In der vierten Klasse wurde ich vom gewöhnlichen Deutschunterricht separiert und in eine "Leseförderungsgruppe" gesteckt, die nicht von einer/ einem Lehrer*in geleitet wurde, sondern von zwei Müttern.

Da saß ich also mit den grundschulischen Underachievern meiner Klasse, zu denen ich eigentlich nicht gehörte, in einem kleinen Raum unter unserem Klassenraum. Im übrigen war ich das einzige Mädchen. Zusätzlich zu dem Fakt, dass ich die jenige war, die sich jede Pause mit besagten Jungs prügelte, besser gesagt verprügelt wurde, naja, hat in dem Fall niemanden interessiert. Wir setzen die einfach mal alle in einen Raum und lassen sie sich voreinander blamieren, weil sie vor sich hin Stottern, beim lesen.

Beste Idee aller Zeiten.

Ewig dauerte es bis mal ein Satz fertig war und der Nächste den nächsten Satz lesen sollte. Jeder hatte mitbekommen, dass wir herausgerufen wurden, jede Stunde wieder das Specktakel.

"Jetzt trifft sich die LeseFÖRDERgruppe", alle zwei-und-zwei aufstellen und in Schmach aus dem Raum marschieren. Klasse.

Wirklich erklärt, warum das nun so war, hatte uns niemand. Nur gesagt bekommen, dass wir schlechter waren als die Anderen (in exakt diesem Wortlaut), das hatten wir. Falls ihr jetzt denkt, dass wir während dieser Gruppe adäquate Rückmeldung erhielten, eventuell bestimmte häufige Fehlerquellen und spezielle Techniken identifizierten und lernten, dann erwartet ihr zu viel.

Alles was wir zu hören bekamen war: "Das war doch schon besser. Nächster" oder "Also das letzte Mal hat das besser funktioniert. Was ist denn heute mit dir los, heute liest du wirklich schlecht. Gib dir mal mehr Mühe."

Es mag durchaus sein, dass ein zwei der Jungs einfach keinen Bock hatten, aber ich schon.

Richtig verstehen konnte ich in dem Moment nicht, warum ich denn jetzt in dieser Gruppe gelandet war. Ich las sehr gerne. Meldete mich immer zum Vorlesen. Lieh mir Bücher aus der Bücherecke aus und schrieb gerne Geschichten. Flüssiger als das Lesen der anderen FÖRDERkinder (die Betonung ist wichtig) las ich auch, zumindest in meinen Ohren.

Aber es half nichts, ich blieb in dieser Gruppe und verpasste, den eigentlichen altersgerechten Deutschunterricht. Seltsam, dass ich meine Grundschule mit einer drei in Deutsch beendete.