Dienstag, 12.12.23

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Eigentlich wollten wir uns nachher zusammen draußen austoben, weil Anna und ich nach der Arbeit beide mal Zeit haben. Aber der erste Blick aus dem Fenster heute Morgen hat uns eines Besseren belehrt. Dauerregen und böiger Wind bis weit in den Nachmittag hinein. Ein Sturm zieht über uns hinweg. Also verschieben wir den Ausflug auf morgen und überlegen, was wir heute Nachmittag tun können. Morgen arbeiten wir beide länger, aber vielleicht können wir dann nochmal auf den Weihnachtsmarkt gehen.

Annas Phantasie und Kreativität sind mal wieder unsere Rettung. Direkt nach Job, Schule und Kindergarten geht es los. Frau und Kinder brechen in eine Back- und Bastelorgie aus. Ich habe also frei und werfe einen Blick auf meine ToDo-Liste.

Ach - ja, richtig! Ich muss zum Optiker, zur Reinigung - und einen Schwung neuer Hemden kaufen. Also fahr ich wohl jetzt gleich in die Stadt, dann hab ich's hinter mir.
Ich bespreche kurz mit Anna, ob ich bei der Gelegenheit noch mehr besorgen soll, und ziehe los.

Zum Glück stehe ich nirgendwo in einer langen Schlange und komme darum gut durch. Aus der Reinigung hole ich zwei Anzüge ab. Auch beim Optiker geht es schnell - ein Brillenbügel muss wieder richtig angeschraubt werden.

Jetzt die Hemden.
Ich laufe zum einzigen Kaufhaus der Stadt und begebe mich in die Herrenabteilung. Auf dem Weg zu den Hemden komme ich an der Umkleide vorbei. Zwei Männerstimmen - die eine ist ziemlich unangenehm und unfreundlich, und die andere kenne ich.

Min Yoongi. Kauft er hier ein oder ... arbeitet er hier? Das klingt wie eine Standpauke.
Ich schiele um die Ecke und finde meine Vermutungen bestätigt. Im Vorraum zu den Umkleidekabinen steht Min Yoongi und wird grade von seinem Chef abgekanzelt wie ein unartiges Kind.
Das kann er ja ganz prima brauchen bei seinem ständigen Stress.

Ich fasse es nicht. Der Chef findet wirklich immer etwas, wenn er etwas finden will. Angeblich soll ich die Herrenabteilung nicht ordentlich genug halten. Der ist witzig. Weiß er eigentlich, wie oft hier Kunden ankommen und Beratung haben wollen? Wenn er so auf Ordnung und Sauberkeit bedacht ist, sollte er jemanden zusätzlich einstellen. Oder keine Beratungen mehr machen lassen. Alles auf einmal geht einfach nicht, da kann er noch so schimpfen. Aber wie es sich gehört, halte ich natürlich die Klappe.

Gerade ist er eh auf 180 und das bedeutet, man sagt besser nichts. Dementsprechend warte ich einfach ab, bis er sich fertig ausgekotzt hat und schnaubend davon rauscht.

Ich atme tief durch, als er endlich weg ist. Nur leider bleibt mir die Ruhe nicht lange vergönnt. Ein Mann kommt auf mich zu und ich merke erst im zweiten Moment, dass ich ihn kenne. Kim Namjoon.

Ob es ihm unangenehm ist, wenn ich weiß, dass er hier arbeitet? Ich gehe lieber zurück zur Rolltreppe und komme von da auf ihn zu. Dann weiß er wenigstens nicht, dass ich diese unangemessene Standpauke mitgehört habe.
Ich gehe außenrum zurück zur Rolltreppe und warte, bis der Chef sich verzieht. Dann laufe ich los, einfach mitten in die Abteilung rein. Kurz darauf kommt Herr Min ...

Warum sage ich eigentlich immer noch 'Herr Min?
... kommt Yoongi auch raus. Sein stoisch ruhiges Gesicht kaufe ich ihm nicht ab.

Sowas geht nicht spurlos an einem vorüber. Und wenn er das jeden Tag hat ... puh.

Jetzt sieht er mich auf ihn zulaufen, erkennt mich - und möchte schon wieder weglaufen. Sofort lächele ich ihn an und winke. Bei ihm angekommen, rede ich sofort los, damit er weiß, wie er sich zu mir verhalten soll.
"Hallo, was für eine Überraschung. Arbeiten Sie hier? Wobei ... wollen wir nicht 'du' sagen? Ich bin Namjoon."
Er starrt mich an wie eingefroren.

Okay, ich überfordere ihn wohl komplett. Ich sollte ihn in Ruhe lassen.
"Na dann. Ich will dich nicht länger von der Arbeit abhalten. Ich brauche nur ein paar neue Hemden. Wir sehen uns."
Ich lächele ihn noch mal an, wende mich den Tischen und Ständern mit Hemden zu und beschäftige mich mit der Auswahl.

Ich bin ganz froh, dass er zuerst das Wort ergreift, trotzdem weiß ich nicht so richtig darauf zu reagieren. Die Worte meines Chefs liegen mir noch im Magen, da fällt es schwer, direkt zu einem freundlichen Gespräch mit ihm umzuschalten.

"Ähm, ja. Ich arbeite hier", antworte ich, damit ich nicht unhöflich wirke. Ich selbst merke aber, dass die Worte nicht so klingen, wie sie klingen sollen. Verdammt. Ich wünschte, ich könnte einfach so locker mit anderen Menschen sprechen wie Miryo. Für sie wäre das ein Kinderspiel.

"Dann... viel Erfolg. Wenn Sie... du... Hilfe brauchst, sag Bescheid."
Er bedankt sich und ist kurz darauf auch schon in den Weiten der Hemdenabteilung verschwunden.

War das jetzt gut? Oder nicht gut? Keine Ahnung. Ich geb ihm einfach Zeit. Erstmal die Hemden.
Ich gehe im Geiste durch, zu welchen Jacketts ich welche Hemdenfarbe brauche, denn natürlich habe ich vorher wieder nicht in den Schrank gesehen oder mir gar etwas notiert.

Warum einfach, wenns auch umständlich geht.
Ich lasse mir Zeit, wandere zwischen den Auslagen hin und her und sichte das Angebot.

Das Gespräch mit dem Chef rückt in weite Ferne, als ich mich wieder an die Arbeit begebe. Ich sortiere falsche Kleidungsstücke aus und bringe sie wieder an ihren rechtmäßigen Platz zurück.

Aber egal, was ich tue, die Begegnung mit Namjoon geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Er ist jedes Mal sehr freundlich und zugewandt, und auf eine angenehme Art und Weise. Dass unsere Kids sich auf dem Spielplatz angefreundet haben, scheint sich langsam auch auf uns zu übertragen. Bedenken habe ich trotzdem. Ich bin gar nicht in der Lage, Freundschaften aufzubauen, geschweige denn, sie ordentlich zu pflegen. Meine Tage sind schon ohne weitere Unternehmungen proppevoll. Eigentlich schade. Ich könnte mir vorstellen, dass man sich mit Namjoon gut unterhalten kann, ohne dass es zu viel wird.

Vielleicht finde ich doch noch eine Möglichkeit, wie ich eine Freundschaft zu ihm aufbauen kann?

Was würde Miryo jetzt tun? Zu ihm gehen und fragen, ob alles okay ist?

Mein Blick geht zur Uhr. Wenn ich Glück habe, ist er sogar noch da. Ich könnte ihn wenigstens mal fragen, ob er zurechtgekommen ist und was passendes gefunden hat.
Ich gehe durch die Herrenabteilung und schaue mich nach ihm um. Und tatsächlich. Ich finde ihn recht schnell. Er scheint wirklich die Ruhe wegzuhaben.

"Und?", spreche ich ihn an, stelle mich neben ihn und tue so, als müsste ich gerade zufällig in dem Regal für Ordnung sorgen, vor dem er steht. "Schon was gefunden? Kommst du zurecht?"

Plötzlich taucht Yoongi neben mir auf und spricht mich an.
"Ja, danke! Ich brauche nur mal wieder ewig, weil ich nicht vorher zu Hause nachgesehen habe, was ich eigentlich besorgen will. Aber die Antwort kann mir keiner abnehmen. In solchen Momenten zweifle ich echt an meinem Verstand. Ich hoffe jetzt mal, dass meine Erinnerung mich nicht trügt. Dürfte ich die Hemden denn umtauschen, wenn sie bei meiner Frau nicht durch die Zensur gehen?"
Ich muss selbst grinsen, denn damit tue ich meiner Anna echt unrecht. Sie würde mich höchstens auslachen dafür, dass ich deshalb noch mal hin muss.

Yoongi versichert mir, dass der Umtausch kein Problem ist, so lange die Ware original verpackt ist.
Dann schaut er verstohlen auf seine Uhr. Ich brauche eine Weile, bis ich schalte.
"Sag mal, was hast du hier für Arbeitszeiten? Es ist fast 16.00 Uhr. Und der Kindergarten schließt doch schon um 16.30 Uhr. Das stelle ich mir ganz schön anstrengend vor. Stell dir vor, du steckst in so einem endlosen Stau, wie er hier wohl gestern war. Was machst du dann?"

Ich lache freudlos auf bei seiner Frage. "Ich hab gleich Feierabend und fahr dann Min-jun abholen. Normalerweise passt das. Wenn ich nicht zufällig in einen eben erwähnten Stau gerate zumindest..."

Ich hole tief Luft. Allein wenn ich daran zurückdenke, was das gestern für ein Stress war, dreht sich mir der Magen um. Namjoon sieht mich an, aber lange kann ich dem Blick nicht standhalten. Ich weiß zwar, dass es anderen unhöflich erscheint, wenn man sich nicht ansieht, aber in dem Punkt kann ich einfach nicht anders. Der kurze Moment reicht schon, um zu sehen, dass Namjoon mich bemitleidet. Ein Zustand, den ich nur sehr schwer ertragen kann.

"Das klingt echt anstrengend. Ich würde dir gerne helfen. Wenn wir ab und zu was miteinander unternehmen, lernt Min-jun uns besser kennen. Dann könnte ich mal einspringen, damit du nicht so unter Druck gerätst wie gestern."
Eine Nebenspur in meinem Hirn registriert, dass ich irgendwas falsch mache grade. Ich weiß nur nicht, was.
"Wir könnten zum Beispiel morgen zu dem kleinen Weihnachtsdorf hier in der Stadt gehen. Ich hole die beiden Jungs zusammen ab, und wir treffen uns direkt dort. Was hältst du davon?"

"Ich wusste gar nicht, dass es hier ein Weihnachtsdorf gibt", murmele ich. Namjoon erklärt, dass es mit einem großen Weihnachtsmarkt auch nicht zu vergleichen ist, aber immerhin sollen ein paar kleinere Buden aufgebaut und der Platz festlich geschmückt sein. An sich klingt das gut. Aber Namjoon will Min-jun direkt aus dem Kindergarten abholen? Klar, macht das Sinn, weil ich sonst wieder nur von A nach B und wieder zurück fahre. Aber schaffe ich das?

Meinen Sohn jemanden anvertrauen, den ich noch gar nicht richtig kenne? So sympathisch mir Namjoon auch ist, das ist mir eine Spur zu heftig. Und Min-jun ist noch nie von jemand anderem abgeholt worden. Ich bräuchte Zeit, um mit ihm darüber zu reden. So spontan schaffe weder ich diese große Veränderung noch mein Sohn.

"Abholen? Puhhh", brumme ich nachdenklich. "Ich bin mir nicht sicher, ob Min-jun das wollen würde. Er ist noch nie von jemand anderem abgeholt worden. Dein Angebot ist wirklich lieb, aber ich weiß nicht, ob das... möglich ist."

Namjoon nickt nachdenklich.

Irgendwas läuft hier grade schief. Er weicht schon wieder aus. Außerdem hat er entweder eine Frau oder ein Backup oder etwas unrealistische Vorstellungen. Was macht er denn, wenn IHM mal was passiert?
Selbst für mich überraschend schalte ich um auf gaaaanz sachlich. Ich lege die drei Hemden beiseite, die ich mir ausgesucht habe, und setze mich auf die Kante vom nächsten Verkaufstisch.

"Pass auf, Yoongi. Ich möchte dir nicht zu nahe treten, und ich sage danach auch nie wieder nur ein Wort. Erstens wüsste ich gerne, was oder wie ich eben etwas falsches gesagt habe. Und zweitens frage ich mich, was passiert, wenn tatsächlich du mal im Graben landest. Wer ruft dann Jimin an? Oder wen ruft er dann an? Wo kann sich dein Sohn sicher aufgehoben fühlen, wenn dir was passiert? Denk bitte drüber nach. Unsere Söhne sind sehr unterschiedlich, aber sie kommen gut miteinander klar. Das ist für euch eine Chance.
Entscheide, wie es sich für DICH richtig anfühlt. Falls das für dich eine Möglichkeit ist, weißt du ja, wie du mich erreichst. Ich geh jetzt meine Hemden bezahlen. Und du solltest dich auf den Weg machen, damit du dich nicht hetzen musst."

"Du hast nichts falsches gesagt", brumme ich leise vor mich hin. Namjoon sitzt mittlerweile, dennoch komme ich mir vor, als wäre ich noch einen ganzen Kopf kleiner als er. Jemand wie Namjoon führt mit Sicherheit ein viel geregelteres Leben als ich. Und vielleicht hat er Recht. Ich bin der Frage bis jetzt immer ausgewichen. Es gibt niemanden, der sich im Falle des Falles um Min-jun kümmern würde.

Vielleicht ist Namjoons Angebot wirklich eine Chance?

"Ich werde darüber nachdenken", teile ich ihm mit, ehe er auch schon anmerkt, dass wir uns beide auf den Weg machen sollten. Ich nicke, gehe mit ihm zusammen bis zur Kasse und biege dann ins Büro ab, um meine Sachen zu holen.

Während der Autofahrt denke ich nach. Ob Jimin gleich mal einen Moment Zeit hat? Ich würde gerne seinen Rat hören. Er kennt Namjoon auch und kann das möglicherweise besser einschätzen als ich. Außerdem kennt er Min-jun sehr gut. Er kann mir bestimmt sagen, ob es für meinen Sohn sinnvoll wäre, wenn ich noch ein Backup hätte, falls mal wieder sowas passiert wie gestern.

Ich finde Min-jun, wie erwartet, neben Jimin auf dem Teppichboden sitzend im Bauzimmer vor. Was ich allerdings nicht erwarte, ist die Reaktion meines Sohnes, als er mich entdeckt. Er flitzt auf mich zu, drückt mich ganz feste und babbelt irgendwas von Pieksen und dass ich endlich da bin.
Ich verstehe nicht sofort, was er mir da eigentlich sagen will, aber er erklärt es mir auf seine kindliche Weise.

Ich höre nur so halb zu, verstehe aber zwei ganz wichtige Dinge: Jimin ist für ihn nicht nur ein Ruhepol, sondern auch eine enorme Stütze im Alltag. Außerdem, und das macht mir wirklich Sorgen, scheint er von gestern noch ganz verunsichert zu sein.

Was mich wieder dazu führt, dass ich Jimin auf Namjoons Vorschlag ansprechen sollte.
"Hör mal, Minnie. Ich würde Jimin gerade gerne noch was fragen. Kannst du dich dann schon mal anziehen gehen?"
Min-jun schaut mich erst verwirrt an, nickt dann aber eifrig und läuft los. Ich wende mich in der Zeit Jimin zu.
"Ich würde Sie gerne etwas fragen, Jimin. Mein Sohn vertraut Ihnen und ich auch. Und alleine weiß ich nicht, was für Min-jun das beste wäre."

Jimin stimmt zu, sagt, dass ich ihn gerne alles fragen kann, und ich berichte über meine Sorge, weil Minnie seit gestern scheinbar Angst hat, dass ich wieder zu spät komme. Ich erzähle auch, welches Angebot Namjoon mir gemacht hat und dass ich mir nicht sicher bin, wie ich reagieren soll.

Heute tagsüber war Min-jun wieder viel ausgeglichener, macht alles wie immer, landet gegen Ende im Bauraum. Er sortiert wieder die Autos, räumt sie dann weg und schaut zur Uhr.

Das ist neu!
"Jimin? Was sagt die Uhr? Wann kommt der Papa?"
Böse Falle. Weiß ich doch nicht.
Ich nehme die Uhr von der Wand und setze mich zu Min-jun.

"Dein Papa kommt eigentlich spätestens dann, wenn dieser Zeiger hier an der Seite ist, und der Zeiger bis hier unten gewandert ist. Mal kommt er schon hier, mal ein paar Minuten später. Aber er ist bisher immer gekommen."
Min-jun schweigt. Greift nach der Uhr, dreht sie hin und her und schaut sich unter seltsamen Verrenkungen das Zifferblatt von allen Seiten an. Ich habe keine Ahnung, was er da tut.

"Machst du dir Sorgen, weil dein Papa gestern so spät gekommen ist?"
"Hm. Ein bisschen. Aber jetzt mache ich mir Sorgen, dass er gar nicht kommt. Diese Piekse können nämlich gar nicht wandern. Die haben keine Füße. Und wenn die nicht da runter wandern, kommt der Papa nicht."

Tja. Kinderfragen. Eigentlich hat er recht. Aber wie erkläre ich das jetzt?
"Jetzt hast du mich erwischt. Die Zeiger wandern nämlich nicht auf Füßen, das habe ich falsch ausgedrückt. Pass auf, ich such mal was."
Ich zücke mein Handy und suche nach Bildern vom Inneren einer Uhr. Ich zeige ihm ein Short, wo man das Uhrwerk arbeiten sieht.
"So. Was du da in der Hand hast, ist nur das Äußere der Uhr. Innen drin sieht es etwa so aus. Da sind ganz viele winzige Zahnräder, die sich bewegen und dabei diese Piekse, die Zeiger, mit bewegen. Ich kann dir nicht erklären, warum das funktioniert und die Zeit immer stimmt. Aber es ist tatsächlich so."

Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Herr Min still im Türrahmen steht und uns beobachtet. Min-jun konzentriert sich ganz auf die Uhr.
"Und weil die Räder die Piekse bewegen, kommen die unten an, und dann kann auch der Papa kommen."
"Stimmt. Du hast gut aufgepasst. Siehst du was? Der lange Zeiger hier, der war eben noch da. Jetzt ist er hier."
Min-jun nickt eifrig.
"Und jetzt schau doch mal zur Tür."

Der kleine Mann hört wohl meinen Unterton. Er dreht sofort den Kopf, springt auf und flitzt seinem Vater in die Arme.
"Papa! Der Pieks ist fast unten. Deshalb bist du jetzt da."
Sie setzen sich zu mir auf den Teppich, und Min-jun 'erklärt' seinem Vater, wie die Uhr funktioniert. Es ist zum Piepen süß.

Nach einem seltsamen Moment der Stille schickt Herr Min seinen Sohn zur Garderobe und fängt dann von sich aus an zu reden. Er fragt nach meinem Rat, nach meiner Erfahrung - nach meiner Vertrauenswürdigkeit. Und ich weiß genau, dass das ein besonderer Moment ist. Ich hatte befürchtet, dass er nach gestern jetzt erstmal eine Weile sehr vorsichtig sein würde vor lauter schlechtem Gewissen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Und das macht mich echt froh. Da scheint sich was in Bewegung zu setzen bei ihm.

"Zunächst möchte ich mich bei Ihnen bedanken für Ihr Vertrauen. Das ist nicht selbstverständlich. Die meisten Eltern erleben beim Eintritt in den Kindergarten zum ersten Mal, dass sie wirklich loslassen müssen, und das ist nicht leicht. Und in meinen Augen sind Sie auch der Experte für Ihr Kind. Aber da ich viele Stunden des Tages mit Min-jun und Inhyuk verbringe, kenne ich sie natürlich beide gut. Die Familie Kim ist eine ganz normale Familie mit zwei Kindern, beide Eltern sind selbständig und können sich ihre Zeit frei einteilen. Darum sind sie sehr engagiert hier im Kindergarten, und ich kenne auch sie näher."
Es ist zum Auswachsen. Ich kann NICHTS erkennen in seinem Gesicht. Das macht es mir nicht grade leichter.

"Min-jun war heute tagsüber ganz normal wie immer, ich habe keine Auffälligkeiten oder Ängste bemerkt. Erst am Schluss, nachdem er sein Autoreihenritual durchgeführt hatte, hat er zum allerersten Mal bewusst auf die Uhr gesehen und mich gefragt, wann Sie kommen. Erst diese eintretende Stille hat ihn an gestern erinnert. Und das hat ihn nervös gemacht. Ich weiß nicht, wie viel er verstanden hat. Aber unser Gespräch über die Uhr hat ihn abgelenkt. Es war eben so schön zu sehen, wie sehr er sich über Sie gefreut hat.
Ich denke, dass Herr Kim eine gute weitere Bezugsperson für Ihren Sohn wäre. Allerdings vermute ich, dass Min-jun alles ganz genau verstehen will. Und wenn Sie ihm sagen, dass das eine Übung für einen Notfall ist, dann hat er nur noch 'Notfall' im Kopf. Das ist ein bisschen kitzlig. Andererseits - er muss eines Tages damit konfrontiert werden. Er muss durch diese Ängste hindurch gehen und die gute Erfahrung machen, dass die Erwachsenen ehrlich zu ihm sind."

Ja, ich weiß - das schmeckt nicht. Aber ihr MÜSST BEIDE lernen, diese Angst zu überwinden. Da ist das zwar sehr schnell nach dem Stau, aber eine wirklich gute Gelegenheit.
"Ich schlage vor, Sie lassen sich darauf ein. Inhyuk und sein Vater werden sich alle Mühe geben. Er ist nur kurz ganz ohne Vertrauten, ist schnell bei seinem Vater und kann daran wachsen. Erklären Sie ihm die Situation, machen Sie ihm ein bisschen den Mund wässrig. Und wenn alle Stricke reißen, werde ich Sie sofort informieren. Aber ich hoffe, das wird nicht nötig sein."

Der Erzieher nimmt sich einen Moment Zeit, bis er antwortet. Er erzählt von Min-juns Verhalten heute, gibt eine Einschätzung zu Namjoon ab und rät mir am Ende, dass ich es zumindest mal versuchen sollte. Dass ich Min-jun aber auch erklären sollte, warum wir das ausprobieren und sowas wie einen Notfallplan ausarbeiten sollten, falls es gar nicht funktioniert. Dieses Kind braucht Sicherheit, genau wie ich, aber dank Jimin kann ich mich darauf einlassen, es mal probeweise zu versuchen. Wir vereinbaren, dass er Min-juns Verhalten beobachten wird und mir dazu eine Rückmeldung gibt.

"Ich würde Sie dann nur bitten", sagt er, als wir schon Richtung Garderobe gehen, "dass sie Kim Namjoon in die Abholliste eintragen, damit wir das auch rechtlich abgesichert haben."
Der Kontakt ist schnell eingegeben, immerhin hat der Kindergarten Namjoons Unterlagen da.

Dann löchert mich mein Sohn schon wieder mit Fragen. Er will wissen, was los ist und warum ich so viel mit Jimin zu besprechen habe.
"Ich erkläre dir zuhause alles ganz in Ruhe. Wir sollten jetzt nämlich mal los, damit Jimin auch endlich Feierabend machen kann."
Das sieht er ein. Er flitzt nochmal zu Jimin, drückt auch ihn ganz fest und geht dann mit mir zusammen zum Auto.

Während ich das Abendessen vorbereite, lege ich mir schon mal die Worte zurecht, damit ich Minnie alles erklären kann. Nach dem Abendessen kuscheln wir uns auf die Couch, und ich kläre ihn in aller Ruhe darüber auf.
Jimin meinte, dass es kurzzeitig zu Ängsten und Unsicherheiten kommen könnte und genau das ist der Fall.
"Aber ... ich darf doch dann wieder nach Hause? Zu dir?"
"Natürlich! Und besser sogar noch. Wenn du das schaffst, gehen Inhyuk, sein Vater Namjoon und wir auf einen kleinen Weihnachtsmarkt, bevor wir beide zusammen nach Hause fahren."

Ich sehe ihm den inneren Kampf an. Er will, aber die Ängste sind groß.
"Wir wollen es nur mal ausprobieren und wenn es gar nicht klappt, dann sagt Jimin mir Bescheid und ich komme selbst, um dich abzuholen. Versprochen."

Min-jun stimmt widerwilig zu. Wirklich gut findet er es nicht, aber das erwarte ich auch nicht von ihm. Solange er sich überhaupt darauf einlassen kann, bin ich schon froh.

Ich helfe meinem Sohn noch beim Umziehen und Zähneputzen, ehe ich ihn ins Bett bringe. Er ist aufgeregt wegen morgen und kann nicht direkt einschlafen. Das kenne ich aber schon zu genüge, denn Unsicherheiten wirken sich immer direkt auf sein Schlafverhalten aus. Am liebsten würde ich alles abblasen, aber ich weiß auch, dass wir beide da durch müssen, wenn wir uns weiterentwickeln wollen. Und dass das nötig ist, liegt wohl auf der Hand.

Als es gerade mal ruhig im Kinderzimmer ist, hole ich mein Handy raus und schreibe Namjoon.

》Entschuldige die späte Störung. Ich habe mit Min-jun gesprochen und mit dem Kindergarten alles abgeklärt. Wenn das Angebot noch steht, würde ich dich bitten, Min-jun morgen mit Inhyuk zusammen abzuholen. Jimin weiß Bescheid, falls das nicht klappt, und meldet sich dann bei mir. Ich würde mich freuen, wenn das klappt.《

Namjoons Antwort lässt eine Weile auf sich warten. Wahrscheinlich muss er das selbst erstmal alles abklären. Schließlich antwortet er, dass er sich sehr darüber freut und das Angebot natürlich noch steht. Wir schreiben noch ein paar Mal hin und her, um Treffpunkt und so weiter zu klären. Dann ist meine Batterie aber auch leer und ich gehe nur noch ins Bett.

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