Ich hab' Angst dich zu verlieren, dabei will ich doch nur alles richtig machen

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Mit einem rasenden Herz und zitternden Knien, ging ich die Straße entlang. Immer wieder warf ich einen panischen Blick über meine Schulter und blieb Mitten auf dem Weg stehen, um tief durchzuatmen und mich zu fragen, ob meine Entscheidung die Richtige ist.
Aber an dieser Stelle gab es kein richtig oder falsch. Vollkommen egal, für welche Seite ich mich entschieden hätte, auf keiner wäre ich glücklich geworden. Ich konnte das Blatt noch so oft wenden, ich würde niemals zufrieden werden.
Ich seufzte leise, sah mich in der Gegend um und wurde fast wahnsinnig. Es musste doch hier irgendwo in der Nähe sein. Oder etwa nicht? Hatte ich mich verlaufen? Scheiße... Was ist, wenn ich zu spät komme?

Mein Herz sprang mir fast aus der Brust. Ich sackte leicht zusammen und bekam Tränen in den Augen. Ich durfte jetzt bloß nicht in Panik verfallen, das machte die Situation nur noch schlimmer. Komm' schon... Wo genau ist das nochmal? So schlecht ist dein inneres Navi nicht!
Ich schloss die Augen, versuchte meinen Atem zu normalisieren und zeichnete in meinen Gedanken eine kleine Landkarte auf. Ich konzentrierte mich auf auf diesen winzigen Punkt, der hier irgendwo sein musste.
Ich hatte keine Ahnung, wie ich etwas so Simples vergessen konnte. Ich kannte diesen Weg in- und auswendig. Es ist nicht das erstes Mal, dass ich hier bin. Ruhig bleiben, Timi, du schaffst das...

,,Fuck ey!'' Ich stampfte mit dem Fuß und raufte mir aufgebraucht durch die Haare. Erschrocken zuckte ich zusammen, als ich vom Weitem einen Blitz einschlagen hören konnte, der mein Paniklevel fast zum Kollabieren brachte.
Ich atmete einmal tief durch, denn ich konnte das. Ich durfte mich nur nicht aus der Ruhe bringen lassen, das ist Alles. Es ist hier irgendwo in der Nähe... Geradeaus und dann links... Oder doch eher rechts? Wie weit musste ich geradeaus?
,,Das kann doch nicht sein!'' Die Tränen liefen mir die Wange herunter, denn obwohl ich die Antwort wusste, konnte ich sie nicht hervorbringen. Das unerwartete Zusammentreffen mit der Gang hatte mich komplett aus der Bahn geworfen.

Ich hörte etwas neben mir rascheln und ruckartig öffnete ich die Augen. Ich sah mich in der Gegend um und nahm die Beine sofort in die Hand, als ich mich plötzlich wieder an alles erinnern konnte. Ich durfte nicht zu spät kommen!
Der Regen prasselte auf meine Haut, die Tränen liefen mir die Wangen herunter und meine Knie sackten mit jedem Schritt zusammen. Aber ich ignorierte es, denn für den Bruchteil einer Sekunde wollte ich nicht über die Konsequenzen nachdenken.
Ich bog in die nächste Straße ein und holte mein Handy aus der Hosentasche. Obwohl ich kaum etwas erkennen konnte und mir die Regentropfen das Bedienen zunehmend erschwerten, tippte ich etwas unkoordiniert auf diesem herum.

,,Oh Gott... Oh Gott... Geh' bitte ran... Verdammte Scheiße, geh' ran!'', flüsterte ich hektisch und begann zu zittern. Ungeduldig zerkaute ich mir die Unterlippe, obwohl es gerade einmal getutet hatte.
,,Komm' schon! Wo bist du? Was machst du?'' Ich drehte fast durch und sah nochmal auf das Display, um sicherzugehen, dass ich auch die richtige Nummer gewählt hatte. Ich beschleunigte mein Tempo, legte auf und versuchte es nochmal.
Gleichzeitig warf ich immer wieder einen panischen Blick über meine Schulter, als ich plötzlich auf der Moder ausrutschte. ,,Fuck!'', stöhnte ich schmerzverzerrt auf. Ich setzte mich etwas auf, doch sackte wieder auf dem Boden zusammen, weil sich alles drehte.

Mein Kopf pochte und sofort musste ich mich übergeben. Warum hatte ich mich auch in der Bar betrunken? Wieso konnte ich meine Probleme nicht einmal nüchtern lösen? Ich hatte wirklich ein Talent darin, eine schlimme Entscheidung nach der Nächsten zu treffen.
Angewidert verzog ich das Gesicht und hielt mir die Nase zu. Als ich mich einigermaßen beruhigt hatte, versuchte ich mich erneut aufzusetzen, was mir in diesem Fall auch gelang. Ich stützte mich an einer Laterne ab und atmete einmal tief durch.
Ich musterte meine Umgebung, wählte die Nummer nochmal und ignorierte den Schmerz, der jetzt auch noch von meinen Knien ausging, um die allerletzten Meter irgendwie zu überbrücken. Ich durfte jetzt nicht aufgeben!

,,Hallo? Timi?'', ertönte es plötzlich am anderen Ende der Leitung. Na endlich!
,,Kannst du... Kannst du bitte herunterkommen? Ich steh' vor deiner Haustür!'', erwiderte ich japsend und presste mich gegen den Rahmen.
,,Ähm... Okay. Was ist denn los? Warum klingst du so abgehackt?''
,,Erkläre ich dir gleich. Kannst du mich bitte reinlassen? Beeil' dich!'', sagte ich vollkommen außer Atem und rüttelte wie ein Irrer an der Tür.
,,Ja, bin gleich da.'' Ich legte auf, klopfte gegen die Haustür und warf immer wieder einen ängstlichen Blick durch die Gegend. 

Ich analysierte mein Umfeld bis auf das kleinste Staubkorn, denn ich hatte so Angst, dass sie mich verfolgt haben könnten. Niemand von der Gang sollte erfahren, wo ich mich gerade befinde.
Ich hoffe wirklich, dass sie sich beim Schrottplatz aufhielten und noch immer auf mich warteten. Nicht, dass sie mich schon die ganze Zeit beobachtet hatten und jeden Augenblick aus ihren Verstecken herauskommen würden.
,,Man...'', wurde ich etwas lauter, drückte die Türklinke immer wieder herunter und wollte am liebsten diese verdammte Scheibe einschlagen. Ich wollte mich nur noch in Sicherheit wiegen - wenigstens für eine Minute.

,,He... Oh mein Gott! Was ist denn mit dir passiert?'' Die Haustür sprang mit einem Mal auf und aufgrund der ruckartigen Bewegung, fiel ich fast in den Flur hinein. Ich sah mich schon wieder Freundschaft mit dem Boden schließen, doch Lukas konnte mich noch rechtzeitig auffangen.
Er stellte mich aufrecht hin und musterte mich mit großen Augen, während mir ein unfassbarer Stein vom Herzen fiel, weil es ihm gut ging. Schon die ganze Zeit hatte ich Angst, dass ihm doch irgendetwas passiert sein könnte. Ronny ist nämlich unberechenbar...
Anstatt etwas auf seine Frage zu erwidern, nahm ich ihn in den Arm und schluchzte gegen seine Brust. Lukas schlang die Arme ebenfalls um mich, schloss die Haustür hinter uns und drückte mich näher an sich.

Ich vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge, krallte mich an ihm fest und atmete seinen wunderschönen Duft ein. Dieser konnte mich trotz der angespannten Situation einigermaßen beruhigen.
Ich streichelte ihm durch die Haare, über den Rücken und konnte nicht in Worte beschreiben, wie glücklich ich darüber bin, dass ihm nichts zugestoßen ist. Auch wenn Ronny mir versprochen hatte, ihm nichts anzutun, hatte ich so eine Angst.
Lukas hatte sich irgendwann nämlich nicht mehr gemeldet. Als ich die Bar verlassen hatte, kam noch ein Anruf von ihm, mehr nicht. Von da an war mein Handy stumm und die Panik, dass sie ihn gefunden hatten, flammte auf. Aber zum Glück ist er hier und hält mich in den Armen! 

,,Hast du was getrunken?'', durchbrach Lukas' unser andauerndes Schweigen und löste mich etwas von sich. Er musterte mich mit besorgten Augen, griff nach meinen Händen und kam mir näher, um an mir zu schnuppern. ,,Du riechst, als hättest du einen Schnapsladen überfallen.''
,,Ja... Entschuldigung...'', gab ich schluchzend zu. Lukas nahm mich sofort wieder in den Arm, streichelte mir beruhigend über den Rücken und hauchte mir einen Kuss auf die Stirn. Ich drückte mich an ihn und schämte mich in Grund und Boden.
,,Es ist alles gut, Baby. Ich bin nicht sauer auf dich.'', flüsterte er mir ins Ohr und kraulte meinen Hinterkopf. Die Felswand, die mir nach diesen Worten vom Herzen brach, konnte man wahrscheinlich bis nach Tokio hören.

Lukas ist nicht sauer auf mich. Ich konnte nicht sagen, wie glücklich es mich machte, dass dieser Kerl mir nicht die Haustür vor der Nase zugeknallt hatte, weil ich hier Mitten in der Nacht betrunken aufkreuzte.
Auch wenn ich meine berechtigten Gründe hatte, hätte ich es ihm nicht verübelt, wenn er genau das getan hätte. Ich hatte ihn den ganzen Tag ignoriert und jetzt auf einmal stand ich in der fragwürdigsten Verfassung vor ihm.
Aber was dachte ich von diesem Engel? Selbst wenn ich Lukas eine ganze Woche vermieden hätte, hätte er mich ohne jegliche Vorwürfe ins Haus gelassen, mich in den Arm genommen und sich darüber gefreut, dass ich da bin.

Dabei hatte ich noch nicht einmal vor zu ihm zu gehen. Eigentlich hatte ich mich für die Gang entschieden, weil ich Lukas nicht in Gefahr bringen wollte. Er sollte schließlich glücklich sein und unverzerrt bleiben.
Ich hatte mich schon auf dem Gelände des Schrottplatzes befunden, aber in der allerletzten Sekunde hatte ich mich umgedreht und bin zur nächsten Bushaltestelle gelaufen, die mich zu Lukas bringen sollte.
Ich konnte das nicht. Ich konnte mich der Gang nicht stellen, denn es ist nicht das, was ich wollte. Ich wollte mit Lukas zusammen sein, meinen Schulabschluss an der Abendschule nachholen und meiner Tätigkeit im Theater nachgehen.

Doch meine spontane Schnapsidee sollte ins Leere führen, weil kein Bus mehr fuhr. Ich hatte wieder angefangen zu hadern und überlegt, ob ich zurückgehen sollte. Aber schlussendlich hatte ich mir ein Taxi gerufen.
Da ich mir die komplette Fahrt aber nicht leisten konnte, wurde ich einige Dörfer vorher rausgeschmissen. Also stand in Mitten der Pampa, hatte keine Ahnung wo ich bin und musste mich verzweifelt daran hindern, keine Panikattacke zu bekommen.
Zum Glück konnte mir Google Maps einigermaßen weiterhelfen. Aber mein Handyakku wurde zunehmend schwächer und irgendwann hatte ich mich nicht mehr getraut auf dieses zu sehen, weil Ronny sich jederzeit melden könnte.

Bisher hatte ich noch keine Nachricht von ihm, was nicht unbedingt ein gutes Zeichen ist. Aber ich wollte auch gar nicht darüber nachdenken, welche Konsequenzen meine plötzliche Kurzschlussreaktion mit sich gebracht hatte.
Ich wollte Lukas nicht schon wieder anlügen oder gar mit ihm Schluss machen. Auf der anderen Seite wollte ich aber auch nicht, dass ihm das Gleiche wie mir widerfuhr. Ist es wirklich richtig, dass ich hierhergekommen bin?
Ich könnte mir wahrscheinlich noch jahrelang den Kopf über das Thema zerbrechen und würde zu keiner vernünftigen Lösung kommen. Fakt ist, dass ich keiner Seite irgendeinen Gefallen mit meiner Entscheidung tat.

Aber es musste raus, denn um keinen Preis der Welt wollte ich diesen wundervollen Menschen verlieren. Ich musste es ihm sagen, anders könnte es sich Lukas niemals erklären, wieso ich auf einmal so abwesend bin.
Außerdem wollte ich nicht zurück in die kriminellen Machenschaften von Ronny gezogen werden. Ich hatte mich jetzt weitestgehend von der Gang distanziert und nur einmal wollte ich diesem Teufelskreis entkommen.
Ich hatte mich gerade aufgebaut, da wollte ich mich nicht schon wieder kaputtmachen lassen. Eventuell hatte ich mit der Aktion zu leichtsinnig gehandelt und mich selbst ins Aus geschossen. Aber was sollte ich machen? Lukas anlügen, um Ronny gerecht zu werden? 

,,Oh Gott... Lukas...'', schluchzte ich in sein Shirt, dass schon total durchnässt war. Ich löste mich etwas von ihm und sah ihn mit Tränen gefüllten Augen an. Ich konnte spüren, wie es in meiner Brust unangenehm stach, denn es brach mir das Herz, ihm so wehtun zu müssen.
,,Hey, es ist alles gut, Baby. Ich bin bei dir.'', lächelte er mich aufmunternd an und nahm mein Gesicht in seine zarten Hände, um mir die Tränen aus dem Gesicht zu streichen.
,,Nein, gar nichts ist gut!'', schrie ich ihn an und schubste ihn von mir weg. Lukas taumelte leicht nach hinten und musterte mich mit entgeisterten Augen.
,,Ich hab' Scheiße gebaut! Also... Eigentlich nicht ich, aber... Fuck, ey...'' Ich vergrub die Hände im Gesicht, bekam Schnappatmungen und wollte die Zeit am liebsten zurückdrehen, damit wir nicht erwischt werden konnten. Warum hatte ich ihn nicht einfach abgeholt?

,,Timi Schatz, es ist okay, wenn du was getrunken hast. Ich bin auch nicht sauer, dass du mich wegdrückt hast. Ich freu' mich, dass du da bist.'', strahlte Lukas und es machte mich verrückt, dass dieser Kerl so ein Engel ist.
Normalerweise müsste er mich jetzt anschreien und mich fragen, was denn mein scheiß Problem ist. Warum drückte ihn weg und kam dann stockbesoffen zu ihm nach Hause? Was fällt mir bitte ein, mich so zu benehmen?
Ich verstand überhaupt nicht, wie Lukas die Ruhe in Person sein konnte. Es ist nicht das erste Mal, dass ich für Ärger sorgte. Er hatte sich schon wieder solche Sorgen um mich gemacht. Warum nutzte ich das immer wieder so schamlos aus? 

,,Möchtest du dir erstmal was anderes anziehen? Du bist total dreckig. Ich hol' dir mal neue Klamotten...'', schlug Lukas grinsend vor und drückte mir einen Kuss auf die Lippen. Ich ließ seine Berührungen über mich ergehen, obwohl ich sie nicht verdient hatte.
Ich nickte stumm, zwang mir ein Lächeln ab und Lukas ging die Treppen nach oben. Ich stellte meinen Rucksack auf der Sitzbank ab, fuhr mir aufgebracht durch die Haare und hatte kurzzeitig den Gedanken zu flüchten.
Ich wollte nicht, dass Lukas sich solche Sorgen um mich machte. Ehrlich gesagt hätte ich es so viel besser gefunden, wenn er mich einfach im Regen stehengelassen hätte. Jetzt brauchte ich auch nicht mehr zu ihm kommen, sollte ich doch alleine mit meinen Problemen fertig werden.

Aber nicht mal im Traum würde Lukas auf die Idee kommen, mir so etwas anzutun. Ich konnte ihm noch so viele Kopfschmerzen bereiten und trotzdem würde er mich ohne jegliche Kompromisse mit offenen Armen empfangen. Ich hatte ihn nicht verdient...
Lukas kam mit einem Stapel Klamotten die Treppen herunter und gemeinsam gingen wir ins Gästebadezimmer. Er legte die Anziehsachen auf der Waschmaschine ab, während er sich auf die heruntergeklappte Klobrille setzte.
Ich lächelte ihn schief an und griff nachdem untersten Saum meines T-Shirts, um mir dieses über den Kopf zu ziehen und daraufhin in den Wäschekorb zu schmeißen, den Lukas mir vorsorglich hingestellt hatte.

,,Ach du scheiße, was ist denn mit dir passiert?'' Lukas' Stimme überschlug sich fast und sein Wortlaut erschreckte mich so sehr, dass ich das Shirt fallen ließ. Ich wollte mich gerade bücken, um dieses aufzuheben, als ich einen stechenden Schmerz in meinen Rippen spürte.
,,Oh mein Gott, ist alles gut?'', fragte Lukas besorgt nach und kam sofort auf mich zu, um mich zu stützen. Ich setzte mich auf die Klobrille, verzog schmerzverzerrt das Gesicht und sah an meinen Körper herunter.
,,Fuck...'', erwiderte ich stöhnend und musterte die unzähligen Hämatome. Ey Scheiße, was musste Lukas denn denken? Jetzt konnte ich ihm nicht einmal mehr etwas vorspielen, denn die Verletzungen hatte ich mir nicht mal eben so bei einem kleinen Sturz zugezogen.

Eine Träne rollte mir die Wange herunter und Lukas musterte mich mit fassungslosen Augen. Vorsichtig strich er über die betroffenen Stellen, fragte mich immer, wo es schmerzte und versuchte mich irgendwie zu versorgen.
Er zog mir das heruntergefallene T-Shirt über und half mir das aus den Hosenbeinen. Sofort weiteten sich seine Pupillen, denn meine Beine sahen so aus, als hätte jemand mit einem Baseballschläger auf diese geschlagen.
,,Oh mein Gott...'', flüsterte er leise, griff nach der Jogginghose und zog mir diese über. Immer wieder traf mich sein besorgter Blick und am liebsten wollte ich mich für immer in Luft auflösen. So eine Scheiße!

,,Tut es sehr weh? Willst du eine Tablette?'', fragte Lukas besorgt und wirkte zurecht sichtlich überfordert mit der Situation. Ich schüttelte sofort mit dem Kopf und winkte gelassen ab. Nicht, weil ich nicht wollte, dass er sich Sorgen um mich machte, sondern weil es auch wirklich so ist.
Wahrscheinlich würde es morgen anders aussehen, denn im Moment hatte mich der Alkohol weitestgehend betäubt. Ich hatte auch keinen Kopf dafür, mir jetzt Gedanken darüber zu machen, ob die Verletzungen ernsthafte Schäden verursacht hatten.
,,Okay...'', erwiderte Lukas unsicher und strich mir über die Beine. ,,Aber wenn es nicht besser wird, fahren wir sofort zum Arzt und lassen das durchchecken.'', fügte er etwas ernster hinzu und innerlich verdrehte ich die Augen.

,,Du weißt, dass ich dir sonst alle Zeit der Welt lasse, aber du bist mir eine Erklärung schuldig. Warum hast du mich den ganzen Tag weggedrückt? Warum bist du jetzt hier und betrunken? Und vor allem woher kommen diese Verletzungen?''
Lukas setzte sich auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich biss mir nur auf die Unterlippe, krallte mich an der Klobrille fest und überlegte, einfach die Flucht zu ergreifen, weil ich seine Reaktion nicht miterlebte wollte.
Ich möchte ihm die Wahrheit sagen, aber ich hatte so Angst vor dem, was als Nächstes folgte. Ich wollte nicht, dass Lukas mich aus dem Haus schmeißen und für immer verlassen würde. Er sollte nicht all das, was wir uns aufgebaut hatten, wegschmeißen.

Aber ich konnte es ihm nicht verübeln, wenn es genau das ist, was er gleich tun würde. Was wollte Lukas auch schon von so jemanden wie mir? Er könnte sein Leben in Ruhe weiterführen, wenn er einfach Schluss machte.
Ronny würde ihm sicherlich nichts antun. Beziehungsweise würde ich dafür sorgen, dass er sich nicht mehr für Lukas interessierte, denn er hatte es nicht verdient weiterhin in diese Scheiße gezogen zu werden.
Auch wenn er mich immer vom Gegenteil überzeugen wollte, hatte ich in seiner Gegenwart nichts verloren. Ich sorgte gerade dafür, dass ihm das Leben zur Hölle gemacht wurde. Ich bin ein schrecklicher Freund...

,,Na komm', ich mach' dir erstmal 'n Tee und dann erzählst du mir in Ruhe, was vorgefallen ist...'', schlug Lukas lächelnd vor, griff nach meiner Hand und zog mich ohne jeglichen Protest nach oben.
Wir gingen in die Küche und während Lukas Wasser aufsetzte, Tassen heraussuchte und die Beutel in diese hing, wartete ich am Esstisch auf ihn. Seine Katze Sunny saß neben mir auf der Fensterbank und musterte mich mit diabolischen Augen.
Ich rutsche etwas weg, weil ich das unbehagliche Gefühl hatte, dass sie wusste, dass ich Lukas nicht gut tat. Irgendwie hatten Tiere schon immer so eine Art siebten Sinn für schlechte Menschen. 

Zumindest hatte der Dackel meiner Mama meinen Vater ständig angeknurrt und angebellt, wenn dieser vor der Haustür stand. Normalerweise konnte Conny alles und jeden leiden. Sie war extrem kontaktfreudig und hatte jeden geliebt.
Bei Papa hatte sie jedoch ihre Krallen ausgefahren und ihm öfters mal in die Hacken gebissen. Sie hatte geknurrt, gebellt und erst wieder Ruhe gegeben, nachdem dieser mit heulendem Motor nach Hause gefahren war.
Ich warf einen unsicheren Blick zu Lukas' Katze, die die Augen mittlerweile geschlossen hatte. Ich atmete einmal tief durch, denn hoffentlich würde sie mir heute Nacht nicht die Augen auskratzen.

,,Pass' auf, der könnte noch etwas heiß sein...'', kam Lukas in den Raum getreten und stellte die dampfende Tasse vor meiner Nase ab. Er ließ sich auf dem Stuhl neben mir nieder und verharkte unsere Füße miteinander.
,,Danke...'', erwiderte ich schüchtern und schenkte ihm ein Lächeln. Lukas erwiderte dieses, nahm einen Schluck und griff nach meiner Hand. Mit einem besorgten Blick fuhr er über meinen leicht angeschwollenen Knöchel und verdrückte sich eine Träne.
Es brach mir das Herz ihn so sehen zu müssen, weil ich genau das nicht wollte. Lukas sollte sich keine Sorgen um mich machen. Endlich ging es bergauf und dann kam diese beschissene Gang wieder und machte alles kaputt.

Ich hatte das perfekte Leben und nun lag ein Scherbenhaufen vor mir. Ich wusste, dass der Höhenflug nicht von langer Dauer ist, aber so kurz? Wen zur Hölle hatte ich verärgert, dass sie ausgerechnet jetzt wiederkommen mussten...
Der Zeitpunkt wäre nie ein Richtiger gewesen, aber ausgerechnet jetzt musste mein Leben den Bach heruntergehen. Verdammt... Ich hatte gerade meinen Job beim Theater angefangen und die ersten Deals an Land gezogen.
Aber wahrscheinlich konnte ich das vergessen, weil ich nicht aufgetaucht bin. Wir hatten heute ein wichtiges Meeting und ich war nicht da. Ich hatte meine Gründe, aber ich konnte sie keinem erklären.

,,Timi, was ist passiert?'', ergriff Lukas irgendwann fragend das Wort und musterte mich mit befehlenden Augen. Ich seufzte leise, starrte in die Tasse, aber fand in dieser nicht die ideale Lösung für all meine Probleme.
Am liebsten wollte ich ihn anlügen, aber ich konnte das nicht. Es würde auch nichts bringen, die Wahrheit kam irgendwann immer heraus. Was wollte ich ihm auch sagen? Ich bin die Treppe heruntergefallen, oder was? Und warum hatte ich getrunken?
Das führte doch ins Leere. Lukas musste die Wahrheit erfahren, auch wenn es wehtat. Es ging hier nicht nur um mich, sondern auch um ihn. Er musste es wissen, denn anders konnte ich das nicht mit meinem Gewissen vereinbaren.

,,Ich... Ähm...'', stotterte ich, umklammerte fest die Tasse und sammelte mich einmal. Ich schloss die Augen und erneut liefen mir Tränen die Wangen herunter. Lukas rutschte näher an mich heran und fuhr mir jede einzelne aus dem Gesicht.
Seine Berührungen fühlten sich so schön an, aber sie schmerzten. Dieser Junge bedeutete mir so viel und trotzdem hatte ich es in Kauf genommen, dass ihm jederzeit etwas zu stoßen könnte. Ich hätte mich stellen müssen...
Ich schmiegte mich an seine Hände und hatte Angst, dass er in der nächsten Sekunde nicht mehr da sein würde. Ich konnte es nicht mehr länger für mich behalten, es musste heraus. Ich hatte Lukas versprochen, ihn nicht mehr anzulügen.

,,Ronny weiß von uns Bescheid und hat mich gefunden...'', bekam ich gerade so unter Tränen heraus und die erste Antwort, die ich von ihm hörte, war Lukas' Tasse, die in alle Einzelteile zerfiel.



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