-~9~- Ihr ist einfach nur kalt

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Am Nachmittag des nächsten Tages war ich gerade dabei, die Unordnung in meiner Wohnung zu beseitigen, als ich die Klingel vernahm.
Mit leiser Vorahnung ging ich zur Tür und wunderte mich dann doch, als nicht der erwartete Detektiv vor der Tür stand, sondern eine zierliche junge Frau, mit grünen Augen und einem koketten Lächeln.

Natürlich. Mr. Holmes hätte nicht geklingelt, er wäre einfach hereingekommen und hätte mit seiner üblichen aufwirbelndenden Art mich und meine ganze Wohnung wieder in Unordnung gestürzt.

,,Hi Oliv, ich bin Laurel. Erinnerst du dich noch an mich?", fragte sie mich unsicher und mir stockte der Atem.
,,Laurelei Martins?", fragte ich überrascht und sofort erhellte sich der unsichere Gesichtsausdruck meiner Gesprächspartnerin.
,,Richtig! Wir waren zusammen im Jugendorchester und an der Uni", erinnerte sie mich.
,,Ich freue mich dich zu sehen!", lächelte ich ehrlich. ,,Das ist ja fast fünf Jahre her, komm rein!" Ich öffnete meine Wohnungstür noch ein Stück und trat zur Seite, um ihr den Eintritt zu gewähren.
Dankend nahm sie meine Einladung an und kam herein.
,,Der Hausmeister hat mich unten ins Haus gelassen", erklärte sie mir beiläufig, während ich ihr den beigen Mantel abnahm und an die Garderobe hängte.

Wozu brauchte sie um diese Jahreszeit einen Mantel?

,,Wie kommt es, dass du in London bist? Ich dachte, du wärst glücklich verheiratet in Cardiff?"
,,Ach, weißt du, es hat mit uns nicht mehr geklappt. Wir haben uns letztes Jahr getrennt und ich habe mich endlich für einen Tapetenwechsel entschieden. Als sie die Quarantäne in England aufgehoben haben, habe ich die Chance genutzt und bin hergekommen", erwiderte sie lächelnd.
,,Oh, das tut mir leid", entschuldigte ich mich und schalte mich innerlich selbst für mein erneutes Anecken bei einer gerade erst (wieder)getroffenen Person.

Es war wie bei John. Einer meiner ersten Fragen und schon war mein Gegenüber schwelgend in der Vergangenheit - und nicht im positiven Sinne. Ich wusste natürlich, dass ich nichts dafür konnte, aber die Wiederholung dieses Ereignisses in den letzten Tagen war auffällig.
Dabei freute ich mich wirklich über Laurels Besuch. Sie hatte sich nach all den Jahren trotzdem noch an mich erinnert und beschlossen, mal bei mir vorbeizuschauen. Wir hatten uns schon als Kinder sehr nahe gestanden, aber irgendwann über ihrer Hochzeit aus den Augen verloren.

Sie schüttelte den Kopf. ,,Alles gut. Es war einvernehmlich. Wir sind noch Freunde."
,,Das freut mich. Möchtest du einen Tee? Ich war gerade beim Aufräumen, achte bitte nicht auf die Unordnung."
Sie lachte kurz auf. ,,Überhaupt kein Problem. Ich dachte, wir gehen einen Kaffee trinken. Kennst du ein gutes Café in der Nähe?"
,,Das können wir natürlich auch machen. Ich hole nur kurz meine Sachen, dann zeige ich dir eins am Ende der Straße. Der Plum Cake, den sie dort haben, ist einfach verboten gut."

Ich holte im Wohnzimmer mein Handy, das noch an der Ladestation hing und nahm meine Tasche, die auf dem Sofa saß. Dann kehrte ich wieder zu Laurel in den Flur zurück und nahm noch meinen Schlüssel von der Kommode.

,,Okay, es kann losgehen." Ich lächelte ihr zu und öffnete meine Wohnungstür.
Sie folgte mir im Treppenhaus die Stufen hinunter und gerade als ich die Haustür öffnete, kam mir ein kleiner, blonder Mann mit einer olivgrünen Jacke entgegen.
,,John!", stieß ich überrascht aus und auch er schien verwundert, mich hier an der Haustür anzutreffen. Sein Blick wanderte langsam hinter mich, zu meiner wasserstoffblonden Begleitung und er legte eine Hand in den Nacken.
,,Oh hey, ich..." Er kniff die Augen kurz zusammen und musterte Laurel kritisch, räusperte sich dann aber. ,,Hi, ich bin John Watson. Wer sind Sie?"
Laurel lächelte warm und trat an mir vorbei, um ein kurzes Winken anzudeuten. Händeschütteln war eben noch immer verpönt, nicht, dass ich ein Problem damit hatte, und so tat John es ihr gleich.
,,Ich bin Laurel Martins, eine alte Freundin von Liv."
John nickte verstehend und wandte sich dann wieder an mich: ,,Ich wollte eigentlich nur von Sherlock ausrichten, dass er später nochmal vorbeikommen wollte, aber wenn..." Er brach ab und deutete auf Laurel. ,,Dann sage ich ihm eben, dass er nicht rüberkommen kann."
Ich zog überrascht die Augenbrauen hoch.
,,Er wollte sich bei mir ankündigen und nicht einfach einbrechen?" Ich lachte amüsiert.
,,Nein, eigentlich wollte ich nur eine Warnung aussprechen. Er hat es mir gesagt und ich musste handeln", erwiderte er.
Ich lachte. ,,Danke, John. Laurel und ich gehen jetzt zum Winchester's am Ende der Straße. Einen schönen Tag noch und starke Nerven."
Er verabschiedete sich noch von uns und ging dann wieder über die Straße, während wir dem Fußweg folgten.

,,Wer waren dieser John Watson und dieser mysteriöse Sherlock, der in deine Wohnung einbricht? Dein Freund?"
Sie sah mich neugierig an, während sie an dem hellblauen Stoff ihrer Tunika herumspielte. Mit den dunklen Shorts, die sie dazu trug und die ihre langen Beine betonten, sah sie wirklich sehr elegant aus und ich fühlte mich automatisch underdressed in meinem einfachen schwarzen T-Shirt und der blauen Jeans und das obwohl wir nur in ein Café gehen wollten.
,,Nein. Die beiden sind... Arbeitskollegen. So in der Art zumindest. Sie wohnen nur zufällig gegenüber", erklärte ich ihr.
,,So in der Art?", hakte sie weiter nach.
,,Ja, wir arbeiten nur an diesem einen Projekt zusammen, für eine begrenzte Zeit."
,,Darf ich erfahren, worum es in diesem Projekt geht?"

Wir mussten kurz anhalten, da wir an einer kleinen Kreuzung standen und unsere Fußgängerampel rot war.

,,Tut mir leid, das unterliegt dem Datenschutz", entschuldigte ich mich, aber um das Gespräch weiter fortzuführen hängte ich noch daran: ,,Und du? Hast du einen Job gefunden? Zur Zeit ist es ja eher schwierig."
,,Oh, das ist eine lange Geschichte." Sie hielt kurz inne. ,,Komm, es ist grün." Wir gingen über die Straße und waren fast am Café angelangt. Es waren nur noch wenige Meter bis zum Eingang.
,,Ich erzähle die dann alles, aber ich brauche erstmal einen Kaffee", erklärte sie mir und steuerte dann zielstrebig auf den orangenen Schriftzug zu, der unübersehbar den Namen des Cafés in die Welt hinausschrie - oder zumindest in die gesamte Baker Street.

Wir setzten uns an einen der kleineren Tische, die draußen unter den ebenfalls orangen Sonnenschirmen standen und ein Kellner brachte uns zwei Speisekarten. Wir bestellten beide einen Kaffee und dazu den Plum Cake, den ich vorher schon angepriesen hatte und fanden uns schnell wieder in das Gespräch ein, das wir auf dem Herweg geführt hatten.

,,Mein Vater hat mich bei sich eingestellt", erklärte Laurel mir, während sie mit ihrem Löffel die Milch in ihren Kaffee einrührte.
,,Habt ihr euch wieder vertragen?", wollte ich wissen. Als ich Laurel das letzte Mal gesehen hatte, lag sie mit ihrem Vater in einem scheinbar unlösbarn Disput. Er war von Anfang an gegen ihre Beziehung gewesen und als sie dann noch geheiratet hatte, war das für ihn wohl ein Grund gewesen, seine Tochter abzuweisen.
Laurel seufzte. ,,Ich schätze, ihn hat die Trennung erfreut. Ich habe nie herausgefunden, was er gegen Sophie hatte, aber dass wir nicht mehr zusammen waren, ließ ihn mich mit offenen Armen empfangen."
Ich nippte nachdenklich an meinem Kaffee. ,,Aber du wolltest wieder zurück nach London?"
,,Hier bin ich aufgewachsen. Die Trennung war zwar einvernehmlich gewesen, aber sie hatte mich trotzdem aufgewühlt, mir fehlte einfach Struktur. Hier habe ich sie wiedergefunden."

Ich nickte. Laurel war schon immer ein Mensch gewesen, der nach Struktur im Leben gesucht hatte. Als sie Sophie damals kennengelernt hatte, war sie ihr Fels in der Brandung gewesen und jetzt nach der Trennung suchte sie wieder danach. Verständlich.

,,Wo wohnst du? Wir könnten uns ja jetzt öfter treffen", schlug ich spontan vor.
,,Etwas weiter weg vom Zentrum, in einer kleinen Wohnung in Harrow", erwiderte sie. ,,Wie sieht es bei dir aus? Ich musste deine Mutter anrufen, um an deine Adresse zu kommen und sie hat mir erzählt, dass du eine leitende Stelle in Ascot hast."
,,Warum hast du mich nicht angerufen?", wollte ich wissen.
,,Ich wollte dich überraschen und ehrlich gesagt, hatte ich deine Nummer nicht mehr..."
Ich lachte. ,,Aber die meiner Mutter zufälligerweise schon?", fragte ich, woraufhin sie bestätigend nickte. ,,Facebook", erklärte sie prägnant. Ich lachte.
,,Ja und Ascot...", sprach ich weiter, ,,In letzter Zeit ein schwieriges Thema, aber arbeitstechnisch läuft es gut."

Der Kuchen vor mir auf dem Teller wurde bei dem Gedanken an meine Momentane Lage etwas unangenehm anzusehen. An Essen konnte ich dabei wirklich nicht denken.

,,Mich wundert es überhaupt, dass du dort angefangen hast. Stimmen die Gerüchte über die Unfälle, die dort regelmäßig stattfinden sollen?"
,,Nun, wie bei jeder Rennbahn gibt es auch Unfälle", wich ich aus.
,,Das habe ich bei dir noch nie verstanden. Egal was du tust, du tust es so gut du kannst. Wie damals, als du im Stadtarchiv gearbeitet hast. Ich glaube, ich wäre vor Langeweile umgekommen, aber du hast es einfach hingenommen und gearbeitet", sinnierte sie und ich nahm nun doch einen Schluck von meinem Kaffee.
,,Welchen Sinn hätte es, wenn ich mich beschwere? Je besser ich es mache, desto besser wird der Job und sonderlich viele Alternativen gab es damals schon nicht", erklärte ich und wartete nun auf ihre Reaktion ab. Laurel war immer der emotionale, spontane und vor allem impulsive Teil unserer Freundschaft gewesen, während ich die Dinge immer eher rational betrachtet hatte.
Sie seufzte.
,,Außerdem werde ich kündigen, sobald dieses Projekt abgeschlossen ist", sprach ich weiter und sie begann zu lächeln.
,,Wow, endlich mal eine irrationale Entscheidung. Das ich das noch erleben darf." Nun lachte sie. ,,Anderes Thema: Ich bin auch wieder zurück nach London gekommen, weil ich jemanden kennengelernt habe..."
Froh über ihren Themenwechsel fing ich an, mein Kuchenstück zu essen. Es war noch besser, als ich es in Erinnerung hatte.
,,Wie kam es dazu?", fragte ich interessiert.
,,Naja... Eigentlich haben wir uns online kennengelernt...", erklärte sie mir etwas zögerlich.
,,Und habt ihr euch schonmal getroffen?"
,,Ja, haben wir." Sie lächelte.
,,Es scheint ja gut gelaufen zu sein", erkannte ich.

Sie erzählte mir noch ein wenig von ihrer neuen Bekanntschaft, dann beschlossen wir, uns wieder voneinander zu verabschieden und nach Hause zu gehen, aber nicht ohne noch einmal unsere Nummern auszutauschen.

______

Als ich wieder zu Hause vor meiner Wohnungstür stand und gerade aufschloss, hörte ich von drinnen schon laute Geräusche. Genervt öffnete ich die Tür und trat hinein. Ohne meine Schuhe auszuziehen stürmte ich in die Küche.
,,Was tun Sie denn?!", rief ich aufgebracht und betrachtete meine vollkommen verwüstete Küche. Auf dem Küchentisch schien eine Art Experiment abzulaufen. Jede Menge Reagenzgläser, ein Bunsenbrenner, Erlenmeyerkolben und noch einige Gerätschaften, die ich nicht benennen konnte, standen darauf. Ich entdeckte ein Wasserbad, das vorher eindeutig meine Blumenvase gewesen war. Die Blumen waren achtlos auf den Boden geschmissen worden und an ihrer Stelle bewohnte nun ein mit weißem Gas gefülltes Reagenzglas die Vase.
Der Detektiv lehnte gerade über meiner Spüle und hatte seine Hände in dem angestaute Wasser versenkt. Er trug nur eine weite, dunkle Hose und einen Morgenmantel.
,,Was?!", wiederholte ich mich.
Erst jetzt drehte er sich zu mir um, nahm die Hände aus dem Wasser und brachte eine merkwürdig aufgequollene Masse mit sich, die meinen ganzen Küchenboden volltropfte.

,,Ist das..." Ich deutete nur darauf und musste mich dann wegdrehen, um mich nicht zu übergeben. ,,Warum zum Teufel haben Sie die Blumen aus der Vase geworfen, meinen Tisch verwüstet und warum, sagen Sie mir das, warum experimentieren Sie mit einem Stück Haut in meiner Spüle!?"
Ich drehte mich wieder langsam um und sah ihn Luft holen, doch vorher unterbrach ich ihn erneut.
,,Zurück mit ihrem Experiment in die Spüle! Sie Tropfen alles damit voll und..." Ich griff nach einem Handtuch, das neben mir über einem Stuhl hing und warf es ihm zu. Er fing es mit seiner freien Hand. Zum Glück mochte ich das Handtuch sowieso nicht sonderlich, sodass ich es dann einfach wegschmeißen konnte. ,,...trocknen Sie sich die Hände ab!"
Er tat, wie ihm geheißen und wandte sich mir dann wieder zu.
,,Nun... Erstens: Die Blumen haben mir den Platz weggenommen. Die Vase war nur ein praktischer Nebeneff-"
,,Ach, vergessen Sie die Blumen! Was machen Sie hier?", unterbrach ich ihn.
,,John hatte heute einen schlechten Tag. Er wollte mich nicht in unserer Küche experimentieren lassen", erklärte er.
,,Und da dachten Sie, Sie könnten es einfach bei mir machen? Hätten Sie sich nicht anders beschäftigen können? Mit Ihrer Geige zum Beispiel?"
,,John hat sie... konfisziert. Wie er es bezeichnet hat", erklärte er und ich griff mit zwei Fingern an meine Nasenwurzel.
,,Das geht nicht. Sie können hier nicht experimentieren", versuchte ich ihm zu verstehen zu geben.
,,Doch, hier finde ich alles, was ich brauche. Gut, zugegebenermaßen gibt es hier kein-"
,,Nein! Sie dürfen hier nicht experimentieren", verbesserte ich mich.
Er sah mich irritiert an, als versuchte er, mich zu verstehen, aber konnte es nicht.
,,Sie sollten sich nicht mehr mit dieser Frau treffen", sagte er dann.
,,Was wieso nicht? Wir kennen uns schon von früher und haben uns lange nicht mehr gesehen. Ich kann und werde nicht die ganze Zeit hierbleiben und Sie... babysitten", erwiderte ich und deutete dabei auf die Unordnung, die er geschaffen hatte.
,,Sie hat ihren Mantel im Flur gelassen."
Ich hielt inne. ,,Und?", fragte ich dann. ,,Vielleicht hat sie ihn vergessen?"
,,Niemand, der im Sommer einen Mantel trägt, vergisst ihn einfach. Es grenzt an einer Zwangsstörung!", rief der Detektiv, bevor er an mir vorbei und in den Flur stürmte.
,,Oder ihr ist öfter kalt?", schlug ich vor. ,,Oder... Sie hat ihre Sachen in ihren Manteltaschen und wollte nicht extra eine Tasche mitnehmen? Das mache ich auch ab und zu."

Ich ging ihm hinterher, als er nicht mehr antwortete und beobachtete ihn dabei, wie er die Taschen von Laurels Mantel absuchte.
Er stöhnte genervt auf. ,,Nichts!", rief er dann und warf mir den Mantel achtlos entgegen. Überrascht fing ich ihn auf.
,,Also ist ihr einfach nur kalt", stellte ich fest und legte ihn dann einfach auf die Kommode. ,,Ich werde ihn ihr mitbringen, wenn wir uns das nächste Mal treffen."
,,Also treffen Sie sich wieder?", fragte er aufgebracht.
,,Ich werde nicht meine Freunde vernachlässigen, weil Sie nur mit Menschen zusammenarbeiten wollen, die außer Ihnen keinen Kontakt in die Außenwelt haben", stellte ich klar. ,,Und Sie gehen jetzt wieder zurück in Ihre Wohnung. Ich bringe Ihnen Ihr ganzes... Zeug... nach, wenn ich hier aufgeräumt habe."
Damit schob ich ihn mit Nachdruck aus meiner Wohnung und schloss die Tür hinter ihm ab.
Erleichtert atmete ich auf und machte dann meinen Weg in die Küche, um aufzuräumen.

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