01 | Hundred

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»I've spent much too long in the space between staying and letting go.«

In manchen Momenten, die man durchlebt, weiß man sofort, dass man sich bis an sein Lebensende an sie erinnern wird.

Und Nylah war sich verdammt sicher, dass das gerade so ein Moment war.

Nach so langer Zeit in Kols Augen zu blicken, war, als ob sie einen Geist sehen würde.

In den letzten Monaten hatte Nylah sich nach oben gekämpft. Doch jetzt schlugen die dunklen Wellen wieder über ihrem Kopf zusammen, füllten ihre Lungen, rissen sie hinab in die Tiefe.

Während in ihrem Inneren ein Sturm tobte, war ihr Körper auf Autopilot. Ihre Lippen bewegten sich, als sei nichts gewesen. Sie sang, als ob ihr Herz nicht gerade brach.

Die Scheinwerfer, die nach dem Ende von „Flowers" wieder hochgeschraubt wurden, verwehrten ihr erneut die Sicht auf das Publikum und doch spürte sie ganz deutlich, wie Kols Blick auf ihr lag. Sie war sich noch nie irgendwas so bewusst gewesen.

Monatelang hatte sie danach gelechzt, Kol noch einmal sehen zu können. Und plötzlich war er wieder bei ihr. So nah, wie schon lange nicht mehr.

„Vielen Dank, dass ihr alle hier gewesen seid! Ihr wart ein unfassbares Publikum!", hörte sie ihren Mund sagen und sie spürte, wie sich ihre Mundwinkel nach oben bogen. Nylahs Körper fühlte sich fremd an.

Vage hörte sie die Menge jubeln und applaudieren, während sie gemeinsam mit ihren Bandkollegen von der Bühne lief.

Als sie nicht mehr in Sichtweite des Publikums war, brach alles über sie herein. Ihre Selbstkontrolle, die sie während dem Auftritt noch irgendwie bewahrt hatte, verließ sie.

Panik überkam sie. Sie musste zu Kol

Sie musste mit ihm sprechen, ihn berühren, sich selbst versichern, dass sie sich ihn nicht eingebildet hatte.

Nylah hastete an ihren Freundin vorbei in den Backstagebereich, nahm am Rande wahr, wie sie nach ihr riefen. Ihre Beine zitterten. Ihre Kehle fühlte sich eng an, sie griff sich an den Hals. Sie erstickte.

Ihre Augen huschten durch den Raum, in dem sie sich vorhin mit den anderen für den Auftritt vorbereitet hatte. Sie entdeckte das rot leuchtende Schild mit der Aufschrift „Notausgang".

Sie raste durch das Zimmer und stemmte sich mit der Schulter gegen die massive Tür, die sich mit einem leisen Quietschen ergab.

Kalte Luft schlug ihr entgegen, kühlte ihr erhitztes Gesicht. Panisch sah sich um, ihre Augen gewöhnten sich viel zu langsam an die Dunkelheit, die nur durch die Straßenlaternen durchbrochen wurde.

Nylahs Beine trugen sie weiter nach vorne, zum vorderen Teil der Halle. Das Publikum, das eben noch dem Konzert beigewohnt hatte, strömte aus dem Haupteingang. Ihr Blick flog über die Gesichter, doch sie erkannte niemanden.

Angst durchflutete sie. Nein, sie konnte ihn nicht verpasst haben. Er musste hier irgendwo sein.

Ein paar Leute wurden auf sie aufmerksam, riefen überrascht ihren Namen, liefen in ihre Richtung, fragten sie nach einem Autogramm. Nylahs Lippen bewegten sich, sagten irgendwelche netten Worte. Ihre Finger umklammerten einen Stift, sie schrieb ihren Namen auf ein Blatt Papier.

„Ist alles in Ordnung mit Ihnen?", fragte eine junge Frau, die Nylah besorgt musterte. Getuschel erhob sich in der Menschentraube, die Leute merkten, dass etwas nicht stimmte.

„Ja, es ist alles in Ordnung. Nylah ist nur etwas überwältigt von dem Konzert", hörte sie Nathans tiefe Stimme hinter ihr sagen. Sie hatte nicht mal gehört, dass er sich ihr genähert hatte.

Nylah spürte seine Hand, die ihre warm umschloss. Ihr wurde übel, panisch ließ sie ihren Blick weiter nach hinten gleiten, hielt weiter Ausschau nach dem Mann mit den haselnussbraunen Augen.

„Danke euch allen nochmal. Wir sind aber alle sehr erledigt, deswegen wünschen wir euch jetzt eine Gute Nacht", erklärte Nathan.

„Oh, schade!", machte ein Mädchen, die Nathan gebannt anstarrte. Ihre Wangen waren rot.

Der Bassist sagte noch irgendwas, was Nylah jedoch nicht wahrnahm. Seine Hand verlagerte sich an ihren Rücken, er schob sie langsam zurück in den hinteren Bereich der Halle. Sie wollte sich wehren, doch ihr Körper fühlte sich mit einem Mal taub an.

Nylah warf einen Blick über die Schulter, blickte in die verdutzen Gesichter der Leute, bis sich die Tür hinter ihnen schloss. Reece und Ewan warteten auf sie.

„Was zum Teufel war das, Nylah?", fragte der dunkelblonde Gitarrist aufgebracht und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.

Ein bitterer Geschmack breitete sich auf Nylahs Zunge aus. Sie schlug die Hand vor der Mund, versuchte ein Würgen zu unterdrücken. Sie ging in die Knie, umklammerte ihre Beine.

„Es ist alles gut", versicherte ihr Nathan, der neben ihr in die Hocke gegangen war. Er strich ihr beruhigend über den Rücken.

Gar nichts war gut. Das war die größte Lüge, die sie jemals gehört hatte.

„Was ist los?" Nathans Stimme war sanft. Sie blickte in seine grünen Augen, doch sie konnte seinen Anblick gerade nicht ertragen. Sie verbarg das Gesicht in den Händen.

„Ich habe Kol im Publikum gesehen", flüsterte sie leise. Es auszusprechen, ließ ihr Herz noch ein Stück mehr zerbrechen.

_

Nylah starrte auf ihr Handy. Ihre Finger zitterten.

Der Display leuchtete in der Dunkelheit ihres Zimmers und zeigte ihr den Chat mit Kol. Ihre Brust hob und senkte sich angestrengt, das Atmen fiel ihr schwer.

Sie konnte den Tag nicht verstreichen lassen, ohne zu erfahren, ob er wirklich da gewesen war. Während sie während dem Konzert nicht daran gezweifelt hatte, war sie sich jetzt auf einmal unsicher. Es erschien ihr zu surreal, die Möglichkeit zu weit weg.

Bevor sie es sich anders überlegen konnte, berührten ihre Finger den Touchscreen und sie verfasste eine Nachricht.

„Du warst dort."

Sie starrte auf die Worte und tippte dann auf „Absenden".

Vielleicht hätte sie doch etwas anderen schreiben sollen, überlegte sie sofort im nächsten Moment.

Würde Kol ihr überhaupt antworten? Nachdem er mit ihr Schluss gemacht hatte, hatte sie unzählige Male versucht, ihn zu kontaktieren, er hatte nie darauf reagiert. Warum sollte es heute anders sein?

Plötzlich erschien eine Benachrichtigung auf ihrem Bildschirm.

„Ich dachte nicht, dass du mich sehen würdest."

Sie las die Nachricht. Einmal, zweimal, dreimal. So lange, bis die Worte durch die aufsteigenden Tränen verschwammen.

Nylah bedeckte ihre Augen mit ihrem Handrücken. Ein Zittern durchlief sie.

Kol war wirklich da gewesen. Sie hatte ihn sich nicht eingebildet.

Und er hatte ihr tatsächlich geantwortet.

Einige Momente lag sie so da, versuchte sich selbst klar zu machen, dass das gerade wirklich passierte. Sie hatte die Hoffnung, ihn irgendwann wiederzusehen, eigentlich schon lange aufgegeben gehabt.

Nylah holte tief Luft und schrieb:

„Ich würde gerne mit dir reden."

Sie biss sich auf die Unterlippe. Würde er darauf überhaupt antworten? Schließlich hatte er ihr schon damals keine Erklärung liefern wollen, warum sollte er es jetzt beabsichtigen?

Aber sie musste es einfach versuchen. Sie wollte ihn treffen, mit ihm sprechen, versuchen zu verstehen, warum er sich damals so entschieden hatte. Ansonsten würde sie dieser Chance ihr ganzes Leben hinterher trauern.

Fünf Minuten vergingen ohne eine Nachricht.

Nylah wurde nervös.

Plötzlich hielt sie es nicht mehr im Bett aus. Sie sprang auf, tigerte durchs Zimmer.

Das Licht der Straßenlaterne fiel in den Raum, tauchte ihn in eine unwirkliche Atmosphäre. Von draußen waren Menschen zu hören, die sich unterhielten, gemeinsam lachten.

Nylah kaute auf ihrem Nagel herum. Er riss ein und sie fluchte.

Ihr Handy, das sie extra auf laut gemacht hatte, um zu wissen, wann er antwortete, gab einen Ton von sich.

Sie hechtete zum Bett und umklammerte das Gerät wie einen Rettungsanker. Ihr Körper bebte.

„Ich weiß. Gib mir etwas Zeit, ich melde mich dann bei dir."

Sekunden verstrichen, eine weitere Nachricht erschien.

„Gute Nacht, Nylah."

Sie sank auf die Knie und schlug sich die Hand vor den Mund, versuchte das Schluchzen, das aus ihr herausbrach, zu dämpfen. Tränen rannen über ihr Gesicht, tropften auf den Boden.

Er hatte zugesagt.

Sie würde Kol wiedersehen.

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