Heimkehr

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Berge, Felder, Wiesen – all das zieht an mir vorbei. Die Stadt mit ihren riesigen Gebäuden habe ich schon lange hinter mir gelassen. Nun lässt sich der bereits mit Sternen bedeckte Abendhimmel viel besser betrachten, als an jedem anderen Abend im Jahr, an welchem ich auf dem Balkon meiner Wohnung stehe und versuche, doch irgendwie einen Blick auf den Mond zu erhaschen.

Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, als ich daran denke, wie ich als Kind immer mit meinen Freunden hier über die Wiesen gerannt war, bevor wir uns irgendwo hingelegt hatten, nur um uns einen Moment zu gönnen, indem es nur uns, die Sterne und den wunderschönen Mond gab. Nicht nur einmal hatte ich für so eine Aktion ärger zuhause bekommen, sollte ich doch nicht so spät noch draußen sein. Doch das, was wir dafür hier, auf den Felder, gefühlte Meilen entfernt vom Rest der Menschheit erlebt hatten war es definitiv wert, hier und da mal ein bisschen später zu kommen.

In Höchstgeschwindigkeit rauscht der Zug jetzt schon seit mehreren Stunden über die Gleise, doch lange würde es nicht mehr dauern – vielleicht ein paar wenige Minuten – bis das Gefährt das nächste Mal stehen bleibt und mich somit an meinem Ziel herauslässt. Die Ansage war bereits durch die Lautsprecher geschallt, was den ein oder anderen dazu bewegt hatte, aufzustehen, um nach seiner Tasche zu fischen. Es sind nicht viele, aus meinem Abteil – gerade Mal eine weitere Familie. Doch um ehrlich zu sein hätte es mich auch sehr gewundert, würde es anders sein.

Die Räder des Zuges quietschen, das Koloss an Wagons hält an, die Türen öffnen sich. So, wie es auch nur vereinzelte Personen sind, die das Gefährt verlassen, genauso leer ist auch der Bahnhof, sodass es nicht lange dauert, bis dieser wieder völlig geleert ist. Nur ich stehe noch für einen Moment hier, blicke dem bereits verschwindenden Zug hinter her und atme die frische Luft mit dem süßlichen Duft der Heimat ein. Dann schultere ich meine kleine Reisetasche – für die wenigen Tage, die ich hier sein würde, würde ich schließlich kaum etwas brauchen – und setze mich in Bewegung.

Einen Bus zu nehmen kommt für mich gar nicht in Frage. Abgesehen davon, dass ich dann sowieso noch eine ganze Weile warten müsste, bis das alte Klappergestell um die Ecke biegt, mag ich den Weg durch den Ort viel lieber.

Meine Schritte sind das einzige, was in dem verlassenen Hauptstraße zu hören ist. Zwar kann ich an den durch die zugezogenen Vorhänge gedämmtes Licht sehen, dass die Straße vielleicht doch nicht so verlassen ist, wie sie scheint, treffen tu ich dennoch nicht eine Person, der ich einen schönen Abend oder ein fröhliches Fest wünschen könnte. Weder jemanden den ich kenne, noch jemandem, dem ich noch nie in meinem Leben begegnet bin.

Es dauert nicht lange, bis ich in der Dorfmitte ankomme. Hier, am Hauptplatz – am einzigen Platz um genau zu sein – wurde ein riesiger Tannenbaum aufgestellt. Damit haben die Kinder von heute schon einmal deutlich mehr, zu bestaunen, als wir damals. Alles, was früher den Dorfplatz geschmückt hatte, war ein kleines Tännchen mit einer Lichterkette und den selbstgebastelten Anhängern der Kindergartenkinder. Auch meine Sterne hatten nicht nur in einem Jahr einen Platz an einem Zweig gefunden. Die restlichen Kugeln, Aufhänger und Girlanden, auch anderswo am Platz verteilt, hatten wir uns selbst dazu denken müssen. Wenn wir dann in den Feldern lagen, haben wir uns oft erzählt, wie unsere Weihnachtsplätze aussahen, mit welchen Sachen sie geschmückt waren und welche Musik gespielt wurde.

Kopfschüttelnd setze ich meinen Weg fort. So viel Fantasie müssen die Kinder heute wohl nicht mehr aufbringen.

Einen kurzen Blick schenke ich auch der Kirche, die mit ihren breiten Türen direkt an den Dorfplatz einmündet. Mehr Zeit, als ich muss, will ich dem großen Gebäude allerdings auch nicht geben. Dazu hat dieser Ort und vorallem sein Innerstes mir in der Kindheit schon zu viel von dieser kostbaren Ware geklaut.

Die verlassene Hauptstraße ist nichts im Vergleich zu dem, was mich hinter der Kirche und somit auf der letzten Etappe meiner kleinen Expedition erwartet. Die vereinzelten Fenster, durch die man einen Lichtstrahl erahnen kann, spenden gerade so viel Licht, dass ich nicht über meine eigenen Füße oder eines der vielen Schlaglöcher stolper. Und auch, wenn ich diesen Weg genau wie alles andere in und auswendig kenne, bin ich doch froh, als ich das Ende der Gasse erreiche und wieder auf eine etwas breitere Straße treffe.

Ich ringe mit mir, will ich doch eigentlich schnellstmöglich nach Hause kommen, bleibe schlussendlich dann aber doch für einen Moment stehen und blicke zum alten Scheunendach links von mir. So oft bin ich als Jugendlicher die bröckelige Fassade hochgeklettert und habe mich wie der Herrscher der Welt gefühlt, als ich schließlich ganz oben bei meinen Freunden angekommen war. Und ich war mir sicher, wäre heute nicht Heiligabend, würde ich auch jetzt eine Gruppe Jugendlicher dabei beobachten können, wie sie den waghalsigen versuch starteten, auf der Dachspitze hin und her zu balancieren.

Manchmal waren Erwachsene gekommen, die versucht hatten, uns von dem einsturzgefährdetem Gebäude zu scheuchen. Gekümmert hatte uns das meistens ziemlich wenig.

Würde ich die Jugendlichen daran erinnern, dass das, was sie taten, gefährlich war? Vermutlich nicht. Sie würden es schon selber erfahren. Und mehr als ein gebrochenes Bein kann man sich bei diesem Abenteuer sowieso nicht zuziehen. Jedenfalls war das alles gewesen, was meinen besten Freund nach einem Sturz auch nicht davon abhalten konnte, mit Gips und Krücken zu uns hinauf zu klettern.

Ich habe gar nicht bemerkt, dass sich meine Beine von ganz alleine in Bewegung gesetzt haben. Doch wie ich nun feststelle, kann ich die Straße runter bereits mein Ziel erkennen. Es ist nicht mein Haus. Jedenfalls kann ich nur erahnen, dass es sich dahinter befindet. Und obgleich es kindisch erscheint, finde ich mich nicht viel später am Nachbarszaun wieder. Den Umweg einmal um den gesamten Block herum habe ich mir schon damals immer gespart. Und auch heute ist meine Motivation wirklich nicht groß, noch weiter zu laufen. Viel spannender fand und finde ich die Abenetuermission, durch den Nachbarsgarten zu schleichen.

Während die Hürde über den Zaun zu kommen damals eine kräfteauftreibende Aufgabe war, springe ich nun mit Leichtigkeit über die Abgrenzung, bevor ich mich im Schatten der am Rande stehenden Büsche durch das fremde Gebiet pirsche. Noch viel mehr, als früher bücke ich mich, als ich am Küchenfenster vorbei muss. Das erste Mal an diese Abend bin ich wirklich froh, dass niemand auf den Straßen ist, der mich sehen oder vielleicht sogar erkennen könnte.

Doch mein jahrelanges Garten-Ninja-Training scheint sich bezahlt zu machen, sodass es nicht lange dauert, bis ich auch diese Etappe meiner Heimkehr überwunden habe. Ich werfe einen kurzen Blick auf die Uhr an meinem Handgelenk. Ich bin zu spät. Natürlich bin ich zu spät. Wie könnte ich nicht zu spät sein?

Langsam gehe ich die Stufen bis zu unserer Haustür hinauf. Jeden einzelnen Schritt koste ich förmlich aus. Ich kenne jeden Winkel dieses Hauses, weiß, wie er aussieht, weiß, wie es sich anfühlt, über den Boden zu gehen und wie es seinen wird, wieder hier zu sein. Und doch habe ich ein wenig Angst davor, es wieder mit eigenen Augen zu sehen; zu sehen, wie sich alles verändert hat, wie es jetzt aussieht, wie es nicht mehr so aussieht, wie damals. Noch einmal atme ich tief ein und aus, bevor ich schließlich meine leicht zitternde Hand ausstrecke und sie auf das kühle Metall des Klingelknopfes lege.

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