Laken halten schlecht

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Prinzessinnen sind zart und schutzbedürftig, darum quartiert man sie nicht in Suiten mit Ausblick auf die Stadt ein, sondern in den Zimmern auf der Rückseite des Schlosses, die in der Regel durch einen Fluss oder einen Steilhang geschützt ist. Hier ist sogar beides der Fall.

Das kommt mir gerade recht. Nicht der doppelte Schutz durch die Natur, sondern der Umstand, dass ich auf der vermeintlich sicheren Seite untergebracht bin. Denn auf dieser Seite gibt es keine ständigen Wachen, nur viertelstündliche Patrouillengänge. Und die Zeit zwischen diesen reicht locker für mein Vorhaben aus.

Ein Seil, lang genug, um die Strecke vom sechsten Stock bis zum Boden zweimal zu überwinden, habe ich mir schon vor Wochen beschafft. Mein Rucksack ist auch schon seit Tagen gepackt, Schwert und Dolch in einer Decke eingewickelt, die ich jetzt auf dem Rucksack festschnalle. Proviant habe ich schon seit einigen Tagen von der Tafel mitgehen lassen. Heute Abend habe ich beim Bankett noch einige Äpfel und Birnen eingesteckt sowie reichlich Brot. Auch aus diesem Grund hat mein Taschentuch im Dekolleté gesteckt; ich habe nicht riskieren wollen, dass Brotkrümel herausrieseln, wenn ich das Tuch aus der in meinem Reifrock versteckten Tasche herausziehe, die eigentlich für meinen Dolch gedacht ist.

Jetzt sind meine Mitbringsel im Rucksack verstaut und mein Reifrock samt Samtkleid im Schrank. Das Seil ist an einem Fuß des mächtigen Bettes befestigt. Und während mich Duin wohl in eben diesem Bett wähnt, spitzen- und satinumhüllt, in seidene Laken geschmiegt und unter warme Pelze gekuschelt, stehe ich stattdessen, Rucksack auf den Schultern, mit Pluderhose, langer Bluse und kurzschäftigen Stiefeln bekleidet, am Fenster und beobachte die Schlosswachen, die gemütlich plaudernd durch die rückwärtigen Gartenanlagen spazieren und gelegentlich einen Blick hinter den einen oder anderen Busch werfen.

Welche Büsche sie kontrollieren, scheint dem Zufall überlassen zu sein. Ich beobachte die Wachen seit Wochen, habe aber noch kein Muster erkennen können. Nur eins bleibt gleich: die Rosenbüsche um den Pavillon herum und an dem verschlungenen Weg, der zu diesem führt, lassen alle Wachen unbehelligt. Sollte mein Zeitplan nicht aufgehen und ich mich verstecken müssen, weiß ich somit, wo ich am sichersten bin. Einige Piekser machen mir nichts aus. Die zarten Hände der Wachen sind da offenbar empfindlicher.

Die Herren, die mich beschützen sollen, verschwinden jetzt um die Ecke. Ich nehme mir das Seil, werfe beide Enden aus dem Fenster, vergewissere mich noch mal, welcher Strang der richtige ist und klettere aufs Fensterbrett. Das Seil winde ich um meine Oberschenkel, fasse es oben und unten fest mit den Händen und schwinge mich hinaus.

Klettern und mich von Felsen abseilen habe ich schon als Kind gelernt. Seil nachgeben und wieder fassen, mit den Füßen an der Wand abstützen und so Meter für Meter tiefer rutschen ist mir so vertraut, dass ich nicht weiter darüber nachdenken muss. So kann ich mich auf die Umgebung konzentrieren und auf Lichter und Geräusche achten.

Ich habe bereits die vierte Etage passiert, als ich dort ein Fenster aufgehen höre. Sofort fasse ich das Seil fester und drücke mich an die Wand. Netterweise ist gerade auf dieser Höhe einer der vielen Götter angebracht, mit denen das Schloss überreichlich geschmückt ist und ich ducke mich in seinen Schatten.

Der Gott hat offenbar nichts dagegen, jedenfalls rührt er sich nicht. Die Person am Fenster hätte mich aber vermutlich auch so nicht bemerkt. Sie wirft erst einen hastigen Blick nach unten, dann einen Strang aus zusammengeknoteten Tüchern und schließlich sich selbst hinterher. Ein leises „Autsch" verrät mir, dass sie sich lediglich mit den Händen zu halten versucht und der Stoff wohl in ihre Handgelenke einschneidet.

Sie versucht nun, das improvisierte Kletterutensil auch mit den Knien zu umfassen und flucht leise, als sie immer wieder abrutscht, sobald sie das Gewicht verlagern will. Was mich nicht wundert, denn sie wird von etlichen Lagen Atlas und Organza umwabert, die ebenso glatt und rutschig sind wie der schwere Duchesse, aus dem die Laken genäht worden sind, welche die Grundlage ihrer Fluchtausrüstung bilden.

Schließlich gibt der Flüchtling auf und versucht es nun mit Hand-unter-Hand-Hangeln. Das werden aber die sicher bereits schweißfeuchten Hände ebenso wenig längere Zeit mitmachen wie die Knoten in der Seide, die langsam, aber sicher auseinanderrutschen.

Ich verdrehe die Augen in Richtung des noch immer schweigsamen Gottes – oder vielmehr Göttin, wie ich nun sehe – schwinge mich um die besonders hervorragenden Attribute der Statue herum, stemme die Füße fest gegen die Wand und strecke die Hand aus. Und das genau im richtigen Moment, denn in eben dieser Sekunde bricht die Fensterstrebe ab, um die der oberste Knoten gewickelt ist. Das Seidengebinde saust mit Schwung abwärts, ebenso die daran hängende Person. Als sie an mir vorbeikommt, greife ich fest zu und bekomme sie an einem zarten Handgelenk zu fassen.

„Aahschschschschsssssss!" Der beginnende Schrei wird fast unverzüglich von einem schmerzlichen Zischen abgelöst, als meinem Fang einfällt, dass wir besser leise sein sollten. Das Geschöpf ist definitiv intelligenter als ein Jöte, zumindest als die, die ich bisher kennengelernt habe.

Leider aber auch schwer. Lange kann ich das Gewicht nicht mit einer Hand halten. „Umarme mich!", wispere ich ihr zu.

Äh – was?"

Leg deine Arme um meinen Hals, dumme Gans! Und setz dich auf meinen Schoß!" Durch meine Abseiltechnik ist mein linker Oberschenkel angewinkelt und bietet der Person nun einen halbwegs sicheren Sitz.

Äh – ja?" Aber trotz der offensichtlichen Zweifel gehorcht mir mein Fang augenblicklich. Ich warte ab, bis alles sicher installiert ist, dann setze ich die Abwärtsfahrt fort. Die Person in meinen Armen hält vollkommen still und stört fast gar nicht dabei. Nicht nur intelligent, denke ich, sondern auch keine Zimperliese. Dass es sich um eine Frau handelt, die sich jetzt an mich presst, ist unverkennbar. Aber nicht um eine „Dame", denn die würde nun ihrer Erziehung gemäß kreischen und quietschen, mit den Beinen strampeln und anmutig mit den Händen wedeln.

Meine unfreiwillige Gefährtin hingegen bleibt still, bis wir den Boden erreicht haben und ich sie auf sicherem Grund abstellen kann. Dann neigt sie sich als erstes vor mir. „Vielen Dank, du hast mir das Leben gerettet. Das war sehr kühn und zuvorkommend von dir." Sie spricht sehr leise, wohl um die Wachen auf der Vorderseite nicht aufzuschrecken.

Schon gut." Ich ziehe kräftig am zweiten Strang des Seils, woraufhin sich der Knoten löst und uns das ganze Tau entgegenrauscht. Dann hebe ich die Laken der Frau auf, wickle beides auf und drücke ihr das Knäuel in die Arme. 

Komm mit!" Ich husche in den Rosengang und höre an dem leisen Tappen hinter mir, dass sie mir folgt. An der Stelle, an der die Büsche am dichtesten stehen, kauern wir uns nieder. „Die Mauer schaffen wir nicht mehr, bis die nächste Runde beginnt. Warten wirs hier ab."

Sie nickt. „Du willst auch hier raus?"

Nee, das ist mein üblicher Abendspaziergang", entgegne ich trocken.

Sie kichert. „Das war eine dumme Frage. Wer bist du?"

Yendis von Battalion, eine der Bräute für morgen. Und ich gehe mal davon aus, du bist die andere? Die Prinzessin von Ereador, die Prinz Jex heiraten soll?" Jex habe ich bereits getroffen, meine Mitbraut allerdings noch nicht. Vor der Doppelhochzeit gibt es lediglich Bankette, bei denen man nur die unmittelbaren Tischnachbarn kennenlernt sowie Jagdausflüge und Wettkämpfe, die ohnehin nur für die Herren gedacht sind. 

Jex hat nur einmal kurz erwähnt, dass er sich den Namen seiner Braut nicht merken könne. Meine Anregung, ihn sich aufzuschreiben, hat er begeistert aufgenommen, bis ihm eingefallen ist, dass er, bis auf seinen eigenen Namen, gar nicht lesen und schreiben kann.

Genau. Ich heiße Luanitianellina." Diesen Bandwurm bringt sie doch tatsächlich ohne Holpern und Stolpern über die Zunge. Naja, da es sich um ihren eigenen Namen handelt, wird sie ihn geübt haben.

„Was für ein selten dämlicher Name!" Vor Überraschung habe ich laut gesprochen und Luanitiundsoweiter legt mir hastig eine schmale, langfingrige Hand auf den Mund. „Du hast ja recht, aber sag das bitte leiser!"

Entschuldigung, das ist mir so rausgerutscht. Ich wollte dich nicht beleidigen."

Hast du nicht. Ich bin derselben Meinung."

Jetzt verstehe ich aber, warum Jex sich das nicht merken konnte!"

Kann der sich überhaupt was merken?"

Hm." So oft habe ich ihn nun wieder auch nicht gesprochen. „Für meinen Namen brauchte er jedenfalls nur zwei Wochen."

Das war für ihn aber eine gewaltige Gedächtnisleistung." Luane – nita – tina - ach, irgendwie – hat wies aussieht den gleichen Eindruck vom zweiten Prinzen gewonnen wie ich.

Jetzt wehen Geräusche zu uns herüber. Metallisches Klappern, schwere Tritte und unter ihnen knirschender Sand. Die Patrouille ist wieder fällig.

Luananeni oder wie sie heißt duckt sich gleichzeitig mit mir tiefer in die Büsche. Meiner Leinenbluse und den Lederhosen macht das nichts aus, aber die Chiffonbahnen um Lu-La-Blablablas schlanken Körper bleiben in den Dornen hängen. Sie lässt sie gewähren. Gescheites Mädchen.

In den nächsten Minuten erfahren wir alles über die Affäre des zweiten Bratenkochs mit der Kaltmamsell und was Duins Leibdiener, ihr Ehemann, wohl dazu sagen wird, wenn er dahinterkommt; riechen überdeutlich, dass es in der Gesindeküche heute Zwiebelsuppe gegeben hat und sehen die sonderbarsten Schatten an der Schlosswand herumwandern, während die beiden wackeren Krieger einige auserwählte Sträucher absuchen, die sich durch nichts von den anderen unterscheiden. 

Aus Erfahrung weiß ich, dass es sich um etwa drei bis vier Minuten handelt, bis die beiden wieder um die Ecke verduften – im wahrsten Sinne des Wortes -, aber es kommt mir sehr viel länger vor. So ist das nun mal, wenn man auf etwas wartet und in der Zwischenzeit nichts tun kann. Das Gefühl habe ich die letzten Wochen zur Genüge genossen, wenn ich meinem ausersehenen Bräutigam eine Frage gestellt und dann auf die Antwort gewartet habe.

Nachdem auch der letzte schwache Schein der Handlaternen nicht mehr wahrzunehmen ist, holt Lunanioderwieauchimmer tief Luft. „Jetzt ist erstmal wieder Ruhe. Wie kann man nur soviel in so kurzer Zeit reden!"

Vielleicht ist das die neue Taktik", wende ich ein. „Bei der Klatscherei nehmen die zwar keinen Feind wahr, aber allein dieser ununterbrochene Wortschwall wird jeden Übelgesinnten schleunigst in die Flucht schlagen!"

Die Prinzessin von Ereador kichert wieder. Dabei gibt sie kein affiges „Tihihihi", sondern ein stillvergnügtes, halb verschlucktes Lachen von sich, das mir gut gefällt. "Damit hast du recht. Allein der Gedanke, das Geplapper noch einmal anhören zu müssen, verleiht mir die Kraft, diese Mauer zu überspringen." Sie weist auf die hintere Mauer, welche den Garten von Hang und Fluss abgrenzt.

Der Schutzwall ist glatt, schmucklos und etwa drei Meter hoch. Das ist schwer, aber nicht unmöglich zu überwinden. Ich nicke meiner neuen Gefährtin zu. „Dann gehen wir mal eine Runde Mauerhüpfen."

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