Zwölfter Schultag

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,,Du kannst auch nicht schlafen, oder?''

Ich bin geradezu erleichtert, als ich Alex sehe, der auf mich zukommt und sich schließlich auf die Bettkante setzt.

,,Nein, nicht wirklich'', gebe ich zu und bin dabei wirklich froh, dass er im Dunkeln meine vom Weinen verquollenen Augen nicht sehen kann.

Schließlich war es meine eigene Schuld, dass wir uns vorhin so heftig gestritten hatten.

,,Du hattest recht mit allem, was du vorhin zu mir gesagt hast. Ich habe ein Problem, was essen angeht. Mir fällt es schwer, Stopp zu sagen, wenn ich in eine Essenattacke verfalle. Hinterher fühle ich mich jedes Mal unglaublich schlecht und sorge dafür, dass alles wieder meinen Magen verlässt. Und dann gibt es noch die Tage, an denen ich mich nicht dazu bringen kann, überhaupt etwas zu essen, weil ich nur an die hohe Anzahl an Kalorien denken kann, die ich an meinem Körper ansonsten verfüttern würde.''

,,Wie lange geht es dir schon so?''

Alex legt sich neben mich hin, das spüre ich an der Matratze.

,,Weißt du, ich habe mich noch nie sonderlich wohl in meiner Haut gefühlt. Aber richtig begonnen hat meine Essstörung mit James Sticheleien und der Trennung meiner Eltern. Davor hatte ich das mit dem Finger in den Mund stecken, um zu kotzen, noch nie in Erwägung gezogen.''

Rücken an Rücken liegen wir da und mein Herz klopft so laut, dass ich mir sicher bin, dass er es hören kann.

,,Es muss schrecklich gewesen sein, mit all diesen Gefühlen alleine zu sein. Warum hast du nie etwas gesagt? Du weißt doch, dass ich für dich da bin, egal was ist und du dich immer auf mich verlassen kannst.''

Das weiß ich. Ich hatte nie befürchtet, dass Alex sich von mir abwenden könnte, bloß weil ich eine Essstörung entwickelt habe. Dafür hat er ein viel zu gutes Herz.

,,Ich habe mich zu sehr geschämt, um es dir zu erzählen'', gebe ich kleinlaut zu.

,,Man sollte sich niemals für so etwas schämen. Dadurch macht man das Ganze umso schlimmer. Wenn man so ein ernstzunehmendes Problem hat, sollte man sich unbedingt jemanden anvertrauen und darüber sprechen. Bitte, versprich mir, dass du in Zukunft solche Dinge nicht mehr mit dir selbst ausmachst und für dich behältst.''

,,Versprochen.''

,,Geht doch. Ich wünsche dir eine Gute Nacht, Laurie'', flüstert Alex und ich höre die Decke leise rascheln.

,,Ich wünsche dir auch eine Gute Nacht, Alex.''

Ich kann spüren, dass er sich auf der Matratze bewegt, weil er sich umdreht. Alex schmiegt sich sofort von hinten dicht an meinen Rücken, schlingt seine Arme um meine Taille und ich genieße die wohltuende Wärme, die von seinem Körper ausgeht.

***

,,Alex, was genau sollen wir hier?'', frage ich meinen besten Freund, als wir mitten im Wald auf einer Lichtung stehen.

Die Sonne steht hoch oben am Horizont und taucht alles in ein angenehmes Licht. Der Waldboden ist etwas nass, doch das stört mich nicht. Ich mag es im Wald zu sein. Hier ist es ruhig und man kann sich voll und ganz auf die eigenen Gedanken konzentrieren.

,,Ich möchte heute eine Übung mit dir machen, damit du erkennst, dass essen nicht die Lösung für all deine Probleme und Kummer ist. Wenn es mir mal schlecht geht, hilft es mir meistens sehr alles, was mir auf dem Herzen liegt, herauszuschreien und meinen Emotionen freien Lauf zu lassen.''

Ich blicke ihn verwirrt an, indem ich meine Augenbraue hochziehe und meine Stirn runzele. Er glaubt, dass es mir helfen würde, mir all meine Gefühle von der Seele zu schreien?

,,Und warum genau sollte ich das tun?''

Meine Stimme klingt verunsichert.

,,Du musst mal all deine angestauten Gefühle, die du viel zu lange schon mit dir selbst ausgemacht und unterdrückt hast, rauslassen. Dein einziges Ventil darf nicht nur essen sein.''

Alex Blick ist weich, als er mir liebevoll seine Hand auf meiner Schulter legt. Nicht überzeugt schüttle ich den Kopf.

,,Das bringt doch nichts. Davon werden meine Komplexe auch nicht gelöst.''

Alex seufzt leise und nimmt seine Hand von meiner Schulter, um mit ihr durch seine ohnehin schon zerzausten Haare zu fahren und sie noch mehr zu verwuscheln.

,,Vielleicht werden deine Komplexe davon nicht weggehen. Aber das könnte dir die Möglichkeit bieten, deinen Gefühlen endlich Ausdruck zu verleihen.''

,,Okay. Also gut.'' Kapitulierend seufze ich und nicke. Ich richte mich auf, um genug Luft in die Lunge zu pumpen. Einmal atme ich noch tief ein und beginne dann wie eine Löwin das herauszuschreien, was sich seit Jahren in mir aufgestaut hatte. ,,Ich wünschte, dass ich den Leuten glauben könnte, wenn sie sagen, dass ich ihnen am Herzen liege! Ich wünschte, dass ich nicht jedes Mal davon angewidert wäre, wenn ich esse! Ich wünschte, dass ich mich nicht so alleine manchmal fühlen würde!''

,,Ich kann dich nicht hören! Lauter!'', höre ich Alex mich anfeuern und genau das gibt mir den Mut weiterzumachen.

,,Ich wünschte, dass ich mich nicht von meinen Freunden jedes Mal distanzieren würde, wenn die Dinge schlecht für mich laufen!'', brülle ich mit so einer Inbrunst, dass ich selbst davon überrascht bin wie laut meine Stimme sein kann.

,,Ja, gut so'', höre Alex mich anspornen, als ich kurz innehalte, um kurz meine Lungen mit neuer Luft zu versorgen.

,,Ich wünschte, dass ich mein Aussehen lieben könnte! Ich wünschte, dass ich mich normal fühlen könnte! Ich wünschte, dass ich mich nicht mit den hübschen Mädchen in der Schule vergleichen würde! Ich wünschte, dass ich einfach nur glücklich sein könnte!''

Ich lasse alle möglichen Gefühle aus meinem Körper fließen. Es tut gut, meine Wut, ohne Nachsicht, freien Lauf zu lassen. Für einen Moment ist die schwere Anspannung, die ich seit einigen Wochen auf meinen Schultern gespürt habe wie weggeblasen. In diesem Moment fühle ich mich einfach frei.

,,Da hat jemand aber eine unbändige Wut in sich in sich gehabt.''

Mein Kopf dreht sich in die Richtung der Stimme, bloß um festzustellen, dass Alex mich mit seinen grünen Augen belustigt, aber zugleich auch mächtig stolz betrachtet.

,,Kann man so sagen.''

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