68 - Aleyna - Ein ganzes, halbes Jahr

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Geschafft. Ich habe es überlebt.

Völlig fertig mit allem lasse ich mich auf mein Bett fallen, und schliesse für eine Weile die Augen. Heute war der erste Schultag nach all diesen schrecklichen Ereignissen, und ich weiss nicht, wie ich das alles überleben konnte. So unglaublich viele Blicke waren auf mich gerichtet, da meine Entführung leider sehr schnell viral gegangen ist. Und natürlich – wie sollte es auch anders sein? – gibt es mehr als genug Gerüchte und Spekulationen über alles.

Die ganze Wahrheit wurde nie öffentlich gemacht, denn weder ich, noch Nate – der in diesem Fall für Ray gesprochen hat -, wollten das. Dieses Thema gehört garantiert nicht in die Öffentlichkeit, so viel steht klar. Es hat mich nicht überrascht als ein paar Freshman heute zu mir gekommen sind, um zu fragen ob der Entführer mein heimlicher Freund war, und eigentlich nur wollte, dass er mich für sich ganz alleine haben kann. Darüber habe ich nur leicht gelacht, und den Kopf geschüttelt.

Für den Rest des Tages haben alle meine Freunde einen echt guten Job darin geleistet, mich vor anderen abzuschirmen, damit ich einfach den ersten Schultag seit einigen Wochen wieder hinter mich bringen konnte. Seit Rays Beerdigung sind anderthalb Monate vergangen, in denen ich Nate kaum gesehen habe. Ich mache mir Sorgen um ihn, doch ich versuche ihm die Zeit zu lassen, die er braucht. Ich möchte ihn auf keinen Fall unter Druck setzen, denn ich weiss leider nur zu gut wie es ist, einen geliebten Menschen zu verlieren. Das dauert, und zwar lange.

Langsam rapple ich mich auf und watschle zu meinem Kleiderschrank, wo ich mir willkürlich ein paar bequemere Kleider herausnehme, denn ich muss aus dieser Jeans raus. Sofort. Sehr ungraziös strample ich mir dieses viel zu enge Kleidungsstück von den Beinen, und unterdrücke einen Seufzer, als ich den weichen Stoff meiner geliebten Jogginghose spüre. Der Himmel auf Erden, definitiv. Ich setze mich mit meinem Laptop auf mein Bett, und tue das, was ich die letzten Tage auch schon getan habe – ich versuche, Nate auf Skype zu erreichen.

Seit Tagen meldet er sich nirgends mehr, weder auf dem Handy noch auf Skype. Dabei haben wir in letzter Zeit oft geskypt, weil keiner von uns die Kraft hatte, überhaupt das Haus zu verlassen. Es hat uns beiden geholfen, den anderen wenigstens über den Bildschirm zu sehen und zu hören, doch jetzt habe ich nicht mal mehr das. Wie immer wird mir in der Ecke von Nate's Profilbild angezeigt, dass er offline ist, doch das ignoriere ich geflissentlich. Ich drücke auf die grüne Kamera, und warte. Irgendwann wird mir das zu dumm, und ich breche den Anruf ab. Gleich danach schreibe ich Nate eine Nachricht.

Aleyna: Nathan Scott, wo zur Hölle bist du? Lebst du überhaupt noch? Wäre dir sehr dankbar, wenn du deinen Arsch vielleicht mal dazu bewegen könntest, mir wenigstens eine kurze Nachricht zu schicken, damit ich weiss, dass alles okay ist. Danke.

Frustriert klappe ich meinen Laptop wieder zu, und lasse mich rücklings auf mein Bett fallen. Der Gedanke, dass Nate vielleicht etwas angestellt hat, lässt mich nicht los, und ich weiss nicht, was ich tun soll. Offensichtlich will er nicht mit mir sprechen, doch ich weiss ja nicht mal, wieso. Ich habe nichts getan, jedenfalls nichts, worüber ich mir im Klaren wäre. Ich habe nur versucht eine gute Freundin zu sein. War das falsch? Hätte ich Nate vielleicht einfach ganz in Ruhe lassen sollen?

Ich öffne Instagram, und gehe auf Nate's Profil. Die einzigen Inhalte, die man hier findet, bestehen aus Tapes von Aufnahmen der Schulband. Auf den letzten beiden bin ich dabei. Ich denke daran zurück, wie lustig die Proben immer waren, und wie sehr ich mich immer darauf gefreut habe. Nate sitzt meistens hinter dem Schlagzeug oder spielt mit mir zusammen den Gitarrenpart, und ganz selten singt er ein paar Vokale im Hintergrund. Zusammen mit mir. Unser nächster Auftritt wäre in einigen Wochen, doch ich weiss nicht, ob das geschehen wird.

Plötzlich erhalte ich eine Nachricht auf Instagram, von einer mir unbekannten Person. Ich gehe auf das Profil des Mädchens, und stelle schnell fest, dass es Valerie ist. Also nehme ich die Chatanfrage an, und setze mich aufrecht hin.

Valerie: Hey, bist du Aleyna?

Aleyna: Ja, bin ich. Valerie, oder?

Valerie: Bingo. Kannst du zu uns nach Hause kommen?

Ich runzle die Stirn, und schaue auf die Uhrzeit. Noch nicht zu spät.

Aleyna: Klar, aber wieso denn?

Valerie: Ich bin nur noch heute zu Hause, und muss dir etwas zeigen.

Aleyna: Okay... ich bin in zwanzig Minuten da.

Sofort rapple ich mich auf, und entscheide mich dazu, dass eine Jogginghose und ein bequemes Shirt schon ausreichen. Dementsprechend ziehe ich mich also nicht um. Ich schnappe mir mein Handy und die Autoschlüssel, und verlasse mein Zimmer. „Bin kurz weg!", rufe ich durch das Haus, und verschwinde dann auch schon aus der Haustüre.

Meine Mutter hat darauf bestanden, mir von ihrem Teil von Dads Erbe ein Auto zu kaufen, da mein altes nur noch für den Schrotthaufen zu gebrauchen war. Und so setze ich mich jetzt in meinen Mini, den ich vergöttere, seit ich ihn das erste Mal gesehen habe. Ich verlasse die Parklücke, in der mein Auto die letzten Wochen verbracht hat, und fahre direkt viel zu schnell los. Der Gedanke, dass Valeries Bitte zu kommen etwas mit Nate zu tun haben könnte, lässt mich nicht los, und spornt mich dazu an, so schnell wie möglich bei ihr anzukommen.

Der Verkehr steht auf meiner Seite, und ich kann mich gut zwischen den Autos durchschlängeln. Wenig später parkiere ich auf der Auffahrt vor Nate's Zuhause, und steige aus. Valerie öffnet mir die Türe, und ich umarme sie zur Begrüßung. „Was gibt's?", frage ich dann etwas durch den Wind, und Valerie räuspert sich. „Am besten kommst du einfach mit", sagt sie dann, und ich schliesse die Haustüre hinter mir, ehe ich Valerie folge. Sie geht die Treppen hoch und läuft in Richtung von Nate's Zimmer, doch vor seiner Türe macht sie Halt.

„Was ist?", frage ich sie verwirrt, und Valerie öffnet mir die Türe. „Geh rein, das ist für dich bestimmt." Ich nicke langsam, und schaue etwas verwirrt zu Valeries Hand, die mir die Türe zu Nate's Zimmer aufhält. Ich habe keine Ahnung, was mich jetzt erwartet. Vorsichtig betrete ich das wie üblich abgedunkelte Zimmer, und schliesse die Türe hinter mir. Von Nate fehlt wie zu erwarten jede Spur. Ich schaue mich in seinem Zimmer etwas genauer um, bis mein Blick an seiner Kommode hängen bleibt.

Dort hat er einige Fotos aufgestellt, die ich mir näher ansehen möchte. Das erste zeigt ihn und Ray als kleine Kinder, wo noch alles in Ordnung schien. Daneben hat er ein Portrait von Ray, wie er üblich für ihn frech in die Kamera grinst. Ich schätze ihn auf dem Foto ungefähr zwei Jahre jünger als jetzt. Ein Foto von der Schulband folgt, dann eines mit Nate und Valerie, und schlussendlich noch eins mit Nate und der Gang von Caine. Seine Freunde.

Langsam lasse ich meinen Blick über das Regal über der Kommode schweifen, wo Nate all seine Erinnerungsstücke sammelt. Er hat nicht viele, doch die, die er hat, bedeuten ihm viel. Das hat er mir mal anvertraut. Ich drehe mich um, und entdecke eine Schachtel mitten auf Nate's Bett. Vorsichtig öffne ich den Deckel, auf dem groß mein Name steht, und spüre, wie meine Hände anfangen zu zittern, als ich ein eingerahmtes Bild von uns beiden sehe.

Vorsichtig lasse ich meine Finger über den silbernen Rahmen fahren, und hebe das Bild dann aus der Schachtel raus. Ja, es ist nur ein Bild, doch Nate weiss, wie viel mir Bilder bedeuten. Ich liebe Bilder. Dieses hier wurde in der kleinen Hütte aufgenommen, die nur Nate und ich kennen. Damals haben wir uns dazu verabredet, den Sonnenuntergang zu beobachten, und ich habe Snacks mitgebracht. Es war einer der schönsten Abende meines Lebens.

Meine Hände zittern, und ich lege das Bild auf Nate's unberührte Bettdecke. Dann entdecke ich den Brief, der unter dem Bild in der Schachtel lag. Ich nehme ihn heraus und öffne den Umschlag, um den Zettel herauszunehmen, den Nate hereingesteckt hat. Ich setze mich auf die Bettdecke, und fange an, zu lesen.

Aleyna.

Ganz ehrlich, als ich diesen Namen das erste Mal gehört habe, habe ich mich gefragt, wer denn so heißen könnte. Es ist nicht gerade ein Name, der oft vorkommt. Passt aber ganz gut zu dir, jemanden wie dich muss man erst mal finden. Als ich dich das erste Mal im Krankenhaus gesehen habe, hat deine Tollpatschigkeit mich zum Lachen gebracht. Damals hatte ich noch keine Ahnung, wie viel du mir mal bedeuten würdest, und was wir alles noch erleben würden. Ich dachte, ich sehe dich nie wieder, und habe nicht wirklich viel an dich gedacht. Du warst nur ein Mädchen, das die Augen nicht ganz im Kopf hatte, mehr nicht. Im Schwimmbad habe ich dich dann das zweite Mal gesehen – mit Drogen im Gepäck. Ich hätte ausrasten können. Was sucht so ein Mädchen wie du in der Drogenwelt? Ich wusste es nicht, konnte es mir nicht erklären. Das war das erste Mal, wo ich einen Beschützerinstinkt entwickelt habe. Caine hat mich danach gebeten, auf dich aufzupassen in der Schule, und ich habe es getan. Schlussendlich lief es darauf hinaus, dass wir alle auf dich aufpassen mussten, da wir alle echt in der Scheisse steckten. Doch vertrau mir, ich habe keine Sekunde davon bereut. Du hast dich in mein Leben geschlichen ohne meine Erlaubnis, und hast es dir hier bequem gemacht. Es war dir egal wie oft ich versucht habe dich abzuweisen, was wieder mal deine Sturheit unter Beweis gestellt hat. Aber ich bin dir verdammt dankbar dafür, auch wenn man das vielleicht nicht wirklich oft merkt. Es fiel mir schwer dir zu vertrauen, doch du hast es trotzdem geschafft, dass ich es tue. Als du mich nach meiner Panikattacke im Bandraum beruhigen konntest, wusste ich, dass ich dir vertrauen muss. Es gab für mich gar keine andere Option mehr. Denn bisher hat es noch nie jemand geschafft, mich in dem Zustand zu beruhigen. Nur du. Die letzten Monate waren wirklich beschissen für uns alle, aber ich bereue sie trotzdem nicht. Denn ich habe einen Menschen in mein Leben gelassen, den es nur ein einziges Mal auf dieser Welt gibt. Einen Menschen, den man mit aller Kraft festhalten muss, wenn man ihm begegnet. Für mich gehörst du zu den stärksten Menschen, denen ich jemals begegnet bin. Du hast alles weggesteckt, als wäre es nur eine schlechte Note, und hast für uns alle gekämpft, den Kopf oben gehalten und dich nicht unterkriegen lassen. Ich meine, du hast dein eigenes Auto geschrottet. Das tut nicht jeder.

Al, es tut mir leid, dass ich einfach so abgehauen bin. Ich werde zusammen mit Keanen abreisen, und von Seattle dann weiter nach New York gehen. Ich muss hier weg, verstehst du? Ich halte es nicht mehr aus. Alles erinnert mich an Ray, und es bringt mich um. Ich vermisse ihn so sehr Aleyna. Es tut so verdammt weh. Er hat was Besseres verdient als den Tod. Alles um mich rum fällt in sich zusammen, und ich will, nein ich kann das nicht mitansehen. Ich schaffe das nicht. Ich mache sowas wie einen Austausch in New York, um mich selbst sammeln zu können, und um weiterzuleben. Es ist das Beste für mich, dich, Valerie – für alle. Ich würde euch alle nur mit in den Abgrund ziehen, und das will ich nicht. Ich brauche Zeit für mich, denn ich weiss gerade wirklich nicht mehr, wer ich bin und was ich soll. Es tut mir leid, dass ich dich zurücklasse. Aber ich bin mir sicher, du schaffst das. Du bist eine Kämpferin, okay? Du kannst das. Ich liebe dich, Al. Das habe ich schon immer, und das werde ich auch immer. Man sieht sich in einem halben Jahr :)

Nate

(oder auch: der kriminelle Vollidiot mit den blauen Augen. Danke für diesen Spitznamen.)

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Hättet ihr das erwartet?

Wie würdet ihr an Aleyna's Stelle reagieren?

- Xo, Zebisthoughts

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