangener bis auf Armeslänge an das Gitter heran kam.

Valerio unterdrückte ein Lächeln bei seinem Anblick; offenbar wusste er gerade nicht mehr, welche Haltung er einnehmen sollte, um größtmögliche Souveränität auszustrahlen. Die Nacht schien nicht Vincenzos Zeit zu sein, so irritiert und abgelenkt hatte er ihn noch nicht erlebt.

Er nutzte den Zustand des Kirchenmannes für eine weitere Provokation. "Malleus Maleficarum. Der Hexenhammer. Ihr glaubt an dieses verfluchte Buch, geschrieben von einem deutschen Dominikaner?" Er überwand die letzte Distanz bis zum Gitter. Langsam, jedes Wort betonend, sagte er: "Es gibt keine Hexen, Kardinal. Selbst wenn Ihr fünfhundert Jahre leben würdet: Ihr würdet keiner einzigen begegnen."

Vincenzo Grassi bemühte sich spürbar, seine Unsicherheit zu verbergen. Das leise Beben in der Stimme verriet ihn. "Fünfhundert Jahre", schnaubte er, "woher willst du wissen, was man da alles zu sehen bekäme." Er hob die Augenbrauen, wie er es immer tat, wenn ihm etwas einfiel. "Nun... Papst Innozenz VIII. erkannte im Jahr 1484 immerhin das Hexenwesen auf den Malleus Maleficarum verweisend höchstpersönlich an... und erklärte die Hexen offiziell zu Verbündeten des Satan und ihre Taten zu böswilligen Akten gegen Gott, die Heilige Römische Kirche und die ganze Christenheit." Seine Augen blitzten triumphierend auf. Er wagte sich wieder näher an das Gitter heran.

"Die sogenannte päpstliche Bulle", korrigierte Valerio, "hatte Innozenz aber nicht selbst verfasst. Sie stammt von Heinrich Kramer, dem Verfasser des Hexenhammers, und sollte dazu dienen, den allseitigen Widerstand gegen dieses zerstörerische und unmenschliche Werk nieder zu kämpfen. Der Papst unterschrieb nur, was Heinrich Kramer ihm vorlegte. Das war vor sechsunddreißig Jahren. In weiten Gebieten Italiens weigert man sich bis heute, die Hexenlehre Kramers anzuerkennen. Auch Spanien hält sich nicht daran und führt seine eigene Inquisition. Es gibt klare Einwände gegen die Definition von Hexen und die Beschreibungen ihrer angeblichen Taten in Kramers Werk, auch eine päpstliche Unterschrift bringt diese nicht vom Tisch. Ihr wollt mich anhand der Aussagen dieses Werkes verurteilen? Mit solchem Aberglauben schädigt Ihr Euer Ansehen."

"Es wird sich schon noch verbreiten", wandte der Inquisitor trocken ein. "In Trier und Nürnberg wendet man es seit geraumer Zeit äußerst erfolgreich an, das ist nicht zu leugnen. Hunderter ketzerischer Weiber und auch Magier hat man so bereits habhaft werden können und hat ihnen den Prozess gemacht." Seine Augen funkelten, sein Reden wurde euphorisch. "Ist ein Teil der teuflischen Brut erst einmal ans Licht gezerrt, folgen die anderen von selbst nach, das Volk liefert sie aus, es ist froh über diese längst fällige Reinigung. Kinder denunzieren ihre Mütter und Großmütter, Männer klagen ihre eigenen Weiber an. Da sieht man, wie groß der Leidensdruck der frommen Leute durch die Hexen ist und wie weit sie verbreitet sind. Sie sind erleichtert sie los zu werden."

"Leidensdruck... durch Hexen?" Valerio lachte auf. "Die Kriege und die harte Hand der Herrschenden laugen sie aus, Kardinal. Dazu die verregneten Ernten, die Seuchen und harten Winter! Damit sie die Zusammenhänge zwischen ihrem Elend und den Machtverhältnissen im Land besser verstehen, gebt ihnen Bildung - anstatt den Kindern die Mütter und den Männern die Weiber zu nehmen. Sie brauchen Feuer, eine anständige Suppe darüber zu hängen und ihre Hütte zu wärmen - aber nicht, um die alte Nachbarin, die Hebamme ihrer Kinder oder die eigene Tochter zu verbrennen."

Valerio trat näher an ihn heran. "Das ist Eurer Kirche Werk", flüsterte er dunkel. "Sie glauben so sehr an Eure Märchen von einem ewigen Höllenbrand; dank Euch und Euresgleichen fürchten sie die Hölle so sehr, dass sie ihre Liebsten ins Feuer stoßen... in der Hoffnung, damit Eurem Gott genug zu gefallen, dass er ihnen selbst die Hölle erspart." Er hielt den Blick des Kardinals fest. "Und Ihr, Hochwürden, seid schlimmer als die, die Ihr zu solchen Taten antreibt. Niemand fürchtet die Hölle mehr als Ihr selbst."

Die grenzenlose Verachtung und Wut, die sich in seinem Hals zusammen ballte, nahm ihm beinahe die Luft zum Atmen. Er musste gefasst bleiben, wenn er seine Chance nicht verspielen wollte. Er beruhigte seine Stimme, änderte seine Taktik, sein Ton war jetzt schmeichelnd. "Ich spüre Eurer Herz schlagen... Hochwürden. Ich wundere mich, dass Ihr eines habt."

Vincenzo Grassi ließ sich von Valerios Worten offenbar nicht aus der Fassung bringen; nur ein schnelles Aufflackern seines Blicks in dem Moment, als sein Gefangener von der Höllenangst sprach, verriet seine Anspannung - dann hatte er sich wieder gefasst. In seinen Worten lag ein dünnes Lächeln. "Du denkst, ich habe kein Herz? Achte auf deines, junger Mann. Ich könnte es in meiner Faust zermalmen."

Er begann sich sicher zu fühlen, schien darauf eingestellt, dass Valerio ihn provozierte. Seine Hand umfing jetzt das Gitter, das Licht der Fackel durchdrang den grünen Stein an seinem Ring.

Valerio stützte sich in der Nähe der Hand des Inquisitors am Gitter ab. Mit dem Gesicht kam er nahe an ihn heran. Offensichtlich bereitete Vincenzo die Auseinandersetzung zunehmend Freude - mit geschmiedetem Eisen zwischen sich und seinem Gefangenen konnte er sich diese Diskussion leisten. Er blieb, wo er war, wandte den Blick nicht ab, als Valerio sprach.

"Einzelne Männer und auch Massen sind vor Wahnsinn und Fanatismus nicht geschützt. Nicht der Papst oder seine Kardinäle, nicht König noch Kaiser, nicht die Studierten oder die Bettler, niemand im Volk. Weil sie alle Menschen sind. Seit der Hexenhammer in Europa Einfluss auf die Verhöre und Prozesse nimmt, mehrt sich der Reichtum derer, die sich Land und Güter der Opfer einverleiben. Die Kirche ist vielerorts munter mit dabei. Würde man auf den Mond fliegen, man könnte von dort aus sehen, wie ganz Rom von Gold glänzt."

"Nur der Teufel fliegt zum Mond. Menschen gelangen nicht dorthin."

"Irrtum. Wir werden es tun. Eines Tages werden alle Menschen fliegen. Um die ganze Erde und hoch hinauf bis über die höchsten Berge, höher als die Wolken. Und der weltliche Reichtum der Kirche glänzt bis in die Weite des Alls. Bis an Gottes sehende Augen, wenn Ihr so wollt." Er legte den Kopf schräg, durchdrang ihn mit seinem Blick. "Was sagen die Dominikaner dazu, Kirchenmann? Sie befürworten die Verfolgung der Hexen und sind selbst unter den größten Eiferern, sie bereichern sich an den Opfern, bringen aus ihren Reihen die schärfsten Inquisitoren hervor. Aber sind sie nicht ein Bettelorden? Predigt Jesus nicht Armut und Verzicht? Und Ihr? Was ist mit Euch? Lockt Euch eine Villa in Rom... Sklaven? Mätressen? Wollt Ihr die Tage damit verbringen, Eurer Geld zu zählen - und Menschen bestechen, damit sie Eure Feinde und Neider aus dem Weg räumen und über Eure sündhaften und verbrecherischen Taten schweigen?"

Das war genug. Blitzschnell fasste Vincenzo durch das Gitter und packte Valerios Hals. "Du... du wirst erleben, was ich mit dir anstelle, wenn... Ich werde dich eigenhändig..."

Valerio fixierte den Inquisitor, ruhig und gelassen. Er legte eine Hand auf den in Brokat gekleideten Unterarm, der durch die eisernen Stangen ragte. Nur ganz leicht, ohne Hast. Dann strich er langsam bis zur Hand hinauf, die immer noch seinen Hals umfasste, hielt sie, mit dem Daumen darüber streichelnd. "Was, Hochwürden, werdet Ihr mit mir anstellen? Eigenhändig, sagt Ihr... Ihr meint... mit dieser Hand?" Er sah ihn fragend an und Vincenzo schmolz unter seinem Blick. Sein Atem ging schnell, sein Herz hämmerte in der Brust. Valerio spürte seine Angst und Verwunderung, ja Begeisterung über den Wandel der Situation. Vincenzos Gesicht hatte jede Schärfe verloren, er versank förmlich in Valerios Aura. "Mit... dieser Hand?", fragte Valerio noch einmal und verlieh seiner Stimme etwas Raues. Sanft löste er Vincenzos Finger, die sich unter seinen Berührungen entspannt hatten, von seinem Hals, schob sie hinunter auf seine Brust. "Oder... mit Eurer anderen, Eminenz? Sicher habt ihr... zwei Hände? Sagt mir... was würdet ihr damit tun?" Er ließ ihn nicht aus den Augen. "Niemand ist da, niemand wird uns sehen, wenn Ihr es mir... zeigen wollt."

Vincenzo zögerte nur für die Länge eines Gedankens. Dann hob er den anderen Arm und schob ihn ebenfalls durch das Gitter. Seine Finger strichen über Valerios Brust. "Ich... ich könnte vielleicht... Wenn ich nur wüsste, ob du mir gehorsam bist... Ich muss mich auf dich verlassen können, ich würde dir ein Angebot...

"Soll ich Euch... besuchen, wenn Ihr Papst seid...? Oder Euer Stallbursche sein?"

"Ich... ich weiß nicht, ob..."

"Oder wollt Ihr mich jetzt gleich mitnehmen, heute Nacht... bevor ich ins Feuer muss?"

"Feuer... ja, darüber müssten wir verhandeln. Heute... Nacht? Ich... ich traue dir nicht. Ich müsste dich anketten..."

Valerio lächelte ihm ins Gesicht. "Dann... tut das. Ich mag es, wenn Ihr mir Eure Macht zeigt."

Die beringte Hand löste sich von der Brust, tastete sich am Hals hinauf und bis in sein Gesicht hinein.

"Und keine Sorge", fuhr Valerio flüsternd fort, während ihm der Kardinal über Wangen und Lippen strich, "ich verwandle mich nicht in ein Tier. Ich bleibe in der Gestalt, die Ihr ganz offenbar schätzt.

Ich selbst... bin das Tier."

Bevor Vincenzo auch nur blinzeln konnte, hatte Valerio die Hand gepackt. Blitzschnell zog er sie mit sich herum, biss den kleinen Finger vollständig ab und ließ ihn auf den Boden fallen. Augenblicklich spritzte ihm das Blut auf Brust und Schulter; der Inquisitor öffnete im Schock den Mund, aber bevor er schreien konnte, riss Valerio seinen Arm mit einem Ruck weit zu sich hinein, drückte ihn im rechten Winkel zur Seite weg und gegen das Gitter. Die Hebelwirkung und die Kraft, die in seiner Bewegung lag, ließen den Oberarmknochen aus der Schulterpfanne rutschen und zugleich krachend brechen.

Vincenzo blieb still, denn im selben Moment hatte Valerio bereits die Hand an seiner Kehle. Ein ersticktes Gurgeln brachte er hervor, dann sackte er am Gitter in sich zusammen, sein Körper zuckte, als würde Strom durch ihn hindurch gehen, immer noch starrte er Valerio an. Er versuchte zu sprechen, aber sein Kehlkopf war zerdrückt, er konnte gerade noch so viel Luft in sich hinein saugen, dass er bei Bewusstsein blieb. Sein Blick sprach Bände. Er flehte Valerio um Hilfe an, rang nach Luft, verkrallte sich in das Gitter, wollte sich mit dem verbliebenen Arm hochziehen. Er kam nicht mehr auf die Beine.

Valerio trat gegen das Tor, Schloss und Riegel flogen krachend an die gegenüber liegende Wand. Schnell glitt er hinaus auf den Gang, beugte sich zum Kardinal hinunter und riss ihn an seinem Gewand vom Boden hoch. Er rammte ihn mit dem Rücken gegen die Gitter, knurrte ihm drohend ins blau angelaufene Gesicht.
"Hast du ernsthaft geglaubt, ich würde deine Hände an mir haben wollen - oder deine rostigen Ketten?" Er spuckte neben ihm aus. "Alle Finger und Zehen sollte ich dir einzeln heraus reißen, dazu beide Beine und Arme. Aber du bist es nicht wert, dass man sich an deinem Blut beschmutzt. Fahr zur Hölle." Er ließ ihn los. Wie ein Sack fiel der Kardinal zu Boden.

Gerade wollte Valerio an ihm vorbei, da empfing er, was Vincenzo an ihn zu richten versuchte, aber nicht mehr aussprechen konnte.

Langsam wandte er sich dem röchelnden Mann zu. Mit eisiger Ruhe sah er auf ihn hinunter. "Wirklich? Wer andere Menschen bewegen, sie entflammen will, muss für mehr und anderes als Ruhm und Gold brennen, Kardinal. Er muss loderndes Seelenfeuer sein. Du... bist Asche." Er beugte sich zu seinem Ohr hinunter. "Ich komme aus der Zukunft", raunte er. "Und ich sage dir: Noch in fünfhundert Jahren werden die Menschen deinen Folterkeller bestaunen und ihnen wird übel werden von deinen Taten. Das Kloster zerfällt zur Ruine, aber das Kellergewölbe wird man erhalten. Man wird Geschichten schreiben, in denen du das Böse in Person bist. Nur in diesem Zusammenhang wird man deinen Namen aussprechen. Die Römische Kirche wird die Jahrhunderte überdauern. Aber sie wird sich für dich schämen und über deine fragwürdige Herrschaft an diesem Ort schweigen. Und ja, wir werden zum Mond fliegen und die Erde von weitem sehen."

Er löste die verkrampften Finger des Inquisitors von seinen Hosenbeinen, stieg über den zuckenden Körper des Sterbenden hinweg, schlug mit der Hand die beinahe herunter gebrannte Fackel an der Wand aus. Dann lief er in den Gang hinein, dem Wächter entgegen, der eilig mit einer Laterne nahte.

"Hochwürden...? Eminenz... Ist alles in Ordnung?"

Als Valerio heran kam, streckte er die Hand nach ihm aus, und der Gang lag plötzlich in tiefer Schwärze. Der Wächter hielt an, der Klang seiner Schritte erstarb. Stille und Dunkelheit. Valerios Herz stand zwischen heißem Triumph und bitterer Trauer, als er sich, vom Geruch menschlicher Angst angezogen, auf leisen Füßen dem jagenden Puls des Mannes näherte.

Ende Teil 178



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