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Vier. Sieben. Acht.

Konzentriert atme ich durch die Nase ein, lasse die Luft in meinen Lungen und stoße sie durch den Mund langsam wieder aus. Mein Herz rast immer noch, als hätte ich einen Marathon hinter mir. Dabei habe ich bis gerade noch geschlafen.

Mit jedem kontrollierten Atemzug findet mein Puls ein bisschen mehr zu seinem normalen Rhythmus zurück. Die Eisenkette um meinen Brustkorb lockert sich. Und auch diese Bilder verschwinden endlich dahin zurück, wo ich den Teil von mir begraben habe, der in jener Nacht gestorben ist.

Geblieben ist jemand, der kämpft. Gegen sich und für andere. Zumindest behauptet das ein Großteil meines Umfelds. Erschöpft reibe ich mir durchs Gesicht und greife zu meinem Handy. Eine Minute nach fünf zeigt die Uhr. Ganze viereinhalb Stunden Schlaf.

Wahnsinn. Mein neuer Rekord.

Sinn für Humor hatte ich immer schon. Nur hat die Dunkelheit ihn im Laufe der letzten Jahre mit schwarzer Farbe getränkt. Es ist eben einfacher, zu lachen, als die Tränen zuzulassen, die dir nicht zustehen.

Ich schüttele mit dem Kopf. Gedanken dieser Art kann ich gerade gar nicht gebrauchen. Schnell stehe ich auf und ziehe mir Sportklamotten an. Geschwitzt bin ich eh schon. Da kann ich meine morgendliche Joggingrunde auch vorverlegen. So muss ich wenigstens nicht befürchten, Daniel zu begegnen, der mich jedes Mal zutextet, obwohl er kaum mit mir Schritt halten kann.

Nachdem ich unten in meine Laufschuhe gestiegen bin, verlasse ich das Haus und bin froh, als die Gedanken langsam unter meinen schnellen Schritten auf dem Asphalt verhallen. Eigentlich war ich überzeugt, dass ich die Scheiße mit Charlottes Hilfe endlich im Griff habe. Aber die letzten Monate haben mir eindeutig das Gegenteil bewiesen. Sie hat mich damals gewarnt. Sie konnte nicht verstehen, dass Dinge, die bei anderen Todesangst auslösen, ausgerechnet mir die Luft zum atmen zurückgeben sollen. Keiner versteht das. Weder meine Familie noch Daniel. Manchmal kapiere ich es selbst nicht mal. Vor allem seitdem diese verkackten Albträume mir wieder den Schlaf rauben.

Um mich abzulenken, lege ich einen Zahn zu und komme schließlich bei Sonnenaufgang wieder zu Hause an, wo ich unter die Dusche springe und mir danach erstmal einen anständigen Kaffee mache. Während die Maschine ihre Arbeit tut, krame ich in der Schublade nach meinen Zigaretten. Auch wenn sowohl Koffein als auch Nikotin laut Dad Gift für mich sind, schnappe ich mir Kaffee und Kippen und setze mich auf die oberste Stufe der Veranda.

***

Auf dem Weg zur Arbeit kündigt mir das Display über der Mittelkonsole einen Anruf an. Sophia.

Auch wenn mir das gerade gar nicht in den Kram passt, gehe ich ran. So ist das nun mal. Wenn du willst, dass man dich normal behandelt, musst du dich eben auch normal verhalten.

»Was gibt's?« Leider schaffe ich es nicht, die Gelassenheit meiner Worte in meine Hände zu legen, die sich am Lenkrad festkrallen, als würde es mich vor dem Absturz bewahren.

So viel zum Thema normal.

Zum Glück bekommt meine große Schwester davon nichts mit, wie mir das Schmunzeln in ihrer Stimme verrät. »Ein bisschen mehr Begeisterung bitte, ja?«

Bis die Ampel auf Grün springt, ich Gas gebe und Sophia scharf Luft einsaugt. »Sorry. Hätte ich gewusst ...«

»Entspann dich«, unterbreche ich sie, während sich meine Hände noch mehr verkrampfen und die Stimme in meinem Kopf mich fragt, wen ich eigentlich verarschen will. »Was verschafft mir die Ehre?«

Sie zögert, spricht aber dann etwas an, was ich die ganze Zeit verdrängt habe. »Du denkst doch an Sonntag?«

Ich atme laut aus. Meine Familie war immer gut zu mir. Was sag ich? Mom hat mir jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Vorausgesetzt es war nichts, bei dem ich mich hätte verletzen können. Trotzdem bin ich nicht besonders scharf auf einen Familiennachmittag. Zumal Greg auch bestimmt dort aufkreuzen wird.

»Komm schon, du alter Brummbär«, sagt Sophia in lockerem Tonfall und ich schätze sie wieder mal dafür.

»Ich sag's dir ja nur ungern, Fini. Aber du bist diejenige von uns mit der vier vor der eins.«

»Dafür habe ich keine Augenringe, die bald Kinder kriegen.«

Punkt für sie.

»Also, was ist jetzt?«, fragt sie und ohne sie zu sehen, weiß ich, dass sie ungeduldig ihre Brille auf der Nase zurechtrückt. »Dad hat schließlich nur einmal im Jahr Geburtstag. Außerdem freut er sich, dich zu sehen.«

Das wage ich zu bezweifeln. Aber okay. Wenn es sie glücklich macht. »Bin dabei«, erwidere ich und lege auf.

In Downtown angekommen parke ich meinen Wagen auf dem nahegelegenen Schotterplatz und begebe mich schnurstracks in Richtung Umkleide, vor der ich Amy in die Arme laufe.

»Hast du kurz eine Minute?«

Hervorragend. Das hat mir gerade noch gefehlt. Widerwillig lasse ich die Tür los und wende mich ihr zu. »Was willst du?«

Angesichts meines schroffen Tonfalls tritt sie einen Schritt zurück. »Das ... Tierheim hat am Samstag Tag der offenen Tür«, beginnt sie zögerlich und spielt dabei mit gesenktem Kopf am Reißverschluss ihrer Sweatjacke.

Ich hebe eine Augenbraue. Dass sie dort ehrenamtlich arbeitet, weiß ich seit unserem Gespräch, das anders abgelaufen ist als erwartet. Aber was hat das jetzt mir zu tun?

»Na ja. Derjenige, der eigentlich für den Grill verantwortlich war, ist krank geworden«, beantwortet sie mir meine stille Frage und ich hole tief Luft.

Den Tieren zuliebe würde ich kommen, aber ... alleine der Gedanke an den Gestank von verbranntem Fleisch lässt mich kotzen. Möglichst lässig lehne ich mich gegen die Mauer. »Sorry. Samstag ist schlecht. Familienpflichten.«

»Verstehe.« Sie nickt. Ihr Blick gefällt mir allerdings überhaupt nicht.

»Ich muss dann auch mal. Man sieht sich.« Ich will gehen, doch Amy hält mich am Arm zurück.

»Wieso weichst du mir ständig aus? Wenn es wegen unserer Nacht ist, dann ...«

Bevor meine lieben Kollegen noch mitkriegen, was zwischen uns gelaufen ist, schiebe ich Amy kurzerhand in den kleinen Raum neben der Umkleide.

»Hoppla!« Ihr breiter werdendes Lächeln zeigt mir, dass das ein Fehler war. »Du hast es aber plötzlich eilig«, säuselt sie über das Rattern des Trockners hinweg und kommt mir näher.

Sofort weiche ich mit erhobenen Händen zurück. »Hör endlich auf damit, okay?«

»Aber ich dachte ...«

»Aus uns wird nichts! Kapier das endlich!« Daran ändern weder ihre Überfälle in den letzten Monaten etwas, noch forcierte Treffen.

Die Tränen, die ich in ihren Augen entdecke, lassen mich zurückrudern. Seufzend fahre ich mir durch die Haare. »Sorry, aber du hast einfach was Besseres verdient.« Ich weiß, ist eine blöde Floskel und abgedroschen noch dazu. Aber so ist es nun mal. Amy verdient einen Partner, der sie auf allen Ebenen berühren kann. Genauso wie sie ihn.

Leider sieht sie das anders. »Und das entscheidest du einfach so, ja?!«

Wäre die Situation nicht so beschissen, könnte ich darüber lachen, wie sich diese Frau, die mir selbst in High Heels nicht mal bis zur Brust reicht, vor mir aufbaut, als wäre sie Hulk. »Es war ein Fehler«, erwidere ich ruhig, aber bestimmt, woraufhin sie erst recht zur Hochform aufläuft.

»Ihr Kerle seid doch echt alle gleich!«

»Jetzt bleib mal auf dem Teppich, ja?« Bei allem Verständnis für ihre Situation, so langsam werde ich sauer. »Ich hab dir nie irgendwas versprochen!« Bisher habe ich jeder Frau, mit der ich Sex hatte, das Gleiche gesagt: Einmal. Nicht mehr und nicht weniger. Auch Amy wusste das.

Sie verzieht das Gesicht. »Es ist wegen dem, was gespürt habe. Stimmt's?«

Jetzt geht das wieder los. Dieser verdammte Abend! Ich weiß schon, warum ich mich sonst von so einem Quatsch fernhalte.

»Ich hätte dich einfach nicht fragen dürfen, woher ...«

»Besser wir belassen es dabei«, komme ich ihr zuvor, was sie nicht davon abhält weiter auf mich einzulabern.

»Ich verstehe ja, dass du ...«

»Gar nichts weißt du, okay?!« Sie kennt mich nicht. Nur den Mann, den alle kennen.

»Tom. Ich ...«

In der Hoffnung, dass das den Knoten in meinem Magen auflöst, atme ich tief durch. »Es ist alles gesagt. Also lass uns wie zwei vernünftige Menschen miteinander umgehen und ...«

»Und was?«, faucht sie, während sie mich aus schmalen Augen traktiert. »Kommt jetzt die Wir-können-ja-Freunde-bleiben-Nummer

Mal abgesehen davon, dass wir nie mehr als Kollegen waren, würde ich so weit jetzt nicht gehen.

»Vergiss es! Eher friert die Hölle zu!« Eilig wischt sie sich die Tränen weg, reißt die Tür auf und lässt sie keine Sekunde später zurück ins Schloss krachen.

Jap. Don't fuck the company.

Ich ignoriere den neunmalklugen Ratschlag meiner Vernunft, der ganze drei Monate zu spät kommt, und öffne die Tür einen Spalt, um mich zu vergewissern, dass die Luft rein ist. Bis auf Amy, deren strohblonder Pferdeschwanz im Takt ihrer schnellen Schritte auf und ab wippt, scheint niemand auf dem Gang zu sein.

Bevor sich das ändert, husche in die Umkleide, in der sich niemand befindet. Es hat eben auch Vorteile, wenn man immer zu früh kommt. Eine Weile fummele ich an meiner Spindtür, die mal wieder klemmt. Oder sollte ich sagen: Immer noch? Drecksteil! Nach einem gezielten Schlag gegen das Metall springt die Tür endlich auf.

Vertieft in Gedanken, die immer noch um Amy und vor allem die Frage kreisen, wie ich ihr in Zukunft am besten aus dem Weg gehen kann, fange ich an, mich umzuziehen.

Ich bin gerade dabei aus meinen Jeans zu steigen, als mich ein Schlag auf den Rücken ins Wanken bringt.

Genervt drehe ich mich um und sehe ... Samuel. Das war klar. Unser lateinamerikanisches Glücksbärchen grinst breit. Ich hätte ihn lieber Olaf getauft. Der will einen ja auch ständig umarmen. Bis jetzt konnte ich ihn zum Glück davon abhalten, aber der kleine Gartenzwerg klebt trotzdem an mir wie Kaugummi an der Schuhsohle. Aus unerklärlichen Gründen hält er mich für sein Vorbild. Und ich hoffe wirklich, er meint das nicht ernst.

»Alter. Was war das denn gerade?« Meine hochgezogene Braue sorgt dafür, dass er die Augen aufreißt. »Amy? Ich meine, ich würde alles dafür tun, um eine Frau wie sie zu haben«, behauptet er großspurig und vergisst dabei glatt, dass er auf unseren Jagdtouren in Joes Bar auch nix anbrennen lässt. Seine Worte – nicht meine.

Während ich mich weiter umziehe, hebt er lachend die Hände. »Okay, okay! Sie ins Bett zu kriegen würde mir für den Anfang reichen.«

Auch wenn das ebenfalls nicht ganz der Wahrheit entspricht, belasse ich es dabei. »Sie ist einfach nicht mein Typ«, murmele ich, bevor ich in meinem Spind auf die Suche nach einem Grund gehe, um ihn loszuwerden.

»Was?« Sein Lachen hört sich an, als würde er an seinem Verstand zweifeln. »Leidest du an Geschmackskalkung?« Vielleicht auch an meinem. »Alleine dieser Apfelarsch«, schwärmt er und versinkt dabei wahrscheinlich in den Untiefen seiner sexuellen Fantasien.

Okay. Too much information. Ich bin echt kein Kind von Traurigkeit. Aber das muss ich mir nun wirklich nicht vorstellen.

»Im ernst jetzt, Mann. Die Frau ist der Jackpot. Und du gibst ihr den Laufpass? Was stimmt denn nicht mir dir?«

»Masochistisch veranlagt, oder was?«, stichele ich, nachdem ich meinen Kopf aus dem Spind gezogen habe. Nur wegen ihm war ich auf dieser scheiß Weihnachtsfeier. Um ein gutes Wort bei Amy für ihn einzulegen. Er bekommt ja seine ansonsten große Klappe nicht bei ihr auf.

Mein breites Grinsen quittiert er mit geschürzten Lippen. »Mann muss auch gönnen können.«

Ah ja.

»Außerdem braucht sie bestimmt Trost, wenn du es vermasselst. Und dann ...«

Dass er denkt, er müsste den Notstopfen spielen, überrascht und schockiert mich auch irgendwie. Ja. Samuel ist nervig. Aber er verdient jemanden, der ihn glücklich macht. Jeder tut das.

Ach? Du etwa auch?

Woher auch immer diese ätzende Stimme kommt, sie kann sich direkt wieder verpissen. Es ist gut so, wie es ist. Ende der Diskussion.

Das meinst auch nur du.

Ich schiele zur Uhr. Da Samuel keine Anstalten macht, zu verschwinden, obwohl er seit geschlagenen zehn Minuten in voller Montur vor mir steht, schiebe ich ihn zur Tür. »Guck doch schon mal, ob der Kaffee läuft, hmm?«

Bevor ich sie ihm vor der Nase zu schlagen kann, dreht er sich noch mal um. »Also manchmal bist du echt komisch drauf.« Sein bohrender Blick weicht dem üblichen Grinsen gepaart mit einem Schulterzucken. »Aber irgendwie mag ich dich trotzdem.«

»Spar dir deine Liebesbekundungen lieber für Amy auf«, scherze ich und befördere ihn hinaus, damit ich mich endlich weiter umziehen kann.

In Windeseile tausche ich mein Shirt gegen eines der Diensthemden und kann mir, als sich kurz darauf die Tür erneut öffnet, ein Schnauben nicht verkneifen. »Boah! Hab ich Honig am Arsch oder warum ...«

Scheiße. Dieses Räuspern hört sich eindeutig nicht nach Samuel an. Sondern nach Eric. Meinem Captain.

»Sorry«, nuschle ich. »Ich dachte, es wäre ...«

»Schon gut.« Er seufzt. »Komm bitte mit in mein Büro.«

Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch schließe ich meinen Spind und folge ihm. »Was gibt's denn?«, frage ich an den Rahmen gelehnt.

»Komm rein und schließ die Tür.«

So langsam bekomme ich Angst. Dabei habe ich keinen Plan, was ich diesmal verbrochen habe. Da ich keine andere Wahl habe, betrete ich langsam den kleinen Raum, bleibe aber in ausreichender Entfernung zu ihm stehen.

Eric setzt sich hinter seinen Schreibtisch. »Nimm bitte Platz.« Er deutet zu dem Stuhl ihm gegenüber, auf dem ich schon oft gesessen habe. Zu oft.

Ich winke ab. »Danke. Aber ich steh lieber.«

»Setz dich.«

Okay?! Unter seinem wachsamen Blick ziehe ich den Stuhl zurück und lasse mich in Zeitlupe darauf nieder. Ein paar Mal rutsche ich hin und her, bis ich glaube, eine einigermaßen bequeme Position gefunden zu haben. Falls das auf glühenden Kohlen überhaupt möglich ist. Um seiner Aufmerksamkeit zu entgehen, begutachte ich mit auf den Oberschenkeln zusammengefalteten Händen die Bilder und Urkunden an der Wand. Der da oben hat mir zwar eindrucksvoll bewiesen, dass er mich nicht abkann, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass er sich zur Abwechslung mal ein neues Opfer sucht.

»Als ich dich das erste Mal in Aktion gesehen habe«, beginnt Eric nach einer gefühlten Ewigkeit, »habe ich bereits geahnt, dass du jemand bist, der sich gerne über Regeln hinwegsetzt.«

Seine Worte gefallen mir genauso wenig wie die Tatsache, dass er seinen Schnäuzer zwirbelt.

»Allerdings habe ich deinen Mut damals schon irgendwie bewundert und tue es bis heute.« Stöhnend lässt er die Schultern sinken. »Aber diesmal bist du einfach zu weit gegangen.«

Jap. Das ist dann wohl der Moment, wo ich doch mal nachfragen sollte. Langsam hebe ich den Kopf und begegne seinem mitleidigen Blick. Alles, nur das nicht. »Was genau willst du mir damit sagen?«

»Tom.« Seine Augen durchbohren mich wie Pfeile, bevor er tief Luft holt. »Ich mag dich. Und mir ist bewusst, dass das alles nicht einfach für dich ist.«

»Verdammt, Eric!« Ich war nie jemand, der viel Geduld aufbringen konnte, und gerade ist mir das erst recht nicht möglich. Captain hin oder her. »Komm endlich zum Punkt!«

Kommentarlos zieht er einen weißen Briefumschlag aus der Schublade, den er auf der Schreibtischplatte ablegt. »Ist nicht meine Entscheidung gewesen.«

Will ich wirklich wissen, was das ist? Meine Augen wandern von ihm zu dem Teil. Man könnte denken, es befände sich eine Bombe darin. Langsam beuge ich mich nach vorne, um den Umschlag mit dem Zeigefinger zu mir zu ziehen.

Eric beobachtet jede meiner Bewegungen. Darum bemüht, gleichmäßig zu atmen, knibble ich eine Ecke des Kuverts ab. Je näher ich dem Inhalt komme, desto schneller schlägt mein Herz. Im Schneckentempo falte ich das Blatt auseinander und beginne zu lesen.

Nur, um anhand des Betreffs wieder mal festzustellen, dass es Dinge gibt, die man einfach nicht wissen will. »Ich soll was?!«

»Scheiße, Mann!« Eric reibt sich durchs Gesicht. »Diese Aktion hätte richtig nach hinten losgehen können. Ist dir das eigentlich klar?«

»Ich weiß, was ich tue«, gebe ich zurück und verstecke meine zittrigen Hände zwischen den Oberschenkeln. Wie soll man auch bitte ruhig bleiben, wenn alles über einem zusammenbricht? Schon wieder.

»Bist du dir da wirklich sicher?«

»Hätte ich sie da drin etwa verrecken lassen sollen?« Mir ist bewusst, dass es nicht ungefährlich war. Aber alles andere war keine Option.

Eric weiß das. Auch wenn er das offenbar vergessen hat. »Ich denke, ich muss dich nicht daran erinnern, was unser oberstes Gebot ist. Immerhin bringt man euch das auf der Academy zuerst bei.«

»Eigenschutz«, sagen wir beide wie aus einem Mund, wobei es von meiner Seite einem Stöhnen gleicht.

Leider hält ihn das nicht davon ab, seine Moralpredigt fortzusetzen. »Sei froh, dass ich den Chief überreden konnte, dir nicht sofort zu kündigen. Schließlich ist so etwas ja nicht zum ersten Mal vorgekommen.«

Mag sein, dass der Rausschmiss einer Katastrophe geglichen hätte, aber deshalb ist die Alternative noch lange nicht besser. Ich will das nicht. Nein. Ich kann das nicht. Es ist, als stünde ich vor einer Tür. Was sich genau dahinter befindet, weiß ich nicht. Nichts Gutes. So viel steht fest. Eigentlich ist es wie bei unseren Einsätzen. Mit dem Unterschied, dass ich in diesen Situationen keine Sekunde lang zögere. Das Wissen, dass dahinter jemand sein könnte, der meine Hilfe braucht, ist einfach stärker als die Angst. Bei diesem unbekannten Raum in meinem Kopf ist das anders. Da fasse ich nicht mal den Türknauf an. Das hat selbst Charlotte irgendwann kapiert.

»Eric, bitte. Das geht nicht«, flehe ich fast, aber diesmal lässt er sich nicht erweichen.

»Du wirst es überleben. So schlimm ist das gar nicht.«

Mein Körper ist da eindeutig anderer Meinung. Bevor der Kaffee endgültig den Rückweg antreten kann, beiße ich die Zähne zusammen. »Ist das dein letztes Wort?«

»Nicht meins, Tom.« Er seufzt schwerfällig und so langsam frage ich mich, um wessen Arsch es hier eigentlich geht. »Das des Chiefs. Und da bin ich machtlos. Es ... tut mir leid.«

»Du weißt, dass dieser Job mein Leben ist?« Ja, ich muss verdammt verzweifelt sein, dass ich das so klar und deutlich ausspreche. Aber gerade ist mir echt alles egal. Sogar mein Stolz.

»Das weiß ich, Tom.« Stöhnend nimmt er seine Brille ab, legt sie auf den Schreibtisch und kneift sich in die Nasenwurzel. »Das weiß ich.«

Wie schön für ihn! »Was passiert, wenn ich da nicht hingehe?« Eigentlich kenne ich die Antwort. Aber versuchen kann man es ja mal.

»Nun ja.« Eric trommelt mit den Fingerspitzen auf der Schreibtischplatte rum. »Dann bist du leider nicht mehr tragbar für den Dienst und ...« Als er merkt, dass ich die Augen zusammenkneife, erspart er mir den Rest.

Fuck! Und an allem ist diese Frau schuld! Warum setzt man sich auch bitte besoffen in eine Dreihundertfünfzig-PS-Karre?! Mit zittrigen Händen zerknülle ich den Zettel.

»Sieh es als Chance.« Mein Boss streckt seine Hand nach meinen Schultern aus, woraufhin ich zurückweiche. Hält ihn nur leider nicht davon ab, mich weiter zuzutexten. »Auf einen Neuanfang.«

Ernsthaft?! Ist ja nicht so, dass ich das in den letzten Jahren nicht probiert habe. Und zwar mehr als einmal. »War's das?«

Er nickt und ich springe vom Stuhl auf, um an der Tür noch mal zurückgehalten zu werden.

»Tom?«

Auch wenn mir nicht gefällt, wie er meinen Namen ausspricht, wende ich mich ihm erneut zu.

»Da ... wäre noch eine Kleinigkeit.« Er kratzt sich am Kopf und verzieht das Gesicht, bevor er mir etwas sagt, das diesem Scheißtag die Krone aufsetzt.

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