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Ich hatte mich nicht gewagt, mich vor ihm zu bewegen, gar zu zucken. Mir kam mein alter Naturkundelehrer in den Sinn und dessen strenge Stimme, die mir sagte, dass ich nicht rennen durfte. Dadurch würde ich nur den Raubinstinkt eines Wolfes wecken.

Mittlerweile ging ich alleine an der Promenade entlang. Die Eindrücke peitschten mehr als der Wind.
Roel meinte, er hätte mich damals umbringen können und heute glaubte ich, er wäre auch jetzt noch in der Lage dazu. Feliz behauptete, dass egal wie zahm ein Hund scheint, in ihm immer ein Wolf stecken wird.
Ich wehrte mich gegen den Gedanken, dass Roel mir tatsächlich Schlimmeres antun könnte.
Dabei richtete ich mein Gesicht zum Himmel. Eine Decke aus Sternen und einem vollen Mond hatte sich ausgebreitet, doch aus Verzweiflung löschte ich das Bild hinter meinen verschlossenen Lidern. Es erinnerte mich ebenfalls an ihn und jede Nacht, in der wir uns in anderen Formen der Extremen begegneten. Ich wollte, dass alles gut wird, für ihn, für mich, weil wir es verdienten.
Vor allem er.

Um ein Uhr in der Nacht schrieb ich meinen Freunden eine Nachricht und war schon gespannt darauf, wer dieser Einladung, zu dieser Uhrzeit noch folgen würde. In der Zwischenzeit sammelte ich das Holz zusammen. Trotz der letzten Begegnung an dieser Stelle, plagte mich keine Furcht.
Leontes hatte seine Rache bekommen. Er war berechnend und eine Schuld, beglich er mit genau einer Strafe.

„Lang ist's her, Shehu." Ein wenig zuckte ich schon zusammen, als plötzlich eine Hand auf meiner Schulter lag, auch wenn die Art, wie er meinen Namen aussprach, mir sämtliche Anspannung nahm. Jesse in zivil, schenkte mir sein typisches Zahnpastalächeln. Wer hätte geahnt, dass ich ausgerechnet den nervigsten meiner Freunde genauso vermisste, wie die anderen. „Zu lang", ergänzte ich. Die Funkstille war auch meine Schuld gewesen, doch ich musste erstmal in dieser neuen Welt zurecht kommen.

Unser letzter gemeinsamer Freitag war Wochen her und endete in einer Katastrophe. Und selbst dieses Lagerfeuer,würde ohne Anto,
nicht das werden, was es mal war.

Jesse begann neben mir her zu laufen und seinen Arm ebenfalls mit Holz zu beladen.
„Ist Kayden auch da?", erkundigte ich mich nach seinem besten Freund, aber darauf sah Jesse mich nicht mal an. Stattdessen räusperte er sich kurz. „Nö. Er hält nichts von deinem Alleingang. Du seist keine Polizistin mehr, kein Teil des Teams. Außerdem hat er Bezeichnungen, wie Verschwörungstheoretikerin und Marionette der Vampire benutzt.
Das wurde dann selbst mir zu viel." Ich nickte abwesend vor mich hin. Unsere Freundschaft konnte ich nicht retten. Waren es meine, seine, oder unsere Lügen, die uns so weit brachten?
Langsam gingen mir seine Reaktionen auch am Arsch vorbei. Ich durfte mich nur nicht an die Vergangenheit erinnern. Die Gegenwart zeigte mir genau von seiner wahren Persönlichkeit.

„Manchmal glaube ich auch, ich würde übertreiben. Keinen scheint es großartig zu interessieren, dass dort verstümmelte Leichen in Lagerhallen gestapelt werden."
Allein bei der Erwähnung breitete sich eine Gänsehaut von meinen Armen ausgehend, über meinem ganzen Körper aus. Der Gestank von rohem Fleisch kroch durch meine Sinne und ich wandte angewidert mein Gesicht ab.

„Ich glaube dir, aber das ist nicht einfach. Yvette hat zugegeben, dass du vielleicht nicht falsch liegst und moralisch nichts Verwerfliches tust, doch in dieser Angelegenheit, sei die eigene Moral zurück zu stellen. Wir sollen uns ausschließlich an die Vorschriften halten und unsere Nase nicht in Dinge stecken, die uns nichts angehen. Immerhin sind wir nur im mittleren Dienst." Da lag er falsch.
„Ich bin in gar keinem Dienst mehr", erinnerte ich ihn kläglich an den Verlust meiner halben Existenz.
Dabei schafften meine Mundwinkel nicht mehr als ein verzweifeltes Zucken.

„Keine Sorge, ich habe dein Herz wieder gefunden", behauptete er, während die Schritte neben mir verstummten. Neugierig blickte ich zurück.

Noch nie strahlten Jesses blauen Augen eine solche Wärme aus.
Wo man sonst gegen eine Wand rannte, durch seine direkte Art, packte er mich nun in weiche Watte.
Mein Blick sank, entlang an seinem ausgestreckten Arm. Er hielt doch tatsächlich meine Dienstmarke zwischen seinen Fingern. Nur mit Mühe unterdrückte ich die Tränen der nie groß gewordenen Nivia.
Ein Held hatte mir meine Träume wieder zurück gebracht.

Ich nahm das silberne Stück wieder an. Es lag vertraut in meiner Handfläche. Eine Weile hypnotisierte mich der Glanz, der das Mondlicht brach. Wow. Es war, wie zu sich selbst zu finden. Ich schloss meine Hand zur Faust. Sie gehörte zu mir.

„Danke Jesse." Meine Stimme klang ernst, ganz so, wie die Stimme eines Pfarrers, der die zehn Gebote predigte. Am liebsten hätte ich die Blondine vor mir umarmt, doch das hätte unsere natürliche Beziehung aus dem Gleichgewicht gebracht. Hauptsächlich mochten wir uns doch nur, weil wir einen gemeinsamen Freund gehabt hatten? Oder hatten wir wegen Kayden unsere eigene Freundschaft nie wirklich wahrgenommen?

Da wir für's erste nur zu zweit waren, gestalteten wir das Feuer auch relativ klein. Die Flamme war geschrumpft, wie unser Freundeskreis.
Eine Weile starrten wir in die rote Glut und schwiegen. Wir lauschten dem Knistern, den Wellen und dem mechanischen Rascheln einer Fahrradkette. Beeindruckend, schoss es mir durch die Gedanken.

Die zierliche kleine Frau sprang von ihrem Drahtesel. So schnell und gezielt, wie sie auf ihren Füßen über die Dünen schwebte, hätte kein Mensch erahnen können, dass sie unter ihrer stylischen Sonnenbrille, ihre Erblindung verbarg.
„Darf ich dir vorstellen Jesse, das ist Amari." Die Besagte blieb vor mir stehen und streckte ihren Arm aus. Erst jetzt, wo Amaris Arm fehl platziert in der Luft hing, realisierte mein Freund ihren Zustand. Er setzte einen Schritt direkt vor sie und griff nach der Hand. „Jesse, freut mich", stellte er sich persönlich vor, doch schaute im selben Moment noch fragend zu mir. „Das ist die mutige Vampirin, die ich retten durfte",
half ich ihm auf die Sprünge.
Die Geschichte war ihm bereits bekannt. Jesse beendete nicht sein hin und her starren und er löste auch nicht seine Finger von Amari.
Der Arme war überfordert.
Vielleicht hätte ich ihn vorwarnen sollen.
„Ach du Scheiße... Sorry, wegen deinen Augen... und deinem Freund", stammelte er vor sich hin, als er die Frau vor sich endlich losließ und sich stattdessen nervös durch das lange blonde Haar streichelte.

„Überlebt und verkraftet. Ohne Augen sieht man manchmal sogar mehr." Amari schenkte uns ein taffes Grinsen. Sie lernte nicht nur ihre Sinne anders einzusetzen, es gelang ihr auch hervorragend, unter der Sonnenbrille ihre eigenen Emotionen zu tarnen.

„Amari hat sich bereit erklärt, ihre Erfahrungen mit uns zu teilen. Sie möchte uns bei der Suche nach dem Elixier unterstützen." Unsere neue Unterstützung machte es sich auf dem umgelegten Baumstamm gemütlich, den ich sonst immer mit Anto teilte. „Das ist das Mindeste Nivia, nachdem du meinen Arsch aus der Hölle befreit hast." Wie eine kleine Elfe, in ihrer grünen Tunika, nahm sie ihre Beine in den Schneidersitz.

„Er nennt es Flos Infinitum. Das Elixier, meine ich", korrigierte sie mich gleich. Zum ersten Mal bekam das größte Staatsgeheimnis einen Namen. Flos Infinitum, also.
„Und wenn ihr denkt, dass er es haben will, um die Menschheit zu bereichern, dann seid ihr auf dem Holzweg." Wow, sie machte es kurz und schmerzlos. Amari bewarf uns regelrecht mit Fakten, für die ich wahrscheinlich wieder eine Ewigkeit brauen würde, um sie zu verarbeiten.

„Dieser Widerling, den sie Feliz nennen, vergöttert Vampire. Seine Forschungen beziehen sich nicht direkt auf das Flos Infinitum. Wie soll ich es ausdrücken... Er will, dass ein Vampir einem Weltenwandler gleichgestellt ist. An sich sind seine Ziele harmlos. Vampire sollen ohne Blut auskommen können, sich auf natürliche Art vermehren und leben. Ich glaube, ihm ist auch was gelungen. Bevor er mir die Augen nahm, sagte er, dass aus mir ein guter GenX geworden wäre, aber ich hätte zu viel gehört und gesehen."
Noch nie war Jesse so lange stumm geblieben, doch gerade blinzelte er nicht mal, sondern hing total fokussiert an Amaris Lippen. Genauso, wie ich. Es in der Theorie zu lernen, oder persönlich zu erfahren, waren zwei ganz unterschiedliche Dinge. Da musste jetzt auch der Sunnyboy aus Kalifornien durch.

„Durch die Verstümmelung stellt er fest, welche Zellen sich wie wieder rekonstruieren, in welcher Geschwindigkeit und so weiter. Wie gesagt, mehr als die Hälfte habe ich nicht verstanden." Und das war in Ordnung. Allein diese Informationen brachten uns weiter, zumindest, was Feliz betrifft. Was das Flos Infinitum anging, so kamen wir bei dem verrückten Forscher in einer Sackgasse an.

„Simon hat mir Unterlagen bereit gestellt. Er hat alle veröffentlichten Bilder und Pässe der letzten hundert Jahre abgeglichen. Leontes sagte, nur die wenigsten Vampire kümmern sich nach der Verwandlung noch um Ausweisdokumente." Ich holte den blauen Umschlag aus meiner Tasche. Die Chancen standen denkbar schlecht. Jeder seit hundert Jahren unveränderte Mensch, könnte auch ein Vampir sein. Mir fehlte noch immer die eine Idee davon, wie sich die beiden Spezien anhand von Bildern unterscheiden ließen.

„Simon? Du hast immer noch Kontakt zu der Kröte?", wollte Jesse wissen, während er mir die Unterlagen aus der Hand nahm. Er konnte den Nerd noch nie leiden. Simon hatte nur Augen für Bildschirme und wenn ihm etwas gegen den Strich ging, wie hauptsächlich seine Kollegen, dann führte sein erster Weg zu den Vorgesetzten. Da ich Simon nie in die Quere kam, vertrugen wir uns ganz gut, doch Jesse, der andere gerne neckte, hielt sich von der Spaßbremse lieber fern.
„Ich mag ihn", gab ich einfach zu. „Wie Leontes und diesen Noel... Bei deinem Männergeschmack wundert mich gar nichts mehr." Und genau Das meinte ich mit 'necken'.

„Konntest du dich nach allem irgendwo einleben, Amari?"
Sie dachte eine Weile nach, doch schüttelte dann resigniert ihren Kopf. „Ich streife umher, wie ein ruheloser Geist. Früher habe ich ein Dach über dem Kopf in Frauenheimen gefunden. In einer Gruppe aus Menschen zu sein, hat mir gut getan. Zu wissen, dass ich nicht die einzige bin, die sich ihrem Leben beraubt fühlt, hat mir gut getan. Leider gehöre ich auch noch zu der Sorte Vampir, die schnell die Beherrschung verliert. Seitdem ich in dieser Zelle eingesperrt war, ist es noch schlimmer geworden. Allein, wenn ich mich erschrecke, erscheint das Monster in mir, bereit alles um mich herum zu zerfetzen und ich will keinem wehtun." Ein bisschen erinnerte sie mich ja an meinen tollwütigen Freund.
Beiden hätten eine Scheibe Leontes in ihrer Persönlichkeit gut vertragen.

„Sagt dir die 066 unter Leontes was? Er hilft Vampiren." Roel würde ich Selbiges vermutlich nicht vorschlagen können.
„Ich weiß, wer die sind... Es ist nur komisch, es sich einzugestehen. Im Frauenheim wusste ich, dass ich mich für jemanden ausgegeben habe, der ich nicht war. Und bei der 066 würde es wirklich um meine Probleme gehen. Das ist so Kacke sich das einzugestehen, selbst für so ein altes Mädchen, wie mich.
Oder ausgerechnet deswegen.
Ein Jahrhundert alt und kann sich noch immer nicht beherrschen." Immerhin lachte sie im Anschluss.

Ich hätte sie viel jünger geschätzt.
Bei Vampiren machte Schätzen allerdings auch wenig Sinn.
„Du kannst auch bei mir bleiben und wir finden gemeinsam eine Lösung mit der du dich wohlfühlst", schlug ich vor. Als ehemaliger Teil der Polizei, die Feliz Machenschaften deckten, fühlte ich mich ihr gegenüber irgendwie schuldig.

„Ja, Nivia könnte dir eine Zelle anbieten, natürlich sobald ihre andere Freundin da raus darf."
Ich schlug dem vorlauten Blonden gegen den Hinterkopf. Solche Kommentare durfte er sich gerne verkneifen. Amari legte ihren Kopf schief. „Ach, hör nicht auf ihn. Antonella ist ein frisch verwandelter Vampir und es ist kompliziert."
Amari nickte. „Ihr seid schon eine seltsame Truppe", stellte sie fest.
Nicht vor sehr langer Zeit, waren wir noch so ziemlich langweilig gewesen.

„Wollt ihr eure Ruhe bei der Aktensuche? Ich meine bei der Betrachtung von Bildern kann ich nicht viel beitragen." Ein schiefes Grinsen bildete sich zwischen ihren rundlichen Wangen.

Genau genommen, arbeitete nur Jesse. Seitdem die Papiere zwischen seinen Fingern steckten, schenkte er kaum noch was anderem seine Aufmerksamkeit. Von außen, wirkte es so, als würde er jeden Buchstaben und jede Farbe in sich aufsaugen. Seine Lippen formten ein stetiges 'U' so konzentriert war er.

Als ob er meinen Blick auf sich gespürt hätte, kommentierte er seinen derzeitigen Stand.
„Schaut euch den Freak hier mal an. Der wechselt alle fünf Jahre seinen Pass und das Land. Das einzige, was bleibt, ist sein Beruf. Ein Arzt aus Leib und Seele. Hier, ein Zeitungsbericht." Jesse überreichte mir den Fetzen. Über dem Bericht war ein Foto abgebildet. Ein Mann mit hellen Haaren, um die vierzig Jahre alt, schaute mich mit einem durchaus strengen Blick durch ein Fenster an. Der Fotograf musste das Bild von draußen aufgenommen haben. Schwarz auf Weiß stellte den einzigen Kontrast dar. Ich erkannte noch dunkle Flecken auf seinem Kittel. Fairer Weise, las ich den Ausschnitt darunter laut vor.

„1919. Das Licht im Verderben. Deutscher Arzt Doktor Wilhelm Grüning baut Lazarett für Erkrankte in Indien. Die hoch pathogene Variante des Influenza-A-Virus forderte bisher knapp zehn Millionen Leben im Land. Doktor Grüning trotzt den Gefahren. Blut verfärbt seinen Kittel und dennoch geht er seiner Bestimmung nach. Der Eid zur Hilfe steht bei ihm über allem. Laut Aussagen befinden sich zur Zeit über dreißig Personen in dem provisorisch hergerichteten Krankenhaus, welches vor der Katastrophe als Schule genutzt wurde. Möge Gott diesen Mann schützen."
Ein Vampir als Arzt und das auch noch zu Zeiten einer Pandemie, in der die Infizierten begannen, Blut zu speien. Mein Respekt war ihm sicher.

„Seltsam..." Es war dieses eine Wort, welches reichte, um uns aufhören zu lassen. Jesse und ich sahen gespannt zu Amari, die sich wieder in den Schneidersitz gesetzt hatte.
„Vampire hatten sich vor der Spanischen Grippe gefürchtet.
Ich habe sie nicht gehabt, aber mir wurde erzählt, es käme dem Sterben gleich, selbst für unsere Spezies. Einige Vampire haben sich das Herz selbst aus der Brust gerissen, damit es aufhört."

Nicht nur seltsam, sondern interessant... Dieser Mann nahm das mit der Nächstenliebe entweder sehr ernst, oder aber, die Krankheit machte ihm tatsächlich nichts aus...

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