(6/9) I am Scottish

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Es war Angelo, der junge Mann, der ihnen mit den Büchern geholfen hatte! Und dem sie ihren angeschlagenen Wangenknochen verdankte! Seine Stimme drang bis zu ihr herüber; leise zwar, so dass sie nicht verstehen konnte, worüber sie sprachen - aber sofort überwältigte Caterina derselbe Wirbel der Gefühle, der sie auch bereits am Nachmittag gnadenlos von den Füßen gerissen hatte. Ja, dort hinten stand er! Angelo. Der Engel.

Wie sehr musste sie sich seine Bewegungen, seine Haltung bereits eingeprägt haben, sie schienen ihr so vertraut! Vom Fenster aus hatte sie ihn unten im Hof beobachtet - und auch danach, im Gang... in diesen wenigen Momenten, wenn er gerade nicht zu ihr hinüber gesehen hatte, weil er mit Luisa sprach oder die Bücher aufhob. Oder als er vor ihr herlief, die Treppe hinunter und bis zu ihrer Tür...  Sie hatte es in sich aufgenommen - alles, was er von sich zeigte, alles, was zu sehen, zu erspüren und zu hören war. Sie hatte den Regen in seinen Haaren und seinem Hemd gerochen, und darunter war sein eigener Duft gewesen...

Und wieder dachte sie an seine Hand, die er ihr gereicht und die sie nicht genommen hatte. Oh, wie dumm, wie ängstlich konnte man sein! Mit acht Jahren war sie durch einen guten Teil ihres Landes gewandert, vorbei an den Engländern, dann hatte sie an der Seite ihrer Eltern eine wochenlange Seefahrt durch zwei Meere, durch Sturm und Kälte überstanden! Warum nur hatte sie in diesem einen Moment der Mut verlassen?

Ihre Eltern waren nun tot, ihre Heimat fern. Es war sehr wahrscheinlich, dass sie sie niemals wieder sah... Aber hier stand sie, trotz allem - lebendig und mit diesem wild schlagenden Herzen in ihrer Brust! Was hatte sie nun noch zu verlieren? Wann wollte sie  das rauschende, wilde Leben beginnen, wann würde sie erlauben, dass es endlich anfing, wenn nicht jetzt und hier? Wieviel mehr hätte sie jetzt bereits besessen, womit sich ihre Sinne beschäftigen konnten, wenn sie es gewagt hätte, diese Hand zu nehmen! Es gab so viele Momente im Leben, die sich niemals wiederholten. Sie musste lernen, ihre Chancen besser und mutiger zu nutzen.

Sie starrte. Sie starrte offen in seine Richtung - diesmal, ohne sich Gedanken zu machen, ob man sie beobachtete. Sie nahm sein Gesicht, seine Mimik, seinen Körper, jede seiner Bewegungen in sich auf, als hinge ihr Leben davon ab. Sie lauschte dieser Stimme, die der plötzlich aufkommende Wind zu ihr herüber trug. Der Wind musste sie lieben! Sie wollte diesen speziellen Unterton in seiner Stimme hören, der so tief und weich war, dass er ihre zerbrochene Welt in einem Augenblick heilen konnte. Nur ein paar Worte von ihm, ein Blick... Eine Hand, die ihr vielleicht doch noch aufhalf von diesem endlosen Sturz, und alles war gut!

"...Hast du... mitgebracht?"

Nur Wortfetzen dessen, was Maria zu ihm sagte, erreichten zunächst ihr Ohr, aber in ihrer Fantasie stand sie nicht hier, fünfzehn Meter entfernt und versuchte Worte, Silben aufzufangen, sondern sie stand bei ihm und sah ihm in dieses schöne Gesicht, nahm seine Stimme in sich auf und berührte ihn, so wie er sie berührte.

Es war mehr sein Nicken als das gesprochene Wort, das ihr verriet, dass er Marias Frage bejahte - und dann, als hinter ihr die Novizinnen einige Sekunden lang schwiegen und nur noch Schwester Anna sprach, konnte Caterina hören, was er zu Maria sagte.

"Meine Mutter....läßt dir diesen Korb bringen, Maria. Mit... besten Grüßen." Er zögerte, warf einen schnellen Blick über seine Schulter und Richtung Tor. Dann  sprach er weiter, die Worte eigenartig betonend: "Es sind... hilfreiche Dinge dabei. Ich hoffe, es ist zu deiner Zufriedenheit."

Caterina beobachtete die beiden gebannt. Wie Maria ihn jetzt ansah! Dann nahm sie ihm den Korb aus der Hand, deckte das Tuch auf und hob einige der Dinge an, die darin waren. Einen Moment hielt sie inne, starrte hinein, dann stellte sie den Korb auf den Boden und umarmte ihn.

Es wirkte beinahe stürmisch, er musste ihr etwas Besonderes gebracht haben. Und wie er zunächst erschrocken und verwundert schaute! Seine Arme hoben sich, einen Moment lang schien er zu zögern, dann erwiederte er Marias Umarmung. Die eine Hand streichelte zweimal über dem Rücken der Nonne auf und ab, bevor sie still auf ihrem Gewand liegen blieb. Er musste etwas gesagt haben in dem kurzen Augenblick, als ihre Köpfe dicht beieinander waren und sein Gesicht von ihrem Schleier verdeckt war, denn Maria schaute plötzlich zu ihm auf. Sie löste sich von ihm, nahm sein Gesicht in beide Hände, zog ihn zu sich herunter und küsste ihn auf die Stirn. Wie ein Segen wirkte es.

Sie atmete tief ein. Sie blinzelte. Der Moment hatte Tränen in ihre Augen gebracht, diese Umarmung, den Kuss zu sehen. Diese zärtliche Geste, die Wärme und Vertrautheit zwischen ihnen... Angelo wurde geliebt. Und sie verstand das so gut! Aber es brachte ihr auch ins Bewusstsein, was ihr selbst zum Überleben bitter fehlte. Sie musste Liebe finden. Geborgenheit. Ein wenig Halt, auch für sich selbst. Damit sie irgendwo ankommen und weitermachen konnte.

Oh, wie sie das durcheinander brachte! So war es also, wenn er jemanden umarmte! Ihr Herz klopfte wild, es schmerzte und es machte sie glücklich, ihn so zu sehen, beides zugleich. Aber bevor sie darüber nachdenken konnte, was dieser Moment, den sie da beobachtet hatte, mit ihr anstellte, hatte Maria ihn auch schon wieder losgelassen und er hob den Kopf... und sah nun über die Schulter der Nonne hinweg direkt zu ihr hinüber.

Sie konnte nicht sagen, ob sie noch atmete, ihr Herz setzte aus. Sie standen beide da, sahen einander über die Meter, die sie trennten, hinweg in die Augen...

Die Zeit hielt an für sie und ihn, während ringsum die Dinge fortgingen. Niemand bemerkte den magischen Augenblick, der ihnen zur Ewigkeit wurde und ihre Welt aus den Angeln hob. Maria hatte sich dem Korb zugewandt und war in Begriff, ihn hochzunehmen, die Novizinnen waren mit den Kräutern und Annas Erläuterungen beschäftigt - und er und sie standen da und es gab  auf einmal nichts mehr, was zwischen ihnen lag, abgesehen von einigen Metern Luft.

Dies war der Moment, der nur ihnen allein gehörte. Vor Stunden noch hatte sie ihn gefürchtet, hatte gedacht, sie würde sterben, wenn ihre Blicke unmittelbar aufeinander trafen. Jetzt, als es so unerwartet geschah, war es anders. Die Welt hielt den Atem an und Caterina fiel haltlos in seinen Blick hinein, immer tiefer, und war nicht mehr zu retten. Nie hätte sie gedacht, wie gut es sein würde, sich so wild und mutig fallen zu lassen. Wie lebendig sie sich fühlte! Nichts passierte ihr - nichts und alles! Ja, es war gefährlich, natürlich! Und ihm schien es genauso zu gefallen wie ihr.

Sie wusste, sie sah, sie konnte spüren, dass er sie sofort erkannt hatte. Was jetzt in seinem Gesicht stand, was sein Blick sprach, dieses winzige Lächeln, das in seinen Augen begonnen hatte und jetzt seine Mundwinkel erreichte... all das wollte sie niemals vergessen. Solange es dies zwischen ihnen gab, solange er lebte und hier war, konnte kein Meeresgrund, kein Tod sie mehr locken. Für diese unausprechliche Verbindung, die sie hier nun knüpften, für ihn, für sich selbst wollte sie es mit dem Leben aufnehmen. Ganz gleich, gegen welche Klippen es sie noch werfen würde.

Er starrte sie an, sie starrte zurück, zwischen ihnen rauschten Fragen, Wünsche, Seelenworte - alles ringsum trat vor dem Zauber des Moments zurück. Bis ihr Name gerufen wurde.

"Caterina?" Die alte Anna war es, die sie rief. "Mädchen! Du da vorne am Haselstrauch! Bist du Caterina, die Engländerin? Du kommst jetzt bitte auch zu uns herüber."

Die Röte fuhr ihr so heftig ins Gesicht, dass sie nicht wusste, wohin sie sich wenden sollte. Sie war wütend. Wie lange würde das noch so gehen? Hatten die Leute in diesem Land, das ihr seit neun Jahren ebenfalls zur Heimat geworden war, denn keine Ahnung vom Rest der Welt? Einen Moment lang stand sie da, die Fäuste unter den langen Ärmeln geballt. Dann drehte sie sich um.

"I am Scottish", rief sie der Schwester zu, die ihren Blick erwartungsvoll auf sie gerichtet hatte. Die Worte waren aus ihr heraus geplatzt, bevor sie sich hätte zügeln können. Und sie hatte es in der Sprache gerufen, die ihr hier absolut verboten war! Laut und kräftig hatte sie es über den Garten hinweg gerufen, jeder hatte ihre trotzige und freche Antwort gehört. Jeder! Wie sie sich schämte! Unsicher wandte sie sich zu Angelo um, sie hoffte in seinem Gesicht irgendeinen Hinweis darauf zu finden, dass er sie nun nicht seltsam, unerzogen und fremdartig fand...

Was sie fand, war das schönste und aufrichtigste Lächeln, das sie jemals gesehen hatte. Freude über ihren Widerstand lag darin, Freude und offene, ehrliche Anerkennung. Und er lächelte so frei und unverstellt! Er gab sich nicht einmal Mühe, sein Gefallen an ihrer Reaktion zu verbergen, als Maria ihm ihren Ellenbogen in die Seite rammte und er lachend auswich.

Schwester Anna schien ihr Trotz nicht im Geringsten zu stören, sie ignorierte ihn einfach und rief: "I am as well, lass, so what! Von mir aus auch Schottland! Das ist ein schönes, wildes Land! Und wilde Mädchen scheint es neuerdings hervor zu bringen, es sieht ganz so aus. Ist einige Jahrzehnte her, dass ich zuletzt dort war. Aber dies hier ist nun nicht Schottland, Lassie, sondern mein Kräutergarten. Nun kommst du zu uns herüber - dass du morgen früh nicht so ganz unwissend dastehst, wenn wir uns diese Beete hier vornehmen."

Erst nach diesen Worten sah die alte Nonne an Caterina vorbei und bis zur Mauer. Sie kniff die kleinen Augen zusammen. dann hob sie winkend die Hand. "Da vorne, der junge Mann bei dir, Maria... ist das nicht mein Lieblingschüler? Oder täuschen mich meine alten Augen?"

Sie strahlte über ihr ganzes Gesicht, das sich dabei in tausend Runzeln und Falten legte. "Maria! Lass ihn mal los! Schick ihn zu mir herüber! Wir werden hier schneller fertig, wenn wir die Gruppe aufteilen, er soll die eine Hälfte übernehmen und ihnen die neuen Beete zeigen!"

Maria wirkte entgeistert. Sie machte der alten Schwester Zeichen und schüttelte den Kopf, aber Anna verstand nicht, was sie sagen wollte - oder sie sah die Gesten nicht.

Angelo machte Anstalten auf die Gruppe zuzugehen, aber Maria drückte ihm ihre Hand gegen die Brust und schob ihn gegen einigen Widerstand rückwärts aus dem Tor hinaus. Was sie dabei zu ihm sagte, konnte Caterina nicht verstehen, aber es sah aus, als erklärte sie ihm, warum es keine gute Idee wäre, wenn er sich hier jetzt am Geschehen beteiligte. Einen letzten Blick warf er ihr noch über die niedrige Mauer hinweg zu, dann war er verschwunden.

"Er konnte nicht bleiben, Anna", rief Maria der alten Schwester entgegen, als sie auf die Gruppe zustapfte. "Lautenunterricht", schob sie erklärend nach. Im Vorbeigehen schnappte Maria sich wortlos Caterinas Arm und nahm sie mit zu Anna und den anderen Novizinnen.

Lautenunterricht. Musik, dachte sie und verbarg das Lächeln, das sich in ihr breit machte. Sie hatte es gewusst. Und er... er wusste nun ihren Namen.

Ende Teil 48


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