Siebzehn Stunden.

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,,Ich habe zwei meiner Kameraden auf dem Gewissen."

Nachdem Yoongi dies gesagt hatte, ist erneut ein eisiges Schweigen zwischen uns eingekehrt. Die Blicke ruhten auf dem Ex-Soldaten, dessen Gesicht keinerlei Emotionen nach außen dringen lies. Lediglich seine Augen verrieten die schwerwiegenden Schuldgefühle, die sein Gewissen schon seit einiger Zeit zu plagen schienen.

,,Ihr seid nicht die Einzigen, die mit ihrer Vergangenheit nicht richtig abschließen können", meinte Yoongi leise, seine Stimme klang noch viel rauer als sonst.

,,Und wie war es bei dir?", fragte Hoseok, der als Erster seine Stimme wiederfand.

,,Hast du auch irgendwas verbockt? Irgendeinen Zufall nicht vorhersehen können? Wir sind nicht unsterblich; es war bestimmt ein Unfall. So wie bei-"

,,So wie bei dir, meinst du?", unterbrach ihn der junge Mann sofort, sein dunkler Blick fixierte sich auf den Motorradfahrer.

,,So ein Unfall war es nicht. Bei mir war es kein Zufall. Bei mir, bei den Beiden, die ihre Leben verloren haben... sie wussten es. Ich wusste es. Jeder war sich der Sache bewusst, nicht mehr lebendig nach Hause zurück zu kehren."

Jin runzelte die Stirn, sein Blick war nachdenklich in die Leere gerichtet, als er seinen Kopf ein wenig anhob: ,,Wenn jeder von der Gefahr wusste, wieso gibst du dir die Schuld daran? Wieso suchst du einen Verantwortlichen?"

,,Ich suche keinen Verantwortlichen, denn ich bin der Schuldige. Ich habe die Leben der beiden auf dem Gewissen", antwortete Yoongi schlicht und einfach und schloss die Augen, machte den Eindruck sich zu entspannen. Doch wenn man genau hinsah, auf das leichte Herausstechen der Ader an seiner Stirn achtete – er schien sich gerade sämtliche Mühe zu geben, die vermeintliche Ruhe zu bewahren.

,,Yoongi.. so wie du es erklärst hast du aber keine-"

,,ICH WAR DER TEAMLEITER OKAY?!", schrie er schon fast und verschreckte nicht nur den hilfsbereiten Lehrer zutiefst, sondern auch wir anderen zuckten bei der plötzlichen Lautstärke zusammen.

,,Es war auf einem Einsatz in Afghanistan. Ich bin der Leiter der Einheit gewesen, ich war der Captain, der Verantwortliche zu jenem Zeitpunkt. Es war spät Nachts, wir befanden uns in einem Bunker mitten im Gebirge. Wir mussten einige Stunden ausharren, bevor wir sicher von dort abgeholt werden könnten", erklärte er nun mit einem angestrengten Gesichtsausdruck, atmete tief durch.

,,Die Mission war gewesen, einen Berghang zu sichern, zu spionieren und herauszufinden, ob Mienen gelegt wurden, von den Feinden. Am Tag darauf würden nämlich einige Medikamente über diese Route transportiert werden. Medikamente, die sehr Vielen das Leben gerettet haben."

,,Also ist der Transport glatt gelaufen?", fragte Taehyung leise, Yoongi nickte einmal kurz.

,,Der Transport, ja. Aber nur, weil die Beiden nochmal rausgegangen sind. Dabei war dies purer Selbstmord gewesen. Die Schützen befanden sich bereits überall im Gebirge. Bevor du auch nur dazu kommen würdest, jemanden an zu visieren, würde dich ein Kopfschuss umbringen."

Yoongi räusperte sich und sah uns dann der Reihe nach an.

,,Als Soldat, weiß man nie, ob man überlebt. Ab dem Moment, ab dem du sagst, du gehst auf den Einsatz in ein Kriegsgebiet, kann dir Niemand versichern, dass du lebend wieder zurückkehren wirst. Das ist ein Risiko, dessen man sich bewusst sein muss, bevor man so etwas macht."

Seine Worte prägten sich mir ein. Und ich bezweifle, dass ich der Einzige war, der erst jetzt richtig wertschätzen würde, welchen Extremen sich die Soldaten aussetzten, um ihr Land zu verteidigen oder in einem Anderen für die Gerechtigkeit zu kämpfen. Diese Entschlossenheit, dieser Mut und der Stolz waren bewundernswert. Es verdiente besondere Anerkennung, meiner Meinung nach. Aber wenn ich ihn so ansah, schien es nicht mehr nur Bescheidenheit gewesen zu sein, die seine Berufung mit so wenigen Worten beschrieben hatte. Ich glaube, bis zum jetzigen Zeitpunkt hatte er selbst eine viel zu große Angst gehabt. Die er auch immer noch besitzt. Denn er schien nicht verarbeiten oder gar akzeptieren zu können, was damals vorgefallen war.

,,Dementsprechend könnte ich meinem Team auch nicht die Garantie geben, ihre Leben allesamt zu beschützen. Ich hab es versucht und es auch getan, so sehr, wie ich es eben konnte. Und ich habe versagt. Die Schuld trifft mich, weil ich sie nicht aufgehalten habe. Weil ich ihren Vorschlag abgesegnet habe, in dem Wissen, die Zwei werden dort draußen sterben. Ich habe nicht mal gezögert, sondern nur genickt. Die Proteste kamen von ein paar anderen Soldaten, aber es der Wille der Beiden. Es war zugleich auch der letzte Wille, weshalb auch Niemand richtig versuchte, sie aufzuhalten."

Yoongi schaute auf seine Hände. Sie zitterten. Die grausam Zugerichtete noch ein Stückchen mehr.

,,Also sind sie raus. Und wir haben abgewartet. Wir hörten irgendwann einen lauten Knall, kurz darauf folgten unheimlich viele Schüsse. Und dann diese Totenstille", flüsterte er und man konnte in seinen Augen förmlich mitverfolgen, wie es damals gewesen sein muss. Denn die Bilder, die Erinnerungen spielten sich wie ein Horrorfilm erneut in seinem Kopf ab. Das merkte ich. Und ich fühlte mit ihm. So etwas war nämlich alles Andere, als schön.

,,Am Tag darauf, als wir die Route genutzt haben, wir abgeholt wurden.. man konnte die Gliedmaßen einsammeln", raunte er leise und schloss die Augen: ,,Sie hatten eine Miene mit ihrem Leben entschärft."

,,Oh Gott...", hauchte Jimin leise und sah tieftraurig zu dem Ex-Soldat, der dann die Schultern straffte.

,,Das Kriegsgericht erklärte mich für unschuldig. Offiziell habe ich also nichts zu verschulden. Doch wisst ihr.. man kann nicht beschreiben, was im eigenen Kopf vorgeht, wenn man so etwas erlebt hat. Und für mich.. - ich kann es nicht verarbeiten. Werde es vermutlich auch nie können. Und in meinen Augen.. hätte ich es verhindern können."

Ich spürte wie meine Kehle ein Stück weiter austrocknete. Der Knoten, der meine Stimme unter sich versteckt hielt, schwoll etwas stärker an. Ich konnte ihm sehr gut nachempfinden. Es war ähnlich wie bei mir. Aber nur ähnlich.

Bei mir befand sich nämlich nicht alles nur in meinem Kopf. Es ist wirklich passiert. Und wir haben auch beide gewusst, dass es passieren würde. Sie hat mich bis zum Ende mit diesem .. diesem warmen Blick angesehen, als wäre ich ihr allerliebster Mensch. Selbst dann noch, als ich sie umbrachte. Sie war wirklich was besonderes. Was würde ich dafür geben, noch einmal von ihr so angesehen zu werden?

,,Aber bevor wir uns hier festbeißen, lasst uns weiter machen. Und keine Sorge, ich brauche kein Mitleid. Ich hatte einfach nur gedacht.. falls es hier zu Ende geht, würde ich in der Hölle nicht alleine mit dem Geheimnis über meine Gefühle sein."

Wir setzten uns alle langsam, in Bewegung und machten uns auf den Weg in die Etage über uns. Während ich mich an die Anderen hielt, hatte ich meine Konzentration auf meine Gedanken gelegt, oder besser gesagt auf Yoongis Worte von vorhin.

Was wäre, wenn ich ihnen auch meine Geschichte erzähle? Meine Gefühle offen lege? Würde es dann einfacher sein..? Ich schluckte feste. Nein, ich könnte es nicht sagen.. ich habe es doch geschworen, zu schweigen.

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