12 Welt A 🌏🤍 Freitag/Samstag

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Ich wüsste gern, welcher Idiot mir zum Freitag eine lange Schicht eingereicht hat. Das kann unmöglich ich gewesen sein. Wobei- angesichts seiner Geldsorgen macht er sowas vielleicht freiwillig?

Die Arbeit im Shop ist zwar nicht unangenehm, aber lieber würde ich drüber nachdenken, wie ich hier wegkomme. Nicht nur aus diesem Laden. Aus dieser Welt. An sich würde ich Hyunuk fragen, ob er noch Ideen hat, aber ihm war der Kontakt mit mir heut etwas peinlich nach dem Weinen am Vorabend, was ich jedoch nicht schlimm finde. Ich hab ihn sehr gern. Und er fand es auch nicht peinlich, als ich ihm den einen Abend zu sehr auf die Pelle gerückt bin. Ist alles ganz entspannt zwischen uns.

Er holt mich von der Arbeit ab, für den Fall, dass ich morgen verschwunden bin, damit wir uns ordentlich verabschieden können. Und um Pläne zu schmieden, falls ich noch da bin. Die Idee, es Inhos Eltern zu sagen, findet er nicht so gut. "Du hast schon genug Chaos angerichtet... ist nicht böse gemeint..."

"Schon gut", schmunzele ich. Ich verstehe ja, was er meint. Der Gedanke lässt mich aber nicht los. Alles andere habe ich erledigt, nur das habe ich noch nicht herausgefunden. Ich könnte zumindest mal vorsichtig anfragen, wie die Familie dieses Thema sieht, vielleicht bei einer meiner Schwestern. Da muss ich aber noch überlegen.

Zeit mich zu wappnen habe ich nicht. Weil es heute schon spät ist und ich immer noch hoffe, jeden Tag in meine Welt zurückzukehren, denke ich nicht konkret darüber nach. Natürlich begleitet mich das Thema trotzdem in den Schlaf und sorgt für seltsame Träume, in denen ich enterbt werde und mit Hyunuk auswandere. Im Schnee, was normalerweise zu kalt wäre, wenn man nackt ist, aber während des Traumes stellt man sowas ja nicht infrage - ich zumindest nicht. Wie unlogisch alles ist, fällt erst hinterher, nach dem aufwachen, auf.

Jedenfalls bin ich nicht ordentlich vorbereitet, als Mama nach dem Frühstück anruft und sich ihre Frage, ob ich gerade arbeiten muss, selbst beantwortet: "Sonst würdest du ja nicht rangehen, hahaha!" Ich seh schon, sie ist genauso ein Scherzkeks wie ich sie kenne, und muss angesichts dessen lächeln. Das bleibt aber nicht lange so.

Eigentlich ruft sie nur an, weil ich zu selten anrufe und sie nur mal hören will, wie es mir geht, allerdings riecht sie den Braten, dass ich etwas auf dem Herzen habe, nach kurzer Zeit. Wie macht sie das immer??

Geräuschvoll räuspere ich mich, als hätte ich was im Hals. "Kann ich kurz drüber nachdenken?", bitte ich. Das wird aber nicht helfen, mekn Kopf fühlt sich gerade so leer und gleichzeitig sehr schwer an und ich kann keinen konkreten Gedanken festhalten. Ich lege mich aufs Bett und rolle mich herum. "Ehrlich gesagt hab ich mir das gar nicht überlegt. Vielleicht will ich es auch gar nicht sagen."

"Deine Schwestern würde ich jetzt fragen, ob sie schwang- Nein, du hast doch nicht etwa-", beginnt sie in amüsiertem Ton, der dann aber leicht uns schockierte überschwenkt. Eilig unterbreche ich sie: "NEIN! Ich habe kein Kind gezeugt. Und das werde ich auch nie."

"Das passiert manchmal schneller als man denkt!"

"Ja, schon klar, aber mir nicht..." Siehe mein Onkel mir seinen fünf Zwergen, aber er ist halt auch nicht so schwul wie ich. "Die Sache ist die...", meine ich schließlich und male beim nachdenken mit dem Zeigefinger Kreise aufs Kopfkissen. "Ich hoffe, meine Schwestern machen dir genug Enkel, bei mir wird das nämlich wirklich nichts..." Meine Jüngere hat vielleicht mal Kinder, sie ist da nicht abgeneigt, die Ältere hingegen wollte noch nie welche, auch wenn noch so viele Omis und Tanten ihr einreden, dass sie ihre Meinung schon noch ändern wird.

"Hmm", macht Mama nachdenklich. Ich hab jetzt schon viel zu viel gesagt. Ursprünglich wollte ich nur ganz allgemein fragen, was sie von Nichtheteros hält. "Naja, wenn du eben keine Kinder willst..."

Von nicht wollen kann keine Rede sein. Mit dem richtigen Partner würde ich vielleicht irgendwann in Erwägung ziehen, eins aufzuziehen. Nur selbst machen werde ich keins.

"Was hältst du denn davon... also, wie ist denn deine Meinung dazu... wie soll ich sagen... wenn man nicht wie Mann und Frau zusammenlebt?", gebe ich schließlich von mir. Ich hab sonst kein Problem, direkt zu sein, aber jetzt gerade ist es voll schwer.

"Ich weiß nicht ganz... äh... wenn man getrennt lebt, meinst du?"

"Ähm, nein. Eher wie... naja, zwei Männer?"

Nun ist nur leises Rauschen in der Leitung. Während die Stille sich auflädt, schweifen meine Gedanken in meine Kindheit. Ich hatte nie ein wirkliches Coming Out. Als ich elf war, hat Mama uns Kinder beiseite genommen, weil sie uns mit Bedauern mitteilen musste, dass ihre Schwester sich sehr unflätig über Lesben geäußert hat, Mama davon schwer enttäuscht ist und Lesben entgegen der "Meinung" von Diskriminierern sehr wohl ganz normal sind. Was für Schwule und alle anderen selbstverständlich auch gilt. Hätte ich also mal einen tollen Freund gehabt, wäre es kein Problem gewesen, ihn ihr vorzustellen.

Hier sieht die Lage ganz anders aus. Nach einem sehr schweren Ausatmen meint die Mama, die genau klingt wie meine, aber eine total andere Person ist: "Wie kommst du denn auf so einen Quatsch?"

"Das ist kein Quatsch, es ist mir sehr ernst."

"Inho, sowas geht nicht. Lass das lieber nicht Papa hören, wenn du solche Launen hast-"

"Es ist keine Laune! Ich bin schon immer so", verteidige ich mich und muss mir kurz auf die Zunge beißen, um nichts Verkehrtes zu sagen. Sie kennt ja nur den anderen Inho, den, der es ihr nie sagen konnte. "Ich schlepp das schon jahrelang mit mir rum! Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie schwer das ist?"

Ich kann es mir ja selbst kaum vorstellen. Wie schlimm das für Inho gewesen sein muss! Es macht mein Herz ganz schwer und er tut mir furchtbar leid.

"Es ist...", fängt sie und hält dann inne, während sie wohl kurz überlegen muss. "Natürlich ist es schwer... aber wirklich so zu leben, wär noch viel schwerer. Ich wollte doch immer nur, dass du es gut hast im Leben, und so ein Leben kannst du auf keinen Fall führen... wenn du mal heiratest, welche Frau wird dich denn noch wollen, wenn du vorher... wenn du... mit einem Mann?"

"Ich werde nie eine Frau wollen. Ich kann das nicht, Mama." Ich glaub, ich hab meine Mutter noch nie so schwer enttäuscht. Der unangenehme Kloß im Hals wächst immer weiter. Ich kann nur noch leise mit belegter Stimme sprechen. "Das Leben, was ich jetzt habe... das du von mir erwartest... das kann ich nicht führen. Es macht mich kaputt. Willst du nicht, dass ich glücklich bin?" Das hat meine Mama mir zumindest immer gesagt.

Wieder ist Stille. Gleich fange ich an zu weinen und ich glaube, sie auch. "Sei nur froh, dass ich am Telefon bin und nicht Papa", schnieft sie leise. "Es tut mir leid." Dann legt sie auf.

Schöne Scheiße. War ich zu dramatisch? Was mache ich denn jetzt?? Das ist absolut nicht so gelaufen, wie ich mir erhofft hatte. Aber was habe ich auch erwartet, Inho hatte schon seine Gründe, sich nie jemandem anzuvertrauen.

Hyunuk ist grad bei seinem Bruder und antwortet nicht auf meine Nachricht, wie sehr ich es verbockt habe. Daher ist warten angesagt. Da das Nickerchen nach dem Mittagessen nicht die erhoffte Entspannung bringt, gehe ich mich in der Wanne einweichen, um meine Nerven zu beruhigen. Jetzt ein schöner Rotwein, oder eisgekühlter Americano, das wär's...

Eh ich mich fertig abgetrocknet habe, klingelt das Telefon wieder und mir schießt ein Spruch durch den Kopf, den Mama immer sagt: "Bin ich hier bei der Post?" Sonst ruft ja nie jemand an.

Es ist Mama, denke ich zumindest angesichts der Familienfestnetznummer, könnte auch Papa dran sein oder unser Nesthäkchen. Bitte nicht Papa. Ich glaube, das schaffe ich mental nicht, aber wenn nicht ich, wer dann? Dem anderen Inho kann ich das auch nicht zumuten.

Angespannt nehme ich das Gespräch entgegen. "Ha-hallo...?"

"Inho", höre ich Mamas Stimme. Sie klingt verweint. Oh nein! Eh ich etwas sagen kann, entschuldigt sie sich dafür, vormittags einfach aufgelegt zu haben. Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet. "Es ist nur... schwer zu verkraften und ich kann mir, wie du sagtest, kaum vorstellen, wie schlimm das für dich erst gewesen sein muss, wenn du es nie sagen konntest... es tut mir leid. Ich war wirklich eine schlechte Mutter."

"Nein, das-", will ich widersprechen, doch sie lässt mich gar nicht ausreden.

"Wir überlegen uns das noch, wie wir das Papa beibringen, ja? Aber wir kriegen das hin... oder? Ich möchte das gern wiedergutmachen."

Erstmal hole ich tief Luft, während ich noch überlege, was ich antworten möchte. "Du musst gar nichts wiedergutmachen. Ich möchte nur... einfach sein dürfen, wer ich bin."

Zustimmend macht sie "Mhm" und schweigt dann wieder kurz. "Hast du denn... jemanden? An deiner Seite?"

Ich schlucke. Sollte ich das jetzt sagen... oder lieber nicht? "Ja...", verrate ich schließlich. "Er ist toll. Ich liebe ihn sehr. Und... er mich auch."

"Schön... das ist... sehr schön für dich. Das ist ja die Hauptsache, dass du ganz viel Liebe im Leben hast und es dir gutgeht..." Gegen Ende wird ihre Stimme immer höher, dann höre ich gedämpfte Weingeräusche. Gott, das ist so schlimm.

"Tut mir leid, Mama", entschuldige ich mich nun bei ihr. Dafür, dass ich nicht der Sohn bin, den meine Eltern sich vorgestellt haben. Dafür, dass ich erst jetzt den Mut habe, es ihnen zu sagen. Dafür, dass ich nicht einmal ich bin, aber das nur am Rande, das werden sie nie erfahren.

"Wir kriegen das hin, ja? Wissen die Mädels es schon?"

"Ähm, nein. Ich hab es nur dir gesagt. Aber ich sag es ihnen noch." Mache ich gleich, auch wenn ich mir unschlüssig bin, ob das ein angemessenes Thema für den Geschwistergruppenchat ist. Aber jetzt noch zweimal telefonieren wäre mir zu viel für einen Tag. Nachdem Mama mir noch das Versprechen abnimmt, dass ich mich bald wieder melden soll, verabschieden wir uns. Dann muss ich erstmal verschnaufen.

Nach einigen tiefen Atemzügen öffne ich den Chat mit meinen Schwestern und erhalte beinah sofort ein paar sehr süße supportive Sticker als Antwort. "Rückblickend betrachtet hätten wir dich wohl mehr unterstützen sollen. Ist ja ein schwieriges Thema. Sag Bescheid, wenn du es Papa sagst, dann sind wir da", schreibt die Große. Wie schön!

Das läuft ja doch ganz gut. Somit ist eine weitere Hürde in Inhos Leben erklommen. Ich sollte Lebensberater werden, für Inhos. Ob es noch mehr von mir gibt? Muss aber nicht unbedingt sein, mit denen allen auch noch zu tauschen... ich will einfach nur wieder nach Hause.

Bei Jiahn läuft es auch halbwegs okay, er hat heut Doha seine Gefühle gestanden, der sie leider nicht erwidert, aber sich trotzdem sehr um ihn sorgt. Auch wenn es jetzt wehtut, Jiahn ist zuversichtlich, dass zwischen ihnen alles in Ordnung bleiben kann. Yeontae tröstet ihn so gut es geht, was Anfang der Woche kaum vorstellbar gewesen wäre. Das ist schön.

Gegen Abend kommt Hyunuk vorbei, als er auf dem Rückweg vom Familienbesuch ist, und er hat Bier dabei. Wir können uns damit aber nicht auf den Balkon setzen, weil meine Wohnung keinen hat. Nach etwas Curry und Reis wechseln wir daher in seine. Heute soll ein Komet zu sehen sein, allerdings erst zwei Stunden nachdem wir es uns draußen gemütlich machen. Dank Hyunuk vergeht die Zeit aber wie im Flug. Mit ihm würde ich auch vier Stunden hier sitzen, oder gleich die ganze Nacht, wenn es dann nicht viel zu kühl wäre.

Wie hält es der andere Inho nur neben ihm aus?? Hyunuk ist sooo schön und hab ständig das Bedürfnis ihm durch die Haare zu fahren. Wenn er lacht, hat er ganz viele kleine Lachfältchen um die Augen, was ihn noch liebenswerter macht. Und seine Lippen sind sowieso toll.

"Warum hast du eigentlich mitgemacht?", fragt er unvermittelt und sieht mich gespannt an. Seine Augen funkeln wie immer schelmisch, als mein Blick sein Gesicht hinaufwandert und seinen trifft.

Ich bin kurz verwirrt. "Äh? Wobei?"

"Als..." Nun wirkt er leicht verlegen und schaut kurz in die Ferne, eh er mich wieder ansieht, ernster diesmal. "Bei dem Kuss."

"Oh." Das geht ihm also durch den Kopf, wenn ich ihn zu sehr anstarre? Ich denke daran zurück, an Montag, als wir uns kennengelernt haben. Es kommt mir vor, als wäre das schon ewig her. "Weil... es so schön war."

"Mhm", brummt er nachdenklich.

"Vielleicht weil wir wirklich füreinander bestimmt sind... Das wäre schön."

"Wenn wir in jeder Welt zusammengehören?"

"Mhmm... Falls wir nicht zurücktauschen...", überlege ich, "würdest du mich dann nehmen?" Hyunuk schluckt betreten. "Oder würde dir das immer noch wie betrügen vorkommen?", hake ich nach.

"Ich weiß nicht...", meint er leise und schaut dabei angestrengt ins Nichts. "Nach einem Jahr vielleicht? Aber was, wenn er doch irgendwann zurückkommt?"

Obwohl es schon dunkel ist, sieht man kaum Sterne, weil die Stadt nie dunkel ist. Weit in der Ferne erscheint aber ein helles Funkeln, das quer über den Nachthimmel schießt und wieder verschwindet. War das der Komet? Zählt das als Sternschnuppe? Hätte ich mir was wünschen sollen? Keine Ahnung. Eigentlich hab ich an gar nichts gedacht, nur Hyunuk und mich irgendwie im Hinterkopf gehabt, so wie immer eigentlich.

"Ich weiß es auch nicht", erwidere ich schließlich. Auf ewig möchte ich nicht den Platz eines anderen einnehmen, auch wenn derjenige schon irgendwie ich ist.

"Naja, auf die Wange zum Abschied wird schon okay sein", sagt er noch, was im ersten Moment nicht richtig in meinem Kopf ankommt. Außerdem sagt er es nur ganz leise, sodass ich mir dann gar nicht mehr sicher bin, ob er es überhaupt gesagt hat.

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