Die Beziehungen von Menschen und Fabelwesen

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„Wie geht's jetzt weiter?", erkundigt sich Kandreo, als ich ihm den Teller vor den Schnabel stelle.

„Ich werde Fult aufsuchen", erkläre ich ihm.

Margoli hebt das Schnäuzchen aus der Fleischpastete, die ich im Vorratsschrank gefunden habe und maunzt.

„Sie meint, du kannst von dem Brot nehmen, das noch im Schrank liegt, wenn du Hunger hast. Isovre hat ganz sicher nichts dagegen."

Ich verneige mich spaßeshalber vor der schwarzen Katze. „Danke für dein Angebot, aber mir geht es nicht um Brot. Ich habe so einige Fragen an ihn und seine Frau."

Kandreo mustert mich mit geneigtem Kopf. „Wieso grade der?"

Ich grinse ihn an. „Ihr habt nur gesagt, dass die ‚Bäckerin' frisches Brot gebracht hat. Bäckerinnen und Bäckersfrauen haben wir einige in der Stadt. Aber ihr habt von Kordis gesprochen, Meister Fults Frau, nicht wahr?"

Kandreo fällt vor Verblüffung das Stück Ei aus dem Schnabel. „Woher weißte das?"

„Weil es nur so zusammenpasst. Ich habe mich schon gewundert, als du gesagt, sie hat Brot geliefert. Ihr beide wisst am besten, dass ich Isovre einige Zeit belauert habe; sie hat sich niemals Waren bringen lassen, sondern ist immer selbst auf den Markt und in die Läden gegangen."

„Das stimmt", kräht Kandreo überrascht und sammelt sein Ei wieder auf.

Auch Margolis „Ma!" klingt nach Zustimmung, also fahre ich fort: „Es ist auch sehr ungewöhnlich, dass die Bäckerin selbst das Brot austrägt und nicht der Botenjunge oder der Lehrling. Bisher hat doch Meister Fults Neffe die Auslieferungen übernommen. Ihr habt mir aber erzählt, Kordis sei persönlich mit dem Brot gekommen, ausgerechnet am Morgen, wenn es in der Bäckerei die meiste Arbeit gibt und sie im Laden und in der Backstube benötigt wird. Da wusste ich schon, dass mit dem Besuch der Bäckerin etwas nicht stimmen kann."

Es ist schade, dass sich Katzen nicht vor den Kopf schlagen können; Margoli sieht jedenfalls so aus, würde sie diese Geste jetzt gerne ausführen. Das verrät mir auch Kandreos Interpretation ihres erregten Schnatterns: „Das hätten wir uns doch auch denken können! Warum ist uns das nicht aufgefallen?"

Darauf gebe ich lieber keine Antwort und spreche weiter: „Letha hat erwähnt, dass Meister Fults Neffe irgendetwas geschluckt haben muss, was ihn krank gemacht hat. Und ihr habt erwähnt, dass Isovre sehr wütend war, nachdem der maskierte Mann fortgegangen ist. Ihr habt sie aber nicht gesehen, nachdem sie mit Kordis und bevor sie mit ihm gesprochen habt, nicht wahr?"

Beide Vertraute nicken.

„Es konnte also auch die Bäckerin gewesen sein, die Isovre von etwas berichtet hat, was die Hexe sauer werden ließ. Sie hat dann noch den letzten Kunden bedient und ist losgegangen, um jemanden zur Rede zu stellen. Und derjenige hat sich das nicht bieten lassen."

„Jetzt wo du es so erklärst, scheint es einleuchtend zu sein", schnattert Margoli. „Aber was ist, wenn du doch falsch liegen solltest?"

„Dann werden wir einer anderen Spur nachgehen müssen", sage ich gelassen. „Das ist kein Problem. Ich bin ein Hund und Hunde schnüffeln nun einmal gern herum."

Meister Fult öffnet auf mein Klopfen, schüttelt aber den Kopf, als er meiner ansichtig wird. „Geschlossen!"

„Ich bin auch kein Kunde. Ich habe einige Fragen an dich und deine Frau."

„Für Neugierige habe ich jetzt erst recht keine Zeit", wehrt der Bäcker genervt ab.

„Ich bin nicht neugierig. Ich will die Hexe wiederfinden und ich glaube, ihr könnt mir da weiterhelfen."

Meister Fult sieht überrascht auf. „Heißt das, die Wachen kümmern sich jetzt doch um das Verschwinden der Hexe?"

„Die nicht. Aber ich. Ich störe euch ungern, solange euer Neffe noch so krank ist, aber ich fürchte, ich kann nicht warten, bis er wieder auf den Beinen ist."

„Bestimmt nicht!" Meister Fult reißt die Tür weit auf. „Komm rein, Junge. Mir ist klar, dass die Aussichten, die Hexe zu finden, gering sind, wenn sich die Behörden raushalten, aber wenn es eine Möglichkeit gibt, sollte sie ausgeschöpft werden. Und wenn Isovre nicht wieder auftaucht, wird Chellen wahrscheinlich nicht überleben. Es wäre Wahnwitz, dich nicht in deinem Vorhaben zu unterstützen." Seine Stimme klingt ein wenig munterer und seine gebeugten Schultern haben sich etwas gestrafft. So gering die Hoffnung auch ist, die ich ihm geben kann, so hat sie ihm doch geholfen.

Die Famuli schlüpfen mit durch die Tür. Meister Fult bemerkt sie erst jetzt. „Die Vertrauten der Hexe folgen dir? Das ist ein gutes Zeugnis für dich."

„Ey, Navlin ist nicht unser Gebieter!", kräht Kandreo empört.

Fult lächelt müde. „Dann eben euer Partner. Auf jeden Fall arbeitet ihr mit zusammen und schenkt ihm euer Vertrauen, das spricht doch für – wie hast du ihn genannt, Navlin?" Fult mustert mich genauer und stellt fest: „Du bist ja gar kein Mensch!"

„Nein, ein Höllenhund, wieso?"

„Warum sollte sich ein Fabelwesen um einen verschwundenen Menschen sorgen?" Der Bäcker stellt sich unwillkürlich vor die Treppe, die zu den privaten Räumen führt.

Ich antworte mit einer Gegenfrage: „Weil Fabelwesen ebenso auf die Hexe angewiesen sind wie Menschen?"

„Aber ihr könnt doch alles mit eurer eigenen Magie machen!"

„Meine Magie besteht darin, dass ich Feuer spucken kann, allerdings nicht lange und dass ich keine Brotschaufel benötige, um dir deine Backwaren aus dem Ofen zu holen. Wenn ich mich verletze oder krank werde, brauche ich wie du einen Arzt oder die Hexe und wenn mich ein Dschinn verflucht, kann mir nur eine Hexe helfen, da nicht einmal ein Dschinn den Fluch eines anderen Dschinns aufheben kann. Sogar ein Dschinn geht zur Hexe, um eine Verwünschung oder eine aufdringliche Succuba loszuwerden."

Meister Fult blinzelt verwirrt. „Das war jetzt aber mal eine ausführliche Erklärung."

„Die du offenbar gebraucht hast. Mir geht dieses dämliche ‚Ihr Fabelwesen könnt doch alles' ganz schön auf den Geist."

„Woher sollen wir Menschen denn wissen, was ihr könnt?" Fult scheint diese Frage auf der Stelle zu bereuen. Kein Wunder, denn inzwischen bin ich so genervt, dass mein inneres Feuer hochkocht. Von außen ist das sichtbar an den Rauchschwaden, die mir aus Mund und Nase strömen und den eingeschüchterten Bäcker husten lassen.

„Wie wär's denn mal mit fragen?", fauche ich ihn an. „Ihr redet nicht miteinander, Menschen wie Fabelwesen und dann erzählt ihr so unsinniges Zeugs! Was unter Fabelwesen von den Menschen berichtet wird, ist auch nicht viel besser. Du zum Beispiel sollst angeblich Lebkuchenmänner backen können, die nachts lebendig werden und die Fabelwesen ihrer Magie berauben."

Fult bekommt den Mund nicht mehr zu und es sieht ganz danach aus, als ob dieser Zustand noch eine Weile anhalten wird. „Aber ... aber ..."

Von oben kommt jetzt eine weibliche Stimme: „Fult, hör auf zu stottern und Navlin, komm bitte rauf! Ich habe alles mitgehört und bin bereit, dir deine Fragen zu beantworten, aber ich kann Chellen nicht allein lassen!"

Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. An dem immer noch stammelnden Bäcker vorbei erklimme ich die Stufen und lasse mich von Kordis' rotgeränderten Augen begutachten. Nach einem Moment nickt sie und führt mich ins Krankenzimmer.

In einem Bett voller Kissen und Federdecken wälzt sich ein etwa neunzehnjähriger, dunkelhaariger Mensch, schlägt mit den Armen um sich und murmelt Unverständliches. Kordis greift sogleich nach einem bereitliegenden Tuch und tupft die schweißfeuchte Stirn ab.

„Das ist alles, was ich für ihn tun kann", seufzt sie. „Der Arzt weiß auch nicht weiter." Sie sieht zu mir auf. „Ich hätte nicht gedacht, dass der erste Hoffnungsschimmer von einem hundemageren Jugendlichen kommt. Aber wenn du uns helfen kannst, bin ich bereit, alles dafür zu tun."

Ihre Worte berühren mich eigenartig. Mir ist das fremd, dieses sich-umeinander-kümmern und sich-sorgen. Kordis geht es objektiv betrachtet ja gut, Chellen ist derjenige, der Hilfe braucht. Und dennoch spricht sie von „uns helfen".

Würde mir so etwas passieren, würde Meister Engal vermutlich einfach einen anderen Lehrling einstellen und mein Vermieter die Hütte jemand anderem überlassen. Andere Wesen dürfte es gar nicht kümmern, wenn ich krank werde oder sterbe und das erwarte ich auch nicht. Aber Kordis und Fult ist es nicht egal, was mit ihrem Neffen geschieht und sie denken auch offensichtlich nicht daran, nach seinem Tod einfach einen anderen Gehilfen einzustellen und so weiterzumachen wie bisher. Und mir ist nicht klar, warum. Aber ich habe so eine Ahnung. Vielleicht hängen sie auch an einer Leine wie ich. Und verlieren ein Stück von sich selbst, wenn jemand gewaltsam an dieser Leine reißt.

„Darf ich ihn mir einmal ansehen?", frage ich und schiebe alle Überlegungen, die nichts mit Isovres Verschwinden und den merkwürdigen Vorgängen in der Stadt zu tun haben, fürs erste beiseite.

Kordis räumt bereitwillig ihren Platz an Chellens Seite. „Lernst du bei einem Arzt?"

„Nein, ich bin Schmiedelehrling. Aber mein Kamerad ist vorhin zusammengebrochen. Vielleicht hat Chellen die gleiche Substanz geschluckt."

„Ist – ist dein Kamerad tot?"

„Nein, und er wird es wohl auch überleben." Ich beuge mich über den Bewusstlosen und öffne seinen Mund. Wie erwartet, sind Zunge, Zahnfleisch und Gaumen gelbgrün gefärbt. Ich schnuppere ihn ab, kann aber keinen Thymiangeruch feststellen. Dazu ist es wohl auch zu lange her, Chellen ist ja schon seit vier Tagen in diesem Zustand, wenn ich richtig mitgerechnet habe.

Ich ziehe mir einen Hocker heran und setze mich Kordis gegenüber, die auf dem Bett sitzt, Chellen immer wieder den Schweiß abwischt, seine flatternden Hände einfängt und sie beruhigend streichelt.

„Du warst am Morgen von Isovres Verschwinden bei ihr und hast ihr erzählt, was mit Chellen passiert ist, nicht wahr?"

Kordis nickt.

„Wie hat Isovre reagiert?"

„Zuerst war sie nur besorgt und versprach mir, sogleich zu uns zu kommen und sich um Chellen zu kümmern. Sie gab mir auch einige Ratschläge, was ich bis dahin mit ihm tun sollte. Er soll viel Kohlenwasser trinken, meinte sie und ich flöße ihm auch welches ein, wann immer er ruhig genug ist, es zu schlucken. Es soll die Konzentration des Gifts in seinem Körper mindern.

Dann wollte sie wissen, woher er das Gift bekommen haben könnte und erkundigte sich nach allem, was er Abend zuvor getan hatte. Als ich ihr berichtete, wo man ihn gefunden hatte, erstarrte sie plötzlich und sah an mir vorbei – aber ich glaube, sie sah in dem Moment gar nichts, sondern dachte nach. Dann wurde sie ganz rot vor Wut und sagte: ‚Das werde ich diesem ...' " Kordis errötet nun selbst. „Muss ich wiederholen, was sie sagte?"

Vergeblich versuche ich, mein Grinsen zu unterdrücken. Ich habe Isovre bereits fluchen hören und kann mir lebhaft vorstellen, was für Worte sie gebraucht hat.

„Nein, das ist nicht nötig. Berichte mir nur, was sie dann getan hat."

„Sie sandte mich nach Hause und meinte, sie würde wohl doch etwas später kommen. Sie müsse erst verhindern, dass sowas noch mal geschehen würde. Ich hatte Bedenken wegen Chellen, aber sie beruhigte mich damit, dass er überleben würde, wenn er es bis jetzt geschafft hätte. Daran klammere ich mich jetzt."

Und nicht nur daran. Meister Fult hat inzwischen das Zimmer betreten und ihr die Hände auf die bebenden Schultern gelegt. Kordis' schlanke, braune Finger greifen verzweifelt nach den dicken, weißen ihres Mannes. Diese Geste scheint ihr Trost zu bescheren. Interessant. Ich notiere mir das gedanklich und lege es für spätere Verwendung in meinem Geist ab.

„Wie ist es ihm denn ergangen? Wird es besser oder schlechter?"

Kordis schluckt. „Ich – es scheint, als ob die Krämpfe langsam weniger werden. Aber vielleicht glaube ich das auch nur, weil ich es mir sosehr wünsche."

„Ihr solltet Sarode holen", schlage ich vor.

„Aber sie ist eine Koboldin", wendet Meister Fult stirnrunzelnd ein.

„Hast du etwas gegen sie?"

„Aber nein, natürlich nicht! Aber würde ein Fabelwesen überhaupt einem Menschen helfen wollen?"

„Mein Kamerad ist ein Mensch und ihn hat sie behandelt."

Hoffnungsvoll blickt Kordis zu ihrem Mann auf. „Die Leute sagen, sie ist die beste Ärztin hier. Meinst du, wir könnten ..."

Fult nickt entschlossen. „Ich werde nachher zu ihr gehen. Auch wenn sie teuer sein soll, wenn sie bereit ist, Chellen zu helfen, kann sie verlangen, was sie will. Selbst meine Seele."

„Was soll sie denn damit?", erkundige ich mich und Meister Fult errötet. „Die Leute sagen – aber du wirst mir jetzt sagen, dass das nicht stimmt, oder?"

„Fabelwesen sammeln keine Seelen", erkläre ich.

„Nicht einmal du? Ich meine, du bist ein Höllenhund."

„Ach, und du glaubst, ich hätte eine persönliche Hölle, die ich mit Seelen zu füllen gedenke? Unfug! Vielleicht haben die ersten Höllenhunde wirklich einmal die eine oder andere Hölle bewacht. Aber heute nennt man uns nur so, weil wir Feuer und Rauch spucken können."

„Und feurige Augen habt?"

„Oh. Habe ich das?" Ich habe keine Ahnung, welche Augenfarbe ich eigentlich habe. Selbst sehen kann ich es ja nicht, einen Spiegel kann ich mir nicht leisten und bisher war es mir nicht wichtig genug, um jemanden zu fragen.

„Du hast ein ungewöhnlich schimmerndes Goldbraun", Kordis sieht verwundert zu ihrem Mann auf. Der bestätigt: „Ja, sehr schöne Hundeaugen eben. Aber als du vorhin wütend geworden bist, waren sie plötzlich glühend gelbrot."

„Oh." Das ist gut zu wissen. Für Später. Jetzt ist das nicht relevant.

„Hast du dich sehr erschrocken?"

„Erst ja", gibt Fult zu. „Aber jetzt drängt sich mir allmählich der Eindruck auf, dass ihr Fabelwesen auch nicht viel anders seid als wir Menschen."

Das sehe ich auch so. Und ich hoffe, dass das noch mehr Stadtbewohner begreifen werden.



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