#16 Mein Zimmer umdekorieren

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Dienstag, 03. Oktober - 11:38 Uhr

"Diese hier!" Ich tippte auf einen hellen Blauton auf der Farbpalette. Der Angestellte des Baumarkts gab alle benötigten Farben in den Farbmischer und überreichte mir etwa eine Minute später einen großen Kübel meiner neuen Wandfarbe fürs Zimmer.

Passend zu meinem neuen Mindset habe ich beschlossen, mein Zimmer umzudekorieren. Also habe ich in den letzten Tagen meine Freizeit damit verbracht, meine Sachen auszumisten. Leider gehöre ich aber zu den Menschen, die sich beim Aufräumen durch die wiedergefundenen, versteckten Schätze ablenken lassen, weshalb dies nur sehr schleppend vorangegangen war.

Am längsten beschäftigt hatte mich meine Fotokiste, wo ich alle entwickelten Fotos sammle. Ich suchte mir daraus immer Mal wieder neue Fotos für meine Fotopinnwand, die über meinem Bett hängt, heraus. Gestern Abend saß ich auf dem weißen Teppich vor meinem Bett und leerte diese Fotokiste aus, um die Fotos etwas zu sortieren. Die meisten Fotos waren in den letzten 5 Jahren entstanden. Obwohl ich Fotos nicht besonders mochte, gefiel mir der Gedanke, einige Momente für die Ewigkeit festzuhalten. Manche mögen sagen, dass Fotos nicht die Wirklichkeit abbilden, sondern in den meisten Fällen nur "gestellte Szenen" darstellen. Alle lächeln und zeigen sich von der besten Seite, auch wenn einem in dieser Situation oftmals gar nicht nach Lachen ist. Ich hingegen habe beschlossen, auf Fotos nur dann zu lächeln, wenn ich mich auch danach fühle. Und wenn es mir schlecht geht, dann werde ich das auch auf den Fotos genau so zeigen, ohne falsche Freude vorzugaukeln. Ein Foto soll für mich nämlich einen Moment festhalten. Eine Momentaufnahme aus der Realität, die sich mein Leben nennt. Dazu gehören nicht nur die Höhen, sondern auch seine Tiefen. Entwickelt habe ich aber nur jene Momentaufnahmen, an denen ich glücklich war.

Unter den vielen Fotos fand ich schließlich auch alte Fotos von Anton und mir. Ich hatte sie schon vor Monaten von meiner Pinnwand genommen, habe es aber nicht übers Herz gebracht, sie in den Müll zu werfen. Es hingen zu viele schöne Erinnerungen dran. Obwohl die Gedanken daran schmerzten, wollte ich diese gemeinsame Zeit mit Anton nicht missen - auch wenn die Sache unschön zu Ende ging. Ich nahm die Fotos nacheinander in die Hand und erinnerte mich an den abgelichteten Moment zurück. Jedes einzelne dieser Fotos zeigte Momente aus der Vergangenheit, in denen mein Leben perfekt und ich glücklich war. Mein Lieblingsfoto war jenes vom letzten Frühling.

Es waren die ersten warmen Tage nach dem kalten und schneereichen Winter. Seit fast 2 Monaten waren wir zusammen und hatten an diesem Tag unser erstes offizielles Date. Wir machten eine leichte Wanderung durch einen märchenhaften Wald. Die Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg durch die verwachsenen Baumkronen, die frische, grüne Blätter gebildet hatten. Etwas abseits vom Wanderweg breiteten wir unsere Picknickdecke aus und legten uns in die Sonne. Unauffällig rutschte ich Stück für Stück näher an Anton heran, bis sich unsere Körper schließlich berührten. Ein Kribbeln durchfuhr meinen Körper. Obwohl wir uns in den letzten Wochen so oft berührt hatten, war diese Situation besonders, denn wir waren das erste Mal als Paar in der Öffentlichkeit unterwegs. Ich war so glücklich, als Anton sich dazu bereit erklärt hatte, uns außerhalb unserer vier Wände zu treffen. Ich war aufgeregt, wie er wohl auf die Nähe reagieren würde. Als seine Hand nach meiner griff und er seine Finger mit meinen verschränkte, machte sich eine unbeschreibliche Wärme in mir breit. Ich legte meinen Kopf an seine Schulter und schloss glücklich meine Augen. Einen Augenblick später spürte ich seinen Atem auf meinen Nacken. "Ich liebe dich!", flüsterte er mir ins Ohr. Auf meinem Körper breitete sich eine angenehme Gänsehaut aus. Wie oft hatte ich in den letzten Tagen darüber nachgedacht, diese drei Worte auszusprechen, doch hatte ich Angst davor, ihn verschrecken zu können.

Ich öffnete meine Augen und blickte direkt in seine, die nur wenige Zentimeter von mir entfernt waren. "Ich liebe dich auch", hauchte ich, bevor sich seine Lippen auf meine legten. Dieser Kuss war intimer als alles, was wir zuvor geteilt hatten. Es war das erste Mal, dass wir unsere Gefühle, die in diesem Moment so stark waren, so intensiv wahrnahmen.

Im Anschluss an unseren innigen Kuss schossen wir dieses Foto, als Erinnerung an diesen Tag.

Eine Träne lief langsam über meine Wange. Ich wischte sie mit dem Handrücken ab und suchte alle Fotos von Anton und mir zusammen. Gemeinsam mit ein paar weiteren Sachen, die nach der Trennung noch bei mir zu Hause liegen geblieben waren, verstaute ich sie in einem Schuhkarton unter meinem Bett. Dann nahm ich die Pinnwand und alle weiteren Fotos von der weißen Wand und brachte sie inzwischen in den Abstellraum, um Platz zu schaffen. Ich zog alle Möbel ein Stück von der Wand weg und begann damit, die Wand abzukleben.


Zufrieden mit meiner Farbauswahl schaute ich auf den 10 Liter Kübel der Wandfarbe, als ich mich auf den Weg zu den Pinseln und Farbrollern machte. Da ich noch nicht so oft alleine im Baumarkt war, war dies bereits eine kleine Herausforderung. Man möge meinen, dass die Farbroller direkt bei der Farbmischanlage zu finden sind, aber nein, dem war nicht so. Ich lief gefühlt 10 Minuten mit diesem schweren Farbkübel durch den Laden, ehe ich die richtige Abteilung fand. Nachdem ich mir passende Werkzeuge ausgesucht hatte, machte ich mich auf den Weg zur Kassa.

Doch als ich um die Ecke biegen wollte, entdeckte ich Anton. Ich blieb stehen und wollte gerade umdrehen, als er mich ebenfalls erspähte. Ich merkte, wie mein Herz zu rasen begann. Jays Stimme erklang in meinem Kopf. Einatmen. Luft anhalten. Ausatmen. Einatmen. Luft anhalten. Ausatmen.

"Ähm... Hi!" Anton kam auf mich zu und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

"Hi!", brachte ich hervor und wollte rasch an ihm vorbeigehen, doch er stellte sich mir in den Weg. Einatmen. Luft anhalten. Ausatmen.

"Tim... ich wollte... ähm... ich weiß es ist lange her...", stammelte er vor sich hin, während ich auf den schweren Farbeimer in meiner Hand starrte, in der Hoffnung, dass er den Wink verstand. Aber leider war das nicht der Fall. Einatmen. Luft anhalten. Ausatmen.

"Ich wollte fragen, ob... ob wir vielleicht..."
Mein Handyklingelton erlöste mich aus dieser unangenehmen Situation. Ich legte den Farbroller auf den Kübel und kramte nach meinem Handy. "Da muss ich ran gehen. Ciao!" Mit diesen Worten ging ich an ihm vorbei und nahm den Anruf entgegen.
"DU. BIST. EINE. LEBENSRETTERIN!", begrüßte ich Hannah und atmete tief durch.

"Gern geschehen! Was war denn los?"

"Erzähle ich dir später!" Mit einem Blick auf den Farbeimer fügte ich hinzu: "Hast du vielleicht Zeit am Nachmittag vorbeizukommen?"



Dienstag, 03. Oktober - 14:41 Uhr

"Der hat ja Nerven!", rief meine Freundin empört, nachdem ich ihr von meiner erneuten Begegnung mit Anton erzählt habe. Sie tunkte den Pinsel in den Farbkübel und zog die Ränder des von mir vorgeklebten Musters nach.

"Oh ja! Und ich Idiot stand einfach nur da und hab mich nicht vom Fleck bewegt."
"Zumindest hast du diesmal keine Panikattacke bekommen." Ich sah an ihrem Gesichtsausdruck, dass sie direkt nachdem sie diesen Satz ausgesprochen hatte, es auch schon bereute, unsicher, ob sie damit eine Grenze überschritten hatte.
Ich aber lachte laut auf und tauchte den Farbroller ebenfalls in den Kübel mit der blauen Wandfarbe. "Ich mache Fortschritte, wie du siehst. Aber ich bin anscheinend immer noch nicht in der Lage, normal mit ihm zu reden." Nachdem ich den Roller abgestreift hatte, machte ich mich daran, die von Hannah vorbereiteten Flächen auszumalen.
"Das hat sich dieser Arsch auch nicht verdient. Du solltest keinen einzigen Gedanken mehr an ihn verschwenden."

"Mhm", nickte ich. Wenn Hannah wüsste, dass ich noch gestern auf dem Boden dieses Zimmers gesessen bin und alten Erinnerungen nachgetrauert habe, würde sie mir wahrscheinlich eine ordentliche Rede halten. "Wobei mich schon interessieren würde, was Anton mir sagen wollte..."
Hannah drehte sich zu mir um. "Ich habe gesagt, du solltest nicht mehr von ihm reden." Sie fuchtelte mit dem Farbpinsel vor meiner Nase herum. "Sonst wirst du dein blaues Wunder erleben."

"Okay, okay!", kicherte ich und hob schützend meine Hände. "Ich habe ja nur laut gedacht."

"Das ist auch nicht erlaubt!"

"Aber findest du es nicht auch merkwürdig, dass Anton..." Noch bevor ich den Satz beenden konnte, spürte ich Hannahs Farbpinsel auf meiner Wange. Erschrocken riss ich meinen Mund auf.

Hannah aber zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. "Ich habe dich gewarnt."

Meine Hand glitt in den Farbeimer und eine Sekunde später war auch Hannahs Wange blau, woraufhin ich jedoch unverzüglich einen weiteren Farbklecks auf die andere Backe kassierte.

"Hey!", rief ich und streckte meine blauen Finger nach Hannah aus, die schnell einen Schritt zurückwich und mir den Pinsel drohend entgegen hielt. Ich bremste abrupt ab und erhob erneut meine Hände. "Frieden?"

Hannah nickte und legte den Pinsel ab. "Wobei ich sagen muss, blau steht dir echt gut."

"Dir aber auch", lachte ich und nutzte die Situation aus, um ihr einen weiteren blauen Klecks auf die Nase zu verpassen. "Jetzt sind wir quitt! Jetzt bin ich mit dem Friedenspakt einverstanden", gab ich lachend von mir und meine Freundin stimmte in mein Lachen ein.

Dann zuckte sie ihr Handy. "Komm, lass uns ein Selfie machen. Das müssen wir festhalten. Zwei Schlümpfe bei der Arbeit."
Wir posierten lächelnd vor der halbfertigen Wand. Meine Gedanken an Anton waren wie weggeblasen. Meine beste Freundin wusste eben immer, wie sie mich auf andere Gedanken bringen konnte und dafür liebte ich sie von ganzem Herzen.
"Darf ich das posten?" Sie hielt mir ihr Handy entgegen und ich nickte, nachdem ich das Foto begutachtet hatte. Ich war noch nie fotogen gewesen, aber mit der blauen Farbe im Gesicht fiel das glücklicherweise nicht auf.

Etwa eine halbe Stunde später betrachteten wir erschöpft die fertige Wand.

"Und? Was meinst du?"

"Perfekt!", ich lächelte zufrieden.

"Dann heißt das Feierabend?"

Ich nickte ihr zu. "Ich werde später, wenn die Farbe getrocknet ist, das Klebeband abziehen und dann muss ich noch schauen, wo ich meine Möbel und die Pinnwand platzieren möchte. Aber das schaffe ich alleine, danke!"

"Super! Ich bin schon gespannt auf das Endergebnis."

"Du wirst die Erste sein, die es sieht", versprach ich ihr. "Und vielen, vielen Dank für deine Hilfe!" Mit diesen Worten umarmte ich meine Freundin.

"Das habe ich doch gern gemacht!"

"Hast du am Freitag Zeit? Ich möchte dich als Dankeschön nämlich gerne auf eine Pizza einladen!"

"Und zugleich Punkt 30 abhaken?"Ich lächelte schelmisch. "Naja, zwei Fliegen - eine Klappe und so...", zwinkerte ich ihr zu.

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