Kapitel 33 - Interdisziplinäre Wunderwerke

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Zu ihrer Enttäuschung wartete Naoise dieses Mal nicht beim Tor auf sie. Stattdessen erblickte sie Seán, der bepackt mit seiner Ausrüstung, dem Schutzcape und seinem Materialkoffer an der Außenwand lehnte und in ein kleines Notizbuch schrieb. Bei ihrer Ankunft hob er den Kopf und lächelte ihr erfreut zu.

»Ich habe gerade an dich gedacht«, eröffnete er das Gespräch und schlug das Notizbuch zu.

»Tatsache?«, erwiderte Willow vorsichtig und löste ihre Knochenmaske vom Gürtel. »Da wären wir schon zwei«, meinte sie mit einem halben Lächeln und blickte sich nach dem Wachhaus um. »Ich habe an dein Versprechen, mich am histologischen Prozess teilhaben zu lassen, gedacht.«

Seán lachte amüsiert auf und drehte sich zum Torbogen um. »Ich erinnere mich.« Er betätigte die Torglocke und zog sich die Maske über das Gesicht. Willow tat es ihm gleich, ehe sie durch das geöffnete Tor traten.

Im Geäst tummelten sich allerlei Vögel und trällerten ihre Gesänge in die goldene Luft unter den letzten Strahlen Ras. Obwohl die Chimären oftmals blindlings alles angriffen, was sich in ihrer Gegenwart bewegte, schienen sie auf größere Tiere loszugehen und die wendigen Vögel im Geäst nicht zu beachten – was Willows albtraumhafte Vorstellung eines Chimärenhähers ein wenig ins Lächerliche rückte. Seán legte ihr wie letztes Mal eine Hand auf die Schulter und Willow ließ es angespannt über sich ergehen. Im Torhaus wartete Jane bereits auf sie und teilte Willow ihre heutigen Aufgaben mit.

»Dr. McLaughlin«, meldete sich Seán zu Wort, ehe Jane zurück an ihren Arbeitsplatz verschwinden konnte. »Willow interessiert sich wahnsinnig für die Histologie* der Chimären.«

Willow wurde rot und Jane warf ihr einen interessierten Blick zu. »Ach?«

»Ja«, antwortete Seán für sie. »Ich dachte mir, vielleicht wäre es möglich, dass sie einmal bei den Analysen dabei sein kann. Ich bürge selbstverständlich für ihr Verhalten.«

Jane runzelte die Stirn und schob ihre Hände in den weißen Laborkittel. »Also ich kann sie ohne korrekten Papierkram nicht in die Obduktionssäle lassen, das geht sicherheitstechnisch einfach nicht. Also beim Herstellen der Schnitte wird sie nicht zuschauen können.«

Willow ließ die Schultern hängen.

»Aber«, fuhr Jane fort und winkte sie mit sich, »Sanja hat heute bis Mitternacht Dienst. Wenn sie dem zustimmt, kann sie bei der Analyse dabeisitzen.«

Sie betraten die Wohnküche und Jane führte sie zu einer großen Kreidetafel, die mit einem Wochenplan beschrieben war. Daneben hing ein Korkbrett, das mit unzähligen Zetteln voller Erinnerungen, Listen und Bildern bepinnt war.

Jane deutete auf den Dienstag. »Genau. Sie sollte heute die Gewebeproben von vorgestern mit Edith analysieren.«

»Warum die von vorgestern?«, fragte Willow neugierig und Jane lächelte.

»Weil wir die Organe der Chimären nach der Obduktion erst in flüssigem Paraffin einlegen müssen, um Gewebeschnitte anfertigen zu können. Das dauert immer einige Zeit. Vor allem, weil dieses Mal drei wirklich unappetitliche dabei waren.«

Willow wurde hellhörig. »Wie unappetitlich?«

Jane starrte sie einen Augenblick lang überrumpelt an und fing an zu lachen. »Lassen Sie mich das so sagen: in Stücken! Aodhán hat das arme Biest mit seiner Axt mitten am Sternum* erwischt. Der ganze Brustkorb ist zerbröselt.«

»Dr. McLaughlin«, mischte sich Seán ein und warf Willow einen Seitenblick zu.

»Jaja«, winkte sie rasch ab. »Im Obduktionsbericht formuliere ich das selbstverständlich anders.«

Willow musste ebenfalls grinsen. Sie mochte Jane, ihre unumstößlich unbeschwerte Art sogar angesichts der fürchterlichen Chimären gegenüber war ansteckend. Alleinig Seán wirkte bei der ungeschönten Beschreibung aus dem Mund seiner Vorgesetzten ein wenig unbehaglich.

»Dann gibt bitte Sanja Bescheid«, wandte sich Jane an Seán und holte ein kleines Notizbuch aus ihrem Laborkittel hervor. »Und wenn du für Phyteumas Verhalten bürgst, kann ich die nächsten Tage bestimmt etwas im Obduktionssaal einrichten. Ich erwarte mir, dass du dich auch um alles andere kümmerst. Du weißt ja, wo die Formulare liegen. Wir sehen uns dann nach deiner kleinen Exkursion«, zwinkerte sie ihm zu und ließ die beiden mit einem Nicken alleine.

»Danke«, sagte Willow rasch an Seán gewandt und schenkte ihm ein Lächeln, das er nach kurzem Zögern erwiderte.

»Dir kann gar nichts passieren«, sagte er und ging zu der niedrigen Spindreihe neben der Diensttafel, um seine Laborausrüstung anzulegen.

»Vor toten Chimären habe ich eigentlich keine Angst«, sagte Willow und verstärkte den Griff um ihre Aktentasche. »Die Lebendigen sind viel unheimlicher.«

Seán lächelte sie wohlwollend an. »Das Ereignis mit Kavanaugh muss dich ordentlich schockiert haben.«

Willow blinzelte irritiert und folgte seinen langen, schnellen Schritten im Laufschritt den Korridor hinunter. »Naja, einigermaßen«, sagte sie leicht verärgert.

Seán hielt vor der Tür zu den Laboratorien und reichte ihr einen der weißen Kittel von den Haken an der Wand. Willow zog ihn sich wortlos über und stellte fest, dass er ihr viel zu groß war. Sie krempelte die Ärmel hoch und versuchte Seáns eindringlichen, leicht belustigten Blick zu ignorieren, den er ihrer Erscheinung – und erneut ihren Brüsten – schenkte. Willows Wangen fingen an zu brennen und sie beeilte sich, den Kittel bis zum Kragen zuzuknöpfen.

»Im Labor ist es nicht zwingend notwendig, eine Schutzmaske zu tragen, aber du musst sie trotzdem immer bei dir haben, hast du das verstanden?«

Willow bejahte und war noch dabei, den Mund zu einer Antwort zu öffnen, da fuhr Seán einfach fort. »Du bleibst immer bei mir und fasst da drinnen nichts an, ohne, dass Dr. Sanja oder ich dir Erlaubnis erteilen, ist das klar?«

Willow nickte und widerstand dem Drang, die Augen zu verdrehen.

»Sehr gut. Bist du bereit?«

Willow nickte zum wiederholten Male und Seán lächelte zufrieden. Er legte ihr schon wieder die Hand auf die Schulter und führte sie zielstrebig in das Laboratorium. Willow konnte den Gedanken nicht stoppen, der sich ihr bei seiner Behandlung ihr gegenüber aufdrängte. Als wäre sie eine Verbrecherin und er ihr Gefängniswärter. Augenblicklich verkrampften sich ihre Schultern und Willow zwang sich den gesamten Weg bis zum breiten Labortisch, an dem Sanja saß und bereits eifrig am Arbeiten war, nicht vor Seán zurückzuweichen.

Sanja begrüßte sie beide herzlich und strahlte über Willows Interesse an den histologischen Schnitten. Edit, ihre Assistentin, war nirgends zu sehen und Sanja erklärte rasch, dass sie bereits dabei war, die Organe der gestrigen Nacht in der angrenzenden Kühlkammer zu präparieren.

»Sie möchte unbedingt einen genaueren Blick auf die Proben werfen«, sagte Seán und Sanja lächelte.

»Oh, über Miss Willows Begeisterung im Bereich der Anatomie bin ich bestens im Bilde«, zwinkerte sie ihr zu und Willow legte ihre Aktentasche auf den freien Laborplatz neben Sanja. »Ich übernehme von hier«, fügte sie dann mit einem Nicken an.

»Ich soll bei ihr bleiben«, stellte Seán sich quer und bedachte Willow mit leicht gerunzelter Stirn.

»Nur keine Sorge«, winkte Sanja ab. »Ich denke, ich habe mein Laboratorium im Griff. Danke, Mister Collins.«

Seán warf Willow einen besorgten Blick zu. »Ist das auch wirklich in Ordnung für dich?«

Willow lächelte erleichtert. »Ja, danke. Professorin Doktorin Sanja kenne ich schließlich aus dem Unterricht.«

Seán stieß ein unzufriedenes Brummen aus, verabschiedete sich dann allerdings höflich und ließ die beiden alleine. »Ich bringe dir die Formulare für die Besuchsgenehmigung nachher ins Fundbüro«, sagte er und schloss die Tür zum Labor.

Willow stieß die Luft erleichtert aus.

»Die Umstände Ihrer Anwesenheit sind ein wenig traurig, doch freue ich mich dennoch, dass Sie keine Chance verpassen, sich zu bilden«, eröffnete Sanja das Gespräch und deutete auf den Hocker neben sich. »Setzen Sie sich.«

Willow folgte Sanjas Aufforderung, ohne zu zögern. »Danke, dass Sie sich zeitnehmen.«

»Immer gerne. Also für den Anfang erschrecken Sie sich nicht, dass das Gewebe unter dem Mikroskop nichts ähnelt, was sie bisher studiert haben.«

Willow nickte unerschrocken und wissbegierig.

Die nächsten Stunden verbrachte Willow damit, Sanjas Erläuterungen über die pathologische Histologie zu lauschen, durch das Mikroskop zu blicken und unterschiedlich gefärbte Gewebeschnitte zu bestaunen.

Die rein organischen Proben waren am einfachsten zu analysieren, doch je stärker das Gewebe durch den Mondstaub mutierte, desto verschwommener wurden die Zellstrukturen. Willow war fasziniert von der Auflösung des Mikroskopes und ließ es sich nicht nehmen, sämtliche Erklärungen, die Sanja ihr bei jedem Schnitt lieferte, eifrig in ihr eigenes Notizheft zu übertragen.

Woran man eine unveränderte Probe erkannte, was die ersten Anzeichen von Zellzersetzung waren und wie man pflanzliche von tierischen Zellen unterschied*. Pilze stellten zu Willows Überraschung eine völlig eigenständige Gruppierung dar und Sanja verlor sich in einem ausführlichen Vortrag über die Abstammungslinie dieser eigentümlichen Geschöpfe, die weder Tier, noch Pflanze waren.

Knorrige und brüchige Organe waren meistens vollständig zersetzt und durch solch eine Menge an Mondstaub zerstört worden, dass sich sogar unbelebtes Material wie Mineralien und Totholz in die Gewebe mischten. Solche Bestimmungen waren die schwierigsten, denn es bedurfte ein außerordentlich gutes Gespür für die Anatomie, um die veränderten Formen korrekt zu ihren Ursprüngen zurückzuverfolgen.

Die geologischen Kenntnisse waren ebenfalls in dieser Hinsicht unabdingbar. Sanja zeigte Willow die Nachschlagewerke, die in den hohen Regalen die gesamte Rückwand des Laboratoriums in Anspruch nahmen. In ihnen befanden sich unzählige, beschriftete Zeichnungen, die in atemberaubendem Detail mögliche Veränderungsmuster in tierischem Gewebe dokumentierten und eine Rückverfolgung auch nach enormer Entstellung ermöglichten.

»Und wofür sind diese Nachschlagewerke da?«, fragte Willow neugierig und deutete auf ein schmaleres Regalbrett, das mit in schwarzes Leder gebundenen Büchern befüllt war. Auf ihren Rücken waren in silbernen, abblätternden Lettern Namen gedruckt worden, auf die meistens ein abgeschlossener Zeitrahmen folgte. Einige der Bände wiesen nur eine Jahreszahl auf und Sanja nahm das mit dem jüngsten Datum aus dem Regal.

»Das ist für die anatomische Bestimmung der Chimären nicht notwendig«, erklärte sie und reichte Willow das schwere Buch. Sie legte es auf den Labortisch und betrachtete den Namen auf dem Buchrücken.

»Kopernikus«, las sie vor und blickte erstaunt zu Sanja nach oben, »wie der Monddrache?«

»Genau. Nikolaus Kopernikus beschrieb als erster den kleinsten der momentan um die Erde kreisenden Monddrachen. Von Charles Darwin und Alfred Russel Wallace wissen wir, dass jeder Organismus Teil eines riesigen Stammbaumes ist. Und so verhält es sich auch mit den Monddrachen. Sie bestehen zwar aus Mineralien, aber jeder von ihnen besitzt eine ganz persönliche Signatur, die wir erkennen können.« Sie deutete auf die Mikroskope, die auf der anderen Seite des Labortisches standen und in ihrer Größe denen vor Willow um einiges überlegen waren.

»Monddrachen besitzen einen Stammbaum?«, fragte sie mit gefurchten Brauen nach.

Sanja nickte begeistert und zog einen weiteren Band aus dem Regal. »Das hier sind die Werte und Aufzeichnungen von Halley, dem Monddrachen, der nach dem gleichnamigen Kometen benannt wurde, weil seine strahlende Farbe unverwechselbar gewesen ist. Jeder Monddrache hat ein eigenes Farbspektrum, das wir nur mit ganz besonderen Gerätschaften erkennen können. Am einfachsten gelingt es mit den fein geschliffenen Farblinsen von Teleskopen. Aber dafür braucht man ein richtiges Observatorium.«

Sanja schlug beide Bücher auf der ersten Seite auf und deutete auf die dort niedergeschriebenen tabellarischen Werte. »Jede Staubprobe wird von uns chemisch und photonisch untersucht. Die Werte gleichen sich niemals, können aber anhand ihrer morphologischen Wirkungen einander zugeordnet werden.«

Willow nickte und überflog die Zahlen, konnte aber die Klarheit, mit welcher Sanja über diese Forschungsergebnisse berichtete, nicht begreifen. »Woher weiß man das?«

»Nun, die Astronomen der Sonnenkirche führen detaillierte Aufzeichnungen überall auf der Welt. Die Bände, die du hier siehst«, sie deutete wieder auf das Regal hinter ihnen, »umfassen natürlich nur die Monddrachen, die sich auf den Britischen Inseln aufgehalten haben. Aber dank der globalen Vernetzung, der Seminare und Symposien überall auf der Welt, haben wir ein weitreichendes und beinahe vollständiges Netz an Informationen. Auch«, lachte sie erheitert, »wenn es immer etwas braucht, von unseren Kollegen am Festland die nötigen Dokumente zu erhalten!«

Willow schwirrte der Kopf, als sie zu begreifen versuchte, dass Mondgestein ebenfalls in einen Kontext einzuordnen war, den sie bei der morphologischen Anatomie der Tiere und Pflanzen schätzen gelernt hatte. Sie kamen doch ursprünglich aus dem Weltraum und nicht von der Erde. Jesiahs Gemälde tauchte hinter ihren Augen auf und der Monddrache zu Füßen Heliantheas war in derselben Farbe gemalt worden, wie das Erdgestein unter ihm.

»Worin unterscheiden sich die Auswirkungen der unterschiedlichen Monddrachen?«

Sanja blätterte um und deutete auch hier auf die winzig ausgefüllten Tabellen. »Oft sind es wirklich minimale Abweichungen. Im Grunde haben wir herausgefunden, dass jedes Toxin an unterschiedlichen Orten seine giftige Wirkung entfaltet. Halley zum Beispiel hatte eine überwiegende Mutation im Innenohr hervorgerufen, sodass manche Chimären, die in die Gewässer gefallen sind, anstatt der Ossicula auditus, unseren Gehörknöchelchen, plötzlich zurück zum primären Kiefergelenk* mutierten.«

Willow starrte Sanja entgeistert an. »Malleus, Incus und Stapes haben sich in der Evolution zurück gewandelt? Die Chimären haben Kiemenbögen ausgebildet?«

Sanja nickte begeistert und deutete auf eine Illustration des Innenohrs beim Menschen und die daneben gesetzte Zeichnung eines Fischschädels. »In der Tat. Das Knochenmaterial wies anschließend eine chemische Zusammensetzung von Säugetieren und modernen Knochenfischen auf. Bei manchen Chimären war die Mutation sogar im weichen Gewebe so weit fortgeschritten, dass sich die Lungen zurückgebildet haben, und feine, stark durchblutete Hautläppchen entlang der neu geformten Kiemenbögen auftraten.«

Willow schüttelte entgeistert den Kopf. »Ich wusste, dass Chimären aus den vielfältigsten Tieren bestehen können, aber dass der Mondstaub einen Organismus so einschlägig verändern kann ...«, sie brach ab und ihre Hand wanderte automatisch an ihren Oberschenkel.

Naoise hatte gesagt, dass ein Splitter weitaus ungefährlicher war, als der feine Mondstaub, der viel schneller und effektiver in die Blutbahn und somit in die Zellen drang. Alleine die Vorstellung, teilweise zu einem Fisch zu werden, grauste Willow.

Sanja nickte mit ernstem Gesicht. »Es ist wahrlich erschreckend. Ganz zu schweigen von den Schmerzen, die ein Lebewesen durchleidet, wenn sich diese Veränderungen über die Dimensionen des eigenen Körpers erstrecken.«

Willow schauderte und wandte den Blick von den Zeichnungen ab. »Bedeutet das auch, dass diejenigen, die unter der Mondsucht leiden, langsam ... zu etwas werden, das nicht mehr menschlich ist?«

Sanja seufzte tief und stellte die Bücher zurück an ihren Platz. »Ja und nein. Chimären entstehen meistens akut, wenn eine geballte Menge giftigen Mondstaubes ein größeres Gebiet - oder einen Organismus – erwischt. Die Toxizität ist immer noch abhängig von der Dosierung. Die Mondsucht ist ein schleichender und gradueller Vorgang, der unter gar keinen Umständen mit dem Entstehen einer Chimäre verglichen werden kann. Anhand leidvoller Erfahrung kennen wir die Sättigungsrate bei Menschen, weshalb sämtliche Jäger jährlich zu einer Blut- und Knochenmarksuntersuchung gebeten werden.«

Willow nickte nachdenklich. »Und mit einem gefallenen Monddrachen, gleich hier bei Wispmoore bedeutet das unweigerlich, dass die Belastung durch Mondstaub in der Umgebung-«

»Hinter dem Llandwyl-See, genau«, warf Sanja ein und Willow nickte.

»-unnatürlich hoch ist und daher Chimären unverhältnismäßig rasch aus dem Boden sprießen?«

Sanja nickte zufrieden. »Sie haben es erfasst!«

Willow strahlte. Unglücklicherweise bedeutete dies das Ende ihrer Privatstunde, denn Sanjas Dienst neigte sich dem Ende zu.

»Das nächste Mal zeige ich Ihnen gerne mehr der unterschiedlichen Monddrachenproben«, vertröstete Sanja die enttäuschte Willow. »Mit Ihrem geübten Auge würde es mich interessieren, ob Ihnen die Unterschiede der Gesteinsproben auffallen.«

Willow nickte eifrig. »Sie meinen die Gesteinsproben der Herzen?«

Sanja stutzte für einen Augenblick und wandte sich dann mit fragendem Gesichtsausdruck zu ihr um. »Die Herzen?«

Willow nickte zögerlich. Das irisierende Herz der Chimäre, die sie zu Boden gepresst hatte, schlich sich ihr zurück ins Gedächtnis. Sie fasste sich selbst an die Brust, wo ihr eigenes Herz kräftig unter ihren Rippen schlug. »Das Letzte, was bei einer Chimäre vom Mondstaub übernommen wird, ist das Herz, richtig? Es wandelt sich in diesen leuchtenden Klumpen Mondgestein.«

Sanja blieb für einen Moment still, bevor sie erneut lächelte. »Nein, nein. Die Herzen behalten wir nicht hier. Sie werden auch nicht hier beprobt.«

»Wo dann?« Willow kniff die Brauen zusammen. »Sind sie denn zu ansteckend, um hier beprobt zu werden?«

Sanja nickte unbehaglich. »Ja. Die Sonnenkirche konfisziert sämtliche Herzen, um sie sicher zu verwahren. Jetzt aber flott. Ich möchte gerne noch etwas von dem Kirschkuchen ergattern, den Edith netterweise für mich gebacken hat«, lachte sie wie ausgewechselt und scheuchte Willow aus dem Laboratorium.

|| Kleine Wissensecke :D Bei Fragen gerne immer melden! n___n

(pathologische) Histologie: Gewebelehre, also Dünnschnitte von krankhaften Organen, die auf ihre Veränderungen untersucht werden

Sternum: Brustbein, das Knochenplättchen, das unsere Rippen am oberen Brustkorb vorne zusammenhält

pflanzliche/tierische Zelle: die Unterschiede sind mannigfaltig, aber am signifikantesten sind wohl die feste Zellwand bei den Pflanzen, welche Tiere nicht besitzen und das Vorhandensein von Mitochondrien (bei Tieren, nicht bei Pflanzen) und Chloroplasten (bei Pflanzen, nicht bei Tieren)

primäres Kiefergelenk: unsere drei Gehörknöchelchen (Steigbügel, Hammer, Amboss - lat. Namen befinden sich im Text!) stammen vom primären Kiefergelenk der Fische ab. Das ist insofern faszinierend, weil man dadurch die Abstammungslinie und Evolution aller Säugetiere (und folglich auch aller Amphibien und "Reptilien" - oh boi, ich könnte Kapitel füllen, warum die Bezeichnung "Reptilien" so gesehen Humbug ist und eigentlich gestrichen gehört haha) auf die Fische zurückschließen kann (glückwunsch, wir sind im Grunde alles Fische!) und weil es einfach cool ist zu wissen, dass die Knochen, mit denen wir hören, früher zum Futtern gebraucht wurden! :D

Der Grund, warum Willow so begeistert/entsetzt ist, liegt auch daran, dass es in der Evolution keine "Re-Evolution" gibt. Evolution ist, so weit bekannt, eine Einbahnstraße. Hat sich ein Protein oder eine DNS-Sequenz einmal verändert und dementsprechend ein Merkmal abgeschaltet/gelöscht, gibt es kein zurück mehr! Also evolutionär ist es unmöglich, dass ein Mensch aus den Gehörknöchelchen wieder ein Kiefergelenk bildet! Solche "Rückevolutionen" sind nur in der Form einer Weiterentwicklung möglich. Abgelegte Fähigkeiten (wie zB die Neubildungen von Flügeln bei Stabheuschrecken nach einer langen Linie an flügellosen Vertretern), können zwar wieder evolviert werden, aber müssen dann auf neuen Strukturen aufbauen.

(Bildquelle: https://ueevolution.blogspot.com/2014/08/homologie.html)

Wobei man hier auch immer vorsichtig sein muss! Es kommt darauf an, wie lange ein evolutionärer Schritt her ist, was involviert war und wie die zu Grunde liegende DNS-Sequenz aussieht.
Zum Beispiel gibt es bei Schlangen durchaus die Möglichkeit, durch das Blockieren bestimmter Proteine, die Reduktion der Beine zu verhindern und dadurch Schlangen mit Beinen zu bekommen!
Anderseits können Wale ihren Ursprung trotz ihrer extremen Anpassung ans Wasser nicht ablegen! Bei Embryonen findet man daher immer noch die rudimentären Ansätze von Schnurrhaaren, die im Laufe der Ontogenie (also der Entwicklung des Organismus) zurückgebildet werden und verloren gehen! Zu gleichen Teilen besitzen Wale immer noch Rückstände der Hüftknochen, die allerdings funktionslos nicht mehr mit dem Skelettaparat  verbunden sind. (Wale sind überhaupt die coolsten Tiere - wusstet ihr, dass sie sich direkt hier bei uns in Europa entwickelt haben? :') Die ehemalige Tethys, die einst Südeuropa vollständig mit ihren flachen, warmen Wassern bedeckt hat, hat die Entstehung dieser sonderbaren Kreaturen ermöglicht <3 )

Ich liebe Evolution, tut mir leid wegen all der Fachbegriffe xD Ich hoffe, es ist trotzdem interessant zu lesen <3 ||

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro