Kapitel 7 - Unerwünscht

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Willows Absätze hallten laut auf den Pflastersteinen wieder und ihr weiter Faltenrock wehte ihr um die Stiefel. Der letzte Jäger hielt beim Geräusch ihrer Schritte inne und drehte sich mit einem fragenden Ausdruck auf dem Gesicht um.

»Danke!«, rief Willow und kam mit einem Schnaufen vor dem Jäger zum Stehen. »Ich muss zu Tante – zur Aufsichtsrätin«, korrigierte sie sich rasch und strich sich die aus ihrem Zopf entflohenen Haare hinters Ohr.

Der Jäger sah jung aus und trotzdem war er groß wie ein Turm. Seine schwarzen, unordentlichen Haare, die im Nacken kurz geschnitten waren, glänzten im Licht der Sonnendrachen wie Seide.

Aber er war nicht in Ausrüstung. Stattdessen trug der Junge einen weiten, viel zu großen schwarzen Kapuzenpullover aus Wolle und Filz mit eingewebten Schnüren, die im Idealfall formgebend sein mochten, doch bei ihm so locker baumelten, dass seine Statur darunter völlig verloren ging. Die weite Hose mit den üblichen, unzähligen Taschen eines Handwerkers hing ebenso lässig um seine Beine, dass Willow der Gedanke überkam, mit einem Sack Kartoffeln zu sprechen.

Als der Junge nichts sagte, sondern sie bloß vor den Kopf gestoßen musterte, seufzte Willow. »Ich habe Dokumente von Generalvikar Jesiah dabei. Ich muss mit Aufsichtsrätin Van Walsh sprechen.«

Der Junge fuhr sich über die Augen und schluckte. »Willow.«

Willow hob die Schultern und nickte. »Ja. Willow Phyteuma, das Kind der Teufelsanbeter«, sagte sie in einer Stimme voll zerknirschtem Sarkasmus. »Tut mir leid«, fügte sie rasch mit einem finsteren Grinsen an, als sie das Gesicht des Jungen musterte, »mutmaßliche Teufelsanbeter. Alles, was ich sage, ist natürlich inoffiziell.«

»Natürlich.« Der Junge starrte sie für einen weiteren, perplexen Augenblick an, ehe er durch die Tür trat und sie ihr gerade so lange aufhielt, dass sie hindurchschlüpfen konnte. Er ließ sie kurzerhand stehen und sie fiel in einen eiligen Laufschritt, um seinen langen Beinen hinterherzukommen. Sie durchquerten die breite Halle des Konvents und bogen vor der marmornen Treppe, die hinauf zu den Galerien und den Räumen für Schrift- und Kartensammlungen führte, in einen schmalen Seitengang ab.

Willow hatte ihre Mutter einmal zum abendlichen Konvent begleitet, als sie gerade in die Volksschule gekommen war und ihr Vater so krank gewesen war, dass er sich nicht um sie kümmern konnte. Ihr kamen die mit tiefrotem Teppich ausgelegten Gänge ebenso vertraut vor, wie die gerahmten Bilder an den tapezierten Wänden und die schwarz gestrichenen Holztüren mit Messingschildern in Augenhöhe. Waffenkammer, Rüstungskammer, Einsatzarchiv. Gemälde von verschiedenen Bischöfen und Aufsichtsräten reihten sich perfekt ausgerichtet entlang des Korridors und Willow fiel das vorletzte Porträt an der Wand auf, weil es mit einem schwarzen Tuch aus Samt verdeckt war. Die goldene Plakette darunter spiegelte den Namen wider, der in Willows Kopf auch ohne Hilfe aufblitzte. Heather Phyteuma. Daneben hing das Gemälde ihrer Schwester, Willows Tante Elmira.

Der Junge marschierte durch die breite Flügeltür am Ende des Ganges, auf deren geriffeltem Glas in goldenen Jugendstillettern »Sitzungsraum« geschrieben stand. Willow folgte ihm in den Raum dahinter, der erfüllt von Stimmengewirr war. Ein langer, ovaler Tisch nahm den meisten Platz des weiten Versammlungszimmers ein. Er stand vor einem hölzernen Podest, auf dem sich der wuchtige Schreibtisch der Aufsichtsrätin befand. Hinter dem Mahagonimöbel war eine riesige Sonne an der marmornen Wand aufgemalt.

Lex terrae est de caelum stand in großen, geschwungenen Lettern im Zentrum der Sonne. Das Gesetz der Erde ist das des Himmels. Das Mantra der Sonnenkirche lachte beinahe höhnisch auf Willow herab, die sich sowohl von Himmel, als auch Erde aufs schärfste verurteilt fühlte, und sei es nur aufgrund ihres geächteten Albinismus.

Vergoldete Strahlen führten von der verschnörkelten Mitte des Sonnenbildnisses entlang der Gewölberippen bis zum Schlussstein und verliefen sich dort im tiefblauen Fresko des Nachthimmels. Es sah so aus, als verdrängte die goldene Sonne die Schwärze der Nacht und Willow erkannte zwischen den hohen Bündelpfeilern blassblaue Monddrachen mit ihren kosmischen Schweifen aus Mondstaub in kühl-blassen Blautönen mit der Nacht um sie herum verschmelzen.

»Willow Phyteuma.« Die strenge Stimme, die Willow mit einem kalten Schlag ins Gesicht aus der Begutachtung der Architektur riss, gehörte unmissverständlich Tante Elmira. Willow zuckte zusammen und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Menschen im Raum.

Tante Elmira stand auf dem Podest und blickte sie aus verurteilenden, bernsteinfarbenen Augen an, die ihrer Farbe sämtliche Wärme nahmen. Die Blicke der anderen Jäger richteten sich auf sie und Willow fühlte sich wie eine Chimäre auf dem Seziertisch.

»Jawohl«, antwortete sie rasch und nickte untermalend.

Ein beunruhigtes Wispern hallte durch den Raum und entgeisterte Blicke wurden getauscht. Sie erkannte den Jungen, der sie hergeführt hatte am hinteren Ende des Versammlungsraumes mit einigen anderen Jugendlichen an der Wand stehen. Er stach durch seine schlampige Kleidung zwischen seinen sorgfältig gekleideten Kommilitonen hervor und war der einzige, der sie nicht wie alle anderen aus riesigen Augen anstarrte. Willow fuhr ein Stich durch die Brust, als sie Viola erkannte, die in der Gruppe an Jugendlichen in perfekt sitzender Kampfmontur stocksteif dastand. Als sie Willows Blick bemerkte, wandte sie den ihren rasch ab.

»Dass du nach all den Jahren überhaupt wagst, einen Fuß auf heiligen Boden zu setzen«, schnitt Elmiras Stimme durch die Luft und Willow zuckte zusammen.

»Ich habe Papiere von Generalvikar Jesiah«, sagte sie und holte tief Luft. »Außerdem«, fuhr sie fort und ignorierte die glühenden Blicke in ihrem Nacken, als sie zu Elmira nach vorne ging. »Einen richterlichen Bescheid über meine Autonomie und über die vollständige Verfügung meines Bankkontos, das Vermögen meiner Eltern und die Einschreibung bei den Jägern von Wispmoore.« Sie reckte ihr Kinn ein Stück in die Höhe und holte die Dokumentenmappe aus ihrer Aktentasche.

Elmira schnaubte in die ohrenbetäubende Stille und streckte fordernd eine Hand aus. »Dann bringen wir es hinter uns.«

Willow bannte zwar das Zittern aus ihrer Stimme, nicht aber aus ihren Fingern und Elmira warf ihr einen abschätzigen und beinahe schadenfrohen Blick zu. Sie trug eine blütenweiße Bluse, die bis zu ihren Kieferknochen aufschloss. Das golddurchwobene Halstuch in Jacquard-Optik schmiegte sich um ihre dünne Kehle und wurde mit einer großen Kleiderbrosche mit dem Familienwappen der Van Walsh - einer stilisierten Distel – an den festen Stoff ihrer Bluse direkt über dem Korsett befestigt. Der hoch aufschließende, kastanienbraune Rock war dem Willows nicht unähnlich, wenngleich Willow sich sicher war, dass sie das Vermögen ihrer Eltern in Anbetracht der unglaublich vornehmen Beschaffenheit ihrer Kleidung, nicht nur verwahrt hatte.

Es herrschte angespanntes Schweigen, während Elmira die unterschiedlichen Dokumente überflog. Ihre Lippen spitzten sich merklich zu, als sie zu dem Teil kam, der Willows Einschreiben bei den Jägern der Sonnenkirche verlautbarte. Sie konnte nicht ablehnen. Es war ein richterlicher Beschluss, Willows Unschuld in den Machenschaften ihrer Eltern war bewiesen und ihr Leumund einwandfrei. Elmira konnte zwar einige Klauseln anfechten, wenn sie es darauf anlegte, doch Willow der Kirche und Wispmoore zu verweisen war ihr nicht gestattet. Vorerst.

Elmira stieß schließlich ein Seufzen aus und schlug die Dokumentenmappe zu. Dann lächelte sie. »Also schön. Aber über Paragraphen vier und fünf sprechen wir noch.«

Willow biss die Zähne zusammen. »Selbstverständlich, Tante.«

»Aufsichtsrätin Van Walsh«, zischte Elmira und händigte ihr die Mappe aus. »Glaube ja nicht, dass dir nur, weil ein Richter vom Festland meint, er könnte die Lage auf den Britischen Inseln, geschweige denn in Wispmoore beurteilen, sämtliche Türen geöffnet werden. Der Verrat deiner Eltern ist ebenso der deine.« Ihre Worte hallten unangenehm anschuldigend im stillen Versammlungsraum nach und trieben Willow die Schamesröte auf die weißen Wangen.

Sie verzog ihre Augenbrauen und ließ die Mappe zurück in ihre Aktentasche gleiten. »Heather ist deine Schwester«, sagte sie kalt und mit einem Beben in der Stimme. »Du trägst die gleichen Farben wie sie.«

Elmira wurde leichenblass, aber als sie das Wort erhob, klang ihre Stimme desinteressiert und gefasst. »Aodhán, bring sie bitte zum Sekretariat. Sie soll dort warten. Ich habe mich um Dringlicheres zu kümmern.«

Willow ließ ihre Tante nicht aus den Augen. Aodhán, einer der kräftigeren Jäger in moosgrüner und borkenbrauner Ausrüstung nickte und packte Willow grob am Oberarm. Der Blick des Jungen huschte ein letztes Mal zu ihr, ehe Aodhán sie aus dem Konventsaal schleppte und hinaus in die frische Morgenluft zerrte.

»Du weißt, wo das Sekretariat ist?«, wollte er wissen und Willow nickte. »Gut.« Dann drehte er sich ohne ein Wort des Abschieds um und verschwand wieder im Sakralbau.

|| Ein herzlicher Empfang nach dem nächsten - ob es überhaupt jemanden gibt, der sich über Willows Rückkehr freut? q.q 

Ich hoffe, es hat euch gefallen! Ich versuche die Kapitellänge ein wenig zu kürzen, da diese Geschichte auch gar nicht so lang ist. Die, die es interessiert: wir sitzen auf ungefähr 110k Worten, was Daumen mal Pi 300 Buchseiten ergibt :D ||

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