Frauen auf Reisen

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Solange wir der Hauptstraße nach Norden folgen, ist Luno ziemlich still. Sie hat die Kapuze tief in die Stirn gezogen und sich eng in den Umhang gehüllt; wenn uns jemand entgegenkommt, studiert sie angelegentlich die Maserung auf ihrem Sattelhorn. Bis abends wird sie vermutlich jede Linie getreulich nachzeichnen können.

Dickschädel lässt sich von ihrer Scheu anstecken und stapft mit gesenktem Kopf hinter Tänzerin her, während Starkrücken wie üblich lässig und leichtfüßig trotz seiner Lasten neben mir herschlendert, dass die Behänge an seinen Fesseln im Takt seines munteren Schritts wippen.

Kaum jemand nimmt Notiz von uns. Zwar setzt sich der überwiegende Teil der Reisenden aus hochgewachsenen, hellhäutigen Jöten zusammen, doch bedingt durch die Nähe Battalions und Ereadors sind genügend Menschen und Alben unterwegs, dass wir nicht besonders auffallen. Wir sind auch nicht die einzige gemischte Reisegruppe; zwar bleiben die Alben mehr unter sich, Menschen und Jöten jedoch finden sich oftmals als Reisegefährten wieder und ab und zu schließen sich ihnen auch vereinzelte Alben an.

Wie schon auf der Hinreise fällt mir auf, dass die menschlichen Reisenden sich nicht wesentlich voneinander unterscheiden, während bei den Alben geringe, bei den Jöten jedoch starke Abweichungen zu beobachten sind. Auch daran kann ich ersehen, wie verschieden die Gesellschaften der drei Reiche aufgebaut sind.

Die Menschen sind ziemlich einheitlich gekleidet und ausgestattet; ihre sehr differenzierten natürlichen Farben betonen das noch eher. Ob braunhäutige und schwarzhaarige Jonghas aus dem Süden Battalions, flachs- oder rothaarige Undias mit hellen, klaren Augen, wettergerbter Haut und stämmigen Gliedern aus den Küstengebieten des Westens, goldlockige, braunäugige, geschmeidige Zuts aus den Mittelwäldern oder große, hagere, hellhäutige Havis mit dunklen Locken und zurückhaltendem Gebaren, die in den weiten, kargen Ebenen des Nordens beheimatet sind; sie alle sind in graue oder braune Wolle und helles Leinen gekleidet, gut beritten und machen einen gepflegten und gesunden Eindruck. Frauen wie Männer tragen die weiten, an den Knöcheln gebundenen Hosen und die langen, locker fallenden Blusen, die bei uns übliche Kleidung auf Reisen.

So gut wie alle Menschen sind auf Pferden unterwegs oder wenigstens mit; die Händler lenken meistens von stämmigen Params gezogene große Planwagen, die sowohl als Lager für ihre Waren als auch als Wohnraum dienen. Ich sehe viele Frauen unter ihnen und oftmals auch Kinder; manche Händler führen ihre ganze Familie bei sich. Das ist bei uns Menschen üblich, das Familienleben hat bei uns Vorrang vor geschäftlichen Interessen. Wie bei den anderen drei Völkern tragen zwar die Mütter die Hauptlast der Erziehung, aber die Väter bringen sich stark mit ein und kaum ein Vater in Battalion ist bereit, sich monatelang von Frau und Kindern zu trennen und dadurch wichtige Fortschritte in der Entwicklung der Kinder zu verpassen.

Die Menschen sind fröhlich und gut gelaunt; sie sehen sich während des Reitens um, sprechen miteinander und halten auch hin und wieder an, um einen besonders schönen Ausblick zu bewundern oder den Kindern eine in Battalion seltene Pflanze zu zeigen. Das ist auch möglich, weil die Familien der Händler keineswegs im Planwagen reisen, sondern auf munteren Bíancees, eigenwilligen Roljans und gutmütigen Hanjas nebenher reiten. Mich erkennen sie aufgrund der Kleidung, aber vor allem der Karottenhaare als Landsfrau und begrüßen mich freundlich, die Kinder winken mir munter zu.

Die Alben sind weniger vertreten, aber sie haben ebenso ihren Anteil an den Passierenden. Auch unter ihnen sind vor allem Händler zu erkennen, ferner in dunkle Gewänder gekleidete Gelehrte, die sich wohl auf Forschungsreisen befinden, sowie wandernde Schamanen und Wahrsager.

Die Reisenden aus Ereador sind in der Regel etwas kleiner und um einiges zarter gebaut als wir Menschen; sie reiten auf den gescheckten, ausdauernden Gotrans der Savanne oder auf den kleinen, kräftigen Itoleáns der Südwälder. Letztere werden auch oft als Packpferde genutzt. Obwohl sie kleiner sind als die Gotrans, sind sie wesentlich belastbarer.

Die albischen Wagen sind lang, schmal und ohne sperrigen Oberbau; sie werden meist von Itoleáns gezogen und von dunkelhäutigen, in Jute gekleideten Alben gelenkt, die unschwer als Bedienstete auszumachen sind. Während es bei den Menschen schwer zu unterscheiden ist, wer Herr und wer Knecht ist, sieht man es bei den Alben schon an der Kleidung; die Herren tragen feingewebtes Leinen, schwere Seide oder weichen Samt.

Frauen sehe ich nur wenige unter ihnen und diese reiten nicht, sondern werden in kleinen Kutschen gezogen. Zwei von ihnen sehe ich, als sie bei einer Raststätte aussteigen; sie tragen Reisekleider aus Samt, die mir kaum praktischer aussehen als Lunos Wallegewand.

"Habt ihr keine vernünftige Reisekleidung für Frauen?", erkundige ich mich bei Luno. als wir beobachten, wie die eine Albe über den Saum ihres Kleides stolpert und dabei die kostbare Spitze abreißt. Mich ärgert das, denn ich weiß, wie lange die Jongha-Frauen an einem Meter dieser Spitze klöppeln. Diese feinen Arbeiten sind für Festtagskleider gedacht und nicht, um mit ihnen den Straßendreck aufzufegen.

Luno zuckt die Achseln und verzieht den Mund. "Das ist vernünftige Kleidung. Immerhin liegt der Rock an und man trägt nur einen Unterrock drunter. Und das Oberteil ist ohne Rüschen, Bänder und Fransen!" Tonfall und Mimik zeigen deutlich, dass ihr ihre jetzige Kleidung viel mehr zusagt.

Die gestrauchelte Albe rappelt sich wieder auf, klopft sich den Straßenstaub vom Samtrock ab und dabei fällt ihr blick auf mich. Luno, immer noch halb hinter mir und tief im Umhang verborgen, ist nicht ohne weiteres als Frau zu erkennen. Ich hingegen schon.

Die Albe mustert mich  von oben bis unten und wendet sich dann  mit verächtlich verzogener Miene von mir ab. Ihrer Begleiterin flüstert sie etwas zu und diese wirft einen kurzen Blick auf mich, stößt ein "Hah!" aus und dreht sich demonstrativ von uns fort. 

Ich kichere darüber nur. "Die halten mich wohl für eine 'schlechte' Frau!"

"Äh - ja?" Luno runzelt die Stirn. "Äh, nein! Das bist du ganz und gar nicht!"

"Danke für deine gute Meinung von mir", entgegneich und treibe Tänzerin zu etwas schnellerem Tempo an, nachdem wir dieRaststelle passiert haben.

Noch eine weitere Gruppe der Alben ist nicht beritten, stelle ich fest. Viele der jutebekleideten Knechte laufen nämlich zu Fuß hinter ihren Herren her. Zwar haben sie meist gutes Schuhwerk aus Leder, trotzdem finde ich es ziemlich dumm von den Alben, auf diese Art die Standesunterschiede zu demonstrieren und dafür eine langsamere Reisegeschwindigkeit in Kauf zu nehmen. Aber ich verstehe jetzt, warum sich albische Händler oft beklagen, dass ihnen die Menschen wieder einmal zuvorgekommen sind.

Diese Unterschiede werden bei den Jöten noch deutlicher. Die hochgewachsenen Bewohner dieses Landes reiten in der Regel auf den mächtigen Params, von denen allerdings keiner mit Starkrücken mithalten kann, der selbst für einen Param gewaltig ist. Dass ich meinen Param als Packpferd nutze, stößt den Jöten ziemlich auf, den verwunderten und missbilligenden Blicken nach, die unsere kleine Gruppe treffen. Für ihr Gepäck nutzen die Jöten schwere, breite Wagen, die meist von Auðr-Ochsen oder Gullinborsten, den riesigen, hellhaarigen Schweinen des Nordens gezogen werden. Wer nur wenig Gepäck hat oder kein Geld für einen Wagen samt Ochsengespann, der lädt seine Siebensachen kurzerhand einem Knecht auf, der in Jute, Nessel oder Kaninchenfelle gehüllt ihm auf nur mangelhaft geschützten Füßen hinterherstolpert.

Die Herren – und in diesem Fall ist das wörtlich gemeint, denn ich sehe keine einzige Jötenfrau auf der Straße – tragen natürlich Leder, feine Wolle und dichte Pelze. Und obwohl sie ihren Weg nicht auf eigenen Füßen bewältigen, ist ihr Schuhwerk sehr viel besser als das ihrer Untergegebenen. Was das Reisetempo der Jöten erst recht verlangsamt. Zumal die meist ausgemergelten, unterernährten Diener nicht die Kraft haben, so ausdauernd und zügig zu marschieren wie die gesund und gut ernährt erscheinenden Knechte der albischen Hohen. Mein Eindruck, dass die Jöten überaus unpraktisch sind, verstärkt sich nur noch.

Am Weg und vor allem an den Raststätten tauchen immer wieder Bettler auf. Menschen und Alben geben ihnen oft mitleidsvoll die eine oder andere Münze oder reichen ihnen Nahrung und Kleidung. Die jötischen Reisenden scheinen die Bettler nicht einmal zu sehen. Wahrscheinlich sind sie den Anblick dermaßen gewohnt, dass Bettler für sie ein weiteres Utensil der Straße sind wie Bäume, Mautschranken oder Viehweiden. Kein Grund, ihnen einen weiteren Blick zu schenken und schon gar nicht, sich ins Bewusstsein zu rufen, dass es sich hier um Personen in Not handelt und nicht um schmückendes Dekor am Straßenrand.

Den Bettlern ist das auch bekannt. Während sie Menschen und Alben freundlich ansprechen oder ihnen ihre Dienste anbieten – Alleinreisende sind oft dankbar für jemanden, der ihr Pferd hält und füttert, während sie sich selbst erfrischen -, gehen sie die Jöten aggressiv an, fordern Geld und klammern sich an deren Pelzen fest. Dafür bekommen sie in der Regel Hiebe und Tritte ab, manchmal sogar einen Messerstich. Kein Jöte kümmert sich groß darum, hingegen beobachte ich an einer Raststatt einen albischen Händler, der entsetzt zu einer niedergestochenen Bettlerin läuft, ihre Wunden versorgt und sie in seinem Wagen mitnimmt.

„Jetzt hat er die Verantwortung für sie übernommen", erklärt mir Luno. „Das ist bei uns Tradition. Wer Fremde auf seinen Wagen einlädt, nimmt sie quasi in seinem Haus auf."

„Das ist bei uns ähnlich. In Battalion gibt es wenige Bettler, das liegt vor allem daran, dass es üblich ist, sich auf Gesindesuche auch an Bettler zu wenden, ihre Fähigkeiten und Kenntnisse zu erfragen und sie dann schon mal vom Fleck weg anzustellen. Und wer es einmal geschafft hat, aufgenommen zu werden, der muss sich nicht mehr sorgen, solange er seiner Dienstherrschaft nicht untreu wird. Bedienstete, die zu alt oder zu krank sind, um weiter zu arbeiten, werden weiter versorgt, wenn sie keine Familie haben, die sie pflegt. Und selbst dann zahlen viele Arbeitgeber noch freiwillig einen viertel bis einen halben Tagessatz, um sie zu unterstützen."

„Ich habe nicht das Gefühl, dass hier etwas in der Art gemacht wird", stellt Luno fest.

Recht hat sie. Das erkenne ich schon an dem verächtlichen Lachen, mit dem der Wirt der Raststätte das für ihn unverständliche Tun des albischen Händlers verfolgt.

Auch ich bekomme seine Verachtung zu spüren, als ich unsere Pferde zur Tränke bringe, während Luno sich auf einer Bank ausruht und sich die schmerzenden Schenkel massiert. „Wo will denn der Große mit dem kleinen Frauchen hin?", spottet einer der Jöten, der sich gerade ein Honigbier und ein Stück Schweinebauch servieren lässt. Und der bedienende Wirt fragt mich: „Weiß dein Mann, wo du dich herumtreibst?"

Ich lasse beide Fragen unbeantwortet, tränke in aller Ruhe die Pferde, lege den üblichen Obolus auf die Schale neben dem Trog und mache mich auf den Weg zurück zu meiner Gefährtin.

„Hey, ich habe dich was gefragt!" Der Wirt packt mich am Arm. „Wenn du hier so alleine herumstreunst, sollte ich dich wohl besser hier festsetzen und deine Familie benachrichtigen!"

„Dich geht meine Familie einen Dreck an", ich entziehe ihm meinen Arm. Das geht erstaunlich leicht, da der Jöte nicht damit gerechnet hat, dass eine Frau soviel Kraft einsetzen kann und mich daher nicht sonderlich fest gehalten hat.

„Hör mal, wenn du ausgerissen bist, geht mich das sehr wohl etwas an", blafft der Wirt zurück. „Wenn dein Mann dich sucht – oder dein Vater – dann bin ich derjenige, der gefragt wird, ob er dich gesehen hat und wenn ja, warum ich dich nicht festgehalten habe!"

„Ich bin nicht ausgerissen, sondern einfach eine Frau auf Reisen. Geht dir das nicht in deinen Dickschädel, dass Menschenfrauen auch alleine reisen können?"

Das Schimpfwort habe ich absichtlich gewählt. Mein Roljan spitzt die Ohren, als er seinen Namen hört und schnaubt leise. Auf der Bank hat Luno bemerkt, dass ich in Schwierigkeiten bin und wühlt hektisch in ihrem Rucksack herum.

Ich will die Pferde zu ihr führen, werde aber schon beim zweiten Schritt an der Schulter gepackt und zurückgerissen. „Frauen haben auf der Straße nichts verloren!", donnert der Wirt. „Schon gar nicht so freche Dinger wie du! Dich muss man erst noch Manieren lehren!"

„Von einem ungehobelten Klotz wie dir brauche ich keinen Benimm zu lernen", erwidere ich in täuschend ruhigem Tonfall. Dickschädel bewegt unruhig den Kopf auf und ab, Tänzerin tänzelt nervös auf der Stelle, nur Starkrücken bleibt gelassen sehen, lässt aber meinen Angreifer nicht aus den Augen.

„Lass mich los, Dickschädel!", fordere ich den Wirt auf. Mein Hengst nickt energisch dazu.

„Ich denke nicht daran!" Der Wirt sieht sich um und bemerkt, dass einige Jöten an den Tischen aufgestanden sind und sich hinter ihn stellen. Keine Frage, wem von uns sie beistehen wollen.

Statt mich darob zu ängstigen, fange ich an zu lachen. „Brauchst du großer Kerl etwa Beistand, um mit mir fertig zu werden?" Der Wirt ist mehr als zwei Köpfe größer als ich und glaubt wohl alleine darum schon, mir überlegen zu sein.

Jetzt versucht der Mann doch tatsächlich, mir die Zügel aus den Händen zu reißen. „Solche Pferde sind zu wertvoll, um sie einer Frau in die Hände zu geben, die sie nicht einmal beherrschen kann!", herrscht er mich an.

„Wenn du meinst?" Ich lasse die Zügel los. Und befehle gleichzeitig: „Starkrücken, niederreiten! Tänzerin, allez! Dickschädel, entferne dieses Gezücht!" Gleichzeitig versetze ich dem Wirt einen Tritt gegen das Schienbein, der diesen ganzen, riesenhaften Kerl ins Taumeln bringt. Ich habe nicht nur soviel Kraft wie ein Mann gleicher Größe, sondern weiß auch genau, wie ich sie am effektivsten einsetzen kann und welche Punkte am menschlichen Körper am schmerzempfindlichsten sind.

Starkrücken trabt auf die Gruppe Jöten hinter dem Wirt zu und fegt durch sie hindurch wie durch ein Sonnenblumenfeld. Die starken Männer fallen um wie Kegel und wer sich noch halten konnte, bringt sich eilends in Sicherheit vor Tänzerin, die sich heftig aufbäumt und mit den Vorderhufen strampelt, während sie auf den Hinterhufen auf die Männer zugeht. Dickschädel beißt kräftig in die Hand, die mich festhält und versetzt deren Besitzer einen Stoß vor die Brust, dass der Mann endgültig zu Boden geht.

„Danke schön", sage ich zu meinen Pferden, drehe mich auf dem Absatz um und stapfe zu Lunos Bank. Meine Tiere folgen mir brav, selbst Dickschädel verkneift sich seine üblichen Allüren. Er ist stur und eigensinnig, aber er weiß auch genau, wann die Situation ernst wird.

„Na warte!", schreit jemand hinter mir und im gleichen Moment fliegt etwas an mir vorbei. Verdutzt drehe ich mich um, als der Jemand schmerzlich aufbrüllt.

Einer der Jöten hat sich bereits aufgerappelt und wie es aussieht nach seinem Dolch gegriffen. Jetzt liegt der Dolch vor ihm auf dem Boden und der Mann hält sich die Hand, in der ein handlanger Pfeil steckt.

Luno steht vor der Bank, in jeder Hand eine Pfeilpistole. Es handelt sich um das neueste Modell, wie ich mit einem Blick feststelle, einen Selbstlader mit Magazin für acht Pfeile. Bei der Treffsicherheit, die sie gerade bewiesen hat, ist das ausreichend für die Gruppe Jöten.

„Wenn noch einer Hand an sie legt", droht Luno mit ihrer dunklen Stimme, die ihr Gegenüber im Unklaren lässt, ob er vor einem Mann oder einer Frau steht. „Dann wird er nie wieder eine Frau ‚beglücken' können!"

Oha! Diese Drohung hätte ich der so unerfahren wirkenden Albe gar nicht zugetraut. Meine Reisegefährtin hat sehr viel mehr drauf als man auf dem ersten Blick vermuten würde.

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