20 - Samstag Abend - Luisa und Jan

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Erschöpft vom Kümmern und Sorgen und ziemlich ratlos sitzen Luisa und Jan bei ihrer obligatorischen Tasse Tee in ihrer gemütlichen Küche. Eine Weile schweigen sie, weil sie beide nicht mehr weiter wissen, schlürfen ihren Tee, schauen sich schließlich an.

„Das sieht nicht gut aus, oder?"
Luisa wagt kaum, den Satz auszusprechen. Jan schüttelt stumm den Kopf.
„Wie schlimm?"
Anspannung springt aus beiden Gesichtern.
„Wenn er die Nacht so übersteht, hat er eine Chance, einigermaßen wach und normal durch den Tag zu kommen. Aber ich glaube da nicht mehr dran. Die Übelkeit kam mindestens zwölf Stunden früher als gewöhnlich, und ich musste den Tropf schon heute zweimal höher stellen. Ich habe echt Angst, dass seine Nieren morgen schlapp machen, wenn er tatsächlich anfängt, sich zu übergeben. Du weißt - das hört dann so schnell nicht mehr auf. Das kostet zu viel Flüssigkeit. - Allmählich hoffe ich auf ein Wunder. Das alles hat der Junge nicht verdient!"
Luisa kriegt eine Gänsehaut bei der Vorstellung.

Und nach einer Pause spricht Jan nachdenklich weiter.
"Ich hätte das nicht für möglich gehalten vor zwei Tagen. Aber ich fühle für ihn tatsächlich wie für einen Sohn. Inzwischen habe sogar ich Mühe, sachlich zu bleiben. ... Und Niklas ist allmählich an den Grenzen seiner Belastbarkeit angekommen. Er leistet seit drei Tagen Übermenschliches."

Luisa schüttelt sich, atmet tief durch und ruft sich selbst zur Ordnung.
„Wir müssen morgen noch irgendwie seine letzten Wünsche, Vorstellung für die Beerdigung und das alles mit ihm besprechen. Hoffentlich ist er dazu überhaupt noch in der Lage."
Sie seufzt.
„Und wir sollten mit seiner Oma besprechen, wie wir mit den Eltern verfahren sollen. Offiziell gelten Hybriden, die am Tag der Entscheidung sterben, als minderjährig. Und da weiß ich beim besten Willen nicht, wie es weiter gehen soll. Die Eltern sind verschwunden, ausdrücklich, weil sie sich nicht damit auseinander setzen wollen. Die Oma liegt in einer anderen Stadt mit Oberschenkelhalsbruch in einem total unkooperativen Krankenhaus. Und wir sind nicht erziehungsberechtigt. Es ist ein einziges Chaos."

Jan regt sich schon wieder auf.
„Ich habs ja auch nochmal versucht, Pauls Oma herzuholen. Ich habe allmählich den Verdacht, dass die ihre Betten voll kriegen müssen, koste es, was es wolle. Dass sie die Frau da nicht weglassen! Sie ist ihnen doch offensichtlich im Wege, stört nur mit ihrem Anderssein und regt alle auf mit ihrer Trauer. Und sie liegt auch nicht auf der Intensivstation. Man könnte sie problemlos in einen Krankenwagen packen und hierher verlegen. Das wird ein Nachspiel haben, und wenn ich vor den Kadi ziehe!"
Luisa nimmt beruhigend seine Hand.
„Eigentlich? Ist das doch völlig unwichtig jetzt, oder? Das ist nur dein Gefühl von Hilflosigkeit. Ich kann das ja verstehen. Aber ... Was zählt, sind Paul und seine Oma, Paul und Nicki, Paul und ein würdevolles Ende ohne Qual."
Hilflosigkeit senkt sich wie eine erstickende Decke auf die beiden Wesen am Küchentisch.
„Kannst du denn gar nichts mehr tun?"

Jan wird blass.
„Jan?"
„Eine Möglichkeit gibt es noch."
„Aber?"
„Das widerspricht dem Prinzip, möglichst immer den sicheren Weg zu gehen."
„Weil?"
„Ich könnte einen Cocktail aus Glucoselösung und mehreren Medikamenten mixen, den wir in den letzten beiden Jahren in den USA entwickelt haben. Ich selbst habe ihn aber noch nicht eingesetzt. Ich hab mich einfach noch nicht getraut. Und die Gesetze dort sind lockerer. Die Kollegen berichten, dass die allermeisten Patienten darauf sehr gut ansprechen und nach einer Weile wieder stabil, schmerzfrei und klar sind."

„Jan, könntest du dir bitte nicht jedes Detail einzeln aus der Nase ziehen lassen? Was ist denn das Problem an dem Mittel?"
Jan seufzt und fährt sich frustriert durch die Haare.
„Die einzige Nebenwirkung, die sie bisher festgestellt haben – sind Nierenprobleme. Und das jetzt bei Paul einzusetzen, käme einem Schuss ins Blaue verteufelt nahe ..."
„Sch ... eiße!"
„Luisa? Wir müssen dringend ins Bett. Wer weiß, wie lange wir überhaupt Ruhe haben werden ..."
„Ich fürchte mich für Paul ..."

Eine Stunde lang liegt Jan im Dunklen und starrt die schwarze Decke an. Er kämpft den schwersten Kampf seines Lebens aus. Dann steht er leise auf, schlüpft in seine Schlappen und geht runter in die Medi-Kammer. Er hat am Freitag Abend alle Medikamente mitgebracht, die er für Paul brauchen könnte, auch die Zusammensetzungen für verschiedene relevante Infusionen. Er holt noch einmal tief Luft – und mixt eine Infusionslösung. Dann geht er oben in sein Büro, ruft ein langes Dokument auf, liest die Analyse und drei Fallberichte seiner amerikanischen Kollegen. Er weiß immer noch nicht, ob er das im Endeffekt nutzen wird. Aber wenn ... Dann will er wenigstens wissen, was er tut. Mit einem innigen Stoßgebet schleicht er sich wieder ins Bett.

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19.7.2019    -    11.9.2019    -    28.9.2019

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