(5/4) Angelino

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[Oben: Akkustische Untermalung fürs Lesen! Gönnt Euch das! :-)]

Bis weit in den April hinein hatte der Winter die rollenden Berge Umbriens in seiner eisigen Faust. Als er diese endlich öffnete und das Eis schmolz, fielen dichte Nebel aus den Wäldern, sie krochen die Berge hinunter und legten sich über Assisi und Rocca Maggiore, die alte Festung, die über der Stadt thronte.

Die Stadt war wie abgeschnitten, sie lag in einem Meer aus Grau, das bis an den Horizont reichte. Unter der feuchten, undurchdringlichen Decke wuchs die Sehnsucht der Menschen nach Wärme und Sonne. Die Pilger kamen dennoch; sie sahen das Wetter als eine Prüfung mehr, die sie gern auf ihre sündigen Rücken luden - versprach dies doch eine besonders erfolgreiche Vergebung zu werden. Am einundzwanzigsten April des Jahres 1517 war der kälteste und längste Winter seit Menschengedenken endgültig vorbei. Die Sonne löste den Nebel auf und der Monte Subasio, der sich hinter Assisi wie eine Welle erhob, leuchtete innerhalb von zehn Tagen in frischem Grün auf. Das Leben am Berg war eingefroren - nun floss es wieder.

Es dauerte nicht lange, da hatte ein früher Sommer das Land erobert. Die Vögel zwitscherten zu Tausenden in den bewaldeten Hängen, ihre Lieder klangen frühmorgens hallend über der Stadt und Assisi erstrahlte in goldenem Licht. Es wurde heiß im Mai - und Anfang August waren viele Früchte bereits reif, die sonst erst im Herbst geerntet wurden. Es war kein Jahr für Wein, aber unten in der Ebene wogte das reife Getreide. Und Äpfel und Pflaumen, Birnen und Quitten füllten bald die Keller und Vorratskammern in Assisi.

„Angelino!", schmetterte es über das flache Dach der Novizenschule. „Angelino, wo steckst du schon wieder? Ich weiß genau, du hörst mich!"

Die Frau, zu der die energische Stimme gehörte, beugte sich noch ein wenig weiter aus dem Fenster, um auch den hinteren Teil des Schuldaches überblicken zu können. Unter ihren Füßen kippte der Hocker gefährlich, aber sie ignorierte die verdächtigen Bewegungen der altersschwachen Sitzgelegenheit und brachte sich geschickt in eine einigermaßen sichere Position. Ihr Gesicht war rot von der Hitze und Schweißperlen standen ihr auf der Nase. Der warme Wind, der hier oben wehte, trocknete ihr Gesicht schnell, aber unter der schwarzen Haube juckte ihr Kopf trotz der frisch geschorenen Haare. Ungehalten schob sie vier Finger ihrer rechten Hand zwischen Wange und Stoff und zog den verrutschten Schleier provisorisch zurecht. Dann schob sie sich verwegen noch um einiges mehr aus dem Fenster und stützte sich mit Unterarm und Hand auf dem flachen Dach ab. Gerade wollte sie ein weiteres Mal ihren Ruf über das Dach schicken, da fiel ein Schatten über ihre Hand.

„Angeli...!", wollte sie den jungen Mann gerade schimpfen, als sie entsetzt zurück wich und sich dabei den Kopf heftig am Fensterrahmen anstieß.

„Süße Jungfrau Maria und alle Heiligen... Angelino!", rief sie aus und versteckte ihr Gesicht hinter der gespreizten Hand. „Dies ist ein Kloster! Um Himmels willen, zieh dir etwas an! Du ruinierst achtundvierzig Jahre meiner Bemühungen, vor dem Herrgott anständig und keusch dazustehen!"

Er war unbemerkt um die Ecke des Erkers gekommen, in dessen Fensteröffnung Uberta mit ihrem massigen Körper steckte. Barfuß balancierte er auf dem sonnenbeschienen Teil des Daches, tänzelte vor ihr herum, um sich nicht die Füße auf den heißen Schindeln zu verbrennen und löste gleichzeitig lachend den Knoten aus den Hemdsärmeln, die er sich um die schlanken Hüften gebunden hatte. Sein Oberkörper war sonnengebräunt - wenn auch die Haut an den Stellen, an denen sie eigentlich vom Hemd bedeckt sein sollte, nicht ganz so viel Farbe hatte wie im Gesicht, am Hals und an den Unterarmen. Er strich sich die hellbraunen Haare aus dem Gesicht, schlüpfte unter mehreren Versuchen in das Hemd und ließ den Saum lose über die dunklen Beinkleider fallen.

„ Ist es besser so, Uberta?", fragte er mit unschuldiger Mine und schmeichelnder Stimme und begann sehr langsam und sehr umständlich die Bänder an seinem Hemd zu schließen, wobei er unten anfing, um die arme Frau noch einen Augenblick länger seiner breiten Brust auszusetzen. „Zwinge mich bitte nicht, auch noch meine Schuhe anzuziehen! Das muss genügen, um dein Seelenheil zu retten!" Er lachte verschmitzt, an seinen schmalen Wangen bildeten sich zwei Grübchen.

Ach, Angelino, du bist meine Verdammnis! Man wird mich hier noch hinaus werfen auf meine alten Tage! Ich darf das gar nicht sehen ... ich komme direkt in die Hölle!"

Er warf den Kopf in den Nacken und lachte laut.

„Du lachst, mein Engelchen!", rief sie zu ihm hoch und schützte ihre Augen mit der Hand vor der Sonne und anderen Dingen, die in diesem Moment zu viel waren. „Aber ich habe am Ende das Nachsehen, wenn du dich so aufführst", zeterte sie. „Oder glaubst du, ich bin glücklich darüber, wenn sie dich doch noch hinaus werfen? Das würde mein armes Herz brechen, das weißt du! Angelino, mach mich nicht unglücklich! Wenn es nach der Äbtissin ginge, wärst du hier schon längst verschwunden. Sieh dich doch an, wie du da stehst, du bist ein Mann geworden. Und was für ein Mannsbild.... dies ist ein Frauenkloster! Wir landen noch alle im Fegefeuer wegen dir!"

Er lachte wieder, diesmal aus vollem Hals. Seine Haare wehten im Wind und eine Strähne verfing sich in seinem Mundwinkel.

Die Nonne ließ sich durch sein amüsiertes Lachen nicht besänftigen; im Gegenteil, sie redete sich in Rage. „Sag einmal", holte sie aus, „lachst du etwa über mich? Würdest du mir bitte einmal erklären, was so überaus lustig ist an meiner Warnung?" Sie hatte sich inzwischen durch die enge Öffnung rückwärts zurück in den Raum gewunden und war vom Hocker herunter geklettert. Obwohl er es von dort oben sicher nicht sehen konnte, stemmte sie beide Hände in die üppigen Hüften in der Hoffnung, sich damit noch ein wenig mehr Respekt zu verschaffen.

Zu ihrer völligen Überraschung kniete er auf den rauen Schindeln nieder, langte mit beiden Armen ins Fenster hinein, zog ihren runden Kopf kräftig zu sich heran und drückte ihr einen Kuss auf die rote Stirn.

„Nun ist aber endgültig Schluss damit! Du kannst mich doch nicht so ...", rief sie und schnappte nach Luft. Er verkniff sich vergeblich das Grinsen, seine Augen funkelten und er musste die Lippen zusammen kneifen, um nicht schon wieder loszuplatzen. Uberta zeigte keine Gnade. „Sag einmal, wie alt bist du eigentlich, da du dich immer noch so aufführst – und wer bist du, dass du es wagst, mich zu küssen, während ich mit dir schimpfe!"

Von einem Moment zum nächsten hatte er seine Beherrschung wieder gefunden. Er strich sich die langen Haare hinter das Ohr; dabei entblößte er einen sehr männlich entwickelten, kantig geschnittenen Kiefer, der das Seelenheil der armen Ordensschwester samt der dazugehörigen Sorge in den nächsten erreichbaren Höllenschlund kippte.

„Zwanzig werde ich im Herbst. Wenn ich mich nicht verrechnet habe." Er seufzte. "Und du weißt, wie ich bin. Ich bin kein „Angelino", kein Engel. Wenn du böse mit mir bist - und zu Recht - dann nenne mich besser nicht Engel. Ich möchte spüren können, wenn du mir etwas übel nimmst. Ich möchte lernen."

Er legte den Kopf schief und sah sie mit seinen dunklen Augen an. Darin war nun wesentlich mehr Reife zu sehen als gerade eben noch. „Wenn du mit mir schimpfen musst", fuhr er fort und strich ihr liebevoll mit der Hand eine Falte aus der Haube, "dann darfst du mich ab sofort bei meinem richtigen Namen nennen. Ich bin jetzt alt genug."

Uberta stand klein, rund und mit rotem Gesicht im Fenster. Einen endlosen Moment lang verweilte ihr Blick auf seiner geschwungenen Oberlippe. Dann holte sie tief Luft und atmete seufzend aus.

„Gut, Valerio Alesso ... mein Angelino. Du hast Recht. Nicht weil ich böse auf dich wäre, nein, das ist gleich wieder vergessen. Sondern weil du wirklich ein Mann geworden bist in diesem letzten Jahr." Sie seufzte wieder und betrachtete sein hübsches Gesicht. „Und was für einer", fuhr sie fort. „Valerio, ich warne dich. Dies ist ein Kloster. Die Frauen nehmen ihre Gelübde ernst, sie dienen unserem Herrgott. Sie geben alles dafür. Und du darfst mir glauben: Selbst, wenn wir alle wissen, dass die Männer da draußen in der Welt nicht einmal den Spitzen deiner Wimpern das Wasser reichen können, entbehren wir doch sehr viel, weil wir hier sind - und nicht da draußen bei ihnen. Lache also nicht über uns, nimm Rücksicht und verschone uns mit ..." Sie wies mit dem Kinn auf seine Brust, die noch immer nicht ganz so bedeckt war, wie es sich für jemanden gehörte, der nur aus purer Sympathie und einigem Zufall gewisse Sonderrechte an diesem sehr heiligen Ort genoss.

„Sei lieb. Mach das zu", sagte sie streng. „Jetzt sofort. Und lass es zu, bis du heimgehst." Uberta wagte einen Blick in seine Augen, obwohl sie trotz ihres innigen Verhältnisses seit geraumer Zeit bereits derartige Blicke mied wie den Teufel.

„Valerio Colleone, ich mache mir ernsthafte Sorgen um dich", bekannte sie und strich die verschwitzten Hände an den Ärmeln ihres Ordenskleides trocken. „Du gehörst hier schon längst nicht mehr her, das weißt du. Dein Vater zahlt nicht einmal dein Schulgeld und ich bete jeden Tag zum gnädigen Herrgott, dass die Äbtissin nicht darüber nachzudenken beginnt. Eigentlich müssten wir dich nämlich..."

Er warf einen Blick über die Schulter und schaute einem Falken nach, der hinter dem Kloster am Abhang seine Kreise zog.

„Sag einmal, hörst du mir überhaupt zu? Ich merke doch, wie die Novizinnen dir nachschauen, Valerio. Das ist ein ernstes Thema, es kann dich dein Studium kosten! Lass dich da nicht mehr blicken, du hast dort nichts zu suchen! Beschäftige dich woanders und streune nicht herum, hörst du." Sie zögerte, dann sprach sie weiter: "Mir ist zu Ohren gekommen, dass deine Stimme ihnen weiche Knie beschert. Zwei der Mädchen - und ich werde dir ihre Namen ganz bestimmt bei meinem Leben nicht verraten - hatten es in der letzten Woche bei der Küchenarbeit erwähnt. Donata hat es zufällig gehört und meinte schon deswegen dringend bei Bonifatia Agostina vorsprechen zu müssen. Ich habe mich wie eine Bärin davor geworfen und es ihr ausgeredet. Stell dir vor, sie hätte es der Äbtissin im Kapitel vorgetragen! Sprich nicht mehr in der Nähe der Novizinnen, vermeide das. Du tust ihnen und auch dir keinen Gefallen!"

Mit ernster Unschuldsmine beteuerte er: „Also gut, ich spreche kein Wort mehr in der Nähe der Mädchen, ich schwöre es." Er dachte einen Moment nach. Dann fügte er achselzuckend an: „Ich könnte singen. Nur ein wenig. Eine Kantate hier und da vielleicht am Morgen, ein kleines Liebeslied zum Abend ..."

Ubertas Mund wurde zum Strich. Sie tat, als wollte sie ihm eine Backpfeife verpassen. Er wich lachend aus und warf ihr einen Kuss durch die Luft zu. Blitzschnell war er auf den Füßen und hatte sich schon wieder um den Erker gewendet, als sie rief: „Halt, junger Mann! Was soll das nun wieder werden? Du bleibst schön hier – ich habe dich ja schließlich nicht umsonst gerufen!"

Ergeben folgte er ihren Worten und kam zu ihr zurück.

„Komm. Klettere gleich hier hinein und nimm den Gang über die Küche", sagte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. „Dort stehen zwei Eimer mit Beeren, die müssen nach hinten in die Backstube. Bring sie zu Peppina, sie wartet schon. Und dann kommst du hinaus in den Obstgarten, wir können dich dort gebrauchen. Und, Kerl,  benimm dich vor Donata, zeig deine beste Seite!"

Sie dachte einen Moment lang über ihre Worte nach. "Nun ... besser nicht eine deiner besten Seiten, das würde entsetzlich schief gehen. Es würde den Teufel anlocken, wo wir ihn nicht haben wollen! Entschuldige, das war falsch gedacht von mir. Sei also bitte ... mittelmäßig. Verstehst du?" Ihre runden Augen musterten skeptisch sein Gesicht. Schließlich nickte sie zufrieden. "Ja, das ist gut. Bekommst du das hin?" Er nickte nun ebenfalls, vorsichtig, unsicher, ob er in der Lage sein würde, das Geforderte zu ihrer Zufriedenheit zu erfüllen. "Und lass dein Hemd zu, beim heiligen Franziskus! Sonst ist Donata noch heute Abend bei Bonifatia Agostina, alleine schon wegen der Fantasien, die sie selbst über dich haben wird."

Als wäre ihm schon wieder entfallen, was sie ihm aufgetragen hatte, wandte er sich ab und lief auf den heißen Schindeln zum Erker hinüber.

„Sag einmal, hast du Bohnen in den Ohren!", rief sie hinter ihm her, doch er hörte nicht, sondern verschwand hinter dem großen Schornstein. Die Nonne wollte gerade rot anlaufen vor Ärger, als er wieder auftauchte. In der Hand hielt er seine Laute. Er lächelte entschuldigend und reichte sie ihr durch das kleine Fenster. Sie seufzte ergeben, nahm das Instrument an und machte ihm Platz, damit er zu ihr hinein klettern konnte. „Nun aber ab mit dir", sagte sie und gab ihm einen kräftigen Stüber gegen die Schulter. „Und vergiss die Beeren nicht."

Kopfschüttelnd sah sie ihm nach, bis er auf der Treppe verschwunden war, und vergaß dabei beinahe, was sie wollte. „Ach, ich liebe dich, mein Angelino", murmelte sie vor sich hin und strich sich die Schürze glatt, die sie für die Arbeit in der Küche über ihr Ordenskleid gezogen hatte. „Aber ich sehe unseren Abschied kommen, wenn du dich nicht viel weniger sichtbar machst an diesem Ort." Sie seufzte noch einmal laut, diesmal voller Sorge. "Das wird nicht mehr lange gut gehen mit dem Jungen", sagte sie zu sich selbst, während sie den Schrank öffnete. Sie nahm einen Stapel Leinentücher und einige Stücke Seife heraus und verstaute alles in dem Korb, den sie mit nach unten nehmen wollte.

Ende Teil 36


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