2 - Fieber

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Ich werde wach von einem dumpfen Schlag, sitze senkrecht im Bett und reibe mir die Augen. 

Ich will hier raus! Ich muss hier raus!!!
... Mein Körper gehorcht mir nicht.

Kurz vor der Zimmertür hockt mein seltsamer Gast auf dem Boden, ist wohl aus dem Bett gefallen, macht sich klein, versucht, zur Tür zu kriechen, und schaut mit Panik in den fiebrig glänzenden Augen auf den Boden vor meiner ausgeklappten Couch.

Hoffentlich quält er mich nicht. Soll ich nachgeben?
Aber ich muss doch weiter suchen! 

Misstrauisch schnuppert er in der Luft. Seine Augen jagen hin und her wie auf der Suche nach einem Halt.

Mir ist so heiß, ich hab so Angst.
Hier riecht es überall nach Krankenhaus. Ich muss hier raus!

Er faucht wieder, zeigt mir seine Reißzähne, sein Schwanz ist aufgeplustert, schlägt wild hin und her. Aber er ist zu schwach, um mich anzugreifen.

Ich schaffe das sowieso nicht ...

Scheinbar tausend Gefühle jagen über sein Gesicht. Alles an ihm schreit um Hilfe.
"Ich bin in Gefahr und kann nichts tun!"
Also stehe ich auf, fange seine Arme ab, hebe ihn hoch und lege ihn kurzerhand wieder in sein Bett. Zur Beruhigung will ich ihn hinter den Ohren kraulen, werde aber sofort wieder wüst angegriffen und muss aufpassen, dass er mich nicht mit seinen Reißzähnen erwischt. Doch schon bald erlahmen seine Kräfte.
Anfassen darf ich ihn also im Wachzustand offenbar nicht.

Fass mich nicht an!!!

Ich decke ihn zu, rede sanft mit ihm.
„Guten Morgen! Mach dir keine Sorgen bitte. Du bist bei mir zu Hause. Ich habe dich mitten in der Nacht völlig durchnässt und unterkühlt auf der Straße gefunden. Du hast Fieber, aber wenn du jetzt ganz viel trinkst und bald etwas isst, geht es dir heute Abend schon wieder viel besser. Du kannst hier bleiben, bis du wieder gesund bist und nach Hause willst. Du musst nicht ins Krankenhaus, soweit ich das bisher sehen kann."
Die Panik weicht erst aus seinen Augen, als ich ihm sage, dass er nicht ins Krankenhaus muss.
Er scheint irgendwelche traumatischen Erfahrungen damit gemacht zu haben. Alles, was mit "Kranken-" anfängt, treibt ihn sofort in die Panik.

Ich kann es ihm nicht verdenken. Die Menschheit hat so lange gebraucht, um sich an das vermehrte Auftreten von Hybriden zu gewöhnen. Jahrzehntelang haben sie um ihre Rechte kämpfen müssen – nicht mehr als Tiere bezeichnet und behandelt zu werden, nicht mehr als Versuchstiere herhalten zu müssen, nicht mehr für dumm gehalten, an der Leine geführt, wie Sklaven gehalten und eingesperrt zu werden. Und es gibt immernoch Schulen, die diese Kinder nicht annehmen, Ärzte, die sich weigern, sie zu behandeln, oder eklatante Fehler machen, für die sie keiner zur Verantwortung zieht, Richter, die sie im Prozessfall benachteiligen und viel zu viele dumme Menschen, die ihnen aus Angst vor Veränderung Übles wollen. Dabei könnte inzwischen jedes Kind wissen, dass es vom reinen Menschen bis zum reinen Tier jede Spielart dazwischen gibt, und dass Hybriden mit mehr menschlichen als tierischen Eigenschaften in den meisten Fällen intelligente, selbständige, hochgradig soziale Wesen sind, die in allen Bereichen der Gesellschaft nur als Bereicherung anzusehen sind. Und die Spielarten mit mehr tierischen Anteilen sind in der Regel besonders treue, liebenswerte Geschöpfe, die man doch sehr gut fördern und integrieren kann. Aber sobald sich einer von ihnen gegen ungerechte, diskriminierende Behandlung wehrt und die Instinkte mit ihm durchgehen, sind wieder alle ach so gefährlich.

„Du musst keine Angst vor mir haben. Ich heiße Niklas und würde dir gerne helfen. Meine Mutter ist auch ein Katzenhybrid. Ich komme einfach sehr nach meinem Vater. Sei dir sicher - ich achte deine Rechte. Bitte sage mir doch deinen Namen und woher du kommst. Isst du eher menschliche Nahrung, oder brauchst du Katzenfutter? Du musst unbedingt etwas essen!"

Mann, Junge! Halt die Klappe und lass mich raus! Merkst du nicht, dass ich nicht mit dir reden werde?
Kann dir doch egal sein, was ich esse. Ich bin hier sowieso so schnell wie möglich wieder draußen ...

Ich rede noch eine Weile so weiter, aber egal, was ich sage – er faucht mich nur an, mit gesenktem Blick. Bald schon schließt mein Gast die Augen vor Erschöpfung, entspannt sich und lässt es zu, dass ich ihn wieder in Decken wickele.
Er macht es mir echt nicht leicht. Aber bisher bin ich noch mit jedem fertig geworden und konnte Vertrauen aufbauen. Ich werde es sehen.

Mein Vater antwortet auf meine nächtliche Nachricht und erkundigt sich nach unserem Gast. Ich gebe ihm die Fakten durch, soweit ich sie beobachten konnte. Er wird am Abend nach der Arbeit reinschauen und sich den Patienten ansehen. Dann muss ich den verängstigten Typ nicht zu Papa ins Krankenhaus schaffen.

Kurz danach meldet sich Mama. Auch sie fragt mich nach dem Gast aus, weil sie nämlich in ihrem Verein „Würdiges Leben für Hybriden e.V." eine Online-Suchdatei initiiert hat. Angehörige können nach verschollenen Hybriden suchen, und umgekehrt können Hybriden nach ihren Angehörigen oder auch nach ihrem GEGENÜBER suchen. Ich mache im Schlaf ein Bild von ihm und schicke es ihr rüber. Einen Namen oder gar genauere Informationen kann ich ihr leider nicht geben. Was auch immer ihn ausgewiesen hätte, war vermutlich in seiner Jacke, die er nicht mehr bei sich hat. Keine Ahnung, wie man bei solchem Wetter seine Jacke verlieren kann! Das einzige, was ich in den Hosentaschen gefunden habe, bevor ich heute Nacht seine Kleidung zum Waschen und Trocknen der Haushälterin hingelegt habe, ist unwichtiges Zeug und eine kleine, gestreifte Plüschmaus, die schon seit ein paar Stunden auf der Heizung vor sich hin trocknet.

Während der verängstigte Junge fiebrig-erschöpft wieder einschläft, mache ich mich fertig für den Tag, koche mir und ihm frischen Tee, frühstücke ausgiebig und bereite ein Tablett mit verschiedenen Speisen vor, die dem Hybriden schmecken könnten. Wenn ich mir nicht Sorgen über unseren Gast machen würde, wenn nicht alles so kompliziert wäre, könnte ich diesen Tag echt genießen. Mal raus aus der Mühle mit lauter kranken, sterbenden, oft vernachlässigten Hybriden zu kommen, tut eigentlich gut. Stattdessen mache ich meinen Dienst eben hier, verbringe Stunden damit, sein Fieber zu kontrollieren, ihm Flüssigkeit zu verabreichen, ihm vergeblich verschiedenes Essen anzubieten – und mich vor seinen Reißzähnen in Sicherheit zu bringen.

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10.7.2019

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