3 - Fluchtwege

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Darf ich vorstellen? Das ist Clara alias "Maus".

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Während der Junge mal wieder schläft, durchstöbere ich am Laptop unsere umfangreiche Sammlung an Informationen über Katzenhybriden nach Erklärungen für das spezielle Verhalten meines Gastes. Sehr viel weiter komme ich allerdings nicht. Seine Signale sind bisher viel zu wirr für mich. Als ich ein leises Schnaufen höre, wende ich meinen Kopf zu ihm um und muss lächeln. Er ist aufgewacht, hat die nun trockene Maus entdeckt, die ich neben seinen Kopf aufs Kissen gesetzt habe, und sie fest in seine Hände genommen. Er hat die Augen geschlossen und knabbert zärtlich auf dem schon etwas ramponierten Schwanz des Kuscheltieres herum, schnurrt mit Genuss und liegt zum ersten Mal, seit er mir vor mein Auto geraten ist, entspannt und mit ruhigem Schwanz im Bett.

Maus! Ich dachte schon, du steckst auch in der Jacke, und ich seh dich nie wieder. Ich hab dich lieb!

Ich drehe mich ganz zu ihm um. Leider hört er meine Bewegung, presst sofort die kleine Maus an sich und knurrt mich an.

Och neeee, der schon wieder!

Seufzend lasse ich mich vom Stuhl auf den Boden nieder und setze mich mit etwas Abstand vor ihm hin. Wenn er mir irgendwann vertrauen soll, muss ich mich mit ihm auf eine Ebene stellen. Misstrauisch starrt er mich an.
Das macht mich noch wahnsinnig. Mal will er dominant sein, dann wieder blickt er unterwürfig nach unten. Mal greift er mich an, mal verkriecht er sich gradezu vor mir. Junge, ich will dir nichts Böses! 

„Schön, dass du wach bist. Vielleicht hast du es dir nicht gemerkt – ich heiße Niklas. Und ich will dir wirklich nichts antun. Ich will nur helfen. Ich halte dich hier auch nicht mit Gewalt fest. Es ist nur über Nacht noch kälter geworden. Draußen liegt Schnee, du bist sehr schwach, hast Fieber und keine Jacke. Ich lade dich einfach ein, hier gesund zu werden, bis wir heraus finden können, wo du sein willst oder hingehörst. Aber vielleicht findest du ja auch deine Sprache wieder und sagst es mir einfach."

Er zuckt zusammen, seine Augen weiten sich wachsam.
„Wenn du dich dadurch sicherer fühlst, zeige ich dir gerne die ganze Wohnung und alle Ausgänge. Würde dir das helfen, mir zu vertrauen?"
Zögernd nickt er, klammert sich an seine Maus.

Als ob! Das glaubt der doch selber nicht!

„Darf ich dir näher kommen? Du bist zu schwach zum Laufen, ich sollte dich also tragen."
Panik in den Augen. Dann wieder ein schwaches Nicken. Ich bewege mich langsam auf ihn zu.
„Ich stehe jetzt auf und hebe dich hoch, O.K.?"
Seine Augen folgen jeder meiner Bewegungen, sein Schwanz zuckt hektisch, er kann sich wohl nicht entscheiden zwischen Mitkommen, Abwehren und Flüchten. Sanft hänge ich ihm eine Decke um, hebe ihn hoch, lächele ihm zu, nehme ihn fest in meine Arme und trage ihn erstmal ans Fenster.

„Schau, das ist unser Garten. Im Moment ist alles weiß, der Regen ist irgendwann heute Nacht in Schnee übergegangen. Ich wohne im Souterrain meines Elternhauses. Das Haus ist an den Hang gebaut, da siehst du den Gehweg, der hoch zur Straße führt. Ich habe hier an der Seite meinen eigenen Eingang und meine eigene Terrasse. Meine Eltern bewohnen die beiden oberen Etagen. Sie sind sehr liebenswerte Wesen. Wenn du bleiben willst, wirst du sie heute Abend kennen lernen."

Kannste sowas von vergessen, Kumpel. Bis dahin bin ich über alle Berge.
Danke, dass du so doof bist, mir die Tür zu zeigen.

Ich zeige ihm noch, dass in dem Schrank in seinem Zimmer Wechselklamotten liegen und ein Waschbecken integriert ist. Er schnuppert und dreht sich mit Panik in den Augen weg. Ich kapiere allerdings nicht, warum. Dann trage ich ihn auf den Flur.
„Hier gleich neben deinem Zimmer ist mein Schlafzimmer, gegenüber liegt das Bad mit Dusche und Wanne. Da findest du auch Handtücher. Als nächstes folgen mein Arbeitszimmer und gegenüber der Gang, der zum Keller, zur Waschküche und zur Treppe rauf zu meinen Eltern führt."
Ich gehe ein paar Schritte weiter.
„Dann siehst du nach links meine Abstellkammer. Und direkt gegenüber hinter dieser Glastür rechts ist mein separater Wohnungseingang."
Irgendwie öffne ich trotz der Last in meinen Armen die Tür und zeige ihm die Garderobe, die Gästetoilette und die Haustür.
„Möchtest du, dass ich die Tür einmal öffne, damit du dir sicher bist, dass du nicht eingeschlossen bist?"

Schön blöd.

Ein Funke Hoffnung glimmt in seinen Augen auf, bevor er leise nickt. Also greife ich nach einem Mantel und schlage ihn auch noch um den Jungen drumrum. Allerdings bin ich wachsam.
Wer weiß, WELCHE Hoffnung das grade war.
Und richtig – kaum habe ich die Haustür geöffnet und einen Schritt unter das Vordach gemacht, windet er sich in meinen Armen und versucht, sich zu befreien.

Ich packe fester zu.
„Vorsicht! Ich setz dich ja runter, wenn du das willst. Aber wenn du so zappelst, fällst du, dann hast du gar nichts gewonnen."
Ich bleibe meinem Grundsatz treu. Er soll sich wohl fühlen, er soll nicht glauben, dass er eingesperrt ist, und wenn er in sein Unglück rennen will, darf ich ihn nicht hindern. Aber ich weiß trotzdem, dass er nur wenige Schritte weit kommen wird und ich ihn dann aus dem Schnee sammeln darf.

Na guuut. Mach schon!

Als er aufgehört hat zu zappeln, gehe ich in die Hocke und setze ihn auf den Boden. Sehnsüchtig starren seine Augen in das blendende Weiß. Mit einer blitzschnellen Bewegung schlägt er Mantel und Decke fort und wirft sich von mir weg nach vorne. Er versucht, aufzustehen und zum Zaun zu rennen, aber schon nach zwei, drei Schritten bricht er im Schnee zusammen. Unabhängig davon, dass er so wieder keine Jacke und nun außerdem auch keine Schuhe an hat, ist er einfach viel zu schwach, um weiter zu kommen. Da liegt er nun im Schnee – und fängt nach all dem eher katzenhaften Verhalten plötzlich an, bitterlich und höchst menschlich zu weinen.

Ich bleibe hocken, wo ich bin, und spreche ihn leise an.
„Wenn du das möchtest - und nur dann! - werde ich zu dir kommen, dich aufheben und dich wieder ins Warme tragen. Die Haustür wird nie verschlossen. Wenn du wieder gesund bist, kannst du jeder Zeit gehen. Aber so rennst du nur in dein Verderben. Bitte, vertrau mir doch!"
Ich warte ab. Das herzzerreißende Weinen geht allmählich in ein Wimmern und Zittern über. Dann liegt er ganz still.

Scheiße, du hast gewonnen. Schon wieder. Ich schaff das so nicht.
Und auch wenn ich sterben muss, weil ich nicht mehr die Kraft habe, nach meinem GEGENÜBER zu suchen –
SO verrecken will ich dann doch nicht.

Langsam hebt er seine Hand und streckt sie nach mir aus.
Gott sei Dank! Ich muss ihn nicht zwingen ...
„Gut, dann komme ich jetzt zu dir und trage dich wieder rein."
Ich stehe auf, mache die paar Schritte auf ihn zu, hebe ihn hoch, wickele Decke und Mantel wieder um ihn drumrum und trage ihn zurück ins Haus. Nachdem ich die Tür mit dem Fuß zugeschoben habe, bleibe ich einen Moment stehen. Ich habe noch eine Idee.
„Schau mal – da neben der Toilettentür das Schränkchen an der Wand. Mach das mal auf und nimm den Schlüssel mit der kleinen Holzkatze raus."

Was will der denn jetzt um Himmels Willen???

Ich trete an den Schlüsselschrank ran und lasse ihn machen. Er schaut mich sehr erstaunt und mit neugierigen, großen Augen an. Dann öffnet er das Türchen, greift zielsicher nach dem Katzenanhänger und schaut fragend zu mir. Ich wende mich wieder der Haustür zu.
„So, pass auf. Damit du ganz sicher sein kannst, bekommst du den Gästeschlüssel für diese Tür. Du darfst jetzt ausprobieren, ob der wirklich passt, und ihn dann behalten, solange du hier bist."

Der meint das ernst!?!
Das ist echt ein komischer Freak.
Aber bitte, ich wehre mich nicht.

Ich muss mich zusammenreißen, nicht laut loszulachen über sein perplexes Gesicht. Hastig dreht er sich in meinen Armen, öffnet die Haustür ein Stück, steckt den Schlüssel ins Schloss und probiert ein paarmal, ob der Schlüssel sich wirklich flüssig im Schloss dreht. Dann schubst er die Tür wieder zu, umklammert den Schlüssel und zieht seine Hand blitzschnell unter die Decke. Müde fällt sein Kopf gegen meine Schulter. Auch sein Schwanz beruhigt sich und schlägt nicht mehr dauernd gegen meine Beine.

O.K. - wenn er so ehrlich ist, wie er tut, kann ich ja bis morgen hier bleiben.
Wärme, Pflege, Essen – ist schon nicht verkehrt.
Vielleicht habe ich dann noch eine Chance.

Als ich wieder im Flur mit ihm stehe und die geschlossene Zwischentür die Kälte aussperrt, schaue ich ihn an.
Er hat wunderschöne, einzigartige Züge, wenn er so entspannt ist.
Ich rede leise weiter.
„Möchtest du jetzt erstmal wieder ins Bett, oder soll ich dir den Rest der Wohnung zeigen, damit du dich orientieren kannst?"
Er nickt.
Toll. Das war eine entweder-oder-Frage, Junge ...
Ich rate einfach los.
„Wohnung zeigen?"
Er nickt wieder. Die Neugierde der Katze in ihm hat gesiegt. Ich will mich in Richtung Wohnzimmer in Bewegung setzen, doch plötzlich erstarrt er und brüllt dann nur ein Wort.
"MAUS!!!"
Er fängt wieder an zu zappeln und will offensichtlich zurück zur Haustür. Ich ignoriere, dass er grade sein erstes Wort in meiner Gegenwart gesprochen hat, mache kehrt mit ihm auf dem Arm, er reißt die Türen auf, bevor ich nach der Klinke greifen kann – und da liegt sie, gleich unter dem Vordach.
„Schschsch. Ich heb sie ja schon auf. Lass das Zappeln!"
Überglücklich presst er seine Maus an sich. Ich muss lächeln bei diesem Anblick.
So würde ich ihn ja gerne immer sehen ...
Wieder im Warmen wende ich mich der Zwischentür zum Wohnzimmer zu und gehe hinein.

Hier riecht es nicht nach Krankenhaus.
Hier will ich bleiben!

Hinten links im Raum ist die Küche, rechts von uns ist die große Fensterwand mit einer Schiebetür. Der ganze Raum ist hell und gemütlich eingerichtet, eine große Sofalandschaft lädt zum Kuscheln und Gammeln ein, neben dem langen Esstisch ist ein Regal mit allerlei Büchern und Gesellschaftsspielen. Ich habe ja nicht oft Zeit für Gäste, aber ab und an mache ich mit meinen guten Freunden mittwochs reihum einen schönen Spieleabend. Gestern waren wir zum Beispiel bei Sarah, und da wird es immer besonders spät.
Zum Glück für diesen seltsamen Jungen hier ...

Ich führe meinen Gast durch den großen Raum, zeige ihm in der Küche alles Wichtige und trage ihn dann zum Sofa.
„Möchtest du hier noch ein Weilchen bleiben, oder bist du so müde, dass du wieder ins Bett willst?"
Mein Gast fällt förmlich aus meinen Armen auf das Sofa.
Das ist eindeutig ...
Sofort macht er es sich gemütlich mit all den Kissen und Decken. Die ganze Zeit hält er seine kleine Maus ganz fest. Zum ersten Mal, seit er hier ist, möchte ich ihn am liebsten knuddeln, weil es so zauberhaft ist, wie er mir zeigt, dass er sich wohl fühlt.

Kuck nicht so glücklich.
Dass ich überhaupt noch hier bin, liegt einfach an diesem Scheißwinter
und meinen Scheißeltern und diesem Scheißwi ...

Ich erschrecke, als er plötzlich aus heiterem Himmel wieder anfängt zu weinen. Ich hocke mich neben ihn und wage es, ganz leicht seine Hand zu streicheln. Er lässt es zu. Nach einer Weile gehe ich noch einen Schritt weiter.
„Versteck dich nicht. Dann kann ich dir nicht helfen. Ich weiß jetzt, dass du sprechen kannst. Rede dir alles von der Seele. Vielleicht kann ich dir dann helfen."
Heftig schüttelt er den Kopf, sein Weinen wird stärker. Ich streiche einfach weiter über seine Hand, dann strecke ich meinen Arm aus und kraule ihn hinter den Ohren. Diesmal wehrt er sich nicht. Nach einer Weile scheint sich sein Kopf sogar meiner Hand entgegen zu drücken. Er hört auf zu weinen, schließt seine Augen und entspannt sich etwas.
Vielleicht hab ichs jetzt geschafft, das Eis ist gebrochen. Aber ich muss noch vorsichtig sein!

Ich hab keine Ahnung, was dieser Typ an sich hat, dass ich so auf ihn eingehe.
Menschen sind scheiße.
Aber dieser hier ist irgendwie ein bisschen weniger scheiße als alle anderen.
Jedenfalls nicht zu vergleichen mit diesen Arschlöchern in der Kneipe.

 Als ich schon denke, dass er eingeschlafen ist, spricht er plötzlich sein zweites Wort.
"Paul!"

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11.7.2019

Auf höflichen Wunsch einer einzelnen Dame - bitteschön:

Ha! Ich bin stolz. Zumindest am PC kann man alles erkennen. Und meine liebe Aliena hat jetzt hoffentlich den Durch-, Drauf-, Einblick ...

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